ArbG Stuttgart: Anfechtung von Betriebsratswahl wegen fehlerhaften Betriebsbegriff
ArbG Stuttgart, Beschluss vom 25.4.2019 – 21 BV 62/18
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1972-3
Amtliche Leitsätze
Die Verkennung des Betriebsbegriffs gemäß § 4 BetrVG stellt per se einen kausalen Anfechtungsgrund einer Betriebsratswahl dar und beeinflusst das Wahlergebnis. Dies gilt auch dann, wenn die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer in den Teilbetrieben nicht zu einer kausalen Änderung des gewählten Betriebsratsgremiums nach Größe und Zusammensetzung führt.
Allein die jahrzehntelange Teilnahme eines räumlich weit entfernten, selbständigen Betriebsteils im Sinne von § 4 Abs.1 Nr.1 BetrVG an der Wahl des Hauptbetriebs führt nicht zur Entbehrlichkeit oder Fiktion eines Teilnahmebeschlusses gemäß § 4 Abs.1 Satz 2 BetrVG.
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Betriebsratswahl in der Zentrale der Daimler AG in Stuttgart vom 01.03.2018.
Die Antragsteller/Beteiligten Ziffer 1-5 sind im Betrieb der Beteiligten Ziffer 7 beschäftigte, zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens alle wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie sind dem Betrieb „Zentrale“ zugeordnet. Die Beteiligte Ziffer 7 ist ein Unternehmen der Automobilindustrie mit Sitz in Stuttgart in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Ihre Hauptverwaltung ist größtenteils am Stammsitz in der Mercedesstraße 137 in Stuttgart angesiedelt. An diesem Standort befinden sich noch andere Unternehmensbereiche. Laut Wahlausschreiben für die Wahl des Betriebsrats „Zentrale“ Stuttgart vom 29.11.2017 waren in der Zentrale 16808 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte Ziffer 6 ist der bei der Betriebsratswahl am 01.03.2018 gewählte und gebildete 41-köpfige Betriebsrat des Betriebs „Zentrale“.
Der Beteiligte Ziffer 1 ist dem Betrieb „Zentrale“ als Arbeitnehmer zugeordnet. Er scheidet durch Aufhebungsvereinbarung zum 30.06.2019 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Seit 15.06.2018 ist er von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt. Der Beteiligte Ziffer 4 ist seit 01.09.2018 aufgrund Versetzung in das Werk Sindelfingen nicht mehr im Betrieb „Zentrale“ der Beteiligten Ziffer 7 beschäftigt. Der ursprünglich Beteiligte Ziffer 2 hat seinen Antrag vor Stellung der Anträge im Anhörungstermin zurückgenommen. Die Beteiligten Ziffer 3 und Ziffer 5 sind wahlberechtigte Arbeitnehmer der Beteiligten Ziffer 7.
Mit Wahlausschreiben vom 29.11.2017 legte der Wahlvorstand den Zeitpunkt der Wahl des Betriebsrats für die Betriebsorganisation „Zentrale“ auf den 01.03.2018 fest. Insoweit wird auf das Wahlausschreiben A1, Aktenblatt 55-63, Bezug genommen. Der Betrieb „Zentrale“ wurde dabei nicht allein räumlich festgelegt, sondern auch funktional. Zum Bereich der „Zentrale“ gehörte damit der Bereich „Zentrale Funktionen/G& A“ mit ca. 4000 Beschäftigten, der Bereich Truck mit ca. 4500 Beschäftigten, der Bereich VAN mit ca. 2900 Beschäftigten sowie der Bereich MBCars mit ca. 3000 Beschäftigten. Darüber hinaus wurden dem Betrieb „Zentrale“ Beschäftigte aus anderen Standorten wie Möhringen, Untertürkheim, Brühl, Fellbach, Berlin, Kassel, Leinfelden-Echterdingen und Gernsbach zugeordnet.
Dem Betrieb „Zentrale“ war bei der Betriebsratswahl am 01.03.2018 auch der Standort Gernsbach als Betriebsteil zugeordnet. Die Beteiligte Ziffer 7 betreibt in 76593 Gernsbach das interne Seminarhotel Haus Lautenbach. Zum Zeitpunkt der Wahl des Betriebsrats “Zentrale“ waren dort mehr als 21, nach Angaben der Beteiligten Ziffer 7 am Wahltag 27 wahlberechtigte Mitarbeiter tätig. Von diesen 27 Wahlberechtigten haben drei an der Betriebsratswahl durch Stimmabgabe am 01.03.2018 teilgenommen. Kein Mitarbeiter des Hauses Lautenbach stand auf einer der Wahllisten zur Wahl. Gernsbach liegt ca. 115 km von der Mercedesstraße 137 in Stuttgart entfernt. Vor Ort in Gernsbach besteht eigene fachliche Leitung, die Weisungsrechte ausübt und die Steuerung der internen Konferenz- und Tagungshäuser verantwortet. Das Haus Lautenbach besteht seit 1954. Seit 1968 ist das Haus Lautenbach den Zentralfunktionen zugeordnet. Seit 1968 wurden die Mitarbeiter von dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat betreut und nahmen an dessen Betriebsratswahlen teil.
Dem Betrieb „Zentrale“ ist auch die Hauptstadtrepräsentanz in Berlin zugeordnet. Im „Haus Huth“, Alte Potsdamer Straße 5 in Berlin, ist seit 1999 die Konzernrepräsentanz für Bundesangelegenheiten der Beteiligten Ziffer 7 ansässig. Die Konzernrepräsentanz ist insbesondere Ansprechpartner für Interessenvertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl am 01.03.2018 waren mindestens 10 regelmäßig wahlberechtigte Arbeitnehmer im Haus Huth beschäftigt, von denen drei an der Wahl des Betriebsrats der Zentrale durch Stimmabgabe teilgenommen haben. Kein Arbeitnehmer des Hauses Huth stand auf einer der Wahllisten zur Wahl. Das Haus Huth wird geleitet, nach Vortrag der Beteiligten Ziffer 7, von Herrn Dr. R., der an Herrn E. K. nach Stuttgart- Untertürkheim berichtet, nach Vortrag der Beteiligten Ziffer 1-4 von Herrn E. K. selbst. In Berlin sind an anderen Standorten noch weitere Arbeitnehmer beschäftigt. Der Standort Berlin ist ca. 630 km entfernt von der Mercedesstraße 137 in Stuttgart.
Am 01.03.2018 fand die Wahl des Betriebsrats „Zentrale Stuttgart“ in der Zentrale der Beteiligten Ziffer 7 statt. Am 15.03.2018 wurde das Wahlergebnis gemäß § 18 WO bekannt gegeben. Die Beteiligten Ziffer 1-5 fochten die Wahl mit Schriftsatz vom 29.03.2018, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, an.
Die Beteiligten Ziffer 1, 3 - 5 sind der Ansicht, die Betriebsratswahl sei anfechtbar, da der Betriebsbegriff offensichtlich verkannt worden sei. Die Verkennung des Betriebsbegriffs sei ein Anfechtungsgrund, da gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden sei. Bezüglich der sonstigen Anfechtungsgründe wird auf den Antragsschriftsatz, dort Seite 16 (Aktenblatt 3 und 40) sowie auf die weiteren Ausführungen der Beteiligten Ziffer 1, 3 - 5 Bezug genommen.
Zur Verkennung des Betriebsbegriffs sind die Anfechtenden der Ansicht, der Betriebsbegriff sei grob verkannt worden. In Wirklichkeit handele es sich unter dem Dach der als „Zentrale“ beschriebenen Einheit in Wirklichkeit um keinen einheitlichen „Betrieb“ im Sinne von § 1 BetrVG sondern um mehrere Betriebe, nämlich folgende Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes:
- Zentrale Funktionen, ca. 4000 Mitarbeiter
- MB Cars, ca. 2800 Mitarbeiter
- Truck, ca. 3600 Mitarbeiter
- Van, ca. 2700 Mitarbeiter
Während der Bereich zentrale Funktionen in personeller und sozialer Hinsicht von Herrn Dr. U. K. geleitet werde, erfolge die Leitung in dem hier maßgeblichen Sinne, nämlich den wesentlichen Mitbestimmungsrechten gemäß §§ 87 ff, 99 ff BetrVG unterliegenden Entscheidungen, die Anordnung von Überstunden, Einstellung, Versetzung, Entlassung von Arbeitnehmern durch die folgenden Personen:
- MB Cars: S.H./A.P.
- Truck: J. H./B. H.
- Van: S.T./U.B.
Seien mehrere Bereiche betroffen, stimmten sich die Personalleiter ab und erörterten das Thema gemeinsam mit dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsausschuss. Die jeweils genannten Personen seien auch als Personalleiter im Hinblick auf Personal - und Sozialwesen eigenständige „Entscheider“, ohne sich bei Herrn Dr. K. Weisungen einholen zu müssen. Inwieweit noch im Einzelfall durch den Personalvorstand Letztentscheidungsrechte verblieben, sei insoweit irrelevant, da jedenfalls auf der genannten Ebene die deutliche Mehrheit der in Betracht kommenden Entscheidungen getroffen würden, die der Mitbestimmung unterlägen. Daher seien in diesen Bereichen auch eigenständige betriebsverfassungsrechtliche „Betriebe“ zu sehen und kein Betrieb als Ganzes.
Die Antragsteller tragen vor, von einem einheitlichen Leitungsapparat der „Zentrale“ sei keine Rede, in personellen und sozialen Angelegenheiten gebe es unterschiedliche Führungskräfte, die als Ansprechpartner für die betriebliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer fungierten. Es handele sich um eine gewillkürte Betriebsratsstruktur. Auch seien die einzelnen Mitarbeiter, die der Zentrale zugeordnet seien, räumlich in der Innenstadt in Stuttgart sowie auf Leinfelden-Echterdingen, Böblingen und Sindelfingen verteilt, sie lägen räumlich teilweise sehr weit auseinander, in der Zentrale würden völlig unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgt.
Die Anfechtenden sind weiter der Ansicht, beim Betrieb in Gernsbach und Berlin, „Haus Huth“, handele es sich um selbstständige Betriebe, für die ein eigenständiger Betriebsrat hätte gewählt werden müssen.
Bezüglich des weiteren konkreten Vortrags der Beteiligten Ziffer 1, 3 - 5 hinsichtlich des Betriebsbegriffs wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beteiligten Ziffer 1, 3 - 5 stellen folgenden Antrag:
Die Betriebsratswahl vom 01.03.2018 wird für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten Ziffer 6 und 7 stellen den Antrag,
der Antrag wird abgewiesen.
Die Beteiligte Ziffer 7 trägt zum Betriebsbegriff wie folgt vor: Der Betrieb „Zentrale“ sei nicht als rein räumliche Einheit zu verstehen. Vielmehr setze sich dieser Betrieb aus Mitarbeitern zusammen, die an unterschiedlichen Standorten der Zentrale tätig seien oder ihr Büro in Außenstellen der Zentrale hätten. In Konsequenz der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg aus dem Jahr 1995 seien die Betriebe Untertürkheim (Werk 10) und der Betrieb Zentrale als zwei eigenständige Betriebe mit jeweils eigenen BR-Gremien geführt worden. Die Zentralfunktionen der bisherigen Mercedes-Benz AG seien in einer Gesellschaft DaimlerChrysler AG, ab 2007 Daimler AG, zusammengeführt und zu einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst worden. Der Sitz der Zentrale sei zunächst in Möhringen gewesen, ab 2006 nach Untertürkheim verlegt worden. Im Betrieb Zentrale seien klassische geschäftsbereichsübergreifende Hauptverwaltungsfunktionen wie Kommunikation, Personalwesen, Revision, Konzernsicherheit, Finance & Controlling, IT, der Bereich Außenbeziehungen, die Unternehmensstrategie, der Vorstandsstab, das Service- und Gebäudemanagement, der Einkauf sowie die Rechtsabteilungen angesiedelt. Zudem gehörten zum Betrieb Zentrale die zentralen Funktionen der Geschäftsfelder Lkw, VAN sowie der Mercedes-Benz PKW Vertrieb, die wie die jeweiligen Vorstände hier räumlich untergebracht seien. Ebenso sei dem Betrieb Zentrale die auf dem Gelände in Untertürkheim betriebene VAN- Entwicklung sowie die Lkw- Vorentwicklung zugeordnet. Zum Betrieb Zentrale gehörten dagegen keine produzierenden Funktionen. Die Produktionswerke würden von den dortigen Werkleitern eigenständig geführt.
Der Betrieb Zentrale werde betriebsverfassungsrechtlich übergreifend von Herrn Dr. U. K. als verantwortlichem Personalleiter geführt. Zwar hätten die einzelnen Bereiche der Zentrale jeweils eigenständige Personalverantwortliche, Herr Dr. U. K. sei diesen gegenüber aber weisungsbefugt und übergeordnet. Dies komme auch in der Stellenbeschreibung von Herrn Dr. U. K. insoweit zum Ausdruck in der ausgeführt sei:
„Alle mitbestimmungspflichtigen Themen für alle am Standort befindlichen Funktionen gegenüber BR vertreten. Bei Betriebsversammlungen, Vollversammlungen LFK etc. als Vertreter der Unternehmensleitung mitwirken. Betriebsausschusssitzungen vorbereiten. Einbeziehen der nicht disziplinarisch zugeordneten Personalfunktionen des Standorts in allen Fragen, die lokal mit BR zu regeln sind“.
Insoweit wird auf Aktenblatt 528 Bezug genommen.
Sofern Betriebsvereinbarungen für die einzelnen Bereiche der Zentrale verhandelt würden, seien bei diesen Verhandlungen zwar auch die jeweiligen für diese Bereiche zuständigen Personalverantwortlichen anwesend, Herr Dr. U. K. habe jedoch auch bei diesen Betriebsvereinbarungen immer das „letzte Wort“ und trage die Verantwortung für das Verhandlungsergebnis. Herr Dr. U. K. verantworte damit alle der Mitbestimmung unterliegenden Entscheidungen und Verhandlungen mit dem BR sowie den Abschluss von Betriebsvereinbarungen, die den Betrieb Zentrale im Ganzen oder in Teile beträfen.
Bezüglich der Standorte Gernsbach und Berlin, Haus Huth, ist die Beteiligte Ziffer 7 der Ansicht, selbst bei Verkennung des Betriebsbegriffs sei insoweit die Kausalität zu verneinen, als auch in beiden Standorten zusammen weniger wahlberechtigte Mitarbeiter betroffen wären, als zur Beeinflussung der Wahl erforderlich seien. Erst wenn 85 wahlberechtigte Mitarbeiterstimmen weniger abgegeben worden wären, wäre das Wahlergebnis im Sinne einer Änderung des letzten Listenplatzes theoretisch anders ausgefallen. Damit stelle die Stimmenzahl von 85 den niedrigsten Wert des Stimmenabzugs mit Auswirkung auf das Wahlergebnis dar.
Bezüglich des Standortes Gernsbach, Haus Lautenbach, trägt die Beteiligte Ziffer 7 vor, in dieser Außenstelle seien am 01.03.2018 27 wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Die Mitarbeiter in Gernsbach seien aufgrund ihres Aufgabengebietes dem Betrieb Zentrale zugeordnet, da das Service- und Gebäudemanagement als klassische geschäftsübergreifende Aufgabe dem Betrieb Zentrale zugeordnet sei. Die Leiterin des Hauses Lautenbach, Frau M. L. verantworte die Steuerung der internen Konferenz- und Tagungshäuser und berichte direkt an den Leiter Infrastructural Facility Management, der in Stuttgart in der Ulmer Straße 255 angesiedelt sei.
Das Haus Lautenbach bestehe seit 1954. Seit 1968 sei es den Zentralfunktionen zugeordnet. Seit dieser Zeit würden die Mitarbeiter von dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat vertreten und hätten an dessen Betriebsratswahlen teilgenommen. Dem sei vorausgegangen, dass die Mitarbeiter des Tagungshauses mehrheitlich gegenüber dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat erklärt hätten, dass sie an dessen Betriebsratswahl teilnehmen und von diesem auch betreut werden möchten. Dieser Beschluss sei damals von den in Lautenbach beschäftigten Mitarbeitern formlos getroffen und dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat mitgeteilt worden. Da keine Mitarbeiter mehr bei der Beklagten beschäftigt seien, die im Haus Lauterbach 1968 tätig gewesen sind, habe man keine näheren Aufklärungen mehr betreiben können. Wer und wie viele Personen damals beschäftigt gewesen seien, sei nicht erkennbar. Der Beschluss, von dem Betriebsrat der Zentrale mit betreut zu werden, und an dessen Betriebsratswahl teilzunehmen, sei von den Beschäftigten des Hauses Lautenbach bis heute, auch nach der Gesetzesänderung von § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, nicht geändert worden. Über die Jahrzehnte sei damit ein verfestigter Wille der Beschäftigten erkennbar, durch den Betriebsrat der Zentrale vertreten zu werden. Die Beteiligte Ziffer 7 ist der Ansicht, die Mitarbeiter des Hauses Lautenbach hätten damit wirksam gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entschieden, an der Wahl in der Zentrale teilzunehmen.
Zu den Mitarbeitern im Haus Huth, Berlin, trägt die Beteiligte Ziffer 7 wie folgt vor:
Im Haus Huth sei seit 1999 die Konzernrepräsentanz für Bundesangelegenheiten der Beteiligten Ziffer 7 ansässig. Ihre Aufgabe sei es, internationale und nationale Beziehungen der Beteiligten Ziffer 7 zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl am 01.03.2018 seien 11 Wahlberechtigte (inklusive eines Praktikanten) im Haus Huth beschäftigt gewesen, von denen drei an der Wahl des Betriebsrats „Zentrale“ teilgenommen hätten. Die Konzernrepräsentanz in Berlin werde von Herrn Dr. M. R. geleitet. Herr Dr. R. berichte an den Leiter Auswärtige Beziehungen, Herrn E. K. Dieser habe seinen Sitz in Stuttgart Untertürkheim. Der Aufgabenbereich sei der Konzernzentrale der Beteiligten Ziffer 7 zugeordnet. Aufgrund dieser organisatorischen Anbindung an die Zentrale seien die Mitarbeiter historisch schon in der Zeit, als die Konzernrepräsentanz noch in Bonn angesiedelt gewesen sei, vom Betriebsrat der „Zentrale“ vertreten worden. Im Zusammenhang mit dem Umzug von Bonn nach Berlin und im Vorfeld der Betriebsratswahl im Jahr 1998 hätten die Mitarbeiter der Konzernrepräsentanz, auch wenn dies zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich noch nicht vorgesehen gewesen sei, mehrheitlich beschlossen, an der Wahl des Betriebsrats des Betriebs Zentrale mitzuwählen und von diesem auch betreut werden zu wollten. Hintergrund sei gewesen, dass sie sich aufgrund ihres Aufgabengebietes und der Tatsache, dass sie nach Stuttgart berichten, zur Zentrale zugehörig fühlten. Dieser Beschluss sei damals von den in der Konzernrepräsentanz beschäftigten Mitarbeitern formlos getroffen und dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat mitgeteilt worden. Der Leiter Arbeitsrecht der Beteiligten Ziffer 7 sei damals für die Betriebsratswahlen zuständig gewesen und über den Beschluss der Belegschaft, von dem Betriebsrat Zentrale mit betreut zu werden, informiert gewesen. Dieser Beschluss sei von den Beschäftigten des Hauses Huth bis heute nicht geändert worden. Auch nach der Gesetzesänderung im Jahr 2001 hielten die Beschäftigten an ihrer Entscheidung fest. Über die Dauer vieler Jahre sei damit ein verfestigter Wille der Beschäftigten erkennbar, durch den Betriebsrat der Zentrale vertreten zu werden.
Der Beteiligte Ziffer 6 trägt zur Betriebsstruktur vor, der Betrieb Zentrale sei nicht etwa wie in früheren Zeiten durch einen klassischen Werksleiter als Personalspitze geführt, sondern durch den Personalleiter bei der Beteiligten Ziffer 7, Herrn Dr. U. K. Dies ergebe sich auch aus dessen Stellenbezeichnung. Zwar gebe es für die einzelnen Bereiche des Betriebs Zentrale jeweils sogenannte Abteilungsleitungen. Diese hätten möglicherweise in ihren jeweiligen Bereichen die Abteilungsleitung inne, dies bedeute aber nicht, dass sie in personeller und sozialer Hinsicht eine letzte Entscheidungskompetenz besäßen. In der Sache habe Herr Dr. U. K. bei allen personellen und sozialen Angelegenheiten im Betrieb Zentrale auch für die genannten einzelnen Bereiche das letzte Wort und sei insoweit umfassend weisungsbefugt. Auch lade Dr. U. K. und der Vorsitzende des Beteiligten Ziffer 6 stets gemeinsam zu den anstehenden Betriebsversammlungen, die Herr Dr. U. K. persönlich wahrnehme. Sämtliche Betriebsvereinbarungen würden von Herrn Dr. U. K und dem Betriebsratsvorsitzenden der Beteiligten Ziffer 6 unterschrieben. Auch habe Herr Dr. U. K. gegenüber den einzelnen Sparten beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen in der Vergangenheit das letzte Wort gehabt.
Entscheidend sei insbesondere jedoch die Stellung gegenüber dem Betriebsrat: Aus Sicht des Betriebsrats sei für den Betriebsratsvorsitzenden in der Vergangenheit ausschließlich Dr. U. K. Ansprechpartner gewesen. Zu keiner Zeit habe der Betriebsrat von Herrn S. oder Herrn H. von den einzelnen Sparten irgendwelche Anordnungen erhalten oder sei angesprochen worden bezüglich personeller oder sonstiger sozialer Belange. Wenn der Betriebsratsvorsitzende im Namen des Betriebsrates Gespräche führe oder Probleme anspreche, wende er sich ausschließlich an Herrn Dr. U. K.
Zum Standort Gernsbach trägt der Beteiligte Ziffer 6 vor, er habe diesen Standort seit Jahren sehr intensiv betreut. Zu keiner Zeit sei von dort der Wunsch gekommen, einen eigenen Betriebsrat zu wählen, sondern die Mitarbeiter hätten sich gut vertreten gefühlt. Seit 1968 sei ihm aber kein Beschluss der Mitarbeiter bekannt geworden, dass diese an einer Betriebsratswahl in der Zentrale teilnehmen. Dies sei stillschweigend immer so gehandhabt worden. Die dem Haus Huth in Berlin und dem Haus Lautenbach in Gernsbach zugeordneten Mitarbeiter hätten seit Jahrzehnten bei der Betriebsratswahl des für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrats mit gewählt.
Bezüglich des weiteren Beteiligtenvortrags wird auf die Schriftsätze sowie auf die Protokolle der Anhörungstermine Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die Anfechtung der Betriebsratswahl ist zulässig und begründet. Die Betriebsratswahl vom 01.03.2018 ist deshalb für unwirksam zu erklären. Durch die Einbeziehung der Standorte Gernsbach und Berlin wurde der Betriebsbegriff verkannt.
A.
Der Antrag der Antragsteller ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Sonstige Gründe, die zur Unzulässigkeit führen, sind nicht gegeben.
1. Der auf Anfechtung der Betriebsratswahl gerichtete, nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmte Antrag ist zulässig. Die Antragsteller haben ausschließlich die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 01.03.2018 geltend gemacht.
2. Die angefochtene Betriebsratswahl ist nicht nichtig.
Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Wahl bestehen nicht. Insbesondere liegt keine grobe Verkennung des Betriebsbegriffs im Sinne der Rechtsprechung vor.
a) Eine nichtige Wahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, wenn gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maße verstoßen worden ist, dass nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt (BAG, Beschluss vom 02.03.1955 - 1 ABR 19/54, Fitting, 29. Aufl., § 19 Rn. 4). Erforderlich ist daher ein besonders grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche gesetzliche Wahlregelungen. Dabei ist auf den Standpunkt eines mit dem Wahlvorgang und den Betriebsinterna Vertrauten abzustellen. Allein die Häufung und Addition von einfachen Verstößen führt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Nichtigkeit der Wahl (BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03).
Die von den Antragstellern im einzelnen vorgetragenen Anfechtungsgründe stellen jeder für sich keinen offensichtlichen groben Verstoß gegen wesentliche Wahlregeln dar. Auch die Verkennung des Betriebsbegriffs führt im vorliegenden Fall nicht zu einer Nichtigkeit der Wahl. Wird der Betriebsbegriff verkannt, führt dies nur dann zur Nichtigkeit der Wahl, wenn es sich um eine offensichtliche bzw. willkürliche Verkennung und Anwendung des Betriebsbegriffs handelt. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Betriebsratswahl unter bewusster Verkennung des Betriebsbegriffs nach vorherig eingeholtem Rechtsgutachten erfolgt oder unter Missachtung einer bindende Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG (BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 65/03).
b) Eine Nichtigkeit liegt vorliegend nicht vor.
Zwar handelt es sich bei dem Betrieb in Berlin und Gernsbach jeweils um einen offensichtlich räumlich weit entfernten Betriebsteil. Dies führt jedoch nicht automatisch zu einer offensichtlichen Verkennung des Betriebsbegriffs, da neben der räumlichen Entfernung auch sonstige rechtliche Erwägungen für die Frage des eigenständigen Betriebsteils im Sinne § 4 BetrVG anzustellen sind.
Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten, die eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung erfordert. Unterlaufen dabei Fehler, sind diese in der Regel nicht so grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (BAG, Beschluss vom 13.09.1984 - 6 ABR 43/83; BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03). Auch war insoweit zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit die Betriebsratswahl seit Jahren unter Einbeziehung der Betriebsteile Berlin und Gernsbach stattgefunden hat, weder Wahlvorstand noch Anfechtende (zunächst) noch der Arbeitgeber oder Betriebsrat insoweit von einer Verkennung des Betriebsbegriffs ausgegangen sind. Damit war diese nicht offensichtlich und kein grober Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dergestalt, dass nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt.
3. Die Anfechtung erfolgte fristgerecht.
Nach § 19 Abs. 2 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrates binnen einer Frist von 2 Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, angefochten werden. Diese Frist haben die Antragsteller eingehalten.
Das Wahlergebnis der Betriebsratswahl vom 01.03.2018 wurde gemäß § 18 Wahlordnung am 15.03.2018 bekannt gegeben. Der Antrag auf Anfechtung der Betriebsratswahl ging beim Arbeitsgericht am 29.03.2018 ein, somit innerhalb der 2-wöchigen Anfechtungsfrist.
4. Die Antragsteller/Beteiligten Ziffer 1,3,4,5, E., P., M. und F. sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung berechtigt.
Die Antragsteller waren zum Zeitpunkt der Wahl am 01.03.2018 unstreitig wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes „Zentrale“, der von dem Wahlvorstand als Betrieb gebildet worden war, somit anfechtungsberechtigt.
a) Der Zulässigkeit der Wahlanfechtung steht nicht entgegen, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor der Kammer einzelne Anfechtende ihre Anfechtungsbefugnis verloren haben. Die Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers muss grundsätzlich nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein. Scheiden die anfechtenden Arbeitnehmer während des Beschlussverfahrens aus dem Betrieb aus, so wird dadurch der Fortbestand des für die Zulässigkeit des Antrags gebotenen Rechtsschutzinteresses nicht berührt. (BAG, Beschluss vom 04.12.1986 - 6 ABR 48/85). Lediglich wenn alle Wahlanfechtenden während des Beschlussverfahrens aus ihrem Arbeitsverhältnis endgültig ausscheiden, führt dies zum Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses und damit zur Unzulässigkeit des Wahlanfechtungsverfahrens (BAG, Beschluss vom 15.02.1989 - 7 ABR 9/88; BAG; Beschluss vom 15.02.1989 - 7 ABR 9/88; BAG, Beschluss vom 23.07.2014 - 7 ABR 23/12; ErfK/Koch, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 19 Rn. 8-11).
b) Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Beteiligte Ziffer 1 durch seine zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor der Kammer bestehende unbefristete Freistellung sowie seinem Ausscheiden bei der Beteiligten Ziffer 7 zum 30.06.2019 seine Wahlberechtigung bereits verloren hat. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Beteiligte Ziffer 4 durch seine Ende 2018 erfolgte Versetzung in einen anderen Betrieb seine Wahlberechtigung verloren hat. Unstreitig sind die Beteiligten Ziffer 3 und 5 noch wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb „Zentrale“, somit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung nicht.
B.
Die Betriebsratswahl vom 01.03.2018 im Betrieb „Zentrale“ der Daimler AG ist anfechtbar. Der Wahlvorstand hat die maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit des Betriebsbegriffs verkannt. Zu Unrecht wurden in Berlin und Gernsbach nicht separate Betriebsräte gewählt, so dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1, 2 BetrVG vorliegt. Dieser ist auch kausal für die Betriebsratswahl.
1. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden.
Ein solcher Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (BAG, Beschluss vom 23.11.2016 - 7 ABR 3/15; BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03). Verkennt damit der Wahlvorstand bei einer Betriebsratswahl den Betriebsbegriff gemäß §§ 1, 4 BetrVG, führt dies regelmäßig zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl (BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03 m.w.N.). Die Verkennung des Betriebsbegriffs stellt nämlich eine Verletzung wesentlicher Vorschriften des Wahlrechts (§ 7 BetrVG), der Wählbarkeit (§ 8 BetrVG) und des Wahlverfahrens dar. Sie beeinflusst auf jeden Fall das Wahlergebnis und führt daher ohne weiteres zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG.
Ein Verstoß gegen Wahlvorschriften liegt hier vor (BAG, Beschl. v. 30.6.1993 – 7 ABR 64/92).
2. Nach § 1 BetrVG werden in Betrieben mit in der Regel fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt. Das Betriebsverfassungsgesetz definiert den Begriff des Betriebes nicht, sondern setzt den in Rechtsprechung und Rechtslehre gebildeten Betriebsbegriff voraus. Danach ist ein Betrieb die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAGE 40, 163, 165 =, unter III 1 der Gründe; BAGE 52, 325, 329 =, unter B II 2 a der Gründe; BAG Beschluss vom 29. Mai 1991 – 7 ABR 54/90; Fitting, BetrVG, 19. Aufl., § 1 Rz 31; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 Rz 5). In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an (BAGE 40, 163, 166, unter III 2 a der Gründe; BAGE 53, 119, 127, unter II 3 der Gründe). So ist regelmäßig vom Vorliegen eines Betriebs im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Ob Hauptverwaltung und einzelne Betriebsstätten eines Unternehmens einen einheitlichen Betrieb oder zwei selbständige Betriebe bilden, hängt von der Leitungsstruktur des Unternehmens ab. Betriebliche Mitbestimmung soll jeweils dort ausgeübt werden, wo unternehmerische Leitungsmacht im betrieblichen Bereich konkret entfaltet und ausgeübt wird (BAGE 40, 163, 167, unter III 2 b der Gründe). Maßgeblich ist, wo die wesentlichen, der sozialen (§§ 87 ff. BetrVG) und personellen (§§ 99 ff. BetrVG) Mitbestimmung unterliegenden Entscheidungen für die Mitarbeiter des Betriebs getroffen werden. Hierbei kommt es weniger auf die wirtschaftlich-unternehmerische Entscheidungsgewalt an. Eine Betriebsstätte ist als selbständiger Betrieb anzusehen, wenn seiner Leitung der Kern der Arbeitgeberfunktionen für die dort tätigen Mitarbeiter übertragen ist, die Hauptverwaltung hingegen im Wesentlichen nur planerische, unternehmensbezogene Entscheidungen trifft (BAG Beschl. v. 30.6.1993 – 7 ABR 64/92, BeckRS 1993, 30745588, beck-online).
3. Die Betriebe Gernsbach und Berlin, Haus Huth, stellen selbständige Betriebe im Sinne § 4 Abs.1 BetrVG dar.
Ein Betriebsteil ist in die Organisation des Hauptbetriebes eingegliedert; er ist ihm gegenüber jedoch räumlich und organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt, bleibt aber auf dessen Zweck ausgerichtet (BAG Beschl. v. 30.6.1993 – 7 ABR 64/92).
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz BetrVG erfüllen und räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Dabei stehen die Nummer 1 und 2 des Abs. 1 Satz 1 alternativ nebeneinander (Fitting, BetrVG, 29. Aufl., 2018, § 4 Rn. 21).
Bei dem Tatbestandsmerkmal der „räumlich weiten Entfernung“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Im Rahmen der Gesamtabwägung ist damit nicht allein auf die Kilometerentfernung abzustellen, sondern darauf, ob nach Sinn und Zweck der Norm die Betreuung der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Eine Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern kommt somit nicht in Betracht. (BAG, Beschluss vom 07.05.2008 - 7 ABR 15/07; Beschluss vom 17.05.2017 - 7 ABR 21/15 Rn. 20).
Betriebsteile sind danach räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmer des Betriebsteils durch den beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist (BAG, Beschluss vom 19.02.2002 - 1 ABR 26/01; Beschluss vom 14.01.2004 - 7 ABR 26/03; Beschluss vom 17.05.2017 - 7 ABR 21/15). Dabei ist die Erreichbarkeit des im Hauptbetrieb bestehenden Betriebsrats per Post, Telefon oder moderner Kommunikationsmittel für die Beurteilung der Frage, ob Filialen räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, unerheblich. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG stellt allein auf die räumliche Entfernung ab. Dadurch wird eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des Betriebsrats für die Arbeitnehmer wie auch der Arbeitnehmer für den Betriebsrat gewährleistet. Für die jederzeitige Erreichbarkeit ist nicht auf die ungünstigsten Verkehrssituationen, sondern auf die regelmäßigen Verkehrsverhältnisse abzustellen (BAG, Beschluss vom 17.05.2017 - 7 ABR 21/15).
Der Zweck der Regelung besteht darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Betriebsteils vom Hauptbetrieb die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb kommen können. Auch der einzelne Arbeitnehmer muss grundsätzlich die Möglichkeit haben, immer dann, wenn er es für nötig hält, zeitnah an die einzelnen Mitglieder des Betriebsrats heranzutreten. Der Betriebsrat ist insgesamt der berufene Vertreter der Belegschaft. Es geht daher nicht an, die Arbeitnehmer praktisch nur auf die Sprechstunden oder auf bestimmte ortsansässige Betriebsratsmitglieder zu verweisen. Jedes einzelne Betriebsratsmitglied genießt das in ihn gesetzte Vertrauen der Belegschaft. Jeder Arbeitnehmer muss daher auch die Möglichkeit haben, das Betriebsratsmitglied seines Vertrauens aufzusuchen, ohne daran allein durch die räumliche Entfernung gehindert zu sein (BAG Beschluss vom 23. September 1960 – 1 ABR 9/59; BAG Beschluss vom 30.6.1993 – 7 ABR 64/92). Maßgeblich ist damit sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat.
b) Voraussetzung neben der räumlichen Entfernung ist darüber hinaus, dass der Betriebsteil organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt ist. Für die Abgrenzung von Betrieb gegenüber Betriebsteil ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils im Sinne § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG genügt jedoch ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG, Beschluss vom 07.05.2008 - 7 ABR 15/07; Beschluss vom 17.05.2017- 7 ABR 21/15). Nur wenn diese Voraussetzung des Mindestmaßes an organisatorischer Selbstständigkeit nicht vorliegt, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.
a) Gernsbach
aa) Unter Zugrundelegung des oben Gesagten stellt der Betrieb in Gernsbach mit einer räumlichen Entfernung von über 110 km und einer einfachen Fahrzeit mit dem PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln von weit mehr als 1 Stunde zum Hauptbetrieb einen räumlich weit entfernten Betriebsteil dar.
Das Bundesarbeitsgericht hat dabei in der Vergangenheit bereits bei einer Wegezeit von insgesamt 50 Minuten im Einzelfall einen räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernten Betrieb angenommen (BAG, Beschluss vom 17.05.2017 - 7 ABR 21/15). Will ein Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied kontaktieren, wird er mit Sicherheit regelmäßig davon abgehalten, eine reine Fahrzeit von 2-3 Stunden auf sich zu nehmen, dasselbe gilt für die Kosten. Eine effektive sinnvolle Betriebsratsbetreuung der im Betriebsteil Gernsbach beschäftigten Mitarbeiter ist vom Hauptbetrieb aus nach den obigen Grundsätzen nicht möglich. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Betriebsrat des Betriebs „Zentrale“, wie im Kammertermin vom Betriebsratsvorsitzenden ausgeführt und von den Antragstellern nicht bestritten, in der Vergangenheit sich für den Betrieb Gernsbach effektiv und zum Wohl der Gesamtheit der dort Beschäftigten eingesetzt hat. Gleichwohl kann bei dieser räumlichen Entfernung die Ansprechbarkeit eines einzelnen Betriebsratsmitglieds durch einen Arbeitnehmer bei kurzfristigen Angelegenheiten nicht gewährleistet werden.
Entgegen der Rechtsansicht der Beteiligten Ziffer 6 und 7 steht dem nicht entgegen, dass es moderne Kommunikationsmittel wie Telefon, Videokonferenz oder Skype gibt. Insoweit ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach der derzeitigen Gesetzeslage nach dem Wortlaut allein auf die räumliche Entfernung abzustellen. Solange der Gesetzgeber insoweit die Norm nicht ändert, ist das Gericht hieran gebunden. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nach Sinn und Zweck ist auch deshalb nicht geboten, da nach derzeitigem Gesetzeswortlaut der persönliche, unmittelbare Kontakt von Angesicht zu Angesicht im selben Raum mit dem Betriebsratsmitglied nach Sinn und Zweck im Vordergrund steht. Ähnliche Normen kennt das Betriebsverfassungsrecht auch aus der Beschlussfassung in der Betriebsratssitzung, die nach derzeitigem Gesetzeswortlaut eben auch nur durch Abstimmung von Angesicht zu Angesicht im selben Raum und nicht mittels Skype oder Umlaufverfahren erfolgen kann.
bb) Im Betrieb in Gernsbach werden regelmäßig mehr als fünf Wahlberechtigte, davon drei wählbare Arbeitnehmer im Sinne § 1 BetrVG beschäftigt, sodass § 4 Abs. 2 BetrVG nicht Anwendung findet, Gernsbach hat mit 27 wahlberechtigten Arbeitnehmern die relevante Größe für einen eigenständigen Betriebsteil.
cc) Im Betriebsteil in Gernsbach ist vor Ort die erforderliche organisatorische Selbstständigkeit gegeben. Gernsbach hat unstreitig vor Ort eine Leiterin, die arbeitsrechtliche Weisungen erteilt. Damit besteht das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit.
Damit hätte in Gernsbach als eigenständiger Betriebsteil im Sinne § 4 Abs. 1 BetrVG ein eigener Betriebsrat gewählt werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Dies stellt einen Verstoß gegen wesentliche Wahlgrundsätze dar.
b) Berlin, „Haus Huth“
aa) Unter Zugrundelegung des oben Gesagten stellt der Betrieb in Berlin, Haus Huth mit einer räumlichen Entfernung von über 600 km eindeutig und unproblematisch einen räumlich weit entfernten Betriebsteil dar.
bb) Im Betriebsteil in Berlin, selbst ohne Berücksichtigung anderer Mitarbeiter in Berlin außerhalb von Haus Huth, sind die gemäß § 1 Abs. 1 BetrVG erforderliche Anzahl von Mitarbeitern beschäftigt.
cc) Im Haus Huth in Berlin besteht unstreitig eine Leitung vor Ort, die Weisungsrechte ausübt. Ob dies, wie von den Antragstellern behauptet, Dr. E. K. ist oder Dr. R., kann dahingestellt bleiben.
5. Entgegen dem Vortrag der Beteiligten Ziffer 6 und 7 steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass ein wirksamer Beschluss der Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebsteils gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorliegt, nachdem diese formlos beschlossen haben, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Insoweit wurde kein konkreter Vortrag gehalten, der dem Beweis zugänglich gewesen wäre.
a) Seit der Gesetzesnovellierung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in der Fassung vom 25.09.2001 möglich, dass Arbeitnehmer eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, diese mit Stimmenmehrheit formlos beschließen können, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Der Beschluss ist dabei dem Betriebsrat des Hauptbetriebs spätestens 10 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit mitzuteilen. Für den Widerruf des Beschlusses gelten die Sätze 2-4 entsprechend. Vor der Gesetzesnovellierung war ein solcher Beschluss nicht möglich. Räumlich weit entfernte Betriebsteile, die die entsprechende Größe besaßen, konnten an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb danach nicht teilnehmen.
Der Beschluss zur Teilnahme an der Wahl bedarf nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG der Stimmenmehrheit der Arbeitnehmer des Betriebsteils. Dies bedeutet, dass die Mehrheit der Anwesenden in einer möglichen Wahlversammlung nicht ausreichen, sondern 51 % der abstimmungsberechtigten Arbeitnehmer der Wahl im Hauptbetrieb, somit mit absoluter Mehrheit zustimmen (H/S/W/G/N/Rose- § 4 Rz. 56; Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 4 Rn. 38; Fitting, BetrVG, 29. Aufl. 2018, § 4 Rz. 29). Dabei sind alle Arbeitnehmer des Betriebsteils abstimmungsberechtigt, unabhängig von ihrer Wahlberechtigung.
Die Abstimmung kann formlos erfolgen, ein bestimmtes förmliches Verfahren ist nicht erforderlich, es kann auch im Umlaufverfahren ohne eine Versammlung beschlossen werden (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.2016 - 12 TaBV 67/14). Allerdings muss für die abstimmenden Mitarbeiter im Rahmen der Willensbildung klar erkennbar sein, dass es um eine Abstimmung zu der Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb im Sinne einer tatsächlichen Entscheidung geht und nicht allein um die stillschweigende Hinnahme einer - fehlerhaften - rechtlichen Einschätzung einer fehlenden Wahlmöglichkeit.
Der Zuordnungsbeschluss entfaltet nach der einhelligen Literaturmeinung Dauerwirkung. Er gilt daher nicht nur für die unmittelbar anstehenden Betriebsratswahlen, sondern auch für die im Anschluss stattfindenden weiteren Betriebsratswahlen (ErfK/Koch, § 4 Rn. 5; H/S/W/G/N/Rose- § 4 Rz. 61; Fitting, BetrVG, 29. Aufl. 2018, § 4 Rz. 35).
b) Nach dem in § 286 ZPO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der auch im Beschlussverfahren gilt (BAG, Beschluss vom 5. 20.09.1986 - 6 ABR 68/84), hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist (BAG, Beschluss vom 23. 11. 2016 - 7 ABR 3/15, Rn. 41). Dabei kommt es auf die persönliche Überzeugung der entscheidenden Richter an, die sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen müssen. Die Bestimmung des § 286 Abs. 1 ZPO verlangt einen Grad an Überzeugung, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BAG, Urteil vom 25.02.1998 - 2 AZR 367/97; BAG, Urteil vom 20.08.2014 - 7 AZR 924/12).
c) Ein wirksamer Beteiligungsbeschluss im Sinne § 4 Abs.1 Satz 2 BetrVG liegt nicht vor.
aa) Unter Beachtung dieser Grundsätze steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ein wirksamer Beschluss der Arbeitnehmer in Gernsbach zur Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb „ Zentrale“ vorliegt, der vorliegend auf die Wahl vom 01.03.2018 Anwendung findet.
Die Beteiligten Ziffer 6 und 7 haben keinerlei Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass ein Beschluss der Mitarbeiter des Teilbetriebs in Gernsbach mit absoluter Mehrheit nach der gesetzlich erstmals zulässigen Fassung im Jahr 2001 vorliegt. Auch ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass ein solcher Beschluss dem Betriebsrat des Hauptbetriebs mitgeteilt worden wäre. Zwar hat die Beteiligte Ziffer 7 insoweit vorgetragen, dass die Mitarbeiter des Tagungshauses mehrheitlich gegenüber dem für die Zentralfunktionen zuständigen Betriebsrat erklärt hätten, an dessen Betriebsratswahl teilzunehmen und von diesem auch betreut werden zu wollen. Dieser Beschluss sei von diesen Mitarbeitern bis heute, auch nach der Gesetzesänderung von § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht geändert worden. Wann ein solcher Betriebsratsbeschluss jedoch tatsächlich gefasst worden sei, war weder vorgetragen noch im Rahmen der Amtsermittlung zu ermitteln. Unstreitig nehmen die Mitarbeiter aus Gernsbach seit 1968 an der Betriebsratswahl der Zentrale teil. Nach dem Vortrag der Beteiligten Ziffer 7 war daher dieser Beschluss der Mitarbeiter Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, vor einer Gesetzesänderung, die einen solchen Beschluss erst zulässig gemacht hätte, gefasst. Dies spricht nach aller Lebenserfahrung gegen einen solchen ausdrücklichen Beschluss. Es ist auch weder erkennbar noch vorgetragen noch aufzuklären, ob Mitarbeiter tatsächlich und erst recht mit absoluter Mehrheit einen solchen Beschluss, wenn auch formlos, beschlossen hätten. Nachdem ein solcher Beschluss von den Antragstellern bestritten worden ist, hätte der Beteiligte Ziffer 6 oder Ziffer 7 im Rahmen der Anfechtung trotz bestehender Amtsermittlung gemäß § 83 Abs. 1 ArbGG insoweit konkret vortragen müssen.
Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der Beteiligten Ziffer 7 der Beschluss zu einer Zeit gefasst worden wäre, in dem dieser entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht rechtswirksam gewesen wäre. Selbst wenn unterstellt würde, ein solcher Beschluss wäre im Jahr 1968 mit absoluter Mehrheit gefasst worden, würde dieser keine Dauerwirkung für die Wahl im Jahr 2018 entfalten, da er nicht wirksam zustande gekommen wäre. Er wäre nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig wegen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BetrVG in der Fassung vor 2001. Ein unwirksamer nichtiger Akt entfaltet jedenfalls keine Dauerwirkung bis zu einer Gesetzesänderung. Dass die Betriebsratswahlen in der bisherigen Form stattgefunden haben, führt nach Ansicht der Kammer nicht dazu, dass ein solcher Beschluss, insbesondere bei geänderter Belegschaft, Dauerwirkung entfalten kann. Auch hat der Beteiligte Ziffer 6 in der Kammerverhandlung ausdrücklich eingeräumt, in der Zeit ab 1998 keine Kenntnis der Mitteilung eines solchen Beschlusses aus Gernsbach als BR-Vorsitzender zu haben.
Dass ein solcher Beschluss - von wem und mit welcher Mehrheit - nach der Gesetzesänderung im Jahr 2001 gefasst worden wäre, hat keiner der Beteiligten behauptet.
Allein die jahrzehntelange falsche Handhabung entgegen dem Gesetzeswortlaut führt nicht zu einer Art „betrieblicher Übung“ dergestalt, dass gesetzeswidriges Verhalten Rechtswirkung entfaltet. Auch der von den Beteiligten vorgetragene “verfestigte Wille“ führt lediglich dazu, dass nach Ablauf der Anfechtungsfrist die Wahl wirksam ist, nicht jedoch, dass für künftige Wahlen entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 4 BetrVG formlose Abstimmungen entbehrlich wären. Im Gegenteil führt dieser verfestigte Wille nach Ansicht der Kammer dazu, dass alle Lebenserfahrung dagegen spricht, dass sich die Mitarbeiter jemals Gedanken gemacht haben, ein Wahlrecht zu haben, einen eigenen Betriebsrat wählen zu können. Den Beteiligten Ziffer 6 und Ziffer 7, ebenso den Anfechtenden war bis zur ersten Kammerverhandlung die Problematik des Betriebsteils in Gernsbach und Berlin nicht bewusst. Auch dies spricht nach aller Lebenserfahrung dagegen, dass Mitarbeiter in der Vergangenheit mit absoluter Mehrheit einen Beschluss gefasst haben, an der Wahl im Hauptbetrieb teilzunehmen.
bb) Die Kammer kommt bezüglich des Betriebs Berlin „Haus Huth“ zu demselben Ergebnis.
Zwar hat die Beteiligte Ziffer 7 vorgetragen, im Zusammenhang mit dem Umzug von Bonn nach Berlin im Vorfeld der Betriebsratswahl im Jahr 1998 hätten Mitarbeiter der Konzernrepräsentanz, auch wenn dies zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich noch nicht vorgesehen gewesen sei, mehrheitlich beschlossen, an der Wahl des Betriebsrats des Betriebs „Zentrale“ teilzunehmen und von diesem auch betreut zu werden. Der Leiter Arbeitsrecht der Beteiligten Ziffer 7 habe an diesen Gesprächen teilgenommen, er sei damals für die Betriebsratswahlen zuständig gewesen und über den Beschluss der Belegschaft informiert gewesen. Die Beteiligte Ziffer 7 hat jedoch weder vorgetragen, wie viele Mitarbeiter an der Abstimmung teilgenommen haben sollen, noch wann dem Betriebsrat im Hauptbetrieb dies mitgeteilt worden ist. Hinzu kommt, dass der Beschluss zum damaligen Zeitpunkt keine Rechtswirkungen entfaltet hat und damit unwirksam war.
Ein neuer und weiterer wirksamer Beschluss nach der Gesetzesänderung im Jahr 2001 hat die Beteiligte Ziffer 7 nicht vorgetragen, ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass nach der Gesetzesänderung im Jahr 2001 faktisch im Hauptbetrieb mit gewählt worden ist, führt nicht dazu, dass ein gesetzeswidriger Beschluss Rechtswirkung entfaltet. Damit war auch nicht Beweis zu erheben durch Vernehmung des angebotenen Zeugen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beteiligten Ziffer 7 steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Mitarbeiter der Konzernrepräsentanz in Berlin im Haus Huth wirksam gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entschieden hätten, an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. Daran ändert auch nichts die verfestigte Handhabung über Jahre hinweg, die nach hiesiger Rechtsauffassung zu einer Anfechtung der Betriebsratswahl geführt hätte.
6. Die Verkennung des Betriebsbegriffs war kausal.
Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat idR die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG, Beschluss vom 13. 9. 1984 - 6 ABR 43/83 - [II 2 b der Gründe]), „sie beeinflusst auf jeden Fall das Wahlergebnis und führt daher ohne weiteres zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG“ (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.1995 - 7 TaBV 3/95, Gründe II Arabisch 2b)).
Zwar hat, soweit für die Kammer erkennbar, das Bundesarbeitsgericht bisher nicht den Fall entschieden, dass zu Unrecht ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt worden ist und richtigerweise getrennte Betriebsräte hätten gewählt werden müssen, gleichzeitig die geringe Größe der weiteren zu wählenden Betriebsräte weder auf die Betriebsratsgröße noch auf die Verteilung der Sitze im „fiktiven Rest- betrieb“ unmittelbar Einfluss nehmen konnten.
Anders als die sonstigen Wahlanfechtungsgründe führt die Verkennung des Betriebsrätebegriffs nach Ansicht der Kammer jedoch per se in jedem Fall zu einer Kausalität des Anfechtungsgrundes. Dies folgt schon allein aus der Tatsache, dass, statt eines Betriebsrates mindestens drei getrennte Betriebsräte hätten gewählt werden müssen. Damit kommt es entgegen der Rechtsansicht der Beteiligten Ziffer 6 und 7 gerade nicht darauf an, ob die abgegebenen Stimmen oder die insgesamt wahlberechtigten Stimmen aus Gernsbach und Berlin, „Haus Huth“, nach der Auszählung nach D´Hondt am letzten Listenplatz etwas geändert hätten.
Zwar ist richtig, wie die Beteiligte Ziffer 6 und 7 vorgetragen haben, dass unter Wegdenken der Stimmen aus Gernsbach und Haus Huth, auch unter Berücksichtigung des hypothetischen Wegdenkens aller Wahlberechtigten dieser Standorte, der letzte Listenplatz im vorliegenden Fall deshalb nicht betroffen gewesen wäre, da nur mindestens 85 nicht abgegebene Stimmen zu einer Änderung des Wahlergebnisses im Sinne einer möglichen Einflussnahme auf die Vergabe des letzten Listenplatz geführt hätten. Im Haus Huth und Gernsbach sind zusammen weniger wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt, nämlich ca. 38, selbst unter Zugrundelegung aller wahlberechtigten Arbeitnehmer in Berlin Mühlenstraße, Englische Straße, Wörth, Sindelfingen und Böblingen ca. 59 Mitarbeiter. Diese zahlenmäßige Prüfung der Kausalität gilt jedoch beispielsweise für die Frage, ob leitende Angestellte zu Unrecht mit gewählt haben, ebenso bei der umgekehrten Frage der Kausalität, wenn Arbeitnehmer zu Unrecht als leitende Angestellte angesehen und nicht an der Wahl teilgenommen haben. Für diese zweite Fallkonstellation (zu Unrecht nicht an der Wahl Teilgenommene) wären bereits die zusätzliche Abgabe von 27 Stimmen kausal, da eine Liste hier mit 116 Stimmen keinen Listenplatz erreicht hat, bei weiteren 27 Stimmen sie jedoch den letzten Listenplatz durch den Divisor „1“ mit 143 Stimmen erreicht hätte.
Diese Kausalitätsüberlegungen gelten jedoch nicht für den Fall der Verkennung des Betriebsbegriffs, da, wie oben gezeigt, die Verkennung zu einer falschen Betriebsstruktur führt, die dem Gesetzeswortlaut widerspricht. Es kann auch nicht die Betriebsratswahl im Betrieb „Zentrale mit Ausnahme Gernsbach und Berlin“ als wirksam (weil aufgrund der Stimmengewichtung keine kausalen Fehler vorliegen) angesehen werden mit der Folge, dass in Gernsbach und Berlin noch kein Betriebsrat gewählt wäre. Würde mit diesem Argument im vorliegenden Fall die Kausalität verneint werden und der hiesige Antrag abgewiesen, wäre die durchgeführte Betriebsratswahl in Gernsbach und Berlin rechtskräftig wirksam festgestellt, da, wie oben gezeigt, Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen. Die Wahl wird nämlich nach Fristablauf trotz etwaiger Mängel unanfechtbar (BAG, Beschluss vom 22.11.2017 - 7 ABR 40/16, Rz. 22). Damit stünde einer erneuten Wahl eines gesonderten Betriebsrates in Gernsbach sowie Berlin die Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung - die rechtskräftig ja gerade eine wirksame Betriebsratswahl in Gernsbach und Berlin dann festgestellt hätte - entgegen. Damit kann der Wahlvorgang nicht rechtlich aufgespalten werden in einen wirksamen Wahlvorgang der „Zentrale ohne Gernsbach und Berlin“ und einen unwirksamen Wahlvorgang im Betriebsteil Gernsbach und Betriebsteil Berlin. Eine andere Auslegung stünde dem Zweck der Wahlanfechtungsvorschriften sowie §§ 1, 4 Abs. 1 BetrVG entgegen, da für diesen Fall während der noch verbleibenden Dauer der Wahlperiode kein den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechender Betriebsrat gewählt werden könnte (BAG, Beschluss vom 22.11.2017 - 7 ABR 40/16, Rz. 24).
7. Die Kammer war aufgrund des Offizialverfahrens verpflichtet, den von den Beteiligten unstreitig vorgetragenen und eingebrachten Sachverhalt unter dem Aspekt der Verkennung des Begriffsbegriffs hinsichtlich Gernsbach und Berlin zu würdigen. Zum einen haben sich die Antragsteller - wenn auch zunächst mit anderer Begründung - auf die Verkennung des Betriebsbegriffs in der Zentrale berufen. Zum andern ist das Nachprüfen der Arbeitsgerichte nicht an die von den Antragstellern vorgenommenen Einschränkungen der Anfechtungsgründe gebunden. Es hat vielmehr sämtliche Anfechtungsgründe, auf die es im Laufe des Verfahrens stößt, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 03.06.1969 - 1 ABR 3/69, Beschluss vom 04.12.1986 - 6 ABR 48/85; Fitting, aaO, § 19 Rz. 52).
8. Damit ist nicht entscheidungserheblich, dass alles dafür spricht, dass der Betriebsbegriff nicht bereits deshalb verkannt wurde, weil die Zentrale in Stuttgart funktional vom Wahlvorstand definiert worden ist und die Beteiligte Ziffer 7 ihren „Betrieb Zentrale“ zulässigerweise so organisiert hat, dass Arbeitgeberansprechpartner für den Betriebsrat in sozialen und personellen Angelegenheiten über die Sparten übergreifend - tatsächlich und nicht nur auf dem Papier - eine Person ist, nämlich Dr. U. K.,, was zur Überzeugung der Kammer dargelegt ist. Insbesondere steht dem gerade nicht entgegen, dass andere leitende Angestellte in den jeweiligen Sparten personelle Entscheidungen eigenverantwortlich treffen. Die Ansicht und Argumentation der Antragsteller würde ansonsten dazu führen, dass leitende Angestellte, die selbstständig zur Einstellung und Entlassung berechtigt wären oder als echte leitende Angestellte im Sinne § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG gelten, jeweils einen eigenen Betriebsrat “hinter sich herziehen“ würden. Dies entspricht offensichtlich nicht dem Sinn und Zweck der §§ 4, 5 Abs. 3 BetrVG.