OLG Düsseldorf: Anmeldung der Umwandlung einer nach niederländischem Recht gegründeten B. V. in eine GmbH
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.7.2017 – I-3 Wx 171/16
Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2177-2
Leitsätze
1. Setzt das Registergericht in einem Beschluss (hier mit der Formulierung, der Eintragung stehe „folgendes Hindernis“ entgegen, zur Stellungnahme werde eine Frist gesetzt und der Antrag werde nach Fristablauf zurückgewiesen) den Anschein einer Zwischenverfügung im Sinne des § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG, so kann gegen den Beschluss zulässigerweise Beschwerde eingelegt werden, auch wenn das Registergericht darin nicht auf ein - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung - durch den Antragsteller zu behebendes Eintragungshindernis hingewiesen hat.
2. Die Anmeldung der Umwandlung einer nach niederländischem Recht gegründeten im niederländischen Handelsregister der Kammer für Handelssachen (Kamer van Koophandel) eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (B.V.) im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes sowie der Änderung der Firmierung darf das Registergericht nicht mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle hierfür an einer Regelung durch den nationalen Gesetzgeber.
3. In Ansehung der „Vale-Entscheidung“ des EuGH vom 12. Juli 2012 (C-378/10, NZG 2012, 871) sind Art. 49 und 54 AEUV dahin zu verstehen, dass einer dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats unterliegenden Gesellschaft der Formwechsel in eine GmbH nach deutschem Recht nicht verwehrt werden kann, wenn ein solcher Formwechsel für Gesellschaften nach deutschem Recht möglich ist.
Soweit der Gesetzgeber nicht entsprechend tätig wird, haben die Gerichte die nationalen Vorschriften unter Beachtung dieser Pflicht aus den Art. 49 und 54 AEUV anzuwenden und hat das Registergericht - wie hier noch nicht geschehen - das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen nach europarechtskonform auszulegendem deutschen Recht zu prüfen.
§ 382 Abs 4 S 1 FamFG, § 1 Abs 1 UmwG, § 191 UmwG, § 226 UmwG, Art 49 AEUV ...
Sachverhalt
I.
Die Beteiligte ist eine nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (B.V.) mit Sitz in A..., die unter der Nr. ... im niederländischen Handelsregister der Kammer für Handelssachen (Kamer van Koophandel) eingetragen ist. Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 13. April 2016 beschloss die Alleingesellschafterin die Umwandlung der B... im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes nach C... sowie die Änderung der Firmierung in D... Am 3. Mai 2016 hat der Geschäftsführer der Beteiligten die Eintragung der Umwandlung angemeldet.
Mit Beschluss vom 3. Juni 2016 hat das Registergericht mitgeteilt, der Anmeldung könne nicht entsprochen werden. Der Eintragung stehe das Hindernis entgegen, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 UmwG die Umwandlungsmöglichkeiten abschließend festgelegt, auf Inlandssachverhalte beschränkt und in Absatz 2 ein Analogieverbot erlassen habe. Die Behebung eines eventuellen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49, 54 AEUV sei Sache des Gesetzgebers.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 14. Juni 2016, mit der sie geltend macht, seit der „Vale-Entscheidung“ des EuGH vom 12. Juli 2012 (C-378/10, NZG 2012, 871) werde der grenzüberschreitende identitätswahrende Formwechsel von Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats der europäischen Union unterlägen, in Deutschland allgemein anerkannt.
Das Registergericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Juni 2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, der Gesetzgeber habe entsprechende nationale Regelungen bislang nicht erlassen, obwohl der EuGH in der „Vale-Entscheidung“ ausgeführt habe, dass der jeweilige Aufnahmestaat befugt sei, die für einen grenzüberschreitenden Formwechsel maßgebenden Regelungen festzulegen. Es sei nicht Aufgabe des Registerrichters, diese Regelungen selbst aufzustellen. Der Beteiligten stünden zudem anderweitige gesetzlich geregelte Möglichkeiten wie die grenzüberschreitende Verschmelzung oder die Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft offen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Anschein einer Zwischenverfügung i.S.d. § 382 Abs. 4 S. 1 FamFG gesetzt. Soweit das Registergericht formuliert hat, der Eintragung stehe „folgendes Hindernis“ entgegen, zur Stellungnahme werde eine Frist gesetzt und der Antrag nach Fristablauf zurückgewiesen, handelt es sich um Formulierungen, die üblicherweise in einer Zwischenverfügung verwendet werden. Dieser Anschein wird durch die angefügte Rechtsmittelbelehrung und den Nichtabhilfebeschluss bestätigt. Im Hinblick darauf kann gegen den Beschluss zulässigerweise Beschwerde eingelegt werden, auch wenn das Registergericht darin nicht auf ein - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung - durch die Antragstellerin behebbares Eintragungshindernis hingewiesen hat (vgl. OLG München NZG 2013, 557; Senat NJOZ 2012, 1394).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil das vom Registergericht angenommene Eintragungshindernis nicht besteht. Die Anmeldung darf nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es fehle an einer Regelung durch den nationalen Gesetzgeber.
Richtig ist, dass die niederländische E... in §§ 191, 226 UmwG, die abschließend die Rechtsträger benennen, die einen Formwechsel durchführen können, nicht aufgeführt ist. Nach der „Vale-Entscheidung“ des EuGH sind Art. 49 und 54 AEUV aber dahin zu verstehen, dass einer dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats unterliegenden Gesellschaft der Formwechsel in eine GmbH nach deutschem Recht nicht verwehrt werden kann, wenn ein solcher Formwechsel für Gesellschaften nach deutschem Recht möglich ist. Vielmehr muss ein Mitgliedstaat, der für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, dieselbe Möglichkeit auch Gesellschaften geben, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegen und sich in Gesellschaften nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaates umwandeln wollen. Wenn und solange der Gesetzgeber nicht entsprechend tätig wird, ist es Aufgabe der Gerichte, die nationalen Vorschriften unter Beachtung dieser Pflicht aus den Art. 49 und 54 AEUV anzuwenden, wobei die grenzüberschreitende Umwandlung die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen (Herkunftsmitgliedstaat und Aufnahmemitgliedsstaat) erfordert (vgl. EuGH NJW 2012, 2715; KG NJW-RR 2016, 1007; OLG Nürnberg DNotZ 2014, 150; OLG Frankfurt NZG 2017, 423; Zwirlein ZGR 2017, 114). Ob die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen, wird das Registergericht daher nach dem europarechtskonform auszulegenden deutschen Recht zu prüfen haben (vgl. auch die „Checkliste“ der Richterinnen und Richter des Amtsgerichts Charlottenburg - Handelsregister - betreffend die anzuwendenden Rechtsnormen bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen; Stand August 2014, GmbHR 2014, R311).
Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Kostenentscheidung, noch eine Wertfestsetzung, noch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.