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Wirtschaftsrecht
16.12.2021
Wirtschaftsrecht
AG Hamburg: Amtswegig bestellter Insolvenzverwalter ist nicht Datenverantwortlicher im Sinn der DSGVO

AG Hamburg, Urteil vom 15.11.2021 – 11 C 75/21

Volltext: BB-Online BBL2021-3026-1

Leitsätze des Gerichts

I. Ein Insolvenzverwalter ist für die Daten des Schuldner(organs) nicht Datenverantwortlicher i.S. v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO und nicht auskunftspflichtig nach Art. 15 DSGVO.

II. Sofern Auskunftsansprüche geltend gemacht werden, wären konkrete Datenverarbeitungsvorgänge des Insolvenzverwalters (oder auf dessen Geheiß erfolgte) zu beschreiben; eine „Datenlagerung“ ist keine Datenverarbeitung.

III. Sofern der Insolvenzverwalter dennoch Auskunft erteilt, ist es ausreichend, wenn er über die über den Schuldner (bzw. dessen Organ) gespeicherten Daten nach Datenkategorien, über die übernommenen Datenkategorien, die Datenverarbeitungszwecke und die Speicherdauer, sowie der Übermittlung v. Daten an Dritte und in Drittst[aaten], Auskunft erteilt. Eine substantiiertere Auskunft ist nicht geschuldet.

§ 56 InsO, Art. 15 DSGVO, Art. 4 Nr. 7 DSGVO

Sachverhalt

I. Die Parteien streiten über Auskunftsansprüche. Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und früherer Geschäftsführer der XX und wechselte im Jahre 2015 in den Aufsichtsrat. Über die vorgenannte Gesellschaft wurde nach vorange[gangenem] Insolvenzeröffnungsverfahren in vorläufiger Eigenverwaltung in welchem der Beklagte vorläufiger Sachwalter war, am 5.9.2017 aufgrund Eigenantrages das Insolvenzverfahren, zunächst in Eigenverwaltung mit dem Beklagten als Sachwalter, eröffnet (AG Hamburg Az. …) und per Beschluss des Insolvenzgerichtes ab 17.9.2017 in das Regelinsolvenzverfahren mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter überführt (zur genauen Verfahrenshistorie nimmt das Gericht Bezug auf den beklagtischen Schriftsatz v.26.5.2021, S. 2) . Der Kläger begehrt nach vorgerichtlichem Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO mit Schreiben v. 23.6.2020 unter Fristsetzung zum 7.7.2020 (Anl. K 1), auf welches der Beklagte mit Schreiben v. 23.7.2020 nebst Anlagen antwortete (Anl. K 2), Auskunft über die vom Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Hinblick auf verschiedene Auskunftskategorien (im Einzelnen wird hierzu Bezug genommen auf die Klagschrift v. 8.3.2021). Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei auskunftsverantwortlich und zumutbar auskunftsverpflichtet und habe bisher ausreichende Auskunft nicht erteilt. Der Beklagte ist gegenteiliger Ansicht und verweist auch darauf, dass er den Kläger vor dem LG Hamburg (Az. 307 O 308/18) auf eine hohe Klagsumme aus Insolvenzanfechtung in Anspruch nimmt. Der Kläger nimmt den Beklagten persönlich mit Klage v. 8.3.2021 vor der Abt.17a des hiesigen Gerichtes in Anspruch auf Auskunftserteilungen (Az. 17a C 100/21, das Gericht hat diese Akte zur Einsicht beigezogen). Die Parteien haben umfangreiche Schriftsätze gewechselt.

Das Gericht hat nach vorangegangener Streitwertfestsetzung mit Beschluss v. 15.4.2021 mit Verfügung v. 28.5.2021 das Verfahren nach § 495a ZPO angeordnet.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

1. Der Klagantrag ist gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter gerichtet, jedoch zeitlich nicht abgeschichtet auf den vorgenannten Gang des eröffneten Verfahrens, worauf der Beklagte zutref[f]end hingewiesen hat. Der v. der zeitlichen Eingrenzung her unbestimmte-und damit eigentlich unzulässige (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) - Klagantrag ist geltungserhaltend im wohlverstandenen Interesse des Klägers in Ansehung des v. ihm gewählten Passivrubrums dahingehend auszulegen, dass er Auskunft (nur) begehrt über die vom Beklagten ab dem 17.9.2020 vorgenommenen Verarbeitungen personenbezogener Daten. Denn der Beklagte ist weder als vorläufiger noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellter Sachwalter Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dieses anzunehmen hieße die Verfahren[s]stellung des (vorläufigen) Sachwalters zu verkennen. Der vorläufige Sachwalter des Eröffnungsverfahrens hat keinen Besitz an der Masse, mi[t]hin auch nicht am schuldnereigenen Datenbestand. Dies folgt bereits aus der Natur des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem gerichtlichen Bestellungsbeschluss (§§ 270a Abs. 2, 274 InsO aF). Ein Massebeschlag nach §§ 80, 148 InsO findet mit Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung statt, aber „zugunsten“ der Schuldnerin (§§ 270 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 S. 1, 282 InsO aF). Die Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Verfügungsbefugnis geht auf die eigenverwaltende Schuldnerin über (K. Schmidt-Undritz, 19. Aufl.InsO, § 270 Rn. 17, Rn. 18 m.w.N.). Sie – bzw. ihre Geschäftsleitung – entscheidet daher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO „allein“, auch über die Mittel der Datenverarbeitung (zur Reichweite des Begriffes „entscheiden“ S. insofern Kühling/Buchner-Hartung, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 4 Rn. 13 DSGVO mwN). Der Sachwalter hat auch keine Mitverantwortlichkeit, sondern lediglich überwachende Funktion (§ 274 Abs. 2 InsO aF).

 

2. Die vorgenannte Einschränkung des Klagantrages koinzidierend wäre die Klage dennoch bereits v. generellen Ansatz her unbegründet.

Denn die Tätigkeit [d]es Beklagten als Insolvenzverwalter ab 17.9.2017 fällt nicht in den Bereich des Unionsrechtes, weshalb er nicht passivlegitimiert ist , da die Bereich[s]ausnahme zu Art. 2 a.) DSGVO gilt. Der Beklagte hat zutreffend innerhalb des Schriftsatzwechsels angesprochen, dass er als amtswegig bestellter Insolvenzverwalter nicht Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist (u.a. Schriftsatz v. 18.8.2021, S. 5 f.).

 

2.1 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 16.9.2020, Az.: 6 C 10/19, ZInsO 2020, 2658; zust. Hacker, NZI 2021, 151; Petri, ZD 2021, 55; Schmittmann, NZI 2020, 39,40) hat für die Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO festgestellt, dass dieser nicht „Betroffener“ i.S. d. Regelung ist, da ein Übergang dieses Auskunftsanspruchs in die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO nicht stattfindet. Denn er ist seinem Charakter nach untrennbar mit der Person des Berechtigten (des/der Sc[h]uldnerin) verbunden und könne nicht losgelöst von den weiteren Betroffenenrechten betrachtet werden. Eine Ausübung durch den Insolvenzverwalter würde seine Zielrichtung und seinen Zweck verändern. Auch eine Differenzierung nach dem Vermögensbezug der betroffenen Daten komme daher nicht in Betracht. Ob die daraus folgende Mitwirkungspflicht des Schuldners (§ 97 InsO) bzw. seiner Geschäftsleitung (§ 101 InsO) zur Mithilfe bei der Erlangung (auch) personenbezogener, aber massegenerierungsrelevanter, Daten (hierzu Bleckat/Kor, ZInsO 2020, 1457, 1460) auch umgekehrt, worauf der Beklagte hinweist, zum Entfallen des Auskunftsanspruches des Schuldners (und der insofern Betroffenen) gegenüber dem Insolvenzverwalter i.S. eines analogen „dolo petit“-Einwandes desselben führt, mag dahinstehen (würde v. Gericht bei Entscheidungserheblichkeit aber bejaht werden, da der Kläger als Mitglied des Aufsichtsorgans in den Bereich des § 101 InsO „fällt“).

 

2.2 Denn der Insolvenzverwalter ist als Amtsperson im Sinne des deutschen Insolvenzrechtes bereits per se dem datenschutzrechtlichen Unionsrecht der DSGVO nicht unterstellt.

Der BGH hat zutreffend jüngst darauf hingewiesen, dass z.B. die Datenverantwortlichkeit des Zwangsverwalters, sofern dieser Daten selbst erhebt, grundsätzlich nur aus dessen Dienstleistungstätigkeit i.S.d. Dienstleistungsrichtlinie abgeleitet werden kann (BGH v. 15.7.2021, ZInsO 2021, 2049 Rn. 18), da dieser keine „öffentliche Gewalt“ ausübe. Diese Eingruppierung der Zwangsverwalterstellung ist nachvollziehbar, da die gerichtliche Anordnung der Zwangsverwaltung nicht –wie im Insolvenzverfahren per Eröffnung- zu einer allumfassenden Beschlagnahmewirkung und nicht zur Amtswegigen Pflichtenstellung zur Massegeneri[er]ung mit einem weiten Ermessenspielraum der amtswegig bestellten Person führt. Zutreffend ist deshalb ein eigenständiger „Beruf Zwangsverwalter“ abgelehnt worden und eine Listenführungsnotwendigkeit bestellungsbereiter Personen ebenso (OLG Koblenz, ZInsO 2005, 1171 m. Anm. Förster, 1174; zust. Depré, EWiR 2006, 139; Depré, ZfIR 2006, 565; offengelassen von OLG Frankfurt am Main, ZInsO 2009, 388).

Hinsichtlich der Insolvenzverwaltung hat hingegen das BVerfG einen Beruf „Insolvenzverwalter“ anerkannt (BVerfG v. 23.05.2006, ZInsO 2006, 765; Höfling, JZ 2009, 339 mwN).

Der Insolvenzverwalter unterfällt denn indes auch nach richtiger Ansicht der Dienstleistungsrichtlinie nicht (Slopek, ZInsO 2008, 1243; Frind, ZInsO 2008, 1248; die Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO ohne Untersuchung der berufsrechtlichen Stellung hingegen fälschlich unterstellend Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1, 5; Bornheimer/Park, NZI 2018, 877, 878; Schmidt/Heil, NZI 2018, 865, 866; Platzer in BeckOK Insolvenzrecht, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 24.Ed., Datenschutz im Insolvenzrecht, Rn. 33, Rn. 51; , mit dem richtigen generellen Funktionsansatz hingegen zutreffend ablehnend Berg, ZIP 2019, 247, 252).

Da der Insolvenzverwalter bei seiner Tätigkeit kein rein »privates Amt« im Sinne einer Dienstleistung für Private erbringt (zu den Theorien betreffend die Amtsstellung: HmbKomm-Kuleisa, 10. Aufl.InsO, § 80 Rdn. 4 - 7 mwN) und unter der Rechtsaufsicht des Gerichtes (§ 58 InsO) steht, wird er zu Recht als Teil der „Funktionseinheit Gericht/Verwalter“ im konkreten Verfahren gleichsam auf Zeit »Angehöriger« des staatlichen Justizpersonals (Höfling, JZ 2009, 339, 341, 343; HK-Riedel, § 56 Rn. 3; a.A. Blankenburg, ZIP 2016, 749, 752; Smid, ZInsO 2009, 113, 114). Dahinstehen kann für die hiesige Beurteilung, ob er insofern gar ein „öffentliches Amt“ ausübt (so OLG Hamburg vom 06.01.2012, ZInsO 2012, 175; „öffentliche Stelle“ so LG Stuttgart ZIP 2019, 585; abl. aber Platzer in BeckOK Insolvenzrecht, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 24.Ed., Datenschutz im Insolvenzrecht, Rn. 39), jedenfalls ist seine Tätigkeit und sein Berufsbild »eingebettet in die Tätigkeit der Rechtsordnung« in die Funktionseinheit Gericht/Verwalter zur Umsetzung der Ziele der InsO (K. Schmidt/Ries, 19. Aufl., § 56 Rn. 6; Preuß, ZIP 2011, 936, 938; OLG Hamburg vom 6.1.2012, ZInsO 2012, 175). Die EUGH-Entscheidung v. 24.5.2011 zu einem belgischen Notar (BB 2011, 1409 [Ls] = ZEuP 2012, 171), der der EU-DLR unterfallen soll, kann nicht als Gegenbeleg angezogen werden (so aber Piekenbrock/Bluhm, NJW 2016, 935; Uhlenbruck-Zipperer, 15.Aufl.InsO § 56 Rn. 5), da in Belgien der Notar keine titelschaffende Funktion ausübt (Frind, ZInsO 2016, 672, 674), in Deutschland jedoch sehr wohl.

Durch die Einführung des Art. 102a EGInsO (Preuß, ZIP 2011, 934, 939) einerseits und die BVerfG-Entscheidung v. 12.1.2016 (ZInsO 2016, 383, Rn. 44, 62), wie bereits durch die BGH-Entscheidung vom 19.09.2013 (ZInsO 2013, 2103) zur (ablehnend entschiedenen) Frage der Möglichkeit, eine juristische Person als Insolvenzverwalter zu bestellen, ist ein hoheitliches Tätigwerden des Verwalters nach deutschem Recht bestätigt (Mitlehner, NZI 2016, 248; Frind, ZInsO 2016, 672, 674; ders. NZI 2016, 156). Der Kläger konzediert selbst, dass der Beklagte „nicht in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt“ (Schriftsatz v. 13.7.2021, S. 10) streitgegenständlich tätig (geworden) ist. Der Beklagte ist aber auch keine „öffentliche Stelle der Länder als Organ der Rechtspflege“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2b.) BDSG i.V.m. § 1 Abs. 8 BDSG, da er nicht durch das „Land“ bestellt wird, sondern per individuellem Einzelfallbestellungsbeschluss durch das jeweilige Insolvenzgericht. Der Beklagte nimmt vielmehr aufgrund einzelgerichtlicher Anordnung hoheitliche Aufgaben „sui generis“ wahr, indem er die insolvenzrechtliche Ordnungsfunktion exekutiert.

Der Insolvenzverwalter (und mithin der Beklagte) unterfällt mithin der Nichtanwendungsregelung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. i) der Dienstleistungsrichtlinie (Art. 62 AEUV i.V.m. Art. 51 AEUV) als notwendiger Ausübender einer Tätigkeit, die mit Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist (Gehrlein, NJW 2013, 3756; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins e.V. [DAV] vom 11.08.2010 zum Gesetzentwurf »Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie«, NZI 18/2010, IX (becklink 1003752); Frind, ZInsO 2010, 1678; Entschließung des Bundeskongresses »Sanierung als Chance für den deutschen Mittelstand« 04.03.2010, ZInsO 2010, 473; Entschließung BAKinso e.V. vom 01.12.2009, ZInsO 2009, 2391 = NZI 18/2009 VII; Frind, ZInsO 2009, 1997; Für eine leistungsorientierte Insolvenzverwalterauswahl, Thesen-Dokumentation, ZInsO 2009, 1950; Ries, ZInsO 2009, 2030, 2032; Förster, ZInsO 2009, 1932; Marotzke, ZInsO 2009, 1929; Slopek, ZInsO 2008, 1243; Frind, ZInsO 2008, 1248; unentschlossen AG Mannheim v. 20.01.2016, ZInsO 2016, 238; a.A. Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097; Graf-Schlicker, Kölner Schrift, 3. Aufl., S. 235 ff.; Graf-Schlicker, 5.Aufl.InsO,§ 56,56a Rn. 6–12).

Ein anderer Ansatz lehnt die Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie ergänzend deswegen ab, weil bereits durch die bereits damals bei ihrer Verabschiedung geltende EuInsVO ein Eingriff in das Insolvenzverfahrensrecht lt. dortigem Erwägungsgrund Nr. 6 ausdrücklich als nicht gewollt festgelegt worden sei und die Dienstleistungsrichtlinie demgegenüber subsidiär sei (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dienstleistungsrichtlinie) (Smid, ZInsO 2009, 113). Der Insolvenzverwalter leistet keine „Dienste“ im Sinne der Ausführung unternehmerischer Dienstleistungen oder der reinen einzelspurigen Exekution staatlicher Beauftragungen, sondern er beurteilt eigenständig innerhalb des ihm seitens der Rechtsprechung zugebilligten weiten Ermessensspielraumes (zu diesem BGH v. 12.3.2020, ZInsO 2020, 1180; BGH v. 20.7.2017, ZInsO 2017, 1784, Rn. 25; BGH v. 16.3.2017, ZInsO 2017, 827, Rn. 12; Thole, ZIP 2014, 1653, 1655 m.w.N. ; BGH v. 25.4.2002, ZIP 2002, 1093) die v. ihm zu treffenden mannigfachen und vielfältigen Entscheidungen und Umsetzungen zur Verwirklichung der Ziele der Insolvenzordnung – und dies unter unmittelbarer gerichtlicher Einzelaufsicht (§ 58 InsO).

Jedenfalls haben die EU-Mitgliedsländer in der Folgezeit nach Erlass der Dienstleistungsrichtlinie im europäischen Vergleich eine der Dienstleistungsrichtlinie –sofern deren Anwendung bejaht werden würde- folgende Regelungstiefe der Verwalterbestellung nicht umgesetzt (Vallender, ZIP 2018, 353; Thole, KTS 2018, 225) und somit ist deren Einschlägigkeit für insolvenzrechtlich amtswegig bestellte Personen auch dort offenbar nicht gesehen oder als solche beurteilt worden.

Die EU-Kommission hat im Gegenteil im Zuge des Erlasses der EU-Restrukturierungsrichtlinie v. 20.6.2019 (Abl EU 2019 Nr. L 172, 18) den Insolvenzverwalter ausdrücklich in den Regelungsbereich dieser neuen Richtlinie einbezogen (Erwägungsgrund Nr. 87 a.E.). In der Restrukturierungsrichtlinie hat die EU-Kommision in Art. 26 betont, dass die Zugangsvoraussetzungen zum Amt des „Verwalters“ klar, transparent und fair zu regeln sind und geht in Art. 26 Abs. 1 lit.a.) , wie in Art. 27 davon aus, dass der „Verwalter“ von einer Justizbehörde oder einem Gericht direkt bestellt und überwacht wird. Die Kommission hat es damit den nationalen Gesetzgebern überlassen, die Stellung der insolvenz- und restrukturierungsgerichtlich amtswegig eingesetzten Verwaltungspersonen und Restrukturierungsbeauftragten national eigenständig genauer zu fassen; die Dienstleistungsrichtlinie hat in der EU-Restrukturierungsrichtlinie hingegen keinerlei Erwähnung mehr gefunden. Die Kommission geht daher selbst nicht davon aus, dass die gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter der Dienstleistungsrichtlinie (und damit der DSGVO) unterliegen. Dies stün[d]e auch im Widerspruch zu ihrem Aufgabenbereich, das Verlangen nach Umf[ä]nglicher Datenspeicherungsauskunft die Tätigkeit der solcherart bestellten Verwalter gefährden und mit ihrem Auftrag, die Insolvenzmasse zu schützen, Restrukturierungspläne neutral zu beurteilen und gerichtlichen Weisungen zu folgen, kollidieren kann. Eine Datenspeicherungsauskunft direkt an das Gericht kann jenseits der Akteneinsicht gem. § 299 ZPO (§§ 4 InsO; 38 StaRUG) deshalb auch nach nationalem Recht nicht erfolgen, dies muss dann auch für den in die vorgenannte Funktionseinheit eingebundenen „Verwalter“ gelten.

Diese generellen Erwägungen mögen aber dahinstehen, weil der Beklagten auch in Anbetracht der konk[r]eten Klagantrages im konkreten Fall keine (weitere) Auskunft nach Art. 15 DSGVO schuldet:

 

3. Dass der Insolvenzverwalter nicht auskunftspflichtig nach Art. 15 DSGVO ist, folgt bereits neben seiner Amtsstellung auch aus seiner amtlichen Tätigkeit. Seine Massegenerie[r]ungspflicht aus §§ 80, 148 InsO darf nicht etwa über Auskunftsersuchen gefährdet werden, indem er z.B. verpflichtet wäre, Verfahrensbeteiligten oder ehemaligen Verfahrensbeteiligten oder Organen der Insolvenzschuldn[e]rin über deren –eingeschränkte- Akt[en]einsichtsrechte nach § 299 ZPO (§ 4 InsO) hinaus, weitere Auskünfte zu erteilen, die damit auf eine Auskunftserlangung in Daten über diejenigen aus der Insolvenzakte hinaus geeignet wären und u.U. zu einem prozessrechtlichen Vorteil der solcherart Auskunftsverlangenden in kontradiktorischen Massegenerie[r]ungsprozessen führen könnten. Deshalb beschränkt sich auch die Akteneinsicht nach §§ 4 InsO, 299 ZPO auf die Insolvenzakte (Hoppe, ZInsO 2017, 2249) und setzt bei einem Gesuch Dritter, und als solcher wäre der Kläger hier einzuordnen (zum Gesellschafter Swierczok/Kontny, NZI 2016, 566, 570; BGH v. 15.10.2020, ZInsO 2021, 97 ; Swierczok/Saed, NZI 2021, 124), nach § 299 Abs. 2 ZPO ein rechtliches schützenswertes Interesse voraus.

Insbesondere bei einem Akteneinsichtsgesuch eines Prozessgegners des Insolvenzverwalters in einem laufenden kontradiktorischen Massegenerierungsverfahren ist dieses rechtliche Interesse restriktiv auszulegen (OLG Frankfurt v. 21.6.2016, ZInsO 2016, 1698, 1700; weiter wohl BGH v. 5.4.2006, ZInsO 2006, 597; S. aber OLG Hamburg v. 19.5.2008, ZInsO 2008, 863=NZG 2008, 902; LG München I, Urteil vom 25.3.2021 - 11 O 17663/20, BeckRS 2021, 8866), was die Parteien vorliegend auch hinsichtlich der Einschlägigkeit und Reichweite des § 299 ZPO konträr erörtert haben. Das BayObLG hat jüngst darauf hingewiesen, dass auch ein Gehe[i]mhaltungsinteresse des Insolvenzverwalters hierbei zu beachten ist (BayObLG v. 2.9.2021, ZInsO 2021, 2200). Das Gericht kann vorliegend nicht erkennen, dass das Rechtschutzbedürfnis des Klägers gemessen an den Anforderungen des Akteneinsichtsrechtes den streitgegenständlichen Anspruch abdeckt.

 

4. Der Beklagte ist aber auch konkret nicht Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO, weil er im konkreten Fall keine Datenverarbeitung der mit dem Auskunftsanspruch in Bezug genommen Daten des Klägers i.S. d. Klagantrages „vorgenommen“ hat. Denn der Beklagte verarbeitete nicht „an Stelle“ der Schuldnerin, worauf der Beklagte wiederholt (Schriftsatz v. 26.5.2021, S. 8 f.; Schriftsatz v. 18.8.2021, S. 2 f. und S. 9 f.) hingewiesen hatte. Der Kläger hat nicht konkretisiert, welche Verarbeitungsvorgänge der Beklagte nach Bestellung zum Insolvenzverwalter am 17.9.2017 veranlasst hat (zu dieser Anforderung auch LG Heidelberg v. 21.2.2020, ZD 2020, 313, Rn. 34). Der Kläger hätte hierzu auf die entsprechenden Einwendungen des Beklagten, wozu er Gelegenheit hatte, konkrete Prozesse, die der Beklagte mit den Datenbeständen vorgenommen hat, vortragen müssen. Das „Führen“ v. Gläubigerlisten oder Anfechtungsklagen erfüllt diese Anforderung an einen konkreten Sachvortrag nicht. Soweit der Kläger v. „weitreichenden Einflussmöglichkeiten“ schreibt (Schriftsatz v. 13.7.2021, S. 7) ist dies, worauf der Beklagte hingewiesen hat, weshalb das Gericht dies nicht zu tun brauchte (§ 139 ZPO), i. diesem Sinne ungenügend. Eine „Datenlagerung“ ist keine Datenverarbeitung (dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2020 – 5 Bs 152/20, NZI 2021, 191; LG Heidelberg v. 21.2.2020, ZD 2020, 313).

Soweit der Kläger von „Datenverarbeitungsvorgängen der XX“ schreibt, übersieht er die notwendige Verantwortlichkeitsabschichtung (dazu 1.). Die Insolvenzschuldnerin selbst ist mit der Insolvenzeröffnung aufgelöst (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG), was auch in der Eigenverwaltung gilt (K. Schmidt-Undritz, aa0, § 270 Rn. 19 mwN), zu einem Fortsetzungsbeschluss hat der Kläger nichts vorgetragen. Die Insolvenzschuldnerin ist daher seit Eröffnung nur noch für insolvenzrechtliche Zwecke tätig und ihre Geschäftsleiter haften insolvenzrechtlich (BGH v. 26.4.2018, ZInsO 2018, 1200). Der Kläger hat nicht dargelegt, welche eigenständigen, über die datenschutzrechtliche Ver[ant]wortlichkeit der Schuldnerin im Rahmen ihrer insolvenzrechtlichen Abwicklung hinausgehenden Tätigkeiten der Beklagten vorgenommen haben und verantworten soll.

 

5. Die Klage ist auch unbegründet, weil der Beklagte vorgerichtlich –ungeachtet der Verantwortlichkeitsfrage- bereits ausreichend Auskunft erteilt hat und zwar mit seinem Schreiben v. 23.7.2020 in dessen dortiger Anlage (Anl. K 2). Der Beklagte hat hierin über die über den Kläger gespeicherten Daten, über die übernommenen Datenkategorien, die Datenverarbeitungszwecke und die Speicherdauer, sowie der Übermittlung v. Daten an Dritte und in Drittst[aaten] Auskunft erteilt. Eine substantiierte Auskunft war v. ihm, ungeachtet der generellen Bedenken betreffend seine Verantwortlichkeit (s. 2.) nicht geschuldet (zum Umfang der Auskunft Platzer in BeckOK Insolvenzrecht, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 24.Ed., Datenschutz im Insolvenzrecht, Rn. 78 „Mindestangaben“).

Die Klage war daher abzuweisen; weitere Rechtsfragen zu den v.d. Parteien erörterten Problemen der möglichen Unbestimm[t]heit des Klagantrages und der Reichweite des anderweitig rechtshängigen Verfahrens (§ 261 Abs. 1 ZPO) (Az. 17a C 100/21) und zu dem beklagtenseitig – offenbar hilfsweiseeingewandten Z[ur]ückbehaltungsrecht können dahinstehen. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Klagantrag (auch) bereits wegen Unbestimmtheit, was der Beklagte substantiiert gerügt hat, unzulässig ist (so auch zu einem gleichgelagerten Fall LG Heidelberg v. 21.2.2020, ZD 2020, 313, dort aber dahinstehengelassen), da eine Präzisierung gem. Erwägungsgrund Nr. 63 zur DSGVO fehlt.

 

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713. Die Berufung war mangels entscheidungserheblichem (Zöller-Heßler, 33.Aufl.ZPO; § 551 Rn. 37) Beruhen (s.die Gründe unter 3., 4. und 5.) der Entscheidung auf grundsätzlichen Rechtsfragen nicht gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

 

 

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