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Wirtschaftsrecht
04.07.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Anforderungen an Begründung von der Rechtsbeschwerde unterliegenden Beschlüssen

BGH, Beschluss vom 20.2.2024 – VI ZB 19/22

ECLI:DE:BGH:2024:200224BVIZB19.22.0

Volltext: BB-Online BBL2024-1601-4

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Amtliche Leitsätze

Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben.

§ 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 547 Nr 6 ZPO, § 576 Abs 3 ZPO

Aus den Gründen

    I.

1          Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts als unzulässig verworfen, da der Wert des Beschwerdegegenstands nicht 600 € übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.    

 

II.

2          1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO).

 

3          2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.

 

4          a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach der ständigen Senatsrechtsprechung den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZB 41/20, VersR 2021, 1128 Rn. 4 mwN). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, § 559 ZPO). Enthält der angefochtene Beschluss keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Dies gilt auch, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei. Denn die Wertfestsetzung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZB 41/20, VersR 2021, 1128 Rn. 4 mwN).

 

5          b) Nach diesen Grundsätzen kann der angegriffene Beschluss keinen Bestand haben. Der für die rechtliche Überprüfung erforderliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel der Beklagten lassen sich der angefochtenen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des darin in Bezug genommenen Hinweisbeschlusses nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. Aus dem Hinweisbeschluss kann lediglich geschlossen werden, dass sich die Beklagte gegen eine Verurteilung zum Abbau von Kameras wendet, mit denen Räume überwacht werden sollten. Weitere notwendige Angaben zum Sachverhalt und eine hinreichende Wiedergabe der Anträge in beiden Instanzen, die dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Bestimmung der Beschwer der Beklagten durch das Berufungsgericht ermöglichen würden, fehlen.

 

6          c) Im Hinblick auf die aus der angefochtenen Entscheidung rudimentär erkennbaren Sachverhaltselemente und die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Bemessung der Beschwer weist der Senat allerdings schon jetzt darauf hin, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung des BGH vom 2. Juli 2020 - V ZB 137/19 (NJW-RR 2020, 1004) auf die Bemessung der Beschwer einer beklagten Partei, die sich gegen ihre Verurteilung zum Abbau von Kameras zur Überwachung von Räumen wendet, übertragbar ist. Denn Gegenstand des Rechtsstreits dürften hier die Überwachungsfunktion der Kameras und die diesbezüglichen gegenläufigen Interessen der Parteien sein. Anders als in dem vom V. Zivilsenat entschiedenen Fall geht es vorliegend nicht um eine Rechtsverletzung (dort Eigentum) durch eine bauliche Anlage (dort Bretterwand) als solche, sondern um eine Rechtsverletzung aufgrund der (Überwachungs-)Funktion der Kameras; nicht die Kameras für sich genommen stören die Klägerin, sondern die Tatsache, dass mit ihnen die in der Praxis befindlichen Personen aufgenommen werden können. Unmittelbarer Gegenstand des Rechtsstreits ist damit hier, anders als in dem dem Beschluss des BGH vom 2. Juli 2020 - V ZB 137/19 (NJW-RR 2020, 1004 Rn. 8 a.E.) zugrundeliegenden Fall, eine Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf Klägerseite und dem behaupteten berechtigen Interesse auf Beklagtenseite, nämlich ihrem Schutzinteresse im Zusammenhang mit Straftaten. Das Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Überwachung kann deshalb bei der Bemessung ihrer Beschwer durch die vom Amtsgericht ausgeurteilte Entfernung der Kameras nicht unberücksichtigt bleiben.

 

III.

7          Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Mangels tatsächlicher Feststellungen zum Sach- und Streitstand hat der Senat den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts bestimmt.

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