OLG Stuttgart: Anmeldung der Abberufung des Geschäftsführers einer UG (haftungsbeschränkt) zur Eintragung im Handelsregister
OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.10.2011 - 8 W 387/11
sachverhalt
I. Der Beteiligte Ziff. 2 reichte für die Antragstellerin beim Amtsgericht - Registergericht - Ulm am 30. August 2011 die notariell beglaubigte Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister vom 26. August 2011 bezüglich der Abberufung des Beteiligten Ziff. 3 als Geschäftsführer der Gesellschaft ein.
Mit Schreiben vom 2. September 2011 wurde die Rücknahme der Anmeldung binnen einer Woche angeregt, weil die Gesellschafterversammlung nicht beschlussfähig gewesen und der Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers deshalb nichtig sei. Danach erfolgte mit Beschluss vom 13. September 2011 die Zurückweisung der Anmeldung.
Gegen die am 15. September 2011 zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte Ziff. 2 als bevollmächtigter Notar am 10. Oktober 2011 Beschwerde eingelegt, da die Abberufung lediglich anfechtbar sei.
Die Rechtspflegerin hat die Akten ohne Abhilfe mit Beschluss vom 13. Oktober 2011 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt und an ihrer Rechtsmeinung festgehalten.
aus den gründen
II. Die befristete Beschwerde ist statthaft (§§ 374 Nr. 1, 382 Abs. 3, 58 Abs. 1 FamFG) und wurde form- und fristgerecht gemäß §§ 58 ff FamFG erhoben. Die Beschwerdeberechtigung der beteiligten Gesellschaft, vertreten durch den bevollmächtigten Notar (§ 378 Abs. 2 FamFG; Heinemann in Keidel, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 378 Rn. 14 m.w.N.), ergibt sich aus § 59 Abs. 1 und 2 FamFG.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Zwar verweist das Registergericht in dem Nichtabhilfebeschluss vom 13. Oktober 2011, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zu Recht darauf, dass die Gesellschafterversammlung vom 26. August 2011 gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vom 11. Mai 2010 nicht beschlussfähig gewesen sei. Die daraus gezogene rechtliche Schlussfolgerung, dass die gefassten Beschlüsse deshalb nichtig und nicht eintragungsfähig seien, trifft jedoch nicht zu.
Der BGH hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 1988, Az. II ZR 18/88, veröff. u.a. in NJW-RR 1989, 347, zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen der GmbH festgestellt, dass die fehlende Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung lediglich einen Anfechtungsgrund darstelle. Die Fälle, in denen ein Gesellschafterbeschluss nichtig sei, seien in § 241 AktG, der im Recht der GmbH sinngemäß anwendbar sei, grundsätzlich abschließend aufgeführt. Es bestehe kein Grund, im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen den Kreis nichtiger Gesellschafterbeschlüsse generell weiter zu ziehen als im Aktienrecht. Demgemäß könnten andere Verstöße gegen Gesetz oder Satzung nur zur Anfechtbarkeit entsprechend § 243 AktG führen (h.M., vgl. u.a.: Römermann in Michalski, GmbH-Gesetz, Bd. II, 2. Aufl. 2010, Anh. § 47 GmbHG Rn. 288; Schmidt in Scholz, GmbH-Gesetz, Bd. II, 10. Aufl. 2007 § 45 GmbHG Rn. 96, § 48 GmbHG Rn. 44 und 44a; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47 GmbHG Rn. 18, 44, 66, 67, 83, 110, insb. 115, § 48 GmbHG Rn. 3; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 47 GmbHG Rn. 91, § 48 GmbHG Rn. 34; OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539; je m.w.N.).
Diese Auffassung findet ihre Rechtfertigung auch darin, dass bei einer Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund - wie vorliegend - für ihn ein Stimmrechtsausschluss in Betracht kommen kann (BGH NJW 1983, 938; OLG Brandenburg GmbHR 1996, 539; OLG Düsseldorf NZG 2000, 1135; Altmeppen in Roth/Altmeppen, a.a.O., § 38 GmbHG Rn. 21, 45 ff; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 38 GmbHG Rn. 31 und 34; je m.w.N.).
Zudem müsste sein Nichterscheinen zur Versammlung zum Zwecke der Beschlussverhinderung trotz ordnungsgemäßer Ladung als Treuepflichtverletzung bewertet werden (Zöllner in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 48 GmbHG Rn. 4; Roth in Roth/Altmeppen, a.a.O., § 47 GmbHG Rn. 7; je m.w.N.) mit der Folge, dass es einer neuen Einberufung nicht bedarf, weil sich der absichtlich ausgebliebene Gesellschafter nicht auf die Beschlussunfähigkeit berufen darf (Schmidt in Scholz, a.a.O., § 48 GmbHG Rn. 44a m.w.N.).
Schließlich vertritt die h.M. die Rechtsauffassung, dass die in der Satzung vorgesehene qualifizierte Mehrheit nicht gilt für eine Abberufung aus wichtigem Grund (Altmeppen in Roth/Altmeppen, a.a.O., § 38 GmbHG Rn. 80 m.w.N.; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 38 GmbHG Rn. 29 ff m.w.N.).
Diese sich ergebenden Fragen können aber nur in einem Anfechtungsverfahren geklärt werden. Solange in diesem die Nichtigkeit des Beschlusses nicht rechtskräftig ausgesprochen ist, ist er mit dem festgestellten Inhalt wirksam (Roth in Roth/Altmeppen, a.a.O., § 47 GmbHG Rn. 91; Zöllner in Baumbach/Hueck, a.a.O., Anh. § 47 GmbHG Rn. 18; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 38 GmbHG Rn. 45; je m.w.N.).
Danach besteht das von der Rechtspflegerin beanstandete Eintragungshindernis nicht. Der über die Abberufung des Beteiligten Ziff. 3 als Gesellschafter-Geschäftsführer gefasste Beschluss ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar und deshalb gültig, solange er nicht im Anfechtungsverfahren für nichtig erklärt wird.
Die auf die Nichtigkeit des Beschlusses gestützte Zurückweisung vom 13. September 2011 war demgemäß aufzuheben.
Das Registergericht hat erneut über die Anmeldung der Eintragung in das Handelsregister vom 30. August 2011 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats zu befinden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 81 FamFG Rn. 2). Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 FamFG liegen nicht vor.