OLG Karlsruhe: Angemessene Fristsetzung vor dem Rücktritt des Gebrauchtwagenkäufers
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.11.2011 - 9 U 83/11
leitsätze
1. Möchte der Käufer eines Gebrauchtwagens vom Vertrag zurücktreten, weil der Fahrzeughändler das Fahrzeug nicht rechtzeitig übergeben kann, so muss er nach Fälligkeit der Leistung dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen.
2. Die Frist muss in der Regel so bemessen sein, dass der Verkäufer Gelegenheit hat, die erforderlichen Handlungen zur Erfüllung seiner Leistungspflicht nachzuholen.
3. Wenn der Verkäufer vor einer Übergabe des Fahrzeugs die vertraglich zugesagte TÜV-Abnahme und geringfügige Reparaturen nachzuholen hat, muss die angemessene Frist jedenfalls mindestens 48 Stunden betragen; eine kürzere Frist ist nicht ausreichend.
4. Nicht eingehaltene Versprechungen des Verkäufers (Bereitstellung des Fahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt) machen die Fristsetzung in der Regel nicht entbehrlich. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn dem Käufer Unannehmlichkeiten und Unkosten entstanden sind, weil er mehrfach vergeblich zum Verkäufer gefahren ist, um das erworbene Fahrzeug abzuholen.
§ 323 Abs. 1 BGB
sachverhalt
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Bezahlung eines verkauften Gebrauchtwagens, welchen der Beklagte nicht abgenommen hat.
Am 26.05.2010 bestellte der Beklagte bei der Klägerin einen gebrauchten Mercedes-Benz E 270 CDI Elegance Automatik zum Preis von 12.000,00 €. Die Fahrzeugdaten waren in der schriftlichen Bestellung (Anlage K 1) im Einzelnen aufgeführt. Es sollten die „Neuwagen-Verkaufsbedingungen" gelten, von denen dem Beklagten ein Exemplar ausgehändigt wurde (Anlage K 2).
Mit einer E-Mail vom 27.05.2010 erklärte der Beklagte, er trete vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin wies mit einer E-Mail vom selben Tag den Rücktritt zurück, und erklärte gleichzeitig, sie bestätige die Annahme des Kaufvertrages vom 26.05.2010 (Anlage K 4). Am selben Tag sandte sie eine schriftliche „Auftragsbestätigung" (Anlage K 5) an den Beklagten. Mit Schreiben vom 07.06.2010 erklärte sie, das Fahrzeug stehe vertragsgemäß zur Abholung und Bezahlung bereit. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten auf, den PKW innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen abzunehmen (Anlage K 6).
Mit Fax vom 21.06.2010 erklärte der Beklagte, er werde das Fahrzeug am 24.06.2010 abholen (Anlage K 7). Am Nachmittag des 24.06.2010 gegen 15:00 Uhr erschien der Beklagte im Autohaus der Klägerin. Eine Abholung war jedoch nicht möglich. Das Fahrzeug befand sich in einer (nicht zum Unternehmen der Klägerin gehörenden) Werkstatt, wo die Klägerin eine Reparatur durchführen ließ. Außerdem hatte die Klägerin bis zum 24.06.2010 noch nicht die im Kaufvertrag zugesagte TÜV-Abnahme und Abgasuntersuchung durchführen lassen. Der Beklagte wartete noch bis 19:00 Uhr am selben Tag. Auch bis zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin nicht in der Lage, dem Beklagten das Fahrzeug auszuhändigen. Weitere Einzelheiten des Ablaufes sind - auch was die Zeit vor dem 24.06.2010 betrifft - zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 25.06.2010 erklärte der Beklagte, er trete „von meinem Kaufvertrag zurück wegen nicht eingehaltenem Auslieferungstermin 24.06.2010" (Anlage K 8). Ab dem 25.06.2010 stand das Fahrzeug - nach durchgeführter Reparatur sowie TÜV-Abnahme und Abgasuntersuchung - bei der Klägerin zur Abholung bereit. Der Beklagte hat das Fahrzeug in der Folgezeit nicht abgeholt und den Kaufpreis nicht bezahlt.
Auf die Kaufpreisklage der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß wie folgt verurteilt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.07.2010 zu bezahlen,
Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr.: ...
2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit spätestens 03.07.2010 mit der Annahme des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr. ... in Verzug befindet.
3. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 361,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 17.07.2010 zu bezahlen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der von den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag sei wirksam. Der Beklagte sei zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, da die Rücktrittserklärung vom 25.06.2010 nicht berechtigt gewesen sei. Auf die Frage, inwieweit der Beklagte schon vor dem 24.06.2010 vergeblich versucht habe, das Fahrzeug abzuholen, komme es nicht an, da die Parteien sich auf eine Auslieferung am 24.06.2010 geeinigt hätten. Ein Rücktritt des Beklagten wäre erst nach einer angemessenen Nachfrist möglich gewesen. Eine Fristsetzung - wie vom Beklagten geltend gemacht - am 24.06.2010 um 15:00 Uhr auf 19:00 Uhr desselben Tages sei nicht ausreichend.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er hält die Entscheidung des Landgerichts aus Rechtsgründen für unzutreffend. Die Klägerin habe das verkaufte Fahrzeug entgegen der Bereitstellungsanzeige vom 07.06.2010 nicht zur Abholung bereitgestellt. Er sei berechtigt gewesen, das Fahrzeug bereits am 22.06.2010 bzw. am 23.06.2010 abzuholen, wo er vergeblich im Autohaus der Klägerin erschienen sei. Unter den gegebenen Umständen sei die am 24.06.2010 gesetzte Frist von vier Stunden (um 15:00 Uhr Frist bis 19:00 Uhr) angemessen und ausreichend. Letztlich komme es darauf aber nicht an, da eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sei; denn die Klägerin hätte schon ab der Bereitstellungsanzeige (07.06.2010) das Fahrzeug bereit halten müssen. Wegen der Pflichtverletzungen der Klägerin sei er berechtigt gewesen, sich mit Schreiben vom 25.06.2010 vom Vertrag zu lösen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 04.04.2011 - 3 O 238/10 D - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
aus den gründen
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist lediglich wegen einer Nebenforderung begründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten zu erstatten. Im Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.000,00 € nebst Zinsen verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des verkauften PKWs.
Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag über den in der Bestellung vom 26.05.2010 (Anlage K 1) angegebenen PKW Mercedes-Benz zustande gekommen. Die Klägerin hat die schriftliche Bestellung des Beklagten angenommen durch die E-Mail vom 27.05.2010 (Anlage K 4) und durch die schriftliche Auftragsbestätigung vom selben Tag (Anlage K 5). Zwar hat die Klägerin bei den Annahmeerklärungen nicht die in den vereinbarten „Neuwagen-Verkaufsbedingungen" vorgesehene Schriftform eingehalten (vgl. I Ziff. 1 Satz 3 der Bedingungen, Anlage K 2). Denn es fehlt eine für schriftliche Willenserklärungen erforderliche Unterschrift eines Vertreters der Klägerin in diesen Erklärungen (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Dies ist rechtlich jedoch unschädlich. Denn die in den Bedingungen der Klägerin vorgesehene Schriftform ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen eines Kaufvertrages. Die „Neuwagen-Verkaufsbedingungen" sind vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die Schriftform lediglich Beweiszwecken dient, so dass auch eine Erklärung per E-Mail oder per (nicht unterzeichneter) Auftragsbestätigung wirksam ist (vgl. zur Bedeutung der Schriftform in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen OLG Köln, OLGR 1995, 140; OLG Düsseldorf, OLGR 1998, 153, 154; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Auflage 2009, Rdnr. 13; Himmelreich/Andreae/Teigelack, Autokaufrecht für Neu- und Gebrauchtwagen, 3. Auflage 2007, § 1, Rdnr. 109).
Der „Rücktritt" des Beklagten vom 27.05.2010 und die schriftliche Kündigungserklärung vom 27.05.2010 (Anlage K 3 und K 4) waren nicht wirksam. Der Beklagte war zu einer Kündigung oder zu einem Rücktritt zu diesem Zeitpunkt nicht berechtigt. Der Umstand, dass die Klägerin die Bestellung erst nach der E-Mail des Beklagten vom 27.05.2010 angenommen hat, ändert nichts. Denn eine Willenserklärung (im vorliegenden Fall die Bestellung des Beklagten vom 26.05.2010) ist auch vor der Annahme durch den Vertragspartner verbindlich (§ 145 BGB).
Der Beklagte wäre allerdings dann nicht zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, wenn sich die Parteien irgendwann über eine Aufhebung des Kaufvertrages verständigt hätten. Dies war jedoch nicht der Fall. Auch nach dem Vorbringen des Beklagten war der für die Klägerin handelnde Zeuge G. zu keinem Zeitpunkt mit einer Aufhebung des Vertrages einverstanden.
Auch die Rücktrittserklärung des Beklagten vom 25.06.2010 (Anlage K 8) ändert nichts. Der Beklagte war auch zu diesem Zeitpunkt nicht berechtigt, sich vom Vertrag zu lösen.
a) Die Parteien hatten im Kaufvertrag ein „Lieferdatum" zum 01.06.2010 vereinbart. Nach der Bereitstellungsanzeige der Klägerin vom 07.06.2010 war es - um Fälligkeit und Verzug für die Lieferverpflichtung der Klägerin herbeizuführen - nicht mehr erforderlich, die Klägerin zur Lieferung aufzufordern (vgl. dazu IV. Ziff. 2 der vereinbarten Neuwagen-Verkaufsbedingungen, Anlage K 2). Die Verpflichtung der Klägerin war fällig. Ab dem 07.06.2010 hätte das Fahrzeug von der Klägerin - mit TÜV-Abnahme und Abgasuntersuchung - zur Abholung bereitgestellt werden müssen.
b) Die Klägerin ist ihrer Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Denn das Fahrzeug stand zunächst nicht zur Abholung bereit. Der Zeuge G. hat bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht eingeräumt, dass das Fahrzeug erst am 25.06.2010 dem TÜV vorgeführt wurde.
c) Die Pflichtverletzung der Klägerin berechtigte den Beklagten allerdings nicht zum Rücktritt. Denn die Pflichtverletzung ändert nichts daran, dass der Beklagte vor einem Rücktritt der Klägerin eine angemessene Frist zur Leistung hätte setzen müssen (§ 323 Abs. 1 ZPO). Eine angemessene Nachfrist hat der Beklagte jedoch nicht gesetzt (vgl. zum Erfordernis einer Fristsetzung auch IV. Ziff. 3 Satz 1 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen, Anlage K 2). Da es an der erforderlichen Fristsetzung fehlt, kommt es nicht darauf an, inwieweit der Beklagte bereits am 22.06.2010 und am 23.06.2010 vergeblich versucht hat, das Fahrzeug abzuholen, und welche Absprachen mit der Klägerin diesen Abholversuchen vorausgingen.
aa) Der Beklagte hat - auch nach seinem eigenen Sachvortrag - erstmals bei dem Abholversuch am 24.06.2010 um 15:00 Uhr eine Frist gesetzt, nämlich bis zum Abend desselben Tages um 19:00 Uhr. Diese Frist von vier Stunden war keine angemessene Frist im Sinne von § 323 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Welche Frist angemessen im Sinne des Gesetzes ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Frist soll einem Verkäufer, der bis dahin seinen vertraglichen Pflichten nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, die Möglichkeit geben, Versäumnisse nachzuholen. Der Verkäufer soll in die Lage versetzt werden, eine bereits in Angriff genommene Leistung zu vollenden. Das bedeutet, dass einem Verkäufer insbesondere die Gelegenheit gegeben werden muss, etwa erforderliche Reparaturen am Fahrzeug nachzuholen. Wenn ein Verkäufer - wie vorliegend die Klägerin - ein Fahrzeug zur Reparatur in eine Fremdwerkstatt bringen muss, ist dies bei der Bemessung der Frist zu berücksichtigen (vgl. zur Angemessenheit einer Nachfrist BGH, NJW 1982, 1279, 1280; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, § 323 BGB, Rn. 14; Reinking/Eggert a.a.O., Rn. 455 sowie Rdnr. 1733). In der Rechtsprechung wird beim Verkauf eines Gebrauchtwagens teilweise eine Frist von zehn Tagen für erforderlich gehalten, die der Käufer dem Verkäufer setzen muss, bevor er sich vom Vertrag lösen kann (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O., § 308 BGB, Rn. 4 mit Rechtsprechungsnachweisen). Teilweise wird - bei besonderer Dringlichkeit - auch eine verkürzte Frist von zwei Tagen für ausreichend erachtet (vgl. Reinking/Eggert a. a. O., Rdnr. 455). Nach Auffassung des Senates stellte eine Frist von zwei Tagen (48 Stunden) jedenfalls die Untergrenze einer möglichen „angemessenen" Frist dar, als der Beklagte am 24.06.2010 um 15:00 Uhr das Fahrzeug von der Klägerin nicht erhielt. Auch bei lediglich geringen Mängeln erscheint dieser Zeitraum (jedenfalls im Streitfall) - mindestens - erforderlich, damit die Klägerin die Möglichkeit hatte, mit zumutbaren Anstrengungen TÜV-Abnahme und Reparaturen nachzuholen.
bb) Diesen Anforderungen entsprach die vom Beklagten gesetzte Frist von lediglich vier Stunden nicht. Wenn man - zu Gunsten des Beklagten - eine minimal erforderliche Frist von 48 Stunden (siehe oben) unterstellt, die ab dem 24.06.2010 15:00 Uhr zu laufen begann, wäre diese Frist erst am 26.06.2010 abgelaufen. Damit ist der vorher - am 25.06.2010 - erklärte Rücktritt unwirksam.
cc) Eine kürzere Frist - beispielsweise von vier Stunden - könnte zwar in Betracht kommen, wenn sich der Zeuge G., für die Klägerin handelnd, mit einer entsprechend kürzeren Frist einverstanden erklärt hätte. Dies war nach den Feststellungen des Landgerichts jedoch nicht der Fall. Soweit der Zeuge um 15:00 Uhr erklärt hat, das Fahrzeug werde bis um 19:00 Uhr da sein, ergibt sich daraus nicht, dass er mit einer entsprechenden verbindlichen Fristsetzung mit der Konsequenz einer Rückabwicklung des Vertrages bei Nichteinhaltung der Frist einverstanden gewesen wäre. Es ist nach den Feststellungen des Landgerichts vielmehr davon auszugehen, dass der Zeuge den Beklagten unabhängig von dieser Frist am Vertrag festhalten wollte.
d) Eine Fristsetzung wäre allerdings dann entbehrlich gewesen, wenn die Parteien ein sogenanntes Fixgeschäft im Sinne von § 323 Abs. 2 Ziff. 2 BGB abgeschlossen hätten. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Vereinbarung einer bestimmten Leistungszeit (Abholung des Fahrzeugs am 24.06.2010) reicht insoweit nicht aus. Wenn Vertragspartner eine Leistungszeit vereinbaren, handelt es sich normalerweise nicht um ein Fixgeschäft im Sinne von § 323 Abs. 2 Ziff. 2 BGB. Ein Fixgeschäft liegt nur dann vor, wenn sich die Parteien bewusst sind, dass das Geschäft mit der Einhaltung des Termins stehen und fallen soll. Es ist erforderlich, dass beiden Parteien bewusst ist, dass eine Vertragserfüllung nach dem vereinbarten Zeitpunkt ausgeschlossen ist (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O., § 323 BGB, Rn. 20 mit Rechtsprechungsnachweisen). An eine solche Vereinbarung wäre beispielsweise dann zu denken, wenn der Beklagte - für die Klägerin erkennbar - bei einer späteren Übergabe nach dem 24.06.2010 aus besonderen Gründen keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, das Fahrzeug zu nutzen (vgl. zu Fixabreden die Beispiele bei Palandt/Grüneberg a.a.O.). Solche oder ähnliche Umstände lagen auch nach dem Sachvortrag des Beklagten nicht vor. Die Vereinbarung einer Abholung des Fahrzeugs am 24.06.2010 reicht unter den gegebenen Umständen für eine Anwendung von § 323 Abs. 2 Ziff. 2 BGB nicht aus.
e) Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, die unter Abwägung beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt des Beklagten - ohne angemessene Frist - rechtfertigten (§ 323 Abs. 2 Ziff. 3 BGB). Der Umstand, dass die Klägerin ihre Pflichten verletzt hat, indem sie das Fahrzeug nicht schon ab dem 07.06.2010 bereitgestellt hat (siehe oben), reicht entgegen der Auffassung des Beklagten hierfür nicht aus. Ebenso wenig reicht es aus, dass der Beklagte nach seinem Vortrag Zeit und Geld aufgewendet hat, weil er mehrfach vergeblich von seinem Wohnort in Zürich zum Autohaus der Klägerin in Singen gefahren ist, um dort das Fahrzeug abzuholen. „Besondere Umstände" im Sinne des Gesetzes nimmt die Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen an, beispielsweise bei einer arglistigen Täuschung des Schuldners, oder insbesondere dann, wenn die Lieferung für den Käufer kein Interesse mehr hat, weil er das gekaufte Fahrzeug nicht mehr nutzen kann (vgl. zu den in Betracht kommenden Beispielen Palandt/Grüneberg a.a.O., Rn. 22 mit Rechtsprechungsnachweisen). Solche Gesichtspunkte hat der Beklagte nicht vorgebracht. Die Unannehmlichkeiten, die der Beklagte durch vergebliche Fahrten nach Singen hatte, machten eine Fristsetzung nicht entbehrlich. Insoweit hätte der Beklagte nur die Möglichkeit gehabt, ihm durch die Pflichtverletzung der Klägerin entstandene Aufwendungen (zusätzliche Fahrtkosten) als Schadensersatz geltend zu machen. Solche Ansprüche hätte er unter den entsprechenden Voraussetzungen ggf. auf § 280 Abs. 1 BGB (oder § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 280 Abs. 2 BGB) stützen können.
Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin zu gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Auch die Feststellung des Annahmeverzuges durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Mit Ablauf der Frist zum 02.07.2010, welche die Klägerin dem Beklagten im Schreiben vom 28.06.2010 gesetzt hatte (Anlage K 9), ist Annahmeverzug eingetreten. Die Regelung in § 297 BGB (Unvermögen des Schuldners) steht dem Annahmeverzug nicht entgegen, da die Klägerin am 25.06.2010 - also vor dem Schreiben vom 28.06.2010 - das Fahrzeug zur Abholung bereitgestellt hat.
Der Beklagte ist hingegen nicht verpflichtet, vorgerichtliche Anwaltskosten der Klägerin zu erstatten. Denn die Voraussetzungen für einen Ersatz des Verzugsschadens (§ 280 Abs. 1, 2 BGB) liegen hinsichtlich der Anwaltskosten nicht vor. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind der Klägerin dadurch entstanden, dass sie ihren Rechtsanwalt nach der Rücktrittserklärung des Beklagten vom 25.06.2010 mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Forderung beauftragt hat. Zum Zeitpunkt des Anwaltsschreibens vom 28.06.2010 befand sich der Beklagte jedoch noch nicht in Verzug. Die Fristsetzung der Klägerin im Schreiben vom 07.06.2010 (Anlage K 6) konnte einen Verzug des Beklagten nicht auslösen, da die Klägerin bei Abfassung dieses Schreibens ihren eigenen Verpflichtungen (Bereitstellung des Fahrzeugs mit TÜV- und Abgasuntersuchung) noch nicht nachgekommen war (vgl. zu den Voraussetzungen des Verzuges beim gegenseitigen Vertrag Palandt/Grüneberg a.a.O., § 286 BGB, Rn. 14). Die Rücktrittserklärung des Beklagten vom 25.06.2010 erfüllt auch nicht die Anforderungen an eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung (§ 286 Abs. 2 Ziff. 3 BGB). An das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine solche Weigerung muss als „letztes Wort" aufzufassen sein (Palandt/Grüneberg a.a.O., § 286 BGB, Rn. 24). Das Schreiben des Beklagten vom 25.06.2010 ließ die Möglichkeit offen, dass der Beklagte bei einem Hinweis auf die Rechtslage (keine ausreichende Fristsetzung) zu einer Leistung bereit sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.