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Wirtschaftsrecht
18.11.2010
Wirtschaftsrecht
LG Berlin: Aufklärung über das Totalverlustrisiko einer Unternehmensbeteiligung

LG Berlin, Urteil vom 11.11.2010 - 10 O 36/10

Leitsätze

1. Zur Aufklärung über das Totalverlustrisiko einer Unternehmensbeteiligung (Medienfonds) kann es genügen, dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsabschluss einen Prospekt zu überlassen, wenn darin die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich enthalten sind.

2. Bei der Frage der Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über die ihm in Folge der Vermittlung zustehenden Vergütungen ist zwischen normalen Vertriebsprovisionen (Innenprovisionen) und Rückvergütungen zu unterscheiden. Nur letztere sind auch unterhalb der vom BGH festgesetzten Schwelle (Innenprovision mehr als 15% der Beteiligungssumme) aufklärungspflichtig.

3. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn Teile der - offen ausgewiesenen - Ausgabeaufschläge und Verwaltungskosten, die der Kunde über die Bank oder eine sonstige Vertriebsgesellschaft an die Fondsgesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an den Anlageberater umsatzabhängig zurückfließen, so dass dieser ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen, die Zahlungen also schmiergeldähnliche Funktion haben.

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen einer angeblichen Falschberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung eines Medienfonds in Anspruch.

Die Klägerin war seit 2004 Kundin der Beklagten und unterhielt bei dieser ein Konto und ein Wertpapierdepot. Für die Betreuung der Klägerin war der bei der Beklagten beschäftigte Bankberater Herr Christoph ... zuständig. Im Zuge der nach der Kontoeröffnung geführten Gespräche gab die Klägerin gegenüber Herrn ... an, sie habe schon einmal Erfahrungen mit Medienfonds gesammelt und sich an einem Filmleasing Fonds mit der Bezeichnung ... Production II beteiligt. In einem von ihr am 28.11.2004 unterzeichneten Vermögensanlagebogen kreuzte sie als Anlagestrategie die Kategorien "Chancenorientiert - Hohen Ertragschancen stehen hohe Risiken gegenüber" und "Steueroptimierte Anlage - Langfristige unternehmerische Beteiligung an geschlossenen Fonds" an. Wegen weiterer Einzelheiten bezüglich des erstellten Vermögensanlagebogens wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.

Am 29.10.2004 zeichnete die Klägerin eine Beteiligung in Höhe von nominal 50.000 EUR an dem streitgegenständlichen Fonds (Beteiligungsangebot 77 der DaimlerChrysler Services an der ... Zweite Productions GmbH & Co. KG), nachdem ihr zuvor von Mitarbeitern der Beklagten der Prospekt des Beteiligungsangebots ausgehändigt worden war. Bei dem Fonds handelt es sich um einen leasingähnlichen Filmfonds, der auf die Erzielung möglichst hoher Steuervorteile angelegt ist. Auf die Beteiligung hat die Klägerin eine Einlagezahlung aus Eigenmitteln in Höhe von 30.000 EUR erbracht und in Höhe von weiteren 20.000 EUR die in dem Beitrittsformular angebotene Finanzierung über ein Darlehen der ...-... gewählt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 eingereichte Beitrittserklärung der Klägerin vom 29.10.2004 sowie auf den als Anlage K 2 vorgelegten Beteiligungsprospekt Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie sei vor der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung von dem Bankberater D. ausführlich anhand des Fondsprospekts beraten worden. Dass die Beklagte für die Vermittlung des Fonds eine Vergütung von lediglich 8 % der Bareinlage bzw. 4,8 % des Nominalanteils erhalten habe, wie diese vorträgt, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Insoweit vertritt sie überdies die Auffassung, dass es sich bei den von der Beklagten vereinnahmten Zuwendungen um aufklärungspflichtige Rückvergütungen gehandelt habe, welche unabhängig von ihrer Höhe aufklärungspflichtig seien. Ein weiterer Beratungsfehler sei darin zu sehen, dass in dem bei der Beratung durch den Mitarbeiter der Beklagten verwendeten Fondsprospekt nicht ausreichend deutlich auf die mit der Beteiligung verbundenen Risiken und insbesondere auf die Gefahr eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals hingewiesen werde.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2009 zu zahlen sowie sie aus ihrer Verpflichtung aus ihrem Darlehensvertrag mit der ... vom 29.10./22.11.2004 in Höhe von 34.104,14 EUR freizustellen, Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Beteiligung mit nominal 50.000 EUR an dem Beteiligungsangebot 77 der ... Services, der ... GmbH & Co. KG (Leasingähnlicher Filmfonds) vom 29.10./22.11.2004.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie als weiteren Schaden außergerichtliche Kosten in Höhe von 2.429,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2009 zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagte die Klägerin von allen steuerlichen Nachteilen freizustellen hat, die ihr aus dem Erwerb der unter Ziffer 1) genannten Beteiligung entstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr Berater ... habe der Klägerin lediglich den Fondsprospekt ausgehändigt und hierzu keine weiteren Erläuterungen abgegeben. Ein Beratungsvertrag sei daher nicht zustande gekommen. Im Übrigen handele es sich bei den von ihr für den Vertrieb des streitgegenständlichen Fonds vereinnahmten Beträgen auch nicht um aufklärungspflichtige Rückvergütungen. Schließlich erhebt die Beklagte vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 verwiesen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 249 BGB zu, der die mit der Klage geltend gemachten Zahlungs- und Feststellungsanträge rechtfertigen würde. Zwar kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag hinsichtlich der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung zustande gekommen ist (dazu 1.). Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte die ihr aus diesem Vertag obliegenden Pflichten verletzt hätte (dazu 2.).

1. Dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag betreffend die streitgegenständliche Fondsbeteiligung zustande gekommen ist, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Ein solcher Vertrag kommt zustande, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder einen sonstigen Berater herantritt, um sich über die Anlage seines Vermögens beraten zu lassen (BGHZ 100, 117, 122; BGH NJW 2004, 1868f.; BGH, BKR 2008, 188 ff.; OLG München, Urteil vom 02.06.2008 - 17 U 5698/07). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Interessent von sich aus oder auf Initiative der Bank den Berater aufsucht (BGHZ 123, 126 ff. = NJW 1993, 2433 ff. = WM 1993, 1455 ff.).

Die Hürden für die Annahme eines Beratungsvertrages sind demgemäß sehr niedrig anzusetzen. Nach der zitierten Rechtsprechung treffen eine Bank immer schon dann die Pflichten aus einem Beratungsvertrag, wenn sich ein Gespräch zwischen einem Anlageinteressenten und einem Bankberater entwickelt, in dem eine Anlageentscheidung thematisiert wird und zumindest den Umständen zu entnehmen ist, dass die Bank ihre Sachkunde im Interesse des Kunden einbringen will. Allein die bloße Tatsache, dass ein Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat, führt daher faktisch stets auch zur Annahme, dass ein Beratungsvertrag geschlossen wurde.

Nach dem Vorbringen der Klägerin wären die Voraussetzungen für den stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrags vorliegend damit ohne weiteres zu bejahen. Da die Beklagte das Klagevorbringen insoweit jedoch bestreitet und ihrerseits vorträgt, ihr Bankberater habe sich darauf beschränkt, der Klägerin den Beteiligungsprospekt auszuhändigen, würde der für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin der Nachweis obliegen, dass das von ihr behauptete Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat.

Nachdem eine Parteivernehmung nach § 447 ZPO mangels Zustimmung der Beklagten nicht in Betracht kommt und die Klägerin keinen anderen Beweis angetreten hat, könnte dieser Nachweis allenfalls im Rahmen einer von Amts wegen anzuordnenden Parteivernehmung (§ 448 ZPO) erbracht werden. Unabhängig davon, ob die für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO erforderliche Anfangswahrscheinlichkeit hier vorliegt (Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 448 Rn. 3), wofür nach der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 nach Auffassung des erkennenden Gerichts einiges spricht, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass das von ihr behauptete Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat, weil die Klage bereits aus anderen Gründen abzuweisen ist.

2. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Pflichten aus einem zu unterstellenden Beratungsverhältnis mit der Klägerin tatsächlich verletzt hätte.

a. Eine als Anlageberaterin auftretende Bank trifft die Pflicht zu einer umfassenden, wahrheitsgemäßen, sorgfältigen Information über alle Tatsachen und Umstände, die für die jeweilige Anlageentscheidung des Kunden Bedeutung haben oder haben können (BGHZ 74, 103). Der Umfang einer Aufklärungspflicht wird im Einzelfall durch die persönlichen Verhältnisse des Kunden mitbestimmt. Erfolgt die Beratung über die Anlage eines bestimmten Geldbetrages, sind der Wissenstand des Kunden über die Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art sowie dessen Risikobereitschaft und das vorgegebene Anlageziel nebst den speziellen Risiken dieses Anlageobjekts von Bedeutung. Je unerfahrener der Kunde ist, desto intensiver und deutlicher müssen Beratung und Aufklärung ausfallen. Die Anlage muss unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Kunden anlegergerecht sein (BGH MDR 1993, 861; WM 2000, 1441). Die Beratung muss ebenso wie die empfohlene Anlage auf die Verhältnisse des konkreten Anlageinteressenten (anlegergerechte Beratung) zugeschnitten sein. Einem Kunden, der eine sichere Anlage zur Alterssicherung wünscht, darf keine spekulative Anlage verkauft werden (BGH WM 2000, 1441, 1443; BGH, Urteil vom 14.7.2009 - XI ZR 152/08).

In einer zweiten Ebene hat der Anlageberater den Kunden über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Kriterien des Anlageobjekts sachgerecht, vollständig und wahrheitsgemäß zu informieren (objektgerechte Beratung). Inhalt dieser objektbezogenen Beratungspflicht sind vor allem Hinweise auf besondere Risiken des Anlageobjekts, Grundlagen für die zu erwartende Rendite sowie allgemeine marktbezogene Chancen und Risiken des jeweiligen Anlageobjektes, insbesondere bezogen auf zu erwartende Kurs-, Zins- und Währungsentwicklungen. Die Beratung der Bank muss richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein. Die Bank muss zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Fehlen ihr derartige Kenntnisse, so hat sie das dem Kunden mitzuteilen und offen zu legen, dass sie zu einer Beratung z. B. über das konkrete Risiko eines Geschäfts mangels eigener Information nicht in der Lage ist (BGHZ 123, 126, 129; Bultmann/Hoepner/Lischke, Anlegerschutzrecht, 2009, Rn. 449).

b. Nach diesen Grundsätzen läge eine Pflichtverletzung der beklagten Bank selbst dann nicht vor, wenn der Klägervortrag in tatsächlicher Hinsicht zutreffend wäre.

aa. Insbesondere hätte die Empfehlung des streitgegenständlichen Fonds den persönlichen Verhältnissen und Anlagezielen der Klägerin entsprochen und wäre somit anlegergerecht gewesen. Ausweislich des von der Klägerin am 28.11.2004 unterzeichneten Vermögensanlagebogens (Anlage B 1) handelte es sich bei ihr um eine erfahrene und wirtschaftlich wohl situierte Anlegerin, die - abgesehen von Finanztermingeschäften und Optionsscheinen - bereits in sämtliche denkbaren Finanzanlagen investiert hatte. Als Anlagestrategie hatte sie in dem Vermögensanlagebogen die Kategorien "Chancenorientiert - Hohen Ertragschancen stehen hohe Risiken gegenüber" und "Steueroptimierte Anlage - Langfristige unternehmerische Beteiligung an geschlossenen Fonds" angegeben. In diese Anlagestrategie fügt sich die streitgegenständliche Fondsbeteiligung ohne weiteres ein.

An dieser Beurteilung vermag auch der Einwand der Klägerin, der von der Beklagten vorgelegte Vermögensanlagebogen sei zeitlich erst einen Monat nach der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung erstellt worden, im Ergebnis nichts zu ändern. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Exploration des Anlegers schon deswegen grundsätzlich zu Beginn einer Anlageberatung erfolgen sollte, damit die Bank die dabei gewonnenen Erkenntnisse bei den auszusprechenden Anlageempfehlungen auch berücksichtigen kann. Sofern die Beklagte dies vorliegend nicht beachtet haben sollte, würde dies im Ergebnis jedoch nicht zu einem Schadensersatzanspruch führen. Denn da die Anlageempfehlung, wie bereits ausgeführt, tatsächlich den persönlichen Verhältnissen und Anlagezielen der Klägerin entsprochen hat, fehlte es jedenfalls an der notwendigen Kausalität der Pflichtverletzung.

bb. Die Beklagte hat darüber hinaus auch ihre Pflicht zur anlage- bzw. objektgerechten Beratung nicht verletzt. Dies gilt wiederum selbst dann, wenn man das Klagevorbringen in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend unterstellte.

Nach den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 hatte ihr der Fondsprospekt bereits vor dem streitgegenständlichen Beratungsgespräch vorgelegen. In dem zwanzig bis dreißig Minuten dauernden Gespräch habe ihr der Bankberater anhand des vorliegenden Prospekts, in dem sie sich Notizen gemacht habe, ausführlich die Funktionsweise des Fonds erläutert (so ausdrücklich Seite 2 des Schriftsatzes der Klägervertreter vom 22.03.2010). Die Beitrittserklärung habe sie erst nach einer Bedenkzeit von einigen Tagen zu Hause unterzeichnet und per Post an die Beklagte übersandt.

In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass eine Information über das Anlageobjekt und die damit verbundenen Risiken auch durch die Übergabe eines Prospekts erfolgen kann, der nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß zu vermitteln und dem Anleger so rechtzeitig übergeben wird, dass sein Inhalt von ihm noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urt. v. 05.03-2009 - III ZR 302/07, NJW, RR 2009, 697, Tz. 17 m. w. N.). Da die Klägerin unstreitig mehr als ausreichend Zeit hatte, sich mit dem Fondsprospekt zu beschäftigen, wäre eine Haftung der Beklagten vorliegend nur dann in Betracht gekommen, wenn die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken in dem Prospekt nicht hinreichend deutlich dargestellt worden wären oder wenn der Anlageberater die in dem Prospekt dargestellten Risiken gegenüber der Klägerin bewusst verharmlost hätte (BGH, Urt. v. 12-07.2010 - III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690, Tz. 10). Beides kann jedoch nicht festgestellt werden.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, welcher im allgemeinen die wesentliche Unterrichtungsmöglichkeit für einen Beitrittsinteressenten darstellt, ein zutreffendes und vollständiges Bild über sämtliche Umstände zu vermitteln, welche für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind (BGHZ 79, 337, 344 f.; 123, 106, 109 f.; BGH, NJW 2004, 2228, 2229). Dass der hier streitgegenständliche Prospekt diesen Anforderungen nicht genügen würde, hat die Klägerin - trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises in der Verfügung vom 31.03.2010 - nicht schlüssig dargelegt. Insoweit beruft sich die Klägerin in der Klageschrift im Wesentlichen nur auf einen angeblich fehlenden Hinweis auf das Risiko eines Totalverlusts. Ein entsprechender unübersehbarer Hinweis findet sich jedoch unter dem Kapitel "Chancen und Risiken" auf Seite 52 des Prospekts, worauf das Gericht bereits mit der Terminsverfügung vom 31.03.2010 hingewiesen hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dieser Hinweis auch nicht dadurch entwertet, dass auf Seite 12 des Prospekts die Schuldübernahme durch die ... für die laufenden Lizenzzahlungen erwähnt wird, weil auch an dieser Stelle des Prospekts auf die ungeachtet der Schuldübernahme für die Anleger verbleibenden Risiken hinreichend deutlich hingewiesen wird.

Schließlich kann eine Haftung der Beklagten auch nicht mit dem Hinweis darauf begründet werden, dass der Anlageberater die in dem Prospekt dargestellten Risiken gegenüber der Klägerin bewusst verharmlost hätte. Zwar stellt die Aushändigung eines Prospekts nach der Rechtsprechung des BGH für einen Vermittler oder Berater keinen Freibrief dar, um die Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert (BGH, Urt. v. 12.07.2010 - III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690, Tz. 10 m. w. N.).

Derartige Umstände wurden jedoch weder in der Klageschrift noch in den nachfolgenden Schriftsätzen der Klägerin hinreichend konkret vorgetragen, obwohl das Gericht bereits mit der Terminsverfügung vom 31.03.2010 auf die der Klägerin auch insoweit obliegende Darlegungs- und Beweislast hingewiesen hatte. Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 angegeben hat, dass der Kundenberater ihr eine Anlage in den streitgegenständlichen Medienfonds als sicher dargestellt habe, ist dies für einen schlüssigen Vortrag nicht ausreichend. Zum einen ist bereits nicht eindeutig festzustellen, dass sich der Klägervertreter den Vortrag seiner Partei in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 zu eigen gemacht hätte, was im Hinblick auf den Beibringungsgrundsatz und die fehlende Postulationsfähigkeit der Klägerin notwendig gewesen wäre. Zum anderen ist die Aussage aber auch derart pauschal, dass sie auch aus diesem Grund den Eintritt in eine förmliche Beweisaufnahme bzw. Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht hätte rechtfertigen können.

cc. Schließlich wäre eine Verletzung des - nach dem Vortrag der Klägerin mutmaßlich zustande gekommenen - Beratungsvertrags auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte die Klägerin nicht über die Vergütung aufgeklärt hat, welche sie für den Vertrieb der Beteiligungen an dem streitgegenständlichen Fonds erhält.

aa. Nach der Rechtsprechung des für die Bankenhaftung zuständigen XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs muss eine Bank, die einem Anleger Fondsanteile empfiehlt, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält. Die Aufklärung über die Rückvergütung sei notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Erst durch die Aufklärung werde der Anleger in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfehle, weil sie selbst daran verdiene (BGHZ 170, 226, 234 = NJW 2007, 1876, Tz. 23). Diese Rechtsprechung wurde durch eine weitere Entscheidung des Senats vom 20.01.2009 - XI ZR 510/07 (NJW 2009, 1416) ausdrücklich auf den Vertrieb von geschlossenen Fonds und insbesondere auch auf Medienfonds erstreckt.

Allerdings ist der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats auch zu entnehmen, dass eine Aufklärungspflicht nicht generell bezüglich sämtlicher geldwerter Vorteile besteht, welche eine Bank für den Vertrieb eines bestimmten Kapitalanlageprodukts von dritter Seite erhält. Vielmehr muss insoweit zwischen echten (aufklärungspflichtigen) Rückvergütungen und sonstigen Vertriebsprovisionen unterschieden werden. Während eine Bank über echte Rückvergütungen nach der zitierten Rechtsprechung grundsätzlich unabhängig von deren Höhe in jedem Fall ungefragt aufklären muss, besteht hinsichtlich sonstiger Vertriebsprovisionen eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn deren Höhe mehr als 15 % beträgt. Durch die zuletzt genannte Hinweispflicht, die erst ab einer bestimmten Höhe der gezahlten Provision eingreift, soll indes nicht ein Interessenkonflikt der beratenden Bank offen gelegt, sondern dem Anleger ermöglicht werden, die Werthaltigkeit der Anlage zu beurteilen (BGHZ 158, 110, 118, = NJW 2004, 1732, Tz. 31 ff.; Assmann, ZIP 2009, 2125, 2172).

Diese Unterscheidung hat der XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zuletzt in seinem Urteil vom 27.10.2009 - XI ZR 338/08, WM 2009, 2306, nochmals ausdrücklich betont. Dort heißt es wörtlich (Tz. 31):

"Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn - anders als hier - Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen."

Die von dem BGH mit dieser Entscheidung (weiter) entwickelte Definition aufklärungspflichtiger Rückvergütungen stellt somit in erster Linie auf die besondere Herkunft und den Zahlungsweg der Zuwendungen ab. Rückvergütungen sollen dadurch gekennzeichnet sein, dass sie aus Teilen der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft gezahlt hat, hinter seinem Rücken umsatzabhängig an die beratende Bank zurückfließen. Ein durch die Zahlung von Vertriebsprovisionen ausgelöster Interessenkonflikt der beratenden Bank kann nach dieser Definition, jedenfalls für sich allein genommen, eine Aufklärungspflicht noch nicht begründen. Diese zugestandenermaßen eher formale Differenzierung lässt sich - entgegen einiger kritischer Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa OLG Frankfurt, ZIP 2010, 2039, juris Rn. 20 f.; Habersack, WM 2010, 1245, 1252; Koch, BKR 2010, 177, 180 ff.) - auch sachlich rechtfertigen, weil echten Rückvergütungen gerade aufgrund ihres besonderen Zahlungsweges ("hinter dem Rücken des Anleger") letztlich ein schmiergeldähnlicher Charakter innewohnt (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 1386 juris Rn. 55 f.; Nobbe, WuB I G 1. - 5.10; Varadinek/Röh, ZIP 2009 2383, 2385).

bb. Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte - unabhängig von dem fraglichen Zustandekommen eines Beratungsvertrags - nicht verpflichtet, die Klägerin über die vereinnahmten Vertriebsvergütungen aufzuklären.

Da die Klägerin unstreitig weder einen Ausgabeaufschlag noch gesonderte Verwaltungsgebühren über die Beklagte an die Fondsgesellschaft gezahlt hat, können diese auch nicht hinter ihrem Rücken an die Beklagte zurückgeflossen sein. Nach der von der von dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entwickelten Definition handelt es sich bei der von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovision somit nicht um echte Rückvergütungen, die unabhängig von ihrer Höhe eine Aufklärungspflicht der Bank auslösen.

Schließlich begründen die von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovisionen, die sich nach deren Angaben auf 8 % der jeweiligen Bareinlage bzw. 4,8 % des Nominalanteils belaufen und damit unter der maßgeblichen 15 % Grenze liegen, auch im Hinblick auf ihre Höhe keine Aufklärungspflicht. Soweit die Klägerin die Angaben der Beklagten zur Höhe der Provision mit Nichtwissen bestreitet, geht dies ins Leere, weil die Darlegungs- und Beweislast auch insoweit dem mutmaßlich geschädigten Anleger obliegt (vgl. Rotter/Placzek, Bankrecht, 1. Aufl. 2009, § 14 Rn. 41). Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte durch die Angabe der Provisionshöhe in ihrem Schriftsatz vom 03.05.2010 nachgekommen. Konkrete Anhaltspunkte, welche Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie sind für das Gericht auch nicht ersichtlich, zumal sich die von der Beklagen genannte Provisionshöhe in etwa mit der im Prospekt für die Beschaffung des Eigenkapitals angegebenen Gebühr von 8,5 % (vgl. dort Ziffer 7.2, S. 24) deckt und im dem für den Vertrieb von Medienfonds üblichen Rahmen bewegt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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