BGH: Amtsunfähigkeit eines GmbH-Geschäftsführers nach § 6 Abs. 2 GmbHG – Gleichbehandlung von Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlich begangener Straftat
BGH, Beschluss vom 3.12.2019 – II ZB 18/19
ECLI:DE:BGH:2019:031219BIIZB18.19.0
Volltext: BB-Online BBL2020-65-3
Amtliche Leitsätze
a) Das Registergericht hat die Eintragung eines Geschäftsführers einer GmbH von Amts wegen im Handelsregister zu löschen, wenn eine persönliche Voraussetzung für dieses Amt gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG nach der Eintragung entfällt.
b) Auch wer nicht als Täter (§ 25 StGB), sondern als Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG rechtskräftig verurteilt worden ist, kann nicht Geschäftsführer einer GmbH sein.
GmbHG § 6 Abs. 2; FamFG § 395 Abs. 1 Satz 1
Sachverhalt
I. Der 1995 geborene Beschwerdeführer war 2015/16 für die Dr. B. GmbH tätig. Im Auftrag des Geschäftsführers der GmbH vereinnahmte er im Herbst 2016 der Gesellschaft zustehende Provisionen, um sie dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zu entziehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Gesellschaft insolvent und ihre Konten waren gepfändet.
Der Beschwerdeführer wurde wegen Beihilfe zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB) und anderer Taten durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt. Dabei entfiel auf die Insolvenzstraftat eine Einzelstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen. Der Strafbefehl ist seit dem 2. April 2019 rechtskräftig.
Seit Januar 2017 ist der Beschwerdeführer Mitgesellschafter und -geschäftsführer der G. GmbH.
Das Registergericht teilte dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund seiner Verurteilung beabsichtigt sei, seine Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister zu löschen. Sein Widerspruch und seine Beschwerde blieben erfolglos. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will er seine Löschung im Handelsregister abwenden.
Aus den Gründen
5 II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beihilfe zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Satz 1, § 27 StGB) führe gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b GmbHG dazu, dass er für die Dauer von fünf Jahren unfähig sei, das Amt eines Geschäftsführers auszuüben. Eine Verurteilung als Täter setze die Vorschrift nicht voraus. Von ihrem Wortlaut seien auch Verurteilungen wegen Teilnahme an einer Katalogstraftat umfasst. Die in den Straftatenkatalog aufgenommene Strafbestimmung des § 283d StGB belege, dass der Verurteilte auch nicht in einer besonderen, ihn als Täter qualifizierenden Beziehung zum Schuldnervermögen gestanden haben müsse. Die Gleichbehandlung von Tätern und Teilnehmern sei auch nicht unverhältnismäßig, sondern halte sich im Rahmen gesetzgeberischen Ermessens.
6 III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7 1. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - II ZB 17/10, BGHZ 191, 84 Rn. 5; Beschluss vom 26. Juni 2018 - II ZB 12/16, ZIP 2018, 1591 Rn. 7).
8 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Der Beschluss des Beschwerdegerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Der Beschwerdeführer kann der vom Registergericht beabsichtigten Löschung als Geschäftsführer nicht mit Erfolg widersprechen. Er kann aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Satz 1, § 27 StGB) nicht mehr Geschäftsführer der G. GmbH sein (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 Buchst. b GmbHG).
9 a) Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss, mit dem das Registergericht seinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Löschung zurückgewiesen hat, ist gemäß § 395 Abs. 3 i.V.m. § 393 Abs. 3 Satz 2 FamFG statthaft. Der Beschwerdeführer wäre durch die Löschung als Geschäftsführer in seinen Rechten beeinträchtigt und ist deshalb beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG).
10 b) Ein Geschäftsführer verliert seine Organstellung kraft Gesetzes, wenn eine persönliche Voraussetzung für dieses Amt gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG entfällt (BGH, Urteil vom 1. Juli 1991 - II ZR 292/90, BGHZ 115, 78, 80). Das Registergericht hat seine Eintragungen in diesem Fall von Amts wegen im Handelsregister zu löschen (§ 395 Abs. 1 Satz 1 FamFG; OLG Karlsruhe, NZG 2014, 1238; OLG München, GmbHR 2011, 430; OLG Naumburg, GmbHR 2017, 403, 404).
11 c) Der Beschwerdeführer hat mit Rechtskraft seiner Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott seine Fähigkeit verloren, Geschäftsführer der G. GmbH zu sein. Unerheblich ist, dass die Verurteilung vorliegend durch Strafbefehl erfolgte (§ 410 Abs. 3 StPO; KG, ZIP 2019, 71 f.). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde setzt Amtsunfähigkeit nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 Buchst. b GmbHG auch nicht voraus, dass der Geschäftsführer als Täter (§ 25 StGB) einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist. Vielmehr kann auch derjenige nicht Geschäftsführer sein, der zu einer solchen Tat Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB).
12 aa) Die Frage ist allerdings streitig. Während eine Meinung im Schrifttum bei den vorsätzlich begangenen Straftaten des § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG nicht zwischen Täterschaft (§ 25 StGB) und Teilnahme (§§ 26, 27 StGB) unterscheidet und beide Begehungsformen gleich behandelt (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 6 Rn. 21; Oetker in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 6 GmbHG Rn. 21; Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 6 Rn. 26; Weiß, wistra 2009, 209, 210; ders., GmbHR 2013, 1076, 1077), soll die Vorschrift anderer Auffassung zufolge nur die Verurteilung als Täter erfassen (Ahlbrecht, wistra 2018, 241 ff.; zweifelnd auch Beurskens in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 6 Rn. 16).
13 bb) Die erstgenannte Auffassung ist richtig.
14 Sie kann sich zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes stützen, der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme unterscheidet. Die Vorschrift lehnt sich mit der Formulierung "wegen … Straftaten … verurteilt worden ist" an den Begriff der "strafgerichtlichen Verurteilung" in § 3 Nr. 1, § 4 Nr. 1 BZRG an (vgl. OLG Naumburg, GmbHR 2017, 403, 404), der beide Begehungsformen umfasst. Die Bezugnahme auf das BZRG wird zudem am Anmeldeverfahren deutlich. Gemäß § 8 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 53 Abs. 2 BZRG ist der Geschäftsführer bei der Anmeldung dem Registergericht nach entsprechender Belehrung unbeschränkt auskunftspflichtig, was die Vermeidung erhöhten Verwaltungsaufwands durch ein gerichtliches Auskunftsersuchen gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG bezweckt (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des GmbHG usw. vom 15. Dezember 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 34; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2010 - II ZB 5/10, ZIP 2010, 1337 Rn. 9).
15 Aus § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GmbHG lässt sich nichts gegen ein Teilnehmerverurteilungen einschließendes Begriffsverständnis ableiten (aA Ahlbrecht, wistra 2018, 241, 242). Zwar ist in dieser Vorschrift von "Täter" die Rede. Der Begriff des Täters wird in der Gesetzessprache indes auch als Oberbegriff verwendet, der Täterschaft und Teilnahme umfasst. Entgegen der Behauptung der Rechtsbeschwerde handelt es sich dabei nicht nur um Vorschriften, die "ausschließlich positive Folgen" für den Täter oder Teilnehmer haben. Schon die Grundnorm der Strafzumessung (§ 46 StGB) versteht unter "Täter" sowohl Täter als auch Teilnehmer. Zudem regelt § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GmbHG im Hinblick auf den "Täter" lediglich einen Sonderfall der Berechnung der fünfjährigen Ausschlussfrist. Obwohl die Vorschrift im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens redaktionell überarbeitet wurde, findet sich in den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff des Täters i.S.v. § 25 StGB gemeint ist. Mit der Überarbeitung sollte die Vorschrift vielmehr entsprechend § 70 Abs. 4 Satz 2 StGB gefasst werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des GmbHG usw. vom 15. Dezember 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 5, 64 f., 70). Die Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 StGB setzt als Anlasstat aber lediglich eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) voraus, worunter allgemeiner Auffassung zufolge sowohl Täterschaft als auch Teilnahme fallen (MünchKommStGB/Bockemühl, StGB, 3. Aufl., § 70 Rn. 6; LK/Hanack, StGB, 12. Aufl., § 70 Rn. 7).
16 Sinn und Zweck von § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG sprechen ebenfalls für die Einbeziehung von Verurteilungen wegen Teilnahmehandlungen. Die Vorschrift dient dem Schutz fremden Vermögens, insbesondere dem der Gesellschaftsgläubiger (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des GmbHG usw. vom 15. Dezember 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 31). Angesichts dieses Schutzzwecks, der sich auf das Erfolgs-, nicht das Handlungsunrecht bezieht, lässt sich die Beschränkung auf Verurteilungen als Täter nicht rechtfertigen. Soweit die Rechtsbeschwerde dem mit der Begründung entgegentritt, bei den Katalogstraftaten handele es sich überwiegend um Sonderdelikte, die nur durch den Geschäftsführer begangen werden könnten, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Deliktsnatur hat der Gesetzgeber ersichtlich für unmaßgeblich erachtet, da er auch Allgemeindelikte in den Straftatenkatalog in § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG aufgenommen hat (§§ 283d, 263, 263a, 264 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, §§ 265b, 265c Abs. 2 und 4, § 265d Abs. 2 und 4 StGB). Aus dem Umstand, dass die Mehrzahl der Katalogstraftaten Sonderdelikte sind, lässt sich mithin nichts für die Begehungsform gewinnen. Die Rechtsbeschwerde vernachlässigt zudem die präventive Funktion der Vorschrift. Mit dem Ausschluss vom Geschäftsführeramt soll nicht zuletzt verhindert werden, dass der wegen einer Katalogstraftat Verurteilte die Gelegenheit erhält, als vertretungsberechtigtes Organ (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ein Sonderdelikt zu begehen. Diese Begehungsgefahr setzt nicht notwendig oder auch nur regelmäßig voraus, dass der Verurteilte kraft seiner Organbefugnisse bereits selbst ein Sonderdelikt begangen hat. Auch wer etwa als Berater oder Hintermann des Täters Teilnahmeunrecht verwirklicht hat, lässt nicht minder als der Täter besorgen, als Geschäftsführer Drittvermögen zu gefährden. Richtig ist zwar, dass die Strafe des Teilnehmers eines Sonderdelikts gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist, weil bei ihm das besondere persönliche Merkmal (§ 14 Abs. 1 StGB) fehlt, das die Strafbarkeit des Täters begründet. Im Fall der Beihilfe kommt es gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu einer zweifachen Strafrahmenmilderung, wenn nicht allein schon wegen des Fehlens des strafbegründenden persönlichen Merkmals Beihilfe statt Täterschaft anzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 10). Auch dieser Gesichtspunkt lässt sich jedoch nicht für eine Beschränkung der Vorschrift auf Verurteilungen als Täter anführen, da der Gesetzgeber dem Strafmaß in den Fällen des § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 Buchst. a bis d GmbHG keine Bedeutung beigemessen hat, wie ein Gegenschluss aus § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 Buchst. e GmbHG belegt.
17 cc) Schließlich kann der Rechtsbeschwerde auch nicht darin gefolgt werden, dass § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Wege verfassungskonformer Auslegung auf Verurteilungen als Täter einzuschränken ist.
18 Die Vorschrift greift als subjektive Berufswahlregelung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ein. Der Eingriff ist aber angesichts des mit dem Geschäftsführeramt verbundenen erheblichen Missbrauchspotentials gerechtfertigt. Der mit § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Nr. 3 GmbHG beabsichtigte Gläubigerschutz wäre - wie gezeigt - planwidrig lückenhaft, wenn die Verurteilung wegen einer Teilnahmehandlung keinen Ausschlussgrund darstellen würde. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs wird jedenfalls durch die mit dem MoMiG erfolgte Beschränkung auf vorsätzlich begangene Straftaten gewahrt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des GmbH-Rechts usw. vom 25. Juli 2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 33; OLG München, ZIP 2016, 1863; Drygala, ZIP 2005, 423, 431; Fleischer, WM 2004, 157, 166; MünchKommGmbHG/Goette, 3. Aufl., § 6 Rn. 30 Fn. 119).
19 Soweit vornehmlich im aktienrechtlichen Schrifttum verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick insbesondere auf die Länge der Ausschlussfrist (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 AktG) aufrechterhalten werden (Koch in Hüffer/ Koch, AktG, 13. Aufl., § 76 Rn. 62; Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 76 Rn. 262; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 76 Rn. 123, MünchKommAktG/Spindler, 5. Aufl., § 76 Rn. 138; Kögel, GmbHR 2019, 384, 387 f.), teilt der Senat diese Bedenken nicht. Sie gründen sich im Kern auf einen Vergleich mit dem strafrechtlichen Berufsverbot in § 70 StGB, dessen Anordnung eine auf einer Gesamtwürdigung beruhende Gefahrprognose voraussetzt und dem Gericht einen Ermessensspielraum auch bei der Festlegung der Dauer eines Ausübungsverbots einräumt. Diese Vergleichsbetrachtung geht fehl. Das strafrechtliche Berufsverbot eignet sich nicht als Maßstab für die verfassungsrechtlichen Anforderungen für den Ausschluss von der Geschäftsleitung, weil der Anwendungsbereich des § 70 StGB umfassend ist, während § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AktG an das spezifische Missbrauchspotential anknüpfen, das mit der organschaftlichen Vertretung einer Kapitalgesellschaft zwangsläufig verbunden ist.