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Wirtschaftsrecht
30.01.2020
Wirtschaftsrecht
OLG München: Analoge Anwendung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler

OLG München, Urteil vom 5.12.2019 – 23 U 2136/18

Volltext: BB-ONLINE BBL2020-258-1

Amtliche Leitsätze

1. Für eine analoge Anwendung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler ist erforderlich, dass sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und Bindungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind. Entscheidend ist, ob der Vertragshändler mit der Übernahme der Vertragspflichten sich eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat. Dies ist durch eine Abwägung im Einzelfall zu bestimmen.

3. Gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung spricht, wenn der Händler nicht lediglich die vom Hersteller erworbenen Produkte an seine Kunden weiterverkauft, sondern er darüber hinaus auch Produkte des Herstellers nach eigenen Bedürfnissen verändert und sodann unter eigener Marke vertreibt, wobei es dem Händler überlassen ist, Art und Umfang dieses Geschäftsteils selbst zu bestimmen.

4. Die für eine Analogie des weiteren erforderliche vertragliche Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms kann auch konkludent vereinbart werden; davon ist regelmäßig nicht auszugehen, wenn der Händler zwar Kundendaten an den Hersteller übermittelt, er aber ein entsprechendes Ansinnen des Herstellers hätte ablehnen können, ohne sich vertragswidrig zu verhalten, auch wenn das für ihn bedeutet hätte, keine weiteren Rabatte zu erzielen.

Sachverhalt

I.

Die Parteien, die durch einen Vertriebsvertrag miteinander verbunden waren, streiten über die Konsequenzen einer Kündigung des Vertrages durch die Beklagte. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Handelsvertreterausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB analog in Höhe von 2.374.203 € geltend. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 452.398,69 € mit der Begründung, die Beklagte habe sie nach der Kündigungserklärung vertragswidrig nicht bzw. nur zu überhöhten Preisen beliefert. Schließlich verlangt die Klägerin Ersatz für ihren Lagerbestand in Höhe von 407.016 US-Dollar Zug um Zug gegen Rückgabe der gelagerten Gegenstände.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in B. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Herstellung und der Vertrieb von Sensoren und Steuerungstechnik für medizinisch-technische Anwendungen. Im Jahr 2012 wurde die in P. ansässige Firma S. GmbH auf die Klägerin verschmolzen.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht mit Sitz in B., England. Sie ist Teil des weltweit agierenden H. Konzerns, der in den Bereichen Chemikalien, Luft- und Raumfahrt, Transport, Automatisierung und der Rüstungsindustrie tätig ist. Die Beklagte gehört dem Konzernbereich „Sensing and Control“ an, der mit dem Vertrieb und der Herstellung von Sensoren befasst ist.

Am 26./28.02.2003 schlossen die S. GmbH und die H. AG, eine andere Gesellschaft des H. Konzerns, einen Vertragshändlervertrag. Demnach wurde die S. GmbH zur exklusiven Vertragshändlerin der H. AG für Druck-, Kraft- und Luftstromsensoren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 verwiesen.

Am 14.12.2008 schloss die S. GmbH mit der Beklagten einen neuen Vertriebsvertrag, das sogenannte „Authorised Distributor Agreement“ (im Folgenden: ADA), der den Vertrag vom Februar 2003 ersetzte.

In dem neuen Vertragswerk wurde der S. GmbH keine Exklusivität mehr gewährt.

Die S. GmbH - und später die Klägerin, auf die die S. verschmolzen wurde - wurde auf Grundlage dieses Vertrages auf folgende Art und Weise tätig: Sie vertrieb als Vertragshändlerin sogenannte Standard-Produkte der Beklagten, die Parteien sprachen diesbezüglich auch von dem POS-Geschäft. Daneben baute die S. GmbH teilweise Produkte der Beklagten in eigene Produkte ein, um diese sodann zu verkaufen („Bundle-Geschäft“). Schließlich modifizierte die S. GmbH auch Produkte der Beklagten und vertrieb sie anschließend unter eigener Marke („ValueAdd-Geschäft“). Produkte der Beklagten, die die S. GmbH zum Zwecke des „Bundle-Geschäfts“ und des „ValueAdd-Geschäfts“ von der Beklagten bezog, wurden von den Parteien als „Nicht-Standard-Produkte“ („Non-Standard-Products“) bezeichnet.

Wegen des genauen Inhalts des ADA wird auf Anlage K 3 Bezug genommen. Auszugsweise wurden hierin folgende Regelungen vereinbart (dargestellt in der deutschen Übersetzung des englischen Originals):

In Ziffer 1.1 in Verbindung mit Anhang 1 wird die S. GmbH zum nicht-exklusiven Distributor für die Beklagte für Europa (einschließlich Russland), Naher Osten und Afrika für diverse Sensoren ernannt.

Ziffer 4.3:

„Der Distributor sichert zu und gewährleistet, dass der Distributor jederzeit:

(a) seine besten Bemühungen zur Förderung des Vertriebs und des Kundendienstes für die Produkte in dem Vertragsgebiet anwendet;

(b) zustimmt, die von H. zur Verfügung gestellten Werbematerialien und anderen Kennzeichnungen auszulegen;

(c) abhängig von der Lieferung von Produkten durch H. innerhalb veröffentlichter Lieferzeit und abhängig von der ordnungsgemäßen Lieferung der von dem Distributor bestellten Produktvolumina, verpflichtet ist, zur Deckung der Nachfrage in dem Vertragsgebiet eine angemessene Anzahl von Produkten und Ersatzteilen auf Lager zu haben;

(d) über ausreichende Anlagen und Betriebsmittel und Beschäftigung einer ausreichenden Anzahl an ausreichend qualifiziertem Personal zur Förderung des Verkaufs der Produkte und zur Erfüllung der Pflichten des Distributors gemäß diesem Vertrag verfügt;

(e) außer bei ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung von H., keinerlei Veränderung an den Produktdokumentationen vornimmt oder vornehmen lässt oder Kopien davon anfertigt oder anfertigen lässt, oder H. Dokumentationen kopiert, modifiziert oder veröffentlicht oder kopieren, modifizieren oder veröffentlichen lässt. H. erkennt an, dass die bisherige Praxis des Distributors hinsichtlich der in Abschnitt 4.3(e) genannten Angelegenheiten ohne zusätzliche Genehmigung durch H. fortgeführt werden kann, soweit die bisherige Praxis des Distributors zuvor schriftlich von H. genehmigt wurde und auch ansonsten mit Abschnitt 4.3(e) in Einklang stand. Dies wird jährlich im Zuge des einvernehmlichen Aktionsplans überprüft. Für Nichtstandard-Produkte kann der Distributor auf eigene Kosten und auf volle eigene Verantwortung für sämtliche zugehörige Verbindlichkeiten die Dokumentationen oder anderen Materialien für die Produkte von H. ändern, kopieren oder übersetzen bzw. ändern, kopieren oder übersetzen lassen.

(…)

(i) ungeachtet des Vertriebs von Nicht-Standard-Produkten oder anderen Produkten des Distributors oder Produkten, die Eigentum einer dritten Partei sind, durch den Distributor, die nicht anderweitig erhalten werden können und zuvor von H. gekauft wurden, seine Geschäfte in Einklang mit den höchsten Geschäftsstandards führt und in keiner sich nachteilig auf den guten Namen, das Geschäft, die Integrität oder den Firmenwert von H., H. Inc. und/oder von mit H. verbundenen Unternehmen auswirkenden Weise reagieren wird.“

Ziffer 5.3.1.

„Die Produktpreise, die in der Preisliste für autorisierte Distributoren von H. dargelegt sind („Preisliste“) gelten für alle Produktbestellungen; (…). Der Distributor darf eigene Verkaufspreise für die Produkte festlegen. (…)“

Ziffer 5.3.2.

„H. kann nach alleinigem Ermessen den Distributor bei der Betreuung seiner Kunden mit Großkunden-Preisvereinbarungen („ADSP-Vereinbarungen“), Arbeitsblättern über wettbewerbsorientiertes Handeln (Competitive Action Worksheets, „CAW“) oder anderen Sonderpreisvereinbarungen unterstützen. Diese Vereinbarungen sind kundenspezifisch und können nur zur Unterstützung des jeweiligen Kunden verwendet werden. Alle Bedingungen der anwendbaren ADSP-Vereinbarungen oder des CAW (wie die Mindestabnahme) müssen eingehalten werden. Andernfalls kann H. nach eigenem Ermessen diese Vereinbarungen kündigen und/oder eine Nachberechnung verlangen. (…)“

Ziffer 5.3.3.

„... erwartet, dass der Distributor Produkte aus seinem Warenbestand verschickt und Sonderpreisvereinbarungen nach Versand und Sollstellung verwaltet. (…) Zur Qualifikation und als Beleg von Versand und Sollstellung reicht der Distributor monatliche Lagerbestandsberichte ein.“

Ziffer 8.1.

„Spätestens am zehnten Tag eines jeden Monats schickt der Distributor folgende Informationen an Budde Marketing (oder einen anderen von H. Beauftragten): (a) einen Bericht über die Verkaufsstelle („POS“) am Monatsende in einem von H. vorgegebenen und zusammen mit dem Distributor abgestimmten Format (eine derartige miteinander geschlossene Vereinbarung bezieht sich nur auf das Format, jedoch nicht auf den Inhalt des POS-Berichts), der insbesondere Angaben zu Produkttyp, Verkaufsort und Verkaufspreis beinhaltet und (b) einen Bestandsbericht am Monatsende in dem von H. bestimmten und zusammen mit dem Distributor vereinbarten Format. Alle derartigen Informationen können mit Vertretern von Drittherstellern nach H. alleinigem Ermessen unter der Voraussetzung, dass die Vertreter der Vertraulichkeit unterliegen, geteilt werden. Der Distributor wird an der Bereitstellung eines vollständigen, regulären und standardisierten Berichts arbeiten, wenn ein aktualisiertes Distributor-ERP-System dies erfordert (…). In der Zwischenzeit stellt der Distributor von H. benötigte Informationen schriftlich für jedes Quartal eines Jahres zur Verfügung. Diese werden im Zuge des beiderseitigen Aktionsplans jährlich überprüft.“

Ziffer 8.2.

„Bei vorliegenden begründeten Zweifeln hinsichtlich der Richtigkeit der Geschäftsunterlagen des Distributors, jedoch nicht öfter als einmal pro Jahr, kann H. einen Wirtschaftsprüfer auf Kosten von H. beauftragen (a) eine körperliche Bestandsaufnahme der Produkte an sämtlichen Standorten des Distributors durchzuführen (…) und/oder einen Wirtschaftsprüfer auf H. Kosten (b) für die Überprüfung der Geschäftsunterlagen des Distributors, die sich nur auf den Kauf der Produkte oder auf diesen Vertrag beziehen, beauftragen. (…)“

Ziffer 8.3.

„Der Distributor stellt zweimal jährlich am Ende von Q2 und von Q4 Prognosen zur Verfügung. Prognosen enthalten die von H. angeforderten Informationen zu Produktgruppe und Produktlinie.“

Ziffer 8.4.

„Der Distributor führt angemessene aktuelle und korrekte Aufzeichnungen, um einen sofortigen „recall“ (so das englische Original) oder Umfeldanalysen/-aktionen für sämtliche Produkte zu ermöglichen. (…)“

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass hier an einen Rückruf (nicht „Abruf“ wie in der deutschen Übersetzung der Anlage K3) gedacht ist (Schriftsatz der Klägerin vom 03.11.2014 Seite 19, Bl. 153 der Akte).

Ziffer 11.1. enthält ein ordentliches Kündigungsrecht der Parteien mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Dabei heißt es:

„Bei ordentlicher Kündigung durch H. wird H. für einen Zeitraum von 36 Monaten ab Kündigungsmitteilung den Distributor fortlaufend mit Vertragsprodukten beliefern, um sicherzustellen, dass der Distributor seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden hinsichtlich der Lieferung von ausschließlich Nichtstandard-Produkten nachkommen kann.“

Ziffer 11.2.

„Ungeachtet des Vorstehenden kann diese Vereinbarung (…) sofort aus wichtigem Grund (insbesondere bei drohender oder eingetretener Insolvenz des Distributors; einem Kontrollwechsel beim Distributor; und/oder wenn der Distributor substantiellen Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht nachkommt) von H. gekündigt werden (…).“

Ziffer 14.1.

„Soweit angemessen und nach H. alleinigem Ermessen stimmt ... einem kooperativen Marketingprogramm mit dem Distributor als Teil eines beidseitigen Aktionsplans zu.“

Ziffer 15 enthält eine Lagerrotationsklausel, wonach die S. GmbH bzw. die Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen, unter anderem monatlichen Warenstandsberichten, nicht absetzbare Produkte gegen Kaufpreiserstattung an die Beklagte zurückgeben konnte.

Im Jahr 2010 bot die Beklagte der S. GmbH an, auf eine „Scrap Policy“ umzusteigen. Danach konnte die S. GmbH bzw. die Klägerin nicht absetzbare Waren verschrotten und unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückvergütung dafür erhalten. Hiervon machte die Klägerin im Mai 2012 in einem Umfang von rund 147.000 US-Dollar und im November 2012 im Umfang von rund 91.000 US-Dollar Gebrauch.

Ziffer 16

„Diese Vereinbarung unterliegt deutschem Recht unter Ausschluss des internationalen Privatrechts und UN-Kaufrechts. Jede Streitigkeit, die in Zusammenhang mit oder aus dieser Vereinbarung entsteht, unterliegt, wenn sie nicht gütlich geregelt werden kann, der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte in Deutschland (…).“

Für die POS-Berichte gemäß Ziffer 8.1. ADA übermittelte die Beklagte an die S.GmbH einen Vorschlag bezüglich deren Inhalt und Form, das „Proposed EMEA POS Template“ (Anlage K 39). Darin war vorgesehen, neben Angaben zu verkauftem Produkttyp, verkaufter Menge und Kaufpreis auch den Namen des Kunden samt Land und Stadt des Sitzes anzugeben. Die S. GmbH bzw. später die Klägerin stimmte ihre in der Folgezeit monatlich erstellten POS-Berichte darauf ab und gab folglich auch die Kundennamen samt Land und Stadt ihres Sitzes an. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 8a Bezug genommen. Die Berichte wurden an die Beklagte wie auch an die in Ziffer 8.1. ADA erwähnte Firma Bu. Marketing übersandt.

Daneben fertigte die S. GmbH bzw. die Klägerin die im ADA vorgesehenen Quartals- und Lagerstandsberichte. Ferner erstellte sie sogenannte „NBO-Berichte“ („New Business Opportunity“) über Geschäfte mit besonders guten Kunden, um bei der Beklagten diesbezüglich günstigere Einkaufspreise nach Ziffer 5.3.2 ADA zu bekommen.

Vertreter der S. GmbH bzw. der Klägerin nahmen an den jährlichen „Sales Conferences“ der Beklagten teil. Vertreter der Beklagten nahmen umgekehrt an „Sales Meetings“ der S. GmbH bzw. der Klägerin teil. Hierbei wurde die Markt- und Preissituation im Vertragsgebiet erörtert. Zudem gab es gemeinsame Kundenbesuche durch Vertreter beider Parteien.

Die Beklagte schickte der S. GmbH bzw. der Klägerin regelmäßig ihre Standard-Herstellerpreislisten, mit der Empfehlung, sich daran zu orientieren.

Ende des Jahres 2011 zeichnete sich die Verschmelzung der S. GmbH auf die Klägerin ab, die ein Sonderkündigungsrecht der Beklagten gemäß Ziffer 11.2 ADA auslösen würde. In Hinblick darauf vereinbarten die Parteien bei einem Treffen am 20.10.2011, dass die Beklagte auf dieses Sonderkündigungsrecht verzichtete; dafür wurde die Frist für die ordentliche Kündigung gemäß Ziffer 11.1 ADA von 12 Monaten auf 6 Monate verkürzt. Zudem wurde die nachvertragliche Belieferungspflicht der Beklagten bezüglich Nicht-Standard-Produkten im Falle einer durch sie erfolgten ordentlichen Kündigung neu geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 5 verwiesen.

Mit Vertrag vom 28.06.2012 wurde die S. GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Das ADA wurde von der Klägerin übernommen.

Mit Schreiben vom 02.07.2012 kündigte die Beklagte das ADA ordentlich zum 03.01.2013 (Anlage K 23).

Mit E-Mail vom 07.12.2012 teilte der Zeuge S. von der Beklagten dem Zeugen P. von der Klägerin seine Rechtsmeinung dazu mit, welche Lieferpflichten zu welchen Preisen nach der Kündigungserklärung der Beklagten noch bestünden. Dabei erklärte der Zeuge S., dass man bezüglich Bestellungen bis 30. November 2012 schnellstmöglich auf die Klägerin zurückkommen werde, sobald die Position von H. hierzu vorliege; bezüglich der Bestellungen nach dem 30. November 2012 bittet der Zeuge höflich, diese zu stornieren und entsprechend der von ihm in der Mail dargelegten Richtlinien neu auszustellen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Email vom 07.12.2012 (Anlage K 27) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13.12.2013 (Anlage K 36) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten u.a. den ihrer Ansicht nach bestehenden Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend.

Die Klägerin behauptet, sie sei in hohem Maße in die Absatzorganisation der Beklagten einbezogen gewesen. Die Beklagte habe Vorgaben bei der Gestaltung der Werbung gemacht. Kunden seien stets auf einen Vertrag mit der Beklagten hinzuweisen gewesen, das Logo der Beklagte sei prominent zu bewerben gewesen. Der umfangreichen Berichtspflicht sei eine zumindest konkludente Vereinbarung der Parteien zu entnehmen, dass die Klägerin der Beklagten ihre Kundendaten überlassen musste. Die im Rahmen der POS-Berichte der Beklagten mitgeteilten Kundendaten seien für die Beklagte auch ohne weiteres nutzbar gewesen. Die Beklagte habe aus der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin erhebliche Vorteile gezogen. Noch bis Ende 2012 habe die Klägerin mehr Standard-Produkte der Beklagten vertrieben als eigene ValueAdd-Produkte; erst gegen Ende der Vertragsbeziehung sei das Vertriebsgeschäft leicht rückläufig gewesen.

Nach der Kündigung habe die Beklagte die Klägerin teilweise gar nicht mehr und teilweise nur noch zu überhöhten Preisen beliefert. Das betreffe sowohl den Zeitraum zwischen der Kündigungserklärung vom 02.07.2012 bis zum Wirksamwerden der Kündigung am 03.01.2013, als auch den sich daran anschließenden nachvertraglichen Zeitraum gemäß dem „Letter Agreement“ gemäß Anlage K 5. Dadurch seien der Klägerin Schäden in Höhe von insgesamt 452.398,69 € entstanden. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Klageschrift der Klägerin (Seiten 16-25) verwiesen.

Bei Wirksamwerden der Kündigung am 03.01.2013 habe die Klägerin im Lager einen Restbestand an Waren gehabt, die die Klägerin für die Beklagte vorgehalten habe. Der Einkaufswert dieser Waren habe 421.313 US-Dollar betragen. Ein Abverkauf dieses Lagerbestandes sei nur zu einem Teil erfolgreich gewesen. Der derzeitige Restlagerbestand habe einen Einkaufswert von noch 407.016 US-Doller.

Die Klägerin meint, sie habe eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Rechtsstellung innegehabt, so dass § 89b HGB analog anzuwenden sei; der von ihr auch betriebene Handel mit Nicht-Standard-Produkten stehe dem nicht grundsätzlich entgegen, sei nur nicht bei der Bemessung der Ausgleichshöhe zu berücksichtigen. Der demnach angemessene Ausgleichsbetrag betrage insgesamt 2.374.203 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.07.2015 (Seiten 12 ff., Bl. 325 ff. der Akte) verwiesen. Zudem stehe ihr ein Schadensersatzanspruch für die Nichtlieferungen der Beklagten bzw. die Lieferungen nur zu überhöhten Preisen in Höhe von 452.398,69 € zu. Ferner müsse die Beklagte den Restlagerbestand für 407.016 US-Dollar zurückkaufen. Schließlich verlangt die Klägerin Zinsen.

Die Klägerin hatte bezüglich des Ausgleichsanspruchs zunächst eine Teilklage in Höhe von 941.570,46 € erhoben. Mit Schriftsatz vom 01.07.2016, der Beklagten zugestellt am 26.10.2016, hat sie die Klage um 1.432.632,54 € erweitert und somit fortan den ihrer Ansicht nach vollen Ausgleichsanspruch in Höhe von 2.374.203 € verlangt.

Zuletzt hat die Klägerin in erster Instanz beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.826.601,69 € nebst Zinsen

aus 941.570,46 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2013 bis 28.05.2014

aus 941.570,46 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2014

aus 452.398,69 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.05.2014

aus 1.432.632,54 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rücknahme der im Anhang Lagerbestand aufgeführten Waren an die Klägerin einen Betrag in Höhe von US-Dollar 407.016,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2014 zu bezahlen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte trägt vor, sie habe in Bezug auf das ValueAdd-Geschäft der Klägerin mit dieser in Wettbewerb gestanden. Dieses habe die Klägerin während der Laufzeit des ADA erheblich ausgebaut. So sei der Anteil des Standard-Produkte-Geschäfts der Klägerin gegenüber dem Geschäft mit Nicht-Standard-Produkten von 66% im Jahr 2010 auf 33% im Jahr 2012 gesunken. Der primäre Zweck der POS-Berichte sei die Fertigungsplanung der Beklagten gewesen. Die Kundendaten dienten nur dazu, sicherzustellen, dass die kundenspezifischen Rabatte zu Recht, insbesondere wirklich nur für den Standard-Produkte-Handel gewährt wurden. Eine vertragliche Pflicht der Klägerin, Kundendaten an die Beklagte zu übermitteln, sei zu keiner Zeit vereinbart worden.

Die Beklagte meint, die Klägerin habe keine einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung innegehabt, § 89b HGB sei auf das Rechtsverhältnis der Parteien nicht analog anzuwenden. Auch ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, weil die Beklagte die Klägerin stets gemäß ihren vertraglichen Pflichten beliefert habe. Der Rückkaufanspruch bezüglich des Lagerbestandes sei nicht gegeben, weil die Risikoverteilung zwischen den Parteien insoweit durch Ziffer 15 ADA bzw. die „Scrap Policy“ speziell und angemessen geregelt worden sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Ö., S. und Sch.Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 10.12.2015 (Bl. 399/405 der Akte) und vom 18.01.2018 (Bl. 564/571 der Akte) verwiesen.

Mit Urteil vom 11.05.2018 hat das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs voll stattgegeben. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs hat es der Klage stattgegeben, soweit die Klägerin die Lieferung der Beklagten zu erhöhten Preisen im Zeitraum zwischen der Kündigungserklärung bis zum 03.01.2013 in Höhe von 139.492,15 € geltend gemacht hat. Soweit die Klägerin den Schadensersatzanspruch darüber hinaus darauf gestützt hat, dass die Beklagte im nachvertraglichen Zeitraum zwischen 04.01.2013 bis 03.07.2013 zu überhöhten Preisen geliefert habe, sowie darauf, dass sie in der gesamten Zeit nach der Kündigungserklärung teilweise gar nicht lieferte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gleiches gilt für den geltend gemachten Rückkaufanspruch bezüglich des Lagerbestandes.

Mit Ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen den klagestattgebenden Teil des Urteils. Sie meint, dass eine Haftung nach § 89b HGB analog schon dem Grunde nach nicht angenommen werden könne. Jedenfalls sei die Berechnung des Ausgleichsbetrages durch das Landgericht fehlerhaft. Bezüglich des Schadensersatzanspruchs fehle schon eine Pflichtverletzung. Jedenfalls fehle eine Nachfristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB; diese sei nicht nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen. Schließlich habe das Landgericht in entscheidungserheblicher Weise § 139 ZPO verletzt.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:

das Urteil des Landgerichts München II vom 11.05.2018 (Aktenzeichen 2 HK O 1213/14) abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt zur Berufung der Beklagten:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Darüber hinaus hat die Klägerin Anschlussberufung eingelegt mit den Anträgen:

Das Urteil des Landgerichts München II vom 11.05.2018, Az. 2 HK O 1213/14, wird, soweit es die Klage abgewiesen hat, teilweise abgeändert und wie folgt neu erlassen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.826.601,69 € nebst Zinsen

aus 941.570,46 € in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 04.01.2013 bis 28.05.2014,

aus 941.570,46 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.05.2014,

aus 452.398,69 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.05.2014,

aus 1.432.632,54 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rücknahme der im Anhang „Lagerbestand“ aufgeführten Waren an die Klägerin einen Betrag in Höhe von US-Dollar 407.016,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2014 zu bezahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte beantragt hierzu:

Die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die von der Klägerin im Rahmen der Anschlussberufung beantragte Klageabweisung im übrigen resultiert daraus, dass sie nunmehr Zinsen für einen Betrag aus 452.398,69 € lediglich noch in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins, statt wie in erster Instanz noch 8 Prozentpunkte hierüber verlangt.

Die Klägerin ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint, es seien der Klägerin insbesondere derart weitreichende Vertriebsförder- und Berichtspflichten auferlegt gewesen, dass eine analoge Anwendung des § 89b HGB geboten sei. Dem stehe das Bundle- und ValueAdd-Geschäft der Klägerin nicht entgegen. Der Schadensersatzanspruch scheitere nicht an einer fehlenden Fristsetzung, schon weil diese wegen Erfüllungsverweigerung der Beklagten entbehrlich gewesen sei gemäß § 281 Abs. 2 BGB. Der Anspruch auf Rückkauf des Lagerbestandes ergäbe sich aus den nachvertraglichen Treuepflichten der Beklagten.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2019 Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Landgericht hat zu Unrecht der Klage teilweise stattgegeben.

Zwar ist die Klage zulässig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus der EuGVVO.

Diese ist anwendbar. Es geht um eine Handelssache gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO. Die Beklagte hat ihren Sitz in Großbritannien, mithin in einem (aktuell) Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 1, Nr. 63 EuGVVO. Es besteht ein internationaler Bezug, da die Klägerin in Deutschland und die Beklagte in Großbritannien sitzen.

Ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 24 EuGVVO besteht nicht.

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich damit schon aus Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, weil die Beklagte sich rügelos eingelassen hat. Zudem folgt sie aus der in Ziffer 16 ADA erfolgten Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 EuGVVO.

Die Klage ist jedoch, (auch) soweit das Landgericht ihr stattgegeben hat, unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 89b HGB analog. Auch steht der Klägerin kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zu. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO in Verbindung mit Ziffer 16 ADA.

1.1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 89b HGB analog.

Eine direkte Anwendung des § 89b HGB scheidet aus, da die Klägerin keine Handelsvertreterin war. Sie handelte weder im Namen der Beklagten noch vermittelte sie der Beklagten Geschäfte im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB.

Auch eine analoge Anwendung der Norm kommt nicht in Betracht.

§ 89b HGB ist auf einen Vertragshändler analog anzuwenden, wenn zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern den Vertragshändler aufgrund vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingliedert, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und er verpflichtet ist, bei Vertragsbeendigung dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH NJW-RR 1988, 1305; 1993, 678, 679; 2007, 1327 Tz. 13f.; NJW 2015, 1300 Tz. 11; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 89b Rn. 20f.; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl. 2008, Vor § 84 Rn. 281, 292; einschränkend Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 84 Rn. 13.f, wonach eine Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms nicht erforderlich sei, sondern die tatsächliche Möglichkeit des Lieferanten, die Daten zu nutzen, genüge).

1.1.1. Zwar stellt der ADA grundsätzlich einen Vertragshändlervertrag dar. Die Klägerin war jedoch nicht derart in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden, dass sie wirtschaftlich weitgehend Aufgaben wie ein Handelsvertreter erfüllte.

Hierzu muss sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen haben und Bindungen unterliegen, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind (BGH NJW-RR 1993, 678, 679). Entscheidend ist, ob der Vertragshändler mit der Übernahme der Vertragspflichten sich eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat (BGH NJW-RR 1993, 678, 679; OLG Köln BeckRS 2013, 2968 unter II 1 a).

Dies ist durch eine Abwägung im Einzelfall zu eruieren (OLG Köln BeckRS 2013, 2968 unter II 1 a). Beurteilungsgrundlage ist dabei vorliegend ausschließlich der Vertrag, den die Parteien am 14.12.2008 geschlossen haben (Anlage K 3, „ADA“). Denn durch diesen Vertrag wurde das zuvor geltende Vertragsverhältnis aus dem Jahre 2003 (Anlage K 2) abgelöst. Zudem war dieser ältere Vertrag noch mit einer anderen H. -Gesellschaft als der Beklagten abgeschlossen worden.

Zwar gibt es vorliegend Indizien, die grundsätzlich für eine Eingliederung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten sprechen, namentlich Berichtspflichten (unten 1.1.1.1.) sowie den Vertrieb betreffende Regeln (unten 1.1.1.2.). Das Ausmaß dieser Pflichten wird jedoch durch einige Aspekte erheblich relativiert (unten 1.1.1.3.). Hinzu kommen in vorliegendem Einzelfall gewichtige Gesichtspunkte, die gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung der Klägerin sprechen (unten 1.1.1.4. und 1.1.1.5.). Bei Abwägung aller maßgeblichen Kriterien ist nach Ansicht des Senats im konkreten Fall keine ausreichende Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten gegeben, um eine Analogie gemäß § 89b HGB bejahen zu können (unten 1.1.1.6.).

1.1.1.1. Grundsätzlich für eine Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten sprechen die unter dem Regime des ADA für die Klägerin geltenden Berichtspflichten und die daraufhin tatsächlich erstatteten Berichte.

In Ziffern 8.1 und 8.3 ADA wurde die Klägerin verpflichtet, monatliche POS-Berichte zu erstatten, sowie halbjährliche Prognosen. Gemäß Ziffer 5.3.3. ADA hatte sie überdies auch Lagerstandsberichte zu erstellen.

In der Praxis befolgte die Klägerin diese Berichtspflichten. Dabei fertigte sie die POS-Berichte nach einem von der Beklagten vorgeschlagenen Muster (dem „Proposed EMEA POS Template“, Anlage K 39). Diese Berichte enthielten neben Angaben zu den verkauften Teilen und den Preisen auch die Angabe des Kundennamens, sowie die Stadt und das Land des Kundensitzes (Anlage K 8a). Zusätzlich erstellte die Klägerin namentlich noch Quartalsberichte (Anlage K 10), sowie NBO-Berichte („New-Business-Opportunity“-Berichte), um an Sonderpreise gemäß Ziffer 5.3.2. ADA zu gelangen.

1.1.1.2. Hinzu kommen einzelne vertriebsbezogene Regelungen, die im Verhältnis der Parteien galten und beachtet wurden.

Gemäß Ziffer 1.1. in Verbindung mit der Anlage 1 des ADA wurde der Klägerin ein konkretes - großes - Marktgebiet sowie eine - breite - Produktpalette zugewiesen. Auch verpflichtet Ziffer 4.3 (a) ADA die Klägerin zu besten Bemühungen, den Vertrieb zu fördern. Nach Ziffer 4.3 (c) ADA ist die Klägerin grundsätzlich zur Lagerhaltung verpflichtet. Gemäß Ziffer 4.3 (d) ADA muss sie qualifiziertes Personal einsetzen. Ziffer 8.2 ADA regelt ein Buchprüfungsrecht der Beklagten bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Geschäftsunterlagen der Klägerin, Ziffer 8.4 ADA eine Buchführungspflicht der Klägerin für den Fall von Rückrufen.

Zudem führten die Parteien teilweise gemeinsame Kundenbesuche durch. Es gab gemeinsame Sales Meetings und Sales Conferences, auf denen die Klägerin mitunter auch Vorträge hielt und für ihre Tätigkeiten von der Beklagten ausgezeichnet wurde.

Keine allgemeinen, verbindlichen Regelungen gab es demgegenüber in Bezug auf die Preisgestaltung der Klägerin gegenüber ihren Kunden. Die Beklagte hat lediglich rechtsunverbindliche Preisempfehlungen an die Klägerin übermittelt (Klageschrift Seite 13, Bl. 13 der Akte). Hierdurch wurde die Freiheit der Klägerin nicht in rechtserheblicher Weise beschränkt. Gemäß Ziffer 5.3.1. Satz 2 ADA wird der Klägerin vielmehr explizit das Recht vorbehalten, eigene Verkaufspreise für die Produkte festzulegen. Der Senat verkennt nicht, dass hierin andererseits auch kein Gesichtspunkt liegt, der entscheidend gegen eine Analogie zu § 89b HGB spricht, da verbindliche Preisvorgaben der Beklagten an die Klägerin kartellrechtlich zumindest nicht unproblematisch gewesen wären: Es ist umstritten, ob eine Höchstpreisbindung kartellrechtlich zulässig ist, wenn eine Gruppenfreistellung etwa wegen zu hoher Umsatzzahlen wegen Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 nicht greift, wovon für den H. Konzern auszugehen sein dürfte (zum Streitstand Bechtold/Bosch/Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 68).

1.1.1.3. Das Ausmaß der Berichtspflichten und der vertriebsbezogenen Regeln wird jedoch durch folgende Erwägungen wieder relativiert:

1.1.1.3.1. Bezüglich der Berichte ist zu berücksichtigen, dass die Quartalsberichte zwar von der Klägerin tatsächlich erstattet wurden, das ADA dafür indes keine vertragliche Verpflichtung vorsah. Dies bestätigte der Zeuge Ö., der aussagte, dass diese Berichte zwar erwünscht waren, aber nicht erzwungen wurden (Protokoll vom 10.12.2015 Seite 5, Bl. 403 der Akte).

Gleiches galt für die NBO-Berichte, die im übrigen dazu dienten, dass die Klägerin einen Sonderrabatt von der Beklagten erlangte. In der Entscheidung, einen NBO-Bericht zu fertigen, um derartige Rabatte in Anspruch nehmen zu können, war die Klägerin frei. So gesehen sind die NBO-Berichte eher Ausdruck der unternehmerischen Freiheiten der Klägerin und nicht - umgekehrt - deren Beschränkung.

Auch die Lagerberichte hatten den Zweck, Sonderpreisvereinbarungen der Parteien zu kontrollieren. Das ergibt sich aus Ziffer 5.3.3. ADA, wonach die Klägerin Sonderpreisvereinbarungen nach Versand und Sollstellung verwalten muss (Satz 1). Als Beleg dieses Versandes und der Sollstellung dienen die Lagerstandsberichte (Satz 4). Die Lagerstandsberichte bildeten demnach die Basis dafür, dass die Klägerin in Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheit Sonderpreise mit der Beklagten aushandeln konnte.

Hinsichtlich der POS-Berichte gilt, dass Ziffer 8.1. ADA der Beklagten das Recht, Vorgaben hierzu zu machen, ausdrücklich nur für das Format, jedoch nicht den Inhalt der Berichte einräumt. Das „Proposed EMEA POS Template“ der Beklagten, das auch die Angabe von einzelnen Kundendaten vorsah, war vor diesem Hintergrund nach dem ADA also in inhaltlicher Hinsicht nicht rechtsverbindlich. Auch Ziffer 8.1 ADA sah als Inhalt die Angabe von Kundendaten nicht ausdrücklich vor.

Hinzu kommt, dass auch die Klägerin ein Interesse an der Berichterstattung hatte. Die Berichte lagen in beiderseitigem Interesse, was auf ein ausgewogenes Käufer-Verkäufer-Verhältnis zwischen den Parteien hindeutet. Die unmittelbar zur Erlangung der Sonderrabatte dienenden Berichte lagen im Interesse auch der Klägerin, weil die Sonderrabatte in ihrem Interesse lagen. Auch bezüglich der detaillierten POS-Berichte sagte der Zeuge Sch. aus, dass diese im Interesse der Klägerin lagen: Ziel sei gewesen, auf diese Weise gegenüber der Beklagten klar darzustellen, dass ein bestimmtes Geschäft mit einem Endkunden über die Klägerin gelaufen sei, um einen möglichst hohen von der Klägerin generierten Umsatz nachzuweisen, um höhere Rabatte auszunutzen (Protokoll vom 18.01.2018 Seite 6, Bl. 569 der Akte).

1.1.1.3.2. Bei den oben dargestellten vertriebsbezogenen Regeln zwischen den Parteien ist zu bedenken, dass das im ADA zugeteilte (große) Marktgebiet und die (weite) Produktpalette sich nicht als Begrenzungen und also Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit der Klägerin auswirkten. Die Klägerin bewirtschaftete im Gegenteil bei weitem nicht das gesamte Marktgebiet, das Europa (einschließlich Russland), den Mittleren Osten und Afrika erfasste: Nach eigenem Vortrag hatte sie während der Laufzeit des ADA Standorte nur in Westeuropa, nämlich in den Benelux-Staaten (etwa Holland), Frankreich und Skandinavien (etwa Dänemark) (Schriftsatz vom 01.12.2015 Seite 4, Bl. 376 der Akte).

Die im ADA vorgesehene Lagerhaltungspflicht (Ziffer 4.3c) und die Verpflichtung der Klägerin, qualifiziertes Personal einzusetzen (Ziffer 4.3d), sind zudem nur äußerst allgemein gehalten. Auch die Pflicht, beste Bemühungen zur Förderung des Vertriebs anzuwenden (Ziffer 4.3a), ist nur sehr abstrakt und geht über die Umschreibung einer Selbstverständlichkeit in einer Vertriebsbeziehung, in der beide Parteien an Gewinnmaximierung interessiert sind, nicht hinaus. Hier fehlt es an ausreichend konkreten Vorgaben, um zu einer Vergleichbarkeit mit dem Handelsvertreter zu gelangen. Für diesen ist nämlich gemäß § 86 Abs. 1 HGB die Verkaufsförderung eine vertragscharakteristische Primärleistungspflicht (BGH NJW-RR 1988, 1305; 2007, 1327 Tz. 18).

Die Buchführungspflicht der Klägerin (Ziffer 8.4) und das Buchprüfungsrecht der Beklagten (Ziffer 8.2) bezwecken ausweislich der Regelungen im ADA lediglich eine Schadensabwehr bei der Beklagten und gehen mithin über den normalen Verkäuferschutz nicht hinaus: Die Buchführungspflicht dient der besseren Abwicklung drohender Rückrufaktionen; das Buchprüfungsrecht der Kontrolle als Schutz vor etwaigen Betrugstaten durch gefälschte Geschäftsunterlagen.

Zur Durchführung der gemeinsamen Kundenbesuche war die Klägerin vertraglich nicht verpflichtet. Der Zeuge Sch. sagte aus, dass die Besuche lediglich ein- bis zweimal pro Quartal bei strategischen Kunden erfolgten (Protokoll vom 18.01.2018 Seite 3, Bl. 566 der Akte); Kundenbesuche, die das Tagesgeschäft betrafen, führte die Klägerin alleine durch (Protokoll vom 18.01.2018 Seite 6, Bl. 569 der Akte).

Auch zur gemeinsamen Durchführung der Sales Meetings und Sales Conferences bestand keine vertragliche Verpflichtung. Hierbei ging es zudem über den Austausch über die Markt- und Preissituation im Vertragsgebiet und also um Informationen, die die Verkäufer-Käufer-Beziehung der Parteien betreffen.

1.1.1.4. Gegen eine einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung der Klägerin sprechen Freiheiten der Klägerin bei der Ausgestaltung ihrer Geschäfte mit ihren Kunden.

Derartige Freiheiten sind ein Indiz gegen eine Analogie zu § 89b HGB, da ein Handelsvertreterverhältnis typischerweise gerade auch durch relativ weitreichende Weisungsrechte des Prinzipals gemäß § 665 BGB gekennzeichnet ist (BGH NJW-RR 2007, 1327 Tz. 21).

1.1.1.4.1. Die Klägerin war im Wesentlichen bei der Setzung ihrer Umsatzziele frei.

Aus der Aussage des Zeugen Ö. ergibt sich, dass die Beklagte die Klägerin zu Beginn des ADA im Jahr 2008 zwar in ihre Zielvorgaben mit einband; da die Klägerin die vorgegebenen und vereinbarten Ziele in den Vorjahren jedoch stets weit übertroffen hatte, erstellte die Klägerin ab ca. 2009 ihre eigenen Zielvorgaben, die sie dann auch einhielt (Protokoll vom 17.12.2015 Seite 2, Bl. 408 der Akte). Dazu passt die Aussage des Zeugen S., wonach die Parteien zwar gemeinsam bestimmte Umsatzziele vereinbart hätten, es jedoch aus Sicht des Zeugen keine negativen Konsequenzen gegeben hätte, wenn die Umsätze nicht erreicht worden wären (Protokoll vom 17.12.2015 Seite 4, Bl. 410 der Akte). Beide Zeugen hält das Landgericht für glaubwürdig.

Es zeigt sich somit, dass die Klägerin weitgehend selber bestimmen konnte, welche Umsatzziele sie verfolgte. Soweit sie einmal Vorgaben seitens der Beklagten erhielt, waren diese Ziele für die Klägerin ohne weiteres erfüllbar. Dass die Klägerin hier in irgendeiner Weise spürbar in ihrer unternehmerischen Freiheit eingeschränkt worden wäre, ist nicht ersichtlich.

1.1.1.4.2. Die Klägerin war auch bei der Vermarktung ihrer Produkte in wesentlichen Teilen frei.

Ziffer 4.3 (b) ADA sieht vor, dass die Klägerin Werbematerialien der Beklagten auszulegen hatte. Nach dem Klägervortrag umfasste dies auch das Logo der Beklagten, das die Klägerin zeigen sollte. Die Klägerin musste also in gewissem Umfang Werbung der Beklagten verbreiten helfen.

Zu darüber hinausgehenden, von der Klägerin selbst zu entwickelnden und eigenständig durchzuführenden Werbemaßnahmen verpflichtet das ADA die Klägerin demgegenüber nicht. Auch konkrete Vorgaben hinsichtlich der von der Klägerin aufzuwendenden Werbekosten trifft das Vertragswerk nicht. In der Entscheidung, welche Werbung die Klägerin selbst wie und in welchem Umfang betrieb, blieb die Klägerin mithin frei. Das spricht gegen eine Analogie zu § 89b HGB (OLG Köln BeckRS 2013, 2968 unter II 1 a).

Eine andere Sichtweise ergibt sich entgegen der Meinung der Klägerin nicht aus der Email des Zeugen Ö. vom 30.04.2011 (Anlage K 11). Hier fasst der Zeuge zwar eine Marketingaktion zusammen, die die S. GmbH für Produkte der Beklagten durchführen solle. Einleitend verweist er jedoch darauf, dass dies eine Aktion sei, auf die man sich geeinigt habe („I wanted just to summarize from our side major actions agreed …“).

Die Email Anlage K 11 ist damit keine einseitige, die Klägerin in ihren unternehmerischen Freiheiten beschränkende Vorgabe der Beklagten, sondern die Zusammenfassung einer Einigung zwischen den Parteien. Ohne vertraglichen Zwang (gemäß ADA, s.o.) eine privatautonome Vereinbarung mit dem Vertragspartner zu treffen, eine bestimmte Marketingaktion durchzuführen, ist Ausdruck unternehmerischer Freiheit und bewegt sich im Rahmen einer normalen Verkäufer-Käufer-Beziehung.

1.1.1.5. Gegen eine Analogie zu § 89b HGB sprechen schließlich auch folgende Gesichtspunkte:

1.1.1.5.1. Im ADA, das im Jahr 2008 geschlossen wurde und den Vorgängervertrag ablöste, erhielt die Klägerin keine Exklusivität; umgekehrt wurde auch kein Wettbewerbsverbot der Klägerin geregelt.

1.1.1.5.2. Zudem agierte die Klägerin unter dem Regime des ADA nicht ausschließlich als Händlerin, sondern gleichzeitig als Produzentin. Nach dem ADA war es der Klägerin ausdrücklich gestattet, neben der reinen Händlertätigkeit, den Geschäften mit den Standard-Produkten, auch produzierende Tätigkeiten mithilfe der von der Beklagten gelieferten Güter zu entfalten. Zum einen durfte die Klägerin Bundle-Geschäfte durchführen, also Produkte der Beklagten in eigene Produkte einbauen, um diese dann zu verkaufen. Zum anderen war es der Klägerin gestattet, ValueAdd-Geschäfte zu tätigen, also Produkte der Beklagten zu modifizieren und unter eigener Marke zu vertreiben.

Dass das ADA dies gestattete ergibt sich etwa aus Ziffer 4.3 (e) ADA, der die „Nichtstandard-Produkte“ explizit erwähnt, und ist im übrigen zwischen den Parteien unstreitig. Begrenzungen und Beschränkungen für diese Geschäfte mit Nicht-Standard-Produkten der Beklagten bestanden nicht.

Dass die Klägerin diese Geschäfte während der Laufzeit des ADA auch tatsächlich tätigte, ist gleichfalls unstreitig. Streitig ist nur der genaue Anteil dieser Geschäfte am Umsatz der Klägerin. Nach der Feststellung des Landgerichts betrug das Verhältnis der Nicht-Standard-Geschäfte zu den Standard-Geschäften im Jahr 2011 50:50 (Urteil Seite 17 unten). Das Landgericht stützt sich dabei auf die entsprechende Aussage des Zeugen Ö. (Protokoll vom 10.12.2015 Seite 6, Bl. 404 der Akte). In ihrem Quartalsbericht betreffend das erste Quartal des Jahres 2012 spricht die Klägerin sogar nur von einem Anteil des Standard-Handels von 30% (Q1/2012 Seite 2 = Anlage K 10). In einer PowerPoint-Präsentation der Klägerin aus dem Juli 2011 steht ein „Real-Trading“-Anteil von 36% für die letzten 12 Monate (Anlage K 58 Seite 21). Jedenfalls steht nach allem fest, dass die Nichtstandard-Geschäfte der Klägerin einen nicht unerheblichen Teil der durch den ADA geregelten Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien ausmachten.

Daran ändern die mit nicht nachgelassenem Schriftsatz der Klägerin vom 25.11.2019 (Seite 12, Bl. 819 der Akte) vorgetragenen Stückzahlen nichts. Erstens ist dieser Vortrag gemäß § 296a ZPO verspätet. Zweitens könnte von bloßen Stückzahlen nicht ohne weiteres auf Umsatzzahlen geschlossen werden. Drittens sind auch die erwähnten Stückzahlen von jeweils weit über 100.000 pro Jahr keineswegs unerheblich.

Auch aus Sicht der Klägerin war die produzierende, herstellende Tätigkeit im Bereich der Nicht-Standard-Produkte wesentlich. Im Konzernbericht der Klägerin zum 31.12.2012 stellt sich die Klägerin als „Entwicklerin und Herstellerin“ von kundenspezifischen Sensorlösungen im High-End-Segment dar (Anlage B 4 Seite 10).

Die Klägerin beschränkte sich also nicht darauf, die von der Beklagten erworbenen Produkte an ihre Kunden weiterzuverkaufen. Ihre Tätigkeit war nicht nur die eines Händlers. Dies spricht gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung (BGH NJW-RR 2007, 1327 Tz. 22). Die Klägerin erzielte, indem sie die Produkte der Beklagten nach eigenen Bedürfnissen veränderte und sodann unter eigener Marke vertrieb, einen Weiterverarbeitungsmehrwert. Sie handelte damit nicht als Teil des Vertriebsnetzes der Beklagten innerhalb der Absatzorganisation der Beklagten, sondern als eigenständige, im eigenen Interesse auftretende Herstellerin und Verkäuferin ihrer Produkte (BGH NJW-RR 2007, 1327 Tz. 22).

Entscheidend für die Bewertung ist dabei vor allem, dass das ADA der Klägerin es im Wesentlichen überließ, Art und Umfang dieses Geschäftsteils selbst zu bestimmen (BGH NJW-RR 2007, 1327 Tz 22). Inwieweit die Klägerin von diesem Recht tatsächlich Gebrauch machte, ist sekundär (BGH NJW-RR 2007, 1327 Tz. 22), erfolgte hier jedoch, wie dargelegt, zumindest zu einem nicht unerheblichen Anteil.

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus, dass sie ihrer Berechnung des § 89b HGB-Anspruchs nur den Händler-Teil des Geschäfts der Klägerin zugrunde legt. Die für die Analogie relevante Frage, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten eine handelsvertreterähnliche Stellung einnahm, kann nur durch Betrachtung des Vertragsverhältnisses der Parteien insgesamt beurteilt werden. Es kann nicht einfach ein gewichtiger, prägender Teil dieses Verhältnisses, das Geschäft der Klägerin im Eigeninteresse mit Nicht-Standard-Produkten, ausgeblendet werden.

Dagegen spricht entgegen dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 25.11.2019 (Seite 8, Bl. 815) auch nicht der Hinweis auf einen Händler etwa der Modebranche, der seinen Abnehmern Waren verschiedener Hersteller anbietet. Der Vergleich trägt nicht: Es geht hier nicht darum, dass die Klägerin mit Waren verschiedener Hersteller handelte; maßgeblich ist, dass die Klägerin mit Produkten der Beklagten teilweise handelte, teilweise aber diese auch für Eigenproduktionen verwendete.

Vergeblich wendet die Klägerin schließlich ein, dass die übrigen Abwägungskriterien in dem zitierten BGH-Fall (NJW-RR 2007, 1327) anders gelagert gewesen seien (dazu zuletzt der Schriftsatz vom 25.11.2019 Seite 9 ff., Bl. 816 ff. der Akte). Der Senat übernimmt hier nicht die Abwägung aus dem BGH-Fall, trifft vielmehr seine eigene, auf vorliegenden Einzelfall zugeschnittene Abwägungsentscheidung. Dies ändert aber nichts daran, dass das Argument des BGH, gegen ein handelsvertreterähnliches Verhältnis spreche, dass die Klägerin nicht darauf beschränkt war, die von der Beklagten erworbenen Produkte weiterzuverkaufen, zutrifft und auch auf den vorliegenden Fall übertragbar ist.

1.1.1.6. Nach Abwägung aller maßgeblichen Aspekte ist nach Ansicht des Senats davon auszugehen, dass vorliegend nicht von einer ausreichenden Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten ausgegangen werden kann, so dass eine mit einem Handelsvertretervertrag vergleichbare Interessenlage nicht besteht. Schon deshalb scheidet eine analoge Anwendung des § 89b HGB vorliegend aus.

1.1.2. Zudem fehlt es auch noch an der vom BGH und der herrschenden Meinung vorausgesetzten vertraglichen Pflicht der Klägerin, ihre Kundendaten zu überlassen. Jedenfalls konnte eine solche nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden.

Zwar wurden in den POS-Berichten der Klägerin tatsächlich auch Kundendaten übermittelt, nämlich die Namen der Kunden sowie Stadt und Land deren Sitzes. Es ist zum einen jedoch schon fraglich, ob diese Angaben reichen, um die Kundendaten ohne weiteres nutzbar machen zu können. Jedenfalls war die Klägerin hierzu nicht nachweislich vertraglich verpflichtet.

In Ziffer 8.1a ADA werden die Kundendaten nicht ausdrücklich als notwendiger Inhalt der POS-Berichte benannt.

Zwar kann eine vertragliche Überlassungspflicht auch konkludent erfolgen (MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 89b Rn 21). Davon ist indes nicht auszugehen, wenn die Klägerin ein entsprechendes Ansinnen der Beklagten hätte ablehnen können, ohne sich vertragswidrig zu verhalten, auch wenn das bedeutet hätte, dass keine weiteren Rabatte erzielt werden könnten (BGH NJW 1994, 657, 658).

Nach Aussage des Zeugen S. wurde mithilfe der POS-Berichte kontrolliert, ob die Sonderrabattabreden zwischen den Parteien eingehalten wurden; dazu mussten die Volumina der an bestimmte Kunden ausgelieferten Produkte überprüft werden (Protokoll vom 17.12.2015 Seite 5, Bl. 411 der Akte). Für letzteres benötigte die Beklagte die Kundendaten.

Bestätigt wird dies durch den Zeugen Ö., der aussagte, dass die detaillierten Kundendaten der Beklagten mitgeteilt werden mussten, um Sonderpreise zu erhalten (Protokoll vom 10.12.2015 Seite 4, Bl. 402 der Akte ca. in der Mitte).

Dies passt zu Ziffer 5.3.2. ADA, wonach die Sonderpreisvereinbarungen kundenspezifisch sein sollten.

Vieles spricht demzufolge dafür, dass die Übermittlung der Kundennamen vorliegend dazu diente, die Rabattangebote der Beklagten an die Klägerin aufrechtzuerhalten, die Übermittlung der Kundennamen mithin Folge der Rabattangebote der Beklagten und nicht einer vertraglichen Verpflichtung der Klägerin waren. Der Beklagten waren die Kundendaten wichtig; ohne die Mitteilung hätte sie wohl keine weiteren Rabatte gewährt oder sogar im Extremfall die künftige Zusammenarbeit eingestellt; eine vertragliche, vollziehbare Pflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten, die Kundendaten zu liefern, umgekehrt ein vertraglicher Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Erhalt der Daten, folgt daraus aber noch nicht. Die Klägerin hätte so gesehen das Ansinnen der Beklagten ablehnen können, ohne vertragswidrig zu handeln.

Die Aussage des Zeugen Ö., dass die Präsidentin des Sensing-Bereichs von ... bei einem Abendessen im Jahr 2010 erwähnte, dass Distributoren, die nicht freiwillig intensive Datenübermittlung betrieben, bei H. herausflögen (Protokoll vom 10.12.2015 Seite 5, Bl. 403 der Akte), spricht nicht gegen, sondern für diese Sichtweise: Die Aussage zeigt einerseits zwar, dass H. die Daten wichtig waren, so dass die Firma davon ggf. sogar die weitere Zusammenarbeit abhängig zu machen bereit war (ein ordentliches Kündigungsrecht sah Ziffer 11.1 ADA ausdrücklich vor); andererseits belegt der Hinweis auf die Freiwilligkeit, dass keine vertragliche Verpflichtung hierzu gesehen wurde.

Jedenfalls kann eine vertragliche Vereinbarung, über die im ADA ausdrücklich genannten Informationen auch Kundendaten mitzuteilen, auf dieser Basis nicht sicher festgestellt werden.

1.2. Die Klägerin hat entgegen der Meinung des Landgerichts gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen pflichtwidriger Lieferungen nur zu überhöhten Preisen nach der Kündigung.

Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Es fehlt an einer hierzu erforderlichen Nachfristsetzung.

1.2.1. Die Klägerin macht einen Schaden statt der Leistung geltend.

Schäden statt der Leistung sind Schäden, die infolge endgültigen Ausbleibens der Leistung eintreten (Staudinger/Schwarze, BGB, 2014, § 280 Rn. E3). Es geht um den Ersatz des Leistungsinteresses (BGH NJW 2018, 1746 Tz. 21; Staudinger/Schwarze, BGB, 2014, § 280 Rn. E4). Maßgeblich hierfür ist, ob es sich um Schäden handelt, die durch eine Nacherfüllung hätten beseitigt werden können (BGH NJW 2017, 1669 Tz. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 280 Rn. 18). Diese grundsätzliche Möglichkeit der Nacherfüllung ist das Wesensmerkmal, dass § 281 BGB vom Schaden neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB unterscheidet.

Demgegenüber ist von einem Schaden neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB auszugehen, wenn Schäden das Integritätsinteresse betreffen, weil sie an anderen Rechtgütern des Geschädigten entstehen (BGH NJW 2017, 1669 Tz. 23).

Schäden statt der Leistung sind daher typischer Weise die Kosten eines Deckungsgeschäfts (BGH NJW 2013, 2959 Tz. 27; Staudinger/Schwarze, BGB, 2014, § 280 Rn E5, E10) und grundsätzlich auch der entgangene Gewinn (BeckOK-BGB/Lorenz, § 280 Rn. 28 a.E.; Staudinger/Schwarze, BGB, 2014, § 280 Rn. E5, aA Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 280 Rn. 18 a.E.). Denn diese Schäden hätten regelmäßig durch eine Nachlieferung vermieden werden können.

Um eine derartige Konstellation geht es hier: Die von der Klägerin behaupteten Käufe zu überhöhten Preisen stellten der Sache nach ein Deckungsgeschäft dar; sie ersetzen die nach Ansicht der Klägerin eigentlich von der Beklagten geschuldeten Lieferung zu niedrigeren Preisen. Zudem macht die Klägerin entgangenen Gewinn geltend, weil sie ihrer Ansicht nach Kundenbestellungen nicht erfüllen konnte, weil die Beklagte sie teilweise nicht mehr belieferte. Beide Posten wären durch eine Nachlieferung der Beklagten zu den nach Klägeransicht geschuldeten Konditionen vermeidbar gewesen. Es wäre dann kein zu hoher Preis für die Waren zu zahlen gewesen; die Klägerin hätte die Waren sodann noch mit dem entsprechenden Gewinn weiterverkaufen können.

1.2.2. Eine Nachfristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB wurde nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

1.2.3. Die Nachfristsetzung war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gemäß § 281 Abs. 2 Fall 1 BGB entbehrlich.

Die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung ist systematisch die Ausnahme. An die Erfüllungsverweigerung gemäß § 281 Abs. 2 BGB sind daher strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 2016, 3235 Tz. 37; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 14). Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein (BGH NJW 2016, 3235 Tz. 37; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 14). Dies kann anzunehmen sein, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung hartnäckig bestreitet (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 14). Nicht ausreichend ist demgegenüber die Äußerung rechtlicher Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über den Vertragsinhalt (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 14).

Nach diesen Grundsätzen stellt die Email der Beklagten vom 07.12.2012 (Anlage K 27) keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne der Norm dar.

Für Bestellungen, die noch vor dem 30.11.2012 erfolgt waren, kündigte die Beklagte in der Mail explizit noch eine Klärung im Haus an. Das letzte Wort wollte sie insofern ersichtlich also nicht gesprochen haben.

Für Bestellungen nach dem 30.11.2012 will die Beklagte wegen der Lieferzeiten bis nach dem 03.01.2013 nur noch Bestellungen für Nicht-Standard-Produkte („Mehrwertliste“) zu neuen Preisen akzeptieren. Eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung liegt jedoch auch hierin nicht. Die Email ist insgesamt davon geprägt, dass die Beklagte nochmals intern ihre Position klären will. Letztlich äußert die Beklagte lediglich eine von der Klägeransicht abweichende Ansicht, nach welchen Konditionen die restlichen Lieferungen zu erfolgen haben. Die hierin zum Ausdruck kommenden Meinungsverschiedenheiten über den Vertragsinhalt genügen indes, wie dargelegt, nicht für die Bejahung des § 281 Abs. 2 Fall 1 BGB. Hinzu kommt, dass die Beklagte abschließend lediglich die höfliche Bitte formuliert, Bestellungen zu stornieren und ggf. neu auszustellen. Dies ist keine radikale, kompromisslose, endgültige Ablehnung einer Erfüllung im Sinne eines letzten Wortes.

1.2.4. Die Nachfristsetzung war auch nicht gemäß § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB entbehrlich.

Besondere Umstände im Sinne der Norm können vorliegen, wenn ein Schaden durch die Nacherfüllung nicht mehr beseitigbar wäre oder die Nacherfüllung nicht mehr von Interesse für die Gläubigerin ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 15).

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass eine angemessene Nachfrist, die im Einzelfall auch sehr kurz ausfallen kann, etwa nur zwei Tage betragen kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 281 Rn. 10), der Klägerin nicht mehr genutzt hätte.

2. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

2.1. Die Klägerin hat, wie dargelegt, keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen teilweiser Nichtlieferungen bzw. wegen Lieferungen zu pflichtwidrig überhöhten Preisen.

2.2. Das Landgericht hat ferner mit Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückkauf des Lagerbestandes verneint.

2.2.1. Eine Rücknahmepflicht ergibt sich nicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, weil die Vertragsbeendigung nicht auf einer schuldhaften Vertragsverletzung der Beklagten beruht (vgl. BGH NJW 1971, 29 unter III 1).

2.2.2. Auch aus §§ 667 ff. BGB ergibt sich kein solcher Anspruch der Klägerin, weil die Klägerin an den Waren nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich Eigentum erworben hat und sie ihrem Geschäftsbetrieb zum Weiterverkauf auf eigene Rechnung zugeführt hat (BGH NJW 1991, 29 unter III 2 b aa).

2.2.3. Im Ergebnis ergibt sich der Anspruch auch nicht aus § 311 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem ADA.

Zwar kann die Auslegung eines Eigenhändlervertrages mit einer Lagerabrede grundsätzlich ergeben, dass der Hersteller nach Beendigung zur Rücknahme des Lagers, mindestens aber zu einer angemessenen Mithilfe bei dessen Verwertung verpflichtet ist, wenn dem Eigenhändler nicht zugemutet werden kann, das Lager selbst ohne Mithilfe abzusetzen (BGH NJW 1971, 29 unter III 2 b bb).

Ob dies zutrifft, ist nach Lage des jeweiligen Einzelfalls durch Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen (BGH NJW 1971, 29 unter III 2 b cc).

Danach spricht hier gegen eine Rücknahmeverpflichtung der Beklagten, dass die der Klägerin auferlegte Lagerpflicht in Ziffer 4.3c ADA nur sehr allgemein gefasst ist. Den konkreten Umfang des Lagers bestimmte die Klägerin selbst. Der Zeuge Ö. erklärte, dass der Lagerumfang sich aus den großen Erfahrungen der Klägerin in dem betreffenden Markt ergab (Protokoll vom 10.12.2015 Seite 5, Bl. 403 der Akte). Es ist aber wenig interessengerecht, der Beklagten die Rücknahmepflicht bezüglich eines Lagerumfangs aufzubürden, den die Klägerin eigenständig bestimmte.

Hinzu kommt, dass die Lagerhaltung nach dem eigenen Vortrag der Klägerin teilweise auch darauf beruhte, dass die Klägerin bei der Beklagten größere Mengen bestellte, um in den Genuss von Mengenrabatten zu gelangen. Es ist interessengerecht, die Klägerin, der der Mengenrabatt zugutekam, mit dem damit einhergehenden, verknüpften Lagerrisiko zu belasten.

Schließlich wurde zwischen den Parteien die Tragung des Lagerrisikos durch spezielle Vereinbarungen ausgestaltet und austariert. So bestand für die Klägerin gemäß Ziffer 15 ADA die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen nicht absetzbare Produkte gegen Kaufpreiserstattung zurückzugeben („Inventory Rotation“). Seit 2010 bestand das Angebot einer „Scrap Policy“, wonach die Klägerin bestimmte Lagerbestände gegen Rückvergütung verschrotten konnte. Von dieser „Scrap Policy“ machte die Klägerin im Mai 2012 (im Wert von 147.342,82 USD) und im November 2012 (im Wert von 91.239,45 USD), mithin im Jahr der Kündigung durch die Beklagte weitreichenden Gebrauch. Diese besondere, zwischen den Parteien vereinbarte Verteilung des Lagerrisikos, die die Interessen der Klägerin in erheblichem Maße mitberücksichtigte, darf nicht durch eine darüber noch hinausgehende, pauschale, umfassende Lagerrücknahmepflicht der Beklagten konterkariert werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Dies gilt entgegen der Ansicht der Klägerin auch für die Verneinung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB analog. Die Klageabweisung beruht insoweit auf einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Es galt das konkrete Vertragsverhältnis der Parteien zu analysieren und zu bewerten. Die dazu herangezogenen maßgeblichen Obersätze und Kriterien entstammen der BGH-Rechtsprechung, bedürfen insoweit also nicht mehr der höchstrichterlichen Klärung.

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