BGH: Anwendung des AGG auf GmbH-Geschäftsführer
BGH, Urteil vom 23.4.2012 - II ZR 163/10
Leitsätze
a) Auf den Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt, sind gemäß § 6 Abs. 3 AGG die Vorschriften des Abschnitts 2 des Allgemeinen Gleichbehand-lungsgesetzes und § 22 AGG entsprechend anwendbar.
b) Entscheidet ein Gremium über die Bestellung und Anstellung eines Bewerbers als Ge-schäftsführer, reicht es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG aus, dass der Vorsit-zende des Gremiums die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, un-widersprochen öffentlich wiedergibt und sich daraus Indizien ergeben, die eine Benachtei-ligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG vermuten lassen.
c) Macht der Kläger einen Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens nach § 15 Abs. 1 AGG geltend, obliegt ihm grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist. Ihm kommt aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen be-steht.
AGG §§ 1, 2, 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 10, 15, 22
Sachverhalt
Der im März 1947 geborene Kläger war medizinischer Geschäftsführer der beklagten GmbH, die im Raum K. stationäre Krankenhausdienstleistun-gen anbietet. Einzige Gesellschafterin der Beklagten ist die Stadt K. . Die Be-klagte hat einen fakultativen Aufsichtsrat. Diesem obliegen nach der Satzung der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung der Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern. Die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer er-folgt durch die Gesellschafterversammlung aufgrund einer Empfehlung des Aufsichtsrats.
Der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers vom 23. Juli 2004 hatte eine - nach der Satzung der Beklagten auf fünf Jahre beschränkte - Lauf-zeit bis zum 31. August 2009. Vereinbarungsgemäß hatten die Vertragspartner spätestens ein Jahr vor dem Ende der Laufzeit zu erklären, ob sie zu einer Ver-längerung des Vertragsverhältnisses bereit seien. Für den Fall übereinstim-mender Erklärungen, am Vertragsverhältnis festhalten zu wollen, hatten sich die Vertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über die Verlängerung des Ver-tragsverhältnisses aufzunehmen.
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 4. August 2008 die Bereitschaft zur Vertragsverlängerung. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2008 mit neun Ja- und drei Nein-Stimmen, den Anstel-lungsvertrag nicht zu verlängern. Statt dessen wurde ein 41-jähriger Mitbewer-ber des Klägers zum neuen medizinischen Geschäftsführer bestellt.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe mit der Ablehnung sei-ner Weiterbeschäftigung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Er begehrt deshalb die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der nicht erfolgten Anstellung und der nicht erfolgten Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten entstanden seien und noch entstehen würden. Weiter hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zah-lung einer angemessenen Entschädigung für seinen Nichtvermögensschaden, mindestens in Höhe von 110.000 €, beantragt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags und im Umfang von 36.600 € auch hinsichtlich des Zahlungsantrags stattgegeben und den weitergehenden Zahlungsantrag abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen.
Aus den Gründen
6 Die Revision der Beklagten ist insoweit erfolglos, als dem Zahlungsan-trag stattgegeben worden ist. Im Übrigen haben beide Rechtsmittel Erfolg und führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sa-che an das Berufungsgericht.
7 I. Das Berufungsgericht (OLG Köln, DB 2010, 1878) hat seine Entschei-dung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8 Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sei eröffnet. Das ergebe sich aus § 6 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Danach würden die Schutzbestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch für Geschäftsführer gelten, soweit die Bedin-gungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und der berufliche Aufstieg betrof-fen seien. Hier gehe es um den erneuten Zugang des Klägers zu dem Ge-schäftsführeramt.
9 Der Kläger sei aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe im Verhält-nis zu dem 41-jährigen Mitbewerber benachteiligt worden, nämlich wegen sei-nes Alters. Das sei gemäß § 22 AGG zu vermuten. Der Kläger habe in Form des Inhalts der entscheidenden Aufsichtsratssitzung und der Berichterstattung in der Presse ausreichende Indizien für eine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG vorgebracht. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen.
10 Die Altersdiskriminierung des Klägers sei nicht nach § 10 AGG zulässig. Es fehle schon an einem legitimen Ziel im Sinne dieser Vorschrift. Zwar kämen dafür außer reinen Gemeinwohlbelangen auch anerkennenswerte betriebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht. Der Hinweis der Beklagten auf die Umbruchsituation des Gesundheitsmarktes und der Wunsch nach langfristi-ger Bindung und Kontinuität reiche dafür aber nicht aus, ebenso wenig die von der Stadt K. angestrebte Altersgrenze von 65 Jahren für Mitarbeiter auf der Leitungsebene städtischer Gesellschaften. Im Übrigen hätte dieses Ziel durch eine Neubestellung des Klägers für drei Jahre erreicht werden können. Auch wenn man berücksichtige, dass bei Organmitgliedern ein großzügigerer Beurtei-lungsmaßstab in Betracht komme, reiche der Vortrag der Beklagten nicht aus.
11 Das Verschulden werde gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG vermutet. Die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG für die Geltendmachung der Ersatzansprüche sei eingehalten. Eine Bezifferung des Anspruchs innerhalb dieser Frist sei nicht erforderlich.
12 Damit bestehe eine Pflicht zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers nach § 15 Abs. 1 AGG. Dafür reiche aus, dass die Beklagte den Ent-scheidungsprozess ihres Aufsichtsrats nicht offengelegt habe, so dass nicht ersichtlich sei, ob der Kläger ohne die Berücksichigung seines Alters ebenfalls nicht weiterbeschäftigt worden wäre.
13 Zum Ausgleich seiner mit der Altersdiskriminierung verbundenen imma-teriellen Schäden stehe dem Kläger nach § 15 Abs. 2 AGG nur ein Anspruch in Höhe von zwei Monatsgehältern, nämlich 36.600 €, zu. Das Gericht habe inso-weit ein weites Ermessen. Die Entschädigung dürfe nicht nur geringfügig-symbolisch, aber auch nicht überzogen-ausufernd sein. Präventions- und Sank-tionsgesichtspunkte spielten eine Rolle, ebenso der Umstand, dass neben dem Anspruch auf immaterielle Entschädigung auch noch ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden geltend gemacht werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Diskriminierung nicht besonders schwer wiege, weil der Kläger nicht wegen seines Alters als leistungsschwach bezeichnet worden sei. Im Übrigen hätten Teile des Aufsichtsrats auch Bedenken gegen die fachliche Eignung des Klägers gehabt, so dass die Entscheidung letztlich aufgrund eines Motivbündels getroffen worden sei. Dabei könne offen bleiben, ob die Zweifel berechtigt ge-wesen seien.
14 II. Diese Ausführungen beruhen in einzelnen Punkten auf Rechtsfehlern.
15 1. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht sei-ne Annahme, die Beklagte sei zum Ersatz des Vermögensschadens verpflich-tet, der dem Kläger durch die nicht erfolgte erneute Anstellung und Bestellung zum Geschäftsführer entstanden sei. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wegen seines Alters unter Verstoß gegen das All-gemeine Gleichbehandlungsgesetz benachteiligt worden ist. Es hat aber nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger ohne diese Benachteiligung erneut beschäftigt worden wäre.
16 a) Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehand-lungsgesetzes ist - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - eröffnet.
17 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist schon nach § 6 Abs. 3 AGG auf den Kläger anwendbar. Danach gelten die Vorschriften des zweiten Abschnitts des Gesetzes für Geschäftsführer entsprechend, soweit es u.a. die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betrifft. Damit kann offen bleiben, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist - wie hier der Kläger -, im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Beschäftig-ter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift, angesehen wer-den kann (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2010 - C-232/09, ABl. EU 2011, Nr. C 13, 11 = ZIP 2010, 2414 - Danosa).
18 b) Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehand-lungsgesetzes ist ebenfalls eröffnet, weil der Zugang zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG betroffen ist.
19 aa) Unter das Merkmal des Zugangs zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG fallen sowohl der Abschluss eines Geschäftsführeranstel-lungsvertrages als auch die Bestellung zum Geschäftsführer nach §§ 6, 35 ff. GmbHG (Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 328; Wilsing/Meyer, DB 2010, 341, 342; Krause, AG 2007, 392, 394; Lutter, BB 2007, 725, 726; Hoentzsch, Die Anwen-dung der Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgeset-zes auf Organmitglieder, 2011, S. 34; aA Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 997 f.; Schrader/Schubert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 6 Rn. 30; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281, 283 f.). Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 AGG, der darauf gerichtet ist, den Schutz vor Benachteiligungen aus den in § 1 AGG genannten Gründen u.a. auf Geschäftsführer auszudehnen (s. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/1780, S. 34). Zwar werden die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere seine Vergütungsansprüche, regelmäßig in dem Anstellungsvertrag geregelt. Ohne Bestellung zum Geschäftsführer kann der Anstellungsvertrag aber nicht durch-geführt werden. Der dennoch bestehende Vergütungsanspruch nach § 615 BGB kann die in der Nichtbestellung zum Geschäftsführer liegende Diskriminie-rung nicht in vollem Umfang ausgleichen. Jedenfalls können immaterielle Schäden entstehen, wenn die Bestellung zum Geschäftsführer entgegen dem An-stellungsvertrag unterbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2010 - II ZR 266/08, ZIP 2011, 122 Rn. 10).
20 bb) Von dem Begriff des Zugangs zur Erwerbstätigkeit wird auch der Fall erfasst, dass die Bestellung eines Geschäftsführers aufgrund einer Befristung endet und die Stelle neu besetzt werden soll. Wenn sich der bisherige, infolge Fristablaufs aus seinem Anstellungsverhältnis und seinem Amt ausgeschiedene Geschäftsführer - wie hier der Kläger - wiederum um die Stelle des Geschäfts-führers bewirbt, erstrebt er damit einen - neuen - Zugang zu dieser Tätigkeit (vgl. BVerwG, NZA-RR 2011, 233 Rn. 26; MünchKommBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 2 Rn. 7; Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 126; Schrader/Schubert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 6 Rn. 31b ff.; Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597, 603; aA Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 329; Lutter, BB 2007, 725, 728 f.).
21 Indem § 6 Abs. 3 AGG die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbe-handlungsgesetzes bezüglich der Organmitglieder auf den Zugang beschränkt und die Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG davon ausnimmt, bezweckt die Vorschrift, den für die Entscheidung über Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen zuständigen Gesellschafts-organen eine weitgehend freie, nur am Unternehmenswohl orientierte und allein an der Grenze der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu messende Entscheidung zu ermöglichen. Wollen die Gesellschafterver-sammlung oder der Aufsichtsrat das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsfüh-rers der Gesellschaft durch Entlassung beenden und seine Bestellung zum Ge-schäftsführer widerrufen, sollen sie dabei nicht eine Abwägung nach dem All-gemeinen Gleichbehandlungsgesetz vornehmen müssen. Um eine solche Ent-lassungs- und Widerrufsentscheidung geht es hier jedoch nicht. Das Vertrags-verhältnis des Klägers und seine Amtsstellung sind infolge des Ablaufs der Befristung beendet. Zu überprüfen ist nicht die Zulässigkeit dieser Befristung, son-dern die Zulässigkeit der Entscheidung, den Kläger nicht erneut zum Geschäfts-führer zu berufen und mit ihm kein neues Vertragsverhältnis zu begründen. Wollen die zuständigen Gesellschaftsorgane die Stelle eines abberufenen oder sonst aus dem Amt geschiedenen Geschäftsführers nicht unbesetzt lassen, sondern wieder neu besetzen, müssen sie bei der Auswahl des neuen Ge-schäftsführers die Grenzen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes be-achten. Bewirbt sich der ausscheidende Geschäftsführer erneut um das Ge-schäftsführeramt, kommt ihm damit derselbe Schutz durch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugute wie jedem anderen Bewerber auch.
22 Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten scheitert die Be-rücksichtigung des bisherigen Geschäftsführers bei der Abwägung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht daran, dass er mit den neuen Be-werbern nicht vergleichbar wäre. Zwar können die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat die Eignung des bisherigen Geschäftsführers aus eigener Anschauung beurteilen, während sie hinsichtlich der Beurteilung der übrigen Bewerber auf andere Erkenntnisquellen, wie etwa Zeugnisse oder Referenzen, angewiesen sind. Das rechtfertigt aber keine Ausnahme des bisherigen Ge-schäftsführers von einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung.
23 Dieser Gesetzesauslegung kann nicht entgegengehalten werden, aus der Geltung des Diskriminierungsverbots bei der Entscheidung über die Wie-derbeschäftigung des bisherigen Geschäftsführers und einer Nichtgeltung bei der Entscheidung über die Beendigung seiner Tätigkeit ergebe sich ein "wider-sinniges Hin und Her", weil der wiederbestellte Geschäftsführer sogleich wieder abberufen werden könne (so Lutter, BB 2007, 725, 728). Zum einen könnte es auch bei einer erstmaligen Bestellung eines Bewerbers zum Geschäftsführer dazu kommen, dass er sogleich wieder abberufen wird, um den an sich ge-wünschten, aber wegen des Diskriminierungsverbots nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zunächst nicht berücksichtigten Kandidaten zum Ge-schäftsführer zu bestellen. Zum anderen wäre das eine missbräuchliche Rechtsausübung, die jedenfalls gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen würde (vgl. Oetker, Festschrift Otto, 2008, S. 362, 374 f.).
24 c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegan-gen, dass der Kläger durch den Nichtabschluss eines neuen Anstellungsvertra-ges und die Nichtwiederbestellung zum Geschäftsführer altersbedingt im Sinne der § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG benachteiligt worden ist.
25 aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG zugute kommt. Nach dieser Vorschrift hat die Anstellungskörperschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen im Sinne des § 1 AGG vorgelegen hat, wenn die andere Partei Indizien vorträgt und erforderlichenfalls beweist, die eine solche Benach-teiligung vermuten lassen.
26 (1) Die Vorschrift des § 22 AGG ist auf die Bestellung eines Geschäfts-führers anwendbar. Sie steht zwar nicht im zweiten Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wie es § 6 Abs. 3 AGG seinem Wortlaut nach für die Anwendbarkeit von Vorschriften auf Organmitglieder voraussetzt. Dennoch kommt sie auch auf Organmitglieder zur Anwendung (MünchKomm-GmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 268; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 6 Rn. 37; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 997 u. 1001; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281, 285; aA Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 325 f.).
27 Das ergibt eine Auslegung der Norm anhand ihres Schutzzwecks. Durch § 22 AGG, der im vierten Abschnitt "Rechtsschutz" des Allgemeinen Gleichbe-handlungsgesetzes steht, soll sichergestellt werden, dass die Schutzregeln, die u.a. im zweiten Abschnitt des Gesetzes aufgeführt sind, im Prozesswege durchsetzbar sind. Der Gesetzgeber hat diese Frage nicht der Rechtsprechung überlassen wollen, sondern sie durch Anordnung einer bedingten Beweis-lastumkehr selbst geregelt. Ein Grund, diese Regel nur auf Beschäftigte im Sin-ne des § 6 Abs. 1 AGG zu beziehen und nicht auch auf Organmitglieder im Sin-ne des § 6 Abs. 3 AGG, besteht nicht. Beide Gruppen sind für die Durchsetz-barkeit ihrer Ansprüche typischerweise gleichermaßen auf Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast angewiesen. Es sind demgemäß auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst die Nichtan-wendbarkeit des § 22 AGG auf Organmitglieder angeordnet hätte.
28 (2) Der Kläger hat, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ange-nommen hat, ausreichende - unstreitige - Indizien dargelegt, die eine Benach-teiligung wegen seines Alters vermuten lassen.
29 So hat das Berufungsgericht festgestellt, dass in der Sitzung des Auf-sichtsrats vom 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers, nicht auch über etwaige Leistungsdefizite gesprochen worden ist, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats in der Sitzung gesagt hat, die von der Stadt K. angestrebte Altersgrenze für Führungskräfte städtischer Betriebe sei zu beachten, dass er auf die anstehenden Umbrüche auf dem Gesundheitsmarkt und die damit ver-bundene Notwendigkeit einer langfristigen Kontinuität in der medizinischen Ge-schäftsführung hingewiesen hat, die einer Verlängerung des Vertrages mit dem Kläger entgegenstehe, und dass über diese Äußerungen auch in der K. Lokalpresse berichtet worden ist.
30 (a) Zu Unrecht wehrt sich die Revision der Beklagten gegen die Berück-sichtigung der Presseberichterstattung durch das Berufungsgericht.
31 Abgesehen davon, dass schon die unstreitigen Äußerungen in der Auf-sichtsratssitzung für die Annahme einer Vermutung im Sinne des § 22 AGG ausreichen, konnte das Berufungsgericht die Presseberichterstattung berück-sichtigen. Es war sich dabei der Tatsache bewusst, dass Presseberichterstat-tungen fehlerhaft sein können, ohne dass die davon Betroffenen das verhindern können. Es hat aber zutreffend darauf abgestellt, dass die in der Presse wie-dergegebenen Äußerungen "aus dem Aufsichtsrat" gekommen sind. So heißt es in dem Artikel des K. Stadt-Anzeigers vom 16. Oktober 2008 nach der Angabe, die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende G. (CDU) habe die guten wirtschaftlichen Ergebnisse der Beklagten erwähnt:
32 Das weiß auch Aufsichtsratsvorsitzender M. P. (SPD): "Im Moment sind die Kliniken gut aufgestellt." Der Sozialdemokrat führte formale Gründe für die be-schlossene Trennung an. Der Vertrag mit L. endet im August 2009. Eine Verlänge-rung hätte sich nicht über die üblichen fünf Jahre erstrecken können. Aufgrund der für die Spitzenmanager städtischer Unternehmen geltenden Altersgrenze von 65 Jahren hätte der medizinische Leiter die Kliniken bereits 2012 verlassen müssen. "Der Ge-sundheitsmarkt befindet sich im Umbruch", so P. . "Wir brauchen jemanden, der die Kliniken auch langfristig in den Wind stellen kann."
33 Die Beklagte ist diesem Artikel nicht entgegengetreten. Damit ist die Würdigung des Berufungsgerichts, klarer könne man "einen bestimmenden Ein-fluss des Altersfaktors nicht umschreiben", aus Rechtsgründen nicht zu bean-standen.
34 Dabei spielt keine Rolle, ob die Indizien im Sinne des § 22 AGG die Be-nachteiligung nur plausibel oder nach allgemeiner Lebenserfahrung überwie-gend wahrscheinlich (so BAG, NZA 2011, 93 Rn. 65 und NZA 2010, 383 Rn. 19) erscheinen lassen müssen. Denn letzteres ist hier jedenfalls anzuneh-men.
35 (b) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, bei der Fest-stellung, ob eine Gremienentscheidung - wie hier die des Aufsichtsrats der Be-klagten - eine diskriminierende Wirkung habe, sei allein auf den Beschluss oder die nach außen erkennbare kollektive Willensbildung des Aufsichtsrats abzu-stellen, die hier keine diskriminierenden Motive erkennen ließen.
36 Da ein Gremium als solches keinen eigenen Willen hat, sondern sich seine Entscheidungen aus dem Willen seiner Mitglieder ergeben, kommt es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG allein darauf an, ob Indizien feststehen, aus denen sich ergibt, dass die einzelnen Mitglieder des Gremiums bei der Ab-stimmung den Bewerber aus unzulässigen Gründen benachteiligt haben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Motivation bei der für die Beschlussfassung erfor-derlichen Mehrheit der Mitglieder (so Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 7 Rn. 16; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1001; Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 642; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl., § 3 Rn. 66; Wendeling-Schröder in Wende-ling-Schröder/Stein, AGG, § 7 Rn. 15; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl., § 7 Rn. 19; Krause, AG 2007, 392, 396) oder bei nur einem Mitglied (so Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 327) vorhanden sein muss. Denn jedenfalls reicht es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG aus, dass der Vorsitzende des Gremiums - wie hier - die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen wor-den ist, unwidersprochen vor der Presse wiedergibt. Er repräsentiert dabei das gesamte Gremium.
37 (c) Der Einwand der Revision der Beklagten, eine Benachteiligung liege nicht schon dann vor, wenn das Alter lediglich im Rahmen eines "Motivbündels" eine Rolle gespielt habe, es müsse vielmehr conditio sine qua non für die Per-sonalentscheidung gewesen sein (ebenso Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 642 f.), bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zum einen würde auch dann die Äußerung des Aufsichtsratsvorsitzenden reichen, um eine derartige Benachteiligung ver-muten zu lassen. Zum anderen muss der diskriminierende Umstand gerade nicht die nicht hinweg zu denkende Ursache für die Entscheidung gewesen sein. Es genügt vielmehr, wenn sie lediglich als Teil eines Motivbündels die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, NZA 2009, 945 Rn. 37; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1000 f.; ebenso für § 611a BGB aF BVerfG, NZA 1994, 745, 746).
38 bb) Die damit nach § 22 AGG begründete Vermutung, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, ist von der Beklagten nicht entkräftet worden.
39 Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers und die dadurch zweifelhaft gewordene Kontinuität der Amtsführung gesprochen worden sei. Die Beklagte habe dagegen nicht dargelegt, dass die angeblich zuvor gerügten Mängel der Amtsführung des Klägers derart gewichtig gewesen seien, dass der Aspekt des Alters dahinter zurückgetreten sei. Um das darzule-gen, hätte die Beklagte den vorangegangenen Kommunikationsprozess offen legen müssen, was sie nicht in ausreichendem Maße getan habe.
40 Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Unzutreffend ist dagegen der Einwand der Revision der Beklagten, eine umfassende Dokumentations- und Offenlegungspflicht des Inhalts der Beratungen in den Aufsichtsratssitzungen und sogar der Gespräche im Vorfeld verstoße gegen die gesetzliche Ver-schwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 2 AktG und ersticke jede Möglichkeit der Erörterung von Personalfragen im Aufsichtsrat. Von der Verschwiegenheits-pflicht des § 116 Satz 2 AktG kann sich der Aufsichtsrat als Organ in gewissen Grenzen selbst befreien (MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 116 Rn. 62; Hopt/M. Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl. § 116 Rn. 240; zur Funktion des Be-ratungsgeheimnisses s. Priester, ZIP 2011, 2081, 2083 f.), was bei der vorlie-genden Fallgestaltung jedenfalls als zulässig anzusehen wäre; und soweit eine freie Erörterung im Aufsichtsrat durch die Vermutungswirkung des § 22 AGG behindert wird, entspricht dies gerade dem Zweck des Allgemeinen Gleichbe-handlungsgesetzes.
41 d) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Benachteiligung des Klägers nicht nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist.
42 aa) Nach § 8 Abs. 1 AGG wäre die Auswahlentscheidung der Beklagten dann nicht zu beanstanden, wenn das dabei vorausgesetzte Alter wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine we-sentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellte, der Zweck der Ungleichbehandlung rechtmäßig und die Anforderung angemessen wäre. Dabei ist zu beachten, dass der dieser Ausnahmevorschrift zugrunde liegende Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen ist (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - C-447/09, ABl. EU 2011, Nr. C 319, 4 = ZIP 2011, 1882 Rn. 72 - Prigge/Deutsche Lufthansa; Urteil vom 12. Januar 2011 - C-229/08, Slg. 2010, I-1 = NVwZ 2010, 244 Rn. 35 ff. - Wolf; BVerwG, NJW 2012, 1018 Rn. 19 ff.).
43 Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Richtlinie 2000/78/EG auch Geschäftsführer einer GmbH erfasst, sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einheitlich richtlinienkonform auszulegen, weil für eine gegebenenfalls gespaltene Auslegung keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 260 f.; Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, ZIP 2004, 2319, 2322). Danach ist auf die konkrete Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens wie das der Beklag-ten abzustellen und zu prüfen, ob für diese Tätigkeit das Lebensalter eine we-sentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
44 Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Revi-sion der Beklagten zeigt auch keinen entsprechenden Vortrag der Beklagten auf.
45 bb) Die Nichtweiterbeschäftigung des Klägers ist auch nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG gerechtfertigt.
46 Danach ist die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung auf-grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeits-platzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungs-zeit vor dem Eintritt in den Ruhestand zulässig. Mit dieser Vorschrift soll ge-währleistet werden, dass einer im Einzelfall aufwändigen Einarbeitung des Be-schäftigten eine sinnvolle Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung gegen-über steht (Annuß/Rupp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrechtskommentar, 4. Aufl., AGG § 10 Rn. 9).
Dieser Gesetzzweck kommt hier ersichtlich nicht zum Tragen. Der Kläger war eingearbeitet und hätte deshalb seine Tätigkeit ohne jede Unterbrechung fortsetzen können.
47 cc) Auch § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG scheidet als Rechtfertigungsgrund aus.
48 Von dieser Vorschrift wird die Festsetzung von Altersgrenzen im Zu-sammenhang mit den Systemen der betrieblichen Altersversorgung erfasst (Meinel/Heyn/Herms, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl., § 10 Rn. 59 ff.).
49 Darum geht es hier nicht. Zu einem System der betrieblichen Altersver-sorgung, das für den Kläger gelten würde, ist nichts festgestellt.
50 dd) Auch § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.
51 Danach ist eine Vereinbarung zulässig, mit der die Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses ohne Kündigung mit Erreichen des Renteneintrittsal-ters sichergestellt werden soll.
52 Dafür fehlt es schon an einer entsprechenden Vereinbarung. Im Übrigen bestand für den Kläger im Zeitpunkt der beanstandeten Entscheidung noch kei-ne Möglichkeit, eine Rente wegen Alters zu beantragen.
53 ee) Auch die Voraussetzungen der Generalklausel in § 10 Satz 1 AGG sind nicht erfüllt.
54 Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zu-lässig, wenn sie objektiv und angemessen ist und durch ein legitimes Ziel ge-rechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erfor-derlich sind. Als legitime Ziele im Sinne dieser Vorschrift kommen auch be-triebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht (BAG, NZA 2009, 945 Rn. 53; s. dazu EuGH, RIW 2009, 312 Rn. 46, 61 f. - Age Concern Eng-land).
55 Die von der Beklagten angestrebte fünfjährige Bindung des neuen Ge-schäftsführers wegen des "Umbruchs im Gesundheitsmarkt" erfüllt diese Vo-raussetzungen nicht. Die Beklagte hat - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - schon nicht erläutert, was darunter im Einzelnen zu verstehen sein soll und warum die Entwicklung auf dem Gesundheitsmarkt eine langfristi-ge Bindung an einen neuen Geschäftsführer notwendig macht. Der Kläger war schon als Geschäftsführer der Beklagten tätig, hätte also ohne Bruch der Konti-nuität wiederbeschäftigt werden können. Dass die Beklagte gerade darauf an-gewiesen war, eine Kontinuität in der Zeit nach August 2009, dem Auslaufen der Bestellung des Klägers, für die nächsten fünf Jahre herzustellen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
56 An der Unzulässigkeit der Auswahlentscheidung ändert auch der Um-stand nichts, dass der Kläger bei einer Neubestellung als Geschäftsführer für den bei der Beklagten offenbar üblichen Zeitraum von fünf Jahren schon vor Ablauf dieser Frist das allgemeine Renteneintrittsalter erreicht haben würde. Der bloße Wunsch der Beklagten, die Geschäftsführer auf fünf Jahre zu bestel-len, verdient jedenfalls dann keinen Schutz, wenn der Geschäftsführer schon zuvor in diesem Amt tätig war (aA Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 644).
57 Ob es allgemein zulässig ist, in Entsprechung zu Nr. 5.1.2 des Deut-schen Corporate Governance Kodex eine Altersgrenze für Organmitglieder auch unterhalb von 65 Jahren zu bestimmen, braucht entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte hat eine solche Altersgrenze - hier 62 Jahre - weder eingeführt, noch beabsichtigte sie das.
58 e) Das Verschulden der Aufsichtsratsmitglieder wird gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG vermutet. Die Beklagte muss sich dieses Verschulden ihrer Or-ganmitglieder nach § 31 BGB zurechnen lassen.
59 f) Die Zwei-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG, innerhalb derer die An-sprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend zu machen sind, ist eingehalten, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat.
60 g) Als Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 7 AGG hat das Berufungsge-richt einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Erwerbsvorteile nach § 15 Abs. 1 AGG angenommen. Es hat jedoch die Ursächlichkeit der Benachteili-gung des Klägers dafür, dass er nicht erneut als Geschäftsführer angestellt und zum Geschäftsführer bestellt worden ist, nicht fehlerfrei festgestellt.
61 aa) Dem Antrag des Klägers festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der aus der nicht erfolgten neuen Anstellung und der nicht erfolgten neuen Bestellung zum Geschäftsführer entstanden ist, durfte das Berufungsgericht nur stattgeben, wenn festgestanden hätte, dass der Kläger bei regelgerechtem Vorgehen der Beklagten angestellt und bestellt wor-den wäre. Eine lediglich hohe Wahrscheinlichkeit reicht dagegen im Rahmen des gestellten Antrags nur insoweit aus, als es darum geht, ob dem Kläger aus der Nichtanstellung und Nichtbestellung ersatzfähige Erwerbsvorteile in irgend-einer Höhe entgangen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2008 - V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397 Rn. 10; s. auch BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98, NJW 1999, 3774 Rn. 15 ff.)..
62 bb) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ursächlichkeit der Be-nachteiligung des Klägers wegen seines Alters für die Nichtwiederanstellung und die Nichtwiederbestellung zum Geschäftsführer beanstandet die Revision der Beklagten im Ergebnis zu Recht.
Im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG hat - wie im Grundsatz bei jedem Schadensersatzanspruch - der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ur-sächlich geworden ist. Daran ändert auch die Vermutungsregel des § 22 AGG nichts. Sie bezieht sich nur auf den Rechtsgrund der Haftung. Lediglich für den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus § 15 Abs. 2 AGG ordnet § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eine Ausnahme an. 63 Danach darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Bewer-ber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Die-se Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden kann (BAG, NZA 2010,1412 Rn. 75 ff.; Schlachter in Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 12. Aufl., AGG § 15 Rn. 3; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 1002; Thüsing/Stiebert, NZG 2011, 641, 645; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 269 aE; Linck in Schaub, Hand-buch des Arbeitsrechts, 14. Aufl., § 36 Rn. 83; Raif, GWR 2010, 537). Ein im-materieller Schaden kann schon dann eintreten, wenn der Bewerber in diskri-minierender Weise behandelt worden ist, auch wenn diese Behandlung für die Ablehnung seiner Bewerbung nicht ursächlich geworden ist. Das ist bei einem Vermögensschaden in Form entgangener Erwerbsvorteile anders.
64 Dem Anspruchsteller kommt im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen der Anstellungskörperschaft besteht. Insoweit gelten die Grundsätze entsprechend, die der Bundesgerichtshof in Fällen der Nichtberücksichtigung eines Stellenbewerbers infolge einer Amtspflichtverletzung einer Behörde auf-gestellt hat. Danach kann - sofern dafür nach der Lebenserfahrung eine tat-sächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit besteht - der Körperschaft der Nachweis überlassen werden, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtver-letzung zurückzuführen ist (BGH, Urteil vom 6. April 1995 - III ZR 183/94, BGHZ 129, 226, 233).
65 Ein der Lebenserfahrung entsprechender Sachverhalt mag den Ausfüh-rungen des Berufungsgerichts entnommen werden können, wonach der Kläger bis auf einige eher wenig gravierende - hinsichtlich ihrer Berechtigung nicht überprüfte - Kritikpunkte kompetent sei, zu dem wirtschaftlichen Erfolg der Be-klagten beigetragen habe und - im Gegensatz zu seinem Mitbewerber - mit den Geschäften der Beklagten bereits vertraut gewesen sei. Das Berufungsgericht hat aber jedenfalls den Gegenvortrag der Beklagten nicht erschöpfend gewür-digt. Der bloße Hinweis darauf, dass die Beklagte ihren Entscheidungsprozess nicht transparent gemacht habe, reicht dafür nicht aus. Immerhin hat das Beru-fungsgericht an anderer Stelle seines Urteils ausgeführt, der Kläger sei nicht nur wegen seines Alters, sondern auch wegen fachlicher Kritikpunkte nicht wie-der beschäftigt worden.
66 Das Berufungsgericht hat in der wiedereröffneten mündlichen Verhand-lung Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zur Ursächlichkeit des re-gelwidrigen Verhaltens der Beklagten für die Nichtwiederanstellung und die Nichtwiederbestellung des Klägers zu treffen.
67 2. Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zum angemessenen Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers, mindestens in Höhe von 110.000 €, ist dem Grunde nach begründet, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt (II. 1. a - d, f, Rn. 16 - 57, 59). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Berufungsgericht dem Antrag aber nicht nur in Höhe von 36.600 € stattgeben.
68 a) Nach § 15 Abs. 2 AGG ist auch der immaterielle Schaden angemes-sen zu ersetzen. Dabei hat der Tatrichter ein weites Ermessen. Die Entschei-dung kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob die Rechtsnorm zutreffend ausgelegt, ein Ermessen ausgeübt, die Ermessensgrenze nicht überschritten und das Vorbringen der Parteien umfassend und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze berücksichtigt worden ist. Gemessen daran ist die Bestimmung des Entschädigungsbetrags durch das Berufungsge-richt nicht frei von Rechtsfehlern.
69 aa) Soweit sich die Revision des Klägers allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Altersdiskriminierung des Klägers wiege nicht besonders schwer, er sei nicht wegen einer angeblichen Minderung seiner Leistungsfähigkeit, sondern wegen der pauschalen Anwendung einer Alters-grenze benachteiligt worden und als Geschäftsführer habe er ohnehin damit rechnen müssen, nach Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr erneut bestellt zu werden, versucht sie nur, ihre eigene Wertung an die Stelle derer des Beru-fungsgerichts zu setzen. Rechtsfehler werden damit nicht aufgezeigt.
70 Das Gleiche gilt hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts, das Verschulden des Aufsichtsrats wiege nicht schwer und deshalb sei auch unter Berücksichtigung des Sanktions- und Präventionszwecks des § 15 Abs. 2 AGG eine eher niedrige Entschädigung angemessen. Die Revision des Klägers weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG kein Ver-schulden voraussetzt (vgl. BAG, NZA 2010, 1412 Rn. 64). Dennoch sind bei der Bemessung der Entschädigung das Vorliegen und die Schwere eines etwaigen Verschuldens zu berücksichtigen (Deinert in Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 72).
71 Entgegen der Auffassung der Revision des Klägers ist die zugesproche-ne Entschädigung von 36.600 € nicht nur so gering, dass sie nicht wirksam, verhältnismäßig und abschreckend im Sinne des Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG ist. Es lässt sich aus Rechtsgründen nicht sagen, dass für ein Un-ternehmen wie die Beklagte mit einem Jahresumsatz im Jahr 2008 in Höhe von 229 Mio. € und einem Jahresüberschuss in Höhe von 8,5 Mio. € der Entschädi-gungsbetrag von 36.600 € keinerlei Sanktions- und Präventionswirkung haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt liegt die Bemessung noch im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens.
72 Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision des Klägers, die Entschä-digung sei noch unterhalb der Grenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG geblieben. Damit will die Revision offenbar sagen, dass für den bestqualifizierten Bewerber die Entschädigung von drei Monatsgehältern - wie sie in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG für andere Bewerber höchstens vorgesehen ist - die Untergrenze darstel-le. Das ist unzutreffend. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Entschädigung für den Bestqualifizierten nicht im Einzelfall auch geringer als drei Monatsgehäl-ter sein kann.
73 bb) Rechtsfehlerhaft ist aber die Erwägung des Berufungsgerichts, die Entschädigung von Nichtvermögensschäden nach § 15 Abs. 2 AGG könne niedriger ausfallen, wenn - wie hier - zugleich der Ersatz materieller Schäden nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht werde. Das Gesetz geht davon aus, dass beide Schäden parallel geltend gemacht werden können. Dann kann dar-aus aber keine Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden hergeleitet werden.
74 cc) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsge-richts, die Entschädigung müsse niedriger ausfallen, weil die Beklagte die Wie-dereinstellung des Klägers nicht nur wegen seines Alters, sondern aufgrund eines Motivbündels abgelehnt habe - u.a. wegen schlechter Leistungen -, und der Aufsichtsrat in der Lage gewesen wäre, auch eine nichtdiskriminierende Begründung für seine Entscheidung zu finden. Insoweit fehlen Feststellungen, dass die Leistung des Klägers tatsächlich Mängel aufgewiesen hat. Ohne sol-che Feststellungen bleibt die Möglichkeit offen, dass die angeblichen Unmuts-äußerungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder in der Sache nicht gerechtfertigt waren. Die bloße Möglichkeit eines nichtdiskriminierenden Motivs innerhalb ei-nes Motivbündels ohne greifbare Anhaltspunkte kann auf die Höhe der Ent-schädigung keinen Einfluss haben.
75 b) Damit ist die Sache auch hinsichtlich des abgewiesenen Teils des Zahlungsantrags an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Abwä-gung zur Höhe des Entschädigungsanspruchs unter Beachtung der Rechtsauf-fassung des Senats vorgenommen werden kann.