BGH: Altersgrenze für Notare keine unzulässige Diskriminierung
BGH, Urteil vom 21.8.2023 – NotZ(Brfg) 4/22
ECLI:DE:BGH:2023:210823UNOTZ.BRFG.4.22.0
Volltext:BB-ONLINE BBL2023-1986-5
Amtliche Leitsätze
Die Altersgrenze für Notare verstößt nicht gegen das sich aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ergebende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Sie ist im Sinn von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG objektiv und angemessen und durch das legitime Ziel gerechtfertigt, den Generationenwechsel zu erleichtern und den Berufsstand der Notare zu verjüngen.
BNotO § 48a, § 47 Nr. 2
Sachverhalt
Der am 1953 geborene Kläger ist Rechtsanwalt und Notar in D. . Er begehrt die Feststellung, dass sein Amt als Anwaltsnotar nicht mit dem Ablauf des Monats erlischt, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet (§§ 48a, 47 Nr. 2 BNotO; nachfolgend: Altersgrenze). Der Kläger meint, die Altersgrenze verstoße gegen das sich aus Art. 21 GrCh, Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (nachfolgend: Richtlinie oder RL 2000/78) ergebende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Die Altersgrenze sei angesichts des bestehenden erheblichen Nachwuchsmangels nicht (mehr) im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung sei die Altersgrenze mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (nachfolgend: Unionsgerichtshof) sei nicht veranlasst. Die §§ 48a, 47 Nr. 2 BNotO dienten einem legitimen Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78, weil sie darauf gerichtet seien, hinsichtlich der Berufsgruppe Notare die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen. Die Nachteile für die vom Erlöschen ihres Amts betroffenen Notare seien gegenüber den Belangen einer vorsorgenden Rechtspflege angemessen und erforderlich. Vernünftige Zweifel daran, dass die Altersgrenze mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 nicht vereinbar sei, folgten auch nicht aus dem eine Zugangsaltersgrenze betreffenden Urteil des Unionsgerichtshofs vom 3. Juni 2021 (C-914/19, juris). Anders als bei einer Zugangsaltersgrenze entfalle die Erforderlichkeit einer Altershöchstgrenze nicht, selbst wenn ein tatsächlicher Bewerbermangel bestehe. Die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit eines Notars, seine Tätigkeit über eine bestimmte Altersgrenze hinaus auszuüben, bestehe auch dann, wenn eine beträchtliche Zahl von Notarstellen unbesetzt bleibe. Einer Überalterung des Berufsstandes entgegenzuwirken, sei auch bei Nachwuchsmangel erforderlich und möglich. Die Rechtfertigung für die Altersgrenze werde daher durch einen Bewerbermangel nicht aufgehoben. Auch dort, wo ein Bewerbermangel anzutreffen sei, träten keine erkennbaren Beeinträchtigungen der Bevölkerung mit Angeboten im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege auf. Es sei allenfalls ein punktueller Bewerbermangel anzutreffen. Welche Maßnahmen der Gesetzgeber ergreife, um einen Nachwuchsmangel zu beheben, falle in sein weites Ermessen. So etwa habe der Gesetzgeber mit dem am 1. August 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts (BGBl. I 2021, S. 2154) Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen (§ 48b BNotO) und die örtliche Wartezeit für den Fall verkürzt, dass im jeweiligen Amtsbereich keine Bewerbung den Anforderungen von § 5b Abs. 1 Nr. 2 BNotO entspreche. Den Wertungsspielraum des Gesetzgebers müsse die Rechtsprechung respektieren, solange der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt werde. Dafür bestünden keine Anhaltspunkte.
Mit Beschluss vom 14. November 2022, dem Kläger zugestellt am 19. Dezember 2022, hat der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts zugelassen. Am 29. Dezember 2022 und 7. Januar 2023 hat der Kläger die Berufung begründet. Er hat unter Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrags und unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme zur Europarechtskonformität der Altersgrenze vorgetragen, es bestehe ein erheblicher und nachhaltiger Nachwuchsmangel im Anwaltsnotariat. Das zeige sich unter anderem darin, dass die Zahl der Anwaltsnotare von 9.045 im Jahr 1998 auf 4.997 (2022) zurückgegangen sei. Alle Notarkammern im Bereich des Anwaltsnotariats hätten starke Rückgänge ihrer Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Trotz eines etwa gleichbleibenden Urkundenaufkommens sei die Zahl der Anwaltsnotare der Rheinischen und Westfälischen Notarkammern von 2010 bis 2021 um 365 zurückgegangen. Gründe dafür seien der demographische Wandel, die schrumpfende und vergreisende Anwaltschaft und die Einführung der notariellen Fachprüfung. Die Zahl der Prüflinge, die die notarielle Fachprüfung bestanden hätten, reiche bei Weitem nicht aus, um die jährlich ausgeschriebenen Stellen zu besetzen. So seien 2018 bis 2021 (insgesamt) 1.012 Fachprüfungen erfolgreich abgelegt worden, während 2019 bis 2022 (insgesamt) 3.371 Stellen ausgeschrieben worden seien. In der ersten Prüfungskampagne 2022 hätten lediglich 89 Prüflinge die notarielle Fachprüfung bestanden, in der zweiten Prüfungskampagne seien 83 Prüfungen abgelegt worden. Im Bereich des Oberlandesgerichtsbezirks Oldenburg seien 2022 auf 64 ausgeschriebene Stellen lediglich 33 Bewerbungen eingegangen. Im Bereich des Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf und seines (des Klägers) eigenen Amtsbezirks hätten seit 2012 nicht mehr alle ausgeschriebenen Stellen besetzt werden können. Die Altersgrenze halte daher der unionsrechtlich erforderlichen Kohärenzprüfung nicht mehr stand. Sie sei nicht mehr dazu bestimmt, den Zugang junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Notarberuf zu fördern, sondern verstärke den Nachwuchsmangel, so dass es an einem legitimen Ziel fehle. Die Altersgrenze sei wegen des Nachwuchsmangels auch nicht erforderlich und angemessen, zumal eine weniger eingriffsintensive Maßnahme in Betracht komme. Die weiteren Ziele der Regelung, überalterte Notariate zum Schutz des Rechtsverkehrs zu verhindern und eine geordnete Personalplanung zu ermöglichen, hätten keinen sozialpolitischen Bezug.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Februar 2022 - Not 5/21 - zu ändern und festzustellen, dass das Amt des Klägers als Anwaltsnotar nicht mit Ablauf des Monates, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor, ein Bewerbermangel sei nicht gegeben. Im hauptberuflichen Notariat herrsche kein Nachwuchsmangel; es würden kaum Stellen eingezogen und in der Regel würden alle ausgeschriebenen Stellen direkt wiederbesetzt. Auch im Anwaltsnotariat lasse sich kein Nachwuchsmangel feststellen. Zu Unrecht stelle der Kläger auf die ausgeschriebenen Stellen und nicht auf den (zwingenden) Bedarf ab, der sich erst bei einer Unterversorgung der lokalen Bevölkerung mit notariellen Leistungen ergebe. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Unterversorgung vorliege, seien nicht gegeben. Die Zahlen für 2020 seien wegen der Pandemie wenig aussagekräftig, weil es zu einer Verschiebung der notariellen Fachprüfung und einer Absage von Vorbereitungskursen gekommen sei. Soweit der Kläger darauf verweise, dass in den letzten Jahren ein großer Teil der ausgeschriebenen Stellen unbesetzt geblieben sei, entfalle ein wesentlicher Teil der Stellen auf Nordrhein-Westfalen. In diesem Bundesland seien indes wegen eines rein rechnerischen Überhangs mit dem Ziel, die Qualität notarieller Leistungen anzuheben und das Interesse für das Anwaltsnotariat aufrechtzuerhalten, die Bedürfniszahlen angepasst und für einen Übergangszeitraum sogenannte Bedürfnisstellen II ausgeschrieben worden, die verhindern sollten, dass besonders qualifizierten Bewerbern der Zugang zum Anwaltsnotariat verschlossen bleibe. Vor diesem Hintergrund lasse sich der vom Kläger behauptete Bewerbermangel insbesondere auch für den Amtsgerichtsbezirk D. und den Landgerichtsbezirk D. nicht feststellen. Dabei sei im Hinblick auf den Amtsgerichtsbezirk D. auch zu berücksichtigen, dass der Kläger ein besonders hohes Urkundenaufkommen von 1.681 Urkunden 2021 und 1.439 Urkunden 2022 habe, das nach seinem eigenen Vortrag zum großen Teil nicht aus seinem eigenen Amtsgerichtsbezirk stamme. Ferner seien die Urkundszahlen insgesamt rückläufig. So etwa sei das Urkundenaufkommen im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 2022 um 7,28 % zurückgegangen. Die Altersgrenze sei zur Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen. Dabei sei im Anwaltsnotariat zu berücksichtigen, dass jeder Notar sich einen Stamm von Urkundsbeteiligten erst aufbauen müsse. Verblieben die älteren Notare im Amt, profitierten sie weiter von ihrem Kundenstamm, während den jüngeren die Chance genommen werde, Urkundsgeschäft im auskömmlichen Umfang erst zu akquirieren. So sei der Kläger eigenen Angaben zufolge entgegen dem gesetzlichen Leitbild hauptberuflich und mit großem wirtschaftlichen Erfolg als Anwaltsnotar tätig. Sei nicht absehbar, ab wann für einen neuen Notar die Chance bestünde, sich zu etablieren, komme es zu einer Überalterung des Berufsstands.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Januar 2023 gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BNotO ein Gutachten der Bundesnotarkammer eingeholt, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung war und von deren Präsidenten erläutert wurde. Auf den Inhalt wird Bezug genommen. Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren zudem die am 1. August 2023 abgerufenen Statistiken wie folgt: Notarstatistik (Zahl der Anwaltsnotare 2020 - 2022; Quelle: www.notar.de/der-notar/statistik); Statistik des Prüfungsamts für die notarielle Fachprüfung (Zahl der bestandenen und nicht bestandenen notariellen Fachprüfungen 2010 - 2022; Quelle: www.pruefungsamt-bnotk.de/servicedownload-bereich/statistiken) sowie Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer (Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte 1990 - 2023; Alter der zugelassenen Rechtsanwälte 2022 sowie der Rechtsanwälte mit Einzelzulassung; Quelle: https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken).
Aus den Gründen
8 Die Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden. Sie ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Altersgrenze ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl mit deutschem Verfassungsrecht als auch mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2000/78 und Art. 21 Abs. 1 GrCh vereinbar (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2013 - NotZ(Brfg) 11/13, DNotZ 2014, 313 [juris Rn. 3 mwN]; vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris Rn. 4, 11 mwN]; vom 24. November 2014 - NotZ(Brfg) 5/14, DNotZ 2015, 227 [juris Rn. 5 ff. mwN]; vom 16. März 2015 - NotZ(Brfg) 10/14, DNotZ 2015, 633 [juris Rn. 3 f.]; BVerfG, NJW 2011, 1131 Rn. 11 f.; Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 BvR 1313/14, juris Rn. 6). Der vom Kläger unter Berufung auf das Unionsrecht erhobene Einwand, im Anwaltsnotariat sei die Erforderlichkeit der Altersgrenze angesichts eines nunmehr festzustellenden demographisch bedingten Nachwuchsmangels zwischenzeitlich entfallen, so dass sie jetzt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters bewirke, greift nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht durch.
9 I. Zwar sind die Richtlinie 2000/78 und das Diskriminierungsverbot nach Art. 21 Abs. 1 GrCh auf die Altersgrenze für Notare unmittelbar anwendbar. Die Altersgrenze bewirkt auch eine dem Kläger nachteilige Behandlung wegen seines Alters im Sinn von Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78.
10 1. Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist vorliegend nicht eröffnet, so dass die Richtlinie 2000/78 unmittelbar Anwendung findet. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG bezieht sich nicht auf eine gesetzliche Altersgrenze (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2015 - NotZ(Brfg) 10/14, DNotZ 2015, 633 Rn. 4 mwN; BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - III ZR 4/15, BGHZ 206, 260 Rn. 13 f.; 16 ff.; BSG, Beschluss vom 18. August 2010 - B 6 KA 18/10 B, juris Rn. 6 ff.; aA wohl VGH Mannheim, VBlBW 2019, 518 [juris Rn. 35 ff.] zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Vermessungsgesetzes für Baden-Württemberg). Es kann daher dahinstehen, ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gemäß § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AGG auf Notare anwendbar wäre (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 2019 - II ZR 244/17, BGHZ 221, 325 Rn. 18 ff. einerseits und BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2015 - 10 CN 1/14, BVerwGE 151, 192 Rn. 15 f. andererseits).
11 2. Die Richtlinie 2000/78 und das Diskriminierungsverbot nach Art. 21 Abs. 1 GrCh gelten auch für Notare. Diese vom Senat bislang offengelassene Frage (BGH, Urteil vom 27. Mai 2019 - NotZ(Brfg) 7/18, DNotZ 2020, 71 [juris Rn. 23 mwN]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris Rn. 10 f.]), ist durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs geklärt (EuGH, Urteile vom 3. Juni 2021 - C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 21 ff., 44 - GN, eine Notarin betreffend; vom 12. Januar 2023 - C-356/21, ECLI:EU:C:2023:9 [juris Rn. 33 ff.]). Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a RL 2000/78 geht hervor, dass die Richtlinie im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen einschließlich öffentlicher Stellen gilt, und zwar in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021, aaO Rn. 22; Schmahl, EuR 2022, 612, 614).
12 3. Zwar berührt die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Erwägungsgrund 14 nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Dieser Erwägungsgrund beschränkt sich jedoch auf die Klarstellung, dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tangiert, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen. Eine Überprüfung der Altersgrenze am Maßstab der Richtlinie 2000/78 hindert er entgegen der Ansicht des Beklagten nicht (EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 - C-411/05, Slg. 2007, I-8566 Rn. 44 ff. - Palacios; vom 5. März 2009 - C-388/07, Slg. 2009, I-1569 Rn. 25 - Age Concern England; vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 32 ff. - Fuchs und Köhler; BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - III ZR 4/15, BGHZ 206, 260 Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. August 2016 - 5 S 852/16, juris Rn. 8 mwN; Schmahl, EuR 2022, 612, 632).
13 4. Die Richtlinie bezweckt nach ihrem Artikel 1, im Bereich von Beschäftigung und Beruf bestimmten Arten der Diskriminierung, darunter auch der wegen des Alters, im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007, aaO Rn. 49 - Palacios). Regelungen, die - wie hier §§ 48a, 47 Nr. 2 BNotO - das Erlöschen eines Amts mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters zum Gegenstand haben, lassen den dieses Alter erreichenden Notaren unmittelbar eine weniger günstige Behandlung zuteilwerden als anderen Notaren. Sie führen nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs daher zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung im Sinn von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 (Urteil vom 16. Oktober 2007, aaO Rn. 51 - Palacios).
II. Die durch die Altersgrenze bewirkte Ungleichbehandlung ist aber gemäß Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 gerechtfertigt.
14 1. Nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Dabei nimmt der Unionsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, dass die Mitgliedstaaten insbesondere für die Entscheidung über die allgemeinen (Pensions-)Altersgrenzen über einen weiten Ermessensspielraum verfügen. Die betreffenden nationalen Stellen der Mitgliedstaaten können sich bei der Festlegung ihrer Sozialpolitik aufgrund politischer, wirtschaftlicher, sozialer, demographischer und/oder haushaltsbezogener Erwägungen veranlasst sehen, die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer zu verlängern oder, im Gegenteil, deren früheren Eintritt in den Ruhestand vorzusehen (EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 - C-411/05, Slg. 2007, I-8566 Rn. 68 f. - Palacios; vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 65 - Fuchs und Köhler; Schmahl, EuR 2022, 612, 632 mwN). Eine allgemeine Altersgrenze muss aber dem Anliegen gerecht werden, die mit ihr verfolgten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, Urteile vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev; vom 12. Januar 2010 - C-341/08, Slg. 2010, I-47100 Rn. 53, 75 ff. - Petersen). Der Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten darf nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C- 914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 30 mwN - GN; Schmahl, EuR 2022, 612, 623). Dabei ist es Sache der zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen widerstreitenden Interessen zu finden (aaO Rn. 42, 43). Ob diese Maßgaben eingehalten werden, ist vom nationalen Gericht zu überprüfen (aaO Rn. 40, 42, 48 - GN; EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev).
15 2. Nach diesen Maßstäben hat die in Rede stehende Altersgrenze nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats auch weiterhin eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung des betroffenen Personenkreises, dem auch der Kläger mit Erreichen der Altersgrenze angehören wird, zum Inhalt.
16 a) Die Altersgrenze verfolgt ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78.
17 aa) Das Ziel der 1991 eingeführten Altersgrenze besteht nach einhelliger Ansicht darin, im Interesse funktionstüchtiger Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur innerhalb des Notarberufs zu erreichen (vgl. BVerfG, NJW 1993, 1575 [juris Rn. 7]). Rechtsuchenden, die auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege auf die Inanspruchnahme notarieller Leistungen (§ 1 BNotO) angewiesen sind, sollen Notare unterschiedlichen Lebensalters zur Verfügung stehen, die aufgrund der Anzahl und Art ihrer Amtsgeschäfte auf allen Gebieten des Notariats über ein Mindestmaß an Berufserfahrung verfügen. Die Zulassungspraxis muss indes gemäß § 4 BNotO Bedürfnisgesichtspunkten Rechnung tragen. Werden keine weiteren Notare benötigt, können jüngere Berufsbewerber daher nur im Rahmen freiwerdender Notarstellen Berücksichtigung finden. Das würde ohne Altersgrenze zu einer Überalterung der Notare führen. Dem Rechtsuchenden stünden in zunehmendem Maße nur noch lebensältere Notare zur Verfügung, deren Berufserfahrung wegen ihrer späteren Zulassung geringer wäre. Das würde die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege gefährden (BVerfG, ebenda; BT-Drucks. 11/8307 S. 18; st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 Rn. 8 mwN). Deshalb dient die Regelung einem beschäftigungspolitischen Ziel im Sinn des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 (BVerfG, NJW 2011, 1131 Rn. 13). Denn zum einen steckt in der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht, der Gefahr einer Überalterung des Notarberufs zu begegnen, auch der Gedanke, jüngeren Bewerbern den Zugang zum Notaramt zu erleichtern. Zum anderen soll durch die Altersgrenze eine ausreichende Fluktuation im Interesse der beruflichen Perspektive jüngerer Bewerber sichergestellt werden (BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris Rn. 11 mwN]; BGH, Urteil vom 27. Mai 2019 - NotZ(Brfg) 7/18, DNotZ 2020, 71 [juris Rn. 24 mwN]).
18 bb) Soweit - in der Folge der Entscheidung des Unionsgerichtshofs vom 21. Juli 2011 (C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 32 ff. - Fuchs und Köhler) diesem Ziel die Erwägung angefügt worden ist, dass auch die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit eines Notars, seine Tätigkeit über eine bestimmte Altersgrenze hinaus auszuüben, vermieden werden solle (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1131 Rn. 13), steht auch dieses Ziel - worauf der Kläger zu Recht hinweist (Gutachten zur Europarechtskonformität der Altersgrenze nach § 48a BNotO, S. 16 f.) - entgegen der Ansicht des Beklagten nach der bisherigen Rechtsprechung nicht für sich allein, sondern soll - wie die Vermeidung der Überalterung - jüngeren Bewerbern den Zugang zum Notaramt ermöglichen, was sich schon aus dem Wortlaut ergibt ("die Personalplanung zu optimieren und damit etwaigen Rechtsstreitigkeiten ... vorzubeugen"; EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011, aaO Rn. 50 - Fuchs und Köhler; vgl. auch EuGH, Urteil vom 2. April 2020 - C-670/18, NVwZ 2020, 1339 Rn. 33 - Commune di Gesturi). Die Rechtmäßigkeit des Ziels, den Generationenwechsel zu erleichtern und den Berufsstand der Notare zu verjüngen, kann als im Allgemeininteresse liegendes Ziel mit Bezug zur Beschäftigungspolitik nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 - C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 36 - 38 - GN).
19 b) Die bundeseinheitlich für alle Notare geltende Altersgrenze ist auf der Grundlage der vom Senat getroffenen Feststellungen zur Erreichung dieses Ziels (nach wie vor) erforderlich. Es trifft entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu, dass sie wegen eines demographisch begründeten Nachwuchsmangels im Anwaltsnotariat nicht mehr dazu dient, den Zugang junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Notarberuf zu fördern. Der Senat hat den Vortrag des Klägers, mit dem sich das Oberlandesgericht - wie der Kläger zu Recht rügt - nicht ausreichend auseinandergesetzt hatte, gemäß § 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO überprüft und widerlegt gefunden.
20 aa) Gemäß § 3 Abs. 1 BNotO werden die Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung auf Lebenszeit bestellt (sämtliche Gerichtsbezirke gemäß § 3 Abs. 1 BNotO nachfolgend: hauptberufliches Notariat). In den Gerichtsbezirken, in denen am 1. April 1961 das Amt des Notars nur im Nebenberuf ausgeübt worden ist, werden weiterhin ausschließlich Rechtsanwälte für die Dauer ihrer Mitgliedschaft bei der für den Gerichtsbezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer als Notare zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts bestellt (Anwaltsnotare; § 3 Abs. 2 BNotO). Dabei handelt es sich um die Oberlandesgerichtsbezirke Braunschweig, Bremen, Celle, Frankfurt am Main, Oldenburg, Schleswig und Hamm sowie den Bezirk des Kammergerichts. Im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf gehören dazu der rechtsrheinische Teil des Landgerichtsbezirks Duisburg sowie der Amtsgerichtsbezirk Emmerich (sämtliche Gerichtsbezirke gemäß § 3 Abs. 2 BNotO nachfolgend: Anwaltsnotariat).
21 Gemäß § 4 BNotO werden so viele Notare bestellt, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht. Dabei ist insbesondere das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu berücksichtigen. Das Bedürfnis der Rechtsuchenden nach notariellen Leistungen ist in erster Linie aus den bisher von den Notaren vorgenommenen Beurkundungsgeschäften zu entnehmen, wobei das Versorgungsbedürfnis im jeweiligen Amtsbereich (§ 10a BNotO) maßgebend ist (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79, DNotZ 1980, 177 [juris Rn. 15 f.]; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 12 f.).
22 (1) Im hauptberuflichen Notariat werden bei der Prognoseentscheidung, ob zusätzliche Notarstellen einzurichten sind, mit unterschiedlichen Gewichtungen zwischen 1.350 und 1.800 bereinigte Urkundsgeschäfte pro Jahr zugrunde gelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79, DNotZ 1980, 177 [juris Rn. 17, 30]; vom 22. März 2004 - NotZ 25/03, DNotZ 2004, 887 [juris Rn. 8]; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 22 f. mwN).
23 (2) Im Anwaltsnotariat haben die Justizverwaltungen der Länder für die Bedürfnisprüfung unterschiedliche Richtzahlen zwischen 350 bereinigten und 400 beziehungsweise 450 unbereinigten Urkundsgeschäften jährlich festgelegt. Dabei handelt es sich um Richtwerte, deren Erreichen für die notwendige vielseitige Erfahrung und die Urkundsqualität nach dem Ermessen der Justizverwaltungen als erforderlich angesehen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 24/02, DNotZ 2003, 782 [juris Rn. 9] zur Erhöhung der Bedürfniszahlen von 250 auf 325 im Kammergerichtsbezirk; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 27 mwN sowie in BeckOK BNotO, Stand 1. März 2023, § 4 Rn. 27; Frenz in Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 4 Rn. 12). Der auf dieser Grundlage ermittelte Stellenbedarf spiegelt - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - lediglich einen einfachen Bedarf wider. Ihm lässt sich deshalb, wenn ein höheres Urkundsaufkommen pro Stelle anfällt, kein zwingendes Bedürfnis dafür entnehmen, zusätzliche Stellen zu besetzen, weil die ordnungsgemäße Erfüllung der anfallenden Aufgaben durch die bereits vorhandenen Notare nicht mehr gewährleistet werden könne. Allein der Umstand, dass eine oder mehrere Stellen ausgeschrieben sind, bedeutet daher nicht, dass die Stellenanzahl mit dem zwingenden Bedarf in diesem Sinn übereinstimmt (BGH, Beschluss vom 16. November 2020 - NotZ(Brfg) 6/20, NJW-RR 2021, 564 Rn. 14).
24 (3) Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung, Notarstellen auszuschreiben, knüpft im Anwaltsnotariat nicht wie im hauptberuflichen Notariat an das Ausscheiden eines bestellten Notars an, sondern wird nach Vorliegen der Geschäftszahlen des Vorjahres oder der Vorjahre anhand der Zahl der vorhandenen Notare getroffen. Aus diesem Grund ist - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - ein neubestellter Anwaltsnotar nicht Amtsnachfolger eines ausgeschiedenen Notars. Dessen Notariatsgeschäfte werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 BNotO grundsätzlich abgewickelt (vgl. das Gutachten der Bundesnotarkammer, S. 2 f.; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 27 mwN).
25 bb) Dies zur strukturellen Ausgestaltung des Notariats vorausgeschickt, hat das vom Senat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BNotO eingeholte Gutachten der Bundesnotarkammer ergeben, dass zwar im Anwaltsnotariat ein - teils deutlicher - Bewerbermangel festzustellen ist. Das gilt allerdings nicht für das hauptberufliche Notariat. Dort besteht durchgängig ein erheblicher Bewerberüberhang.
26 (1) Im hauptberuflichen Notariat wurden Stellen im Zeitraum 2020 bis 2022 nur in vernachlässigbarem Umfang (deutlich unter 1%) eingezogen (Gutachten, Anlage 1, S. 2 - 48). Auf zu vergebende Stellen bewarben sich durchgängig in allen Bundesländern und für alle Amtsgerichtsbezirke deutlich mehr Bewerber als offene Stellen vorhanden waren. So etwa waren 2022 im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe sechs Stellen ausgeschrieben, auf die 35 Bewerbungen eingingen, im Oberlandesgerichtbezirk München gingen 308 Bewerbungen auf 17 ausgeschriebene Stellen ein und im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg 24 Bewerbungen auf vier ausgeschriebene Stellen. Lediglich vereinzelt entsprach die Bewerberzahl derjenigen der offenen Stellen, wie etwa in den Oberlandesgerichtsbezirken Brandenburg und Thüringen (Gutachten, Anlage 2, S. 2 - 32). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereitet es ferner keine Schwierigkeiten, die für Notarassessoren ausgeschriebenen Stellen mit hochqualifizierten Bewerbern zu besetzen.
27 (2) Im Anwaltsnotariat ist die Anzahl der Anwaltsnotare in diesem Zeitraum ebenfalls unwesentlich, nämlich von 5.275 auf 5.102 (- 3,28%) gesunken (Gutachten, Anlage 1, S. 2 - 48; die Notarstatistik weist für diesen Zeitraum eine Veränderung von -2,8 % sowie -0,9 % bei 4.997 Anwaltsnotaren aus; Quelle: www.notar.de/dernotar/statistik). Auf zu vergebende Stellen gingen allerdings anders als im hauptberuflichen Notariat nicht durchgängig deutlich mehr oder jedenfalls nicht in ausreichender Anzahl Bewerbungen ein. Es gab zahlreiche Gerichtsbezirke, in denen deutlich weniger Bewerbungen eingingen, als Stellen ausgeschrieben waren (Gutachten, Anlage 2, S. 2 - 32). So etwa waren 2022 in den Oberlandesgerichtsbezirken Braunschweig, Celle, Frankfurt am Main, Oldenburg, Schleswig und Hamm (dort unter Einrechnung der Bedürfnisstellen II, dazu unten II 2 c bb) insgesamt 61, 128, 139, 64, 194 und 337 Stellen ausgeschrieben, auf die sich sechs, 39, 69, 31, 20 und 49 Rechtsanwälte bewarben. Eine Ausnahme stellt der Amtsgerichtsbezirk Frankfurt am Main dar. Dort bewarben sich 2022 27 Bewerber auf sieben offene Stellen und 2021 31 Bewerber auf elf offene Stellen.
28 (3) Der danach im hauptberuflichen Notariat und im Anwaltsnotariat bestehende erhebliche Unterschied in den Bewerberzahlen zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf, der aus Amtsgerichtsbezirken mit Anwaltsnotariat und solchen mit hauptberuflichem Notariat besteht und in dem auch der Kläger sein Amt ausübt. In den Amtsgerichtsbezirken mit hauptberuflichem Notariat herrscht ein ganz erheblicher Bewerberüberhang. 2022 kamen in Düsseldorf 33 Bewerbungen auf drei offene Stellen, in Krefeld, Langenfeld und Wuppertal 14, 17 und zehn Bewerbungen auf jeweils eine offene Stelle. 2021 gingen in Düsseldorf, Grevenbroich, Neuss und Solingen elf, sieben, 14 und zehn Bewerbungen auf jeweils eine offene Stelle ein. Dagegen gab es in den Amtsgerichtsbezirken mit Anwaltsnotariat nur vereinzelt eine ausreichende Zahl von Bewerbungen. 2022 gingen in Duisburg-Hamborn keine, in Dinslaken, Emmerich und Wesel jeweils eine, in Mülheim zwei, in Oberhausen und Duisburg-Ruhrort jeweils drei Bewerbungen auf die (insgesamt und unter Einschluss der Bedürfnisstellen II, siehe unten II 2 c bb) ausgeschriebenen Stellen ein, wobei nur in Oberhausen die Zahl der Bewerbungen der Zahl der Stellen entsprach (Gutachten, Anlage 2, S. 7). Ein ähnliches Bild zeigt sich 2021 und 2020 (Gutachten, Anlage 2, S. 18, 29).
29 cc) Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die bundeseinheitlich geltende Altersgrenze zur Erreichung des genannten legitimen Ziels entgegen der Ansicht des Klägers auch im Anwaltsnotariat - das der Senat bei der Frage der Rechtfertigung hier allein in den Blick genommen hat - weiterhin erforderlich. Das beruht anders als im hauptberuflichen Notariat allerdings nicht darauf, dass im Hinblick auf die ausgeschriebenen Stellen ein Bewerberüberhang herrschte. Zu Recht weist der Beklagte aber darauf hin, dass es vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des Anwaltsnotariats vielmehr gerade dann, wenn keine ausreichende Zahl an Bewerbungen eingeht, erforderlich ist, dass weiterhin lebensältere Notare aus dem Nebenberuf ausscheiden, um die Berufschancen zwischen den Generationen gerecht zu verteilen und eine Überalterung des Berufsstandes zu verhindern. Nur wenn lebensältere Notare aus dem Nebenberuf ausscheiden, haben nämlich jüngere Notare eine hinreichende Aussicht auf ein angemessenes Urkunden- und Gebührenaufkommen und werden die erheblichen persönlichen und finanziellen Belastungen auf sich nehmen, die mit dem Eintritt in den Nebenberuf verbunden sind.
30 (1) Dem im Gegensatz zum Anwaltsnotariat bestehenden Bewerberübergang
im hauptberuflichen Notariat lässt sich entnehmen, dass es für den Notarberuf entgegen der Ansicht des Klägers keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen gibt. Aus den unterschiedlichen Bewerberzahlen schließt der Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme, dass der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat anderweitige, auf den Spezifika dieser Notariatsform beruhende strukturelle Gründe hat. Nicht die Demographie, sondern die für den Eintritt in den Nebenberuf im Interesse einer besseren Qualifikation seit 2010 deutlich erhöhten und sich zudem wegen der zunehmenden Digitalisierung und Regelungsdichte - etwa im Hinblick auf Einhaltung der Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 10, §§ 4 ff., 10 ff., 43 ff. GwG, vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ 1/22, DNotZ 2023, 313 ff.) - stetig weiter erhöhenden Anforderungen sind der ausschlaggebende Grund für die durchgängig geringen Bewerberzahlen.
31 (a) Die Stellen für Anwaltsnotare wurden zunächst im Wesentlichen nach der im zweiten Staatsexamen erzielten Note vergeben. Nachdem dieses Kriterium den verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht genügte (vgl. BVerfG, NJW 2004, 1935 [juris Rn. 9, 78 ff.]; Teschner in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., Vor § 7a Rn. 3 f.), werden Anwaltsnotare seit 2010 auf der Grundlage der Ergebnisse einer notariellen Fachprüfung ausgewählt (§ 6 Abs. 2, §§ 7a ff. BNotO). Dadurch sollte ein Zugangsund Auswahlsystem eingeführt werden, das sowohl fachliche Mindeststandards sichert als auch eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Auswahlentscheidung ermöglicht (BT-Drucks. 16/4972 S. 1). Im Gegensatz zu der vorher geltenden Rechtslage, nach der nicht gewährleistet war, dass jeder Bewerber eine systematische und möglichst umfassende fachliche Qualifikation erworben hatte, sollte im Interesse der Rechtsuchenden und der Rechtspflege an hoher und umfassender Qualifikation der Anwaltsnotare als auch im Interesse der Bewerber, nach ihrer Eignung, Leistung und Befähigung für das Amt des Notars ausgewählt zu werden, der Zugang zum Anwaltsnotariat neu geregelt werden. Die notarielle Fachprüfung deckt alle relevanten Gebiete ab und stellt durch ihre Ausgestaltung sicher, dass die Eignung und Befähigung der Bewerber zu einer praxisgerechten Umsetzung ihrer Kenntnisse geprüft werden. Sie gewährleistet, dass nur solche Bewerber zu Notaren bestellt werden, die sich umfassend auf die notarielle Tätigkeit vorbereitet und unter Beweis gestellt haben, dass sie über die für die Ausübung dieses Amts erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und sie praxisgerecht umsetzen können (vgl. BT-Drucks. 16/4972 S. 9, 10; Teschner in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 7a Rn. 12, 19; Kobitzsch in Heinemann/Trautrims, Notarrecht, 2022, § 7a Rn. 3; vgl. zu den Anforderungen an die Prüfungsleistungen BGH, Beschlüsse vom 16. November 2020 - NotZ(Brfg) 5/20, juris Rn. 9, 13, 28; vom 11. Juli 2022 - NotZ(Brfg) 3/22, DNotZ 2023, 390 [juris Rn. 18]; siehe etwa auch Heinze, ZNotP 2023, 121 ff., Wolke/Hantusch, ZNotP 2023, 213 ff.). Mit diesen Anforderungen geht einher, dass das erfolgreiche Ablegen der notariellen Fachprüfung einen erheblichen persönlichen, zeitlichen und finanziellen (vgl. § 7h BNotO i.V.m. § 2 Abs. 1 NotFGebS) Aufwand erfordert, der neben der Ausübung des Anwaltsberufs zu erbringen ist (vgl. Zimmermann in Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl., Rn. 408a). Angesichts der Quote der nicht bestandenen Fachprüfungen von 18,16 % im Mittel sämtlicher Prüfungstermine von 2010 bis 2022 (Quelle: www.pruefungsamt-bnotk.de/service-download-bereich/statistiken) ist zudem vor dem Hintergrund der nur einmaligen Wiederholungsmöglichkeit (§ 7a Abs. 7 Satz 1 BNotO) nicht gesichert, dass er zum Erfolg führt. Demgegenüber werden die erforderlichen Kenntnisse im hauptberuflichen Notariat gemäß § 7 BNotO in einem (mindestens) dreijährigen, bezahlten Anwärterdienst als Notarassessor erworben.
32 (b) Da der Anwaltsnotar - anders als es in der Regel im hauptberuflichen Notariat der Fall ist - keine Notarstelle eines ausscheidenden Notars übernimmt, begründet die Errichtung und Einrichtung der von ihm gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BNotO zu unterhaltenden und während der üblichen Geschäftszeiten offenzuhaltenden Geschäftsstelle zumeist einen erheblichen organisatorischen und kostenmäßigen Aufwand. Davon hat sich der Senat auf der Grundlage der Ausführungen des Präsidenten der Bundesnotarkammer in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Die Geschäftsstelle muss so eingerichtet sein, wie es zur ordnungsgemäßen Amtsausübung, insbesondere zur Wahrung des Amtsgeheimnisses und zur Durchführung und Abwicklung der Urkundstätigkeit (§ 15 Satz 1 BNotO) technisch und organisatorisch erforderlich ist (Regler in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 10 Rn. 39). Das beinhaltet auch die Beschäftigung entsprechend qualifizierter Notarfachangestellter sowie im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung überdies insbesondere die zusätzlich erforderliche technische Ausstattung etwa zur Teilnahme am Zentralen Vorsorgeregister, am Zentralen Testamentsregister und am Elektronischen Urkundenarchiv gemäß §§ 78a, 78c und 78h BNotO jeweils in Verbindung mit den Vorgaben der gemäß § 78a Abs. 3, § 78c Abs. 3 und § 78h Abs. 4 BNotO erlassenen Verordnungen (VRegV, ZTRV und NotAktVV) sowie zur Ermöglichung der Beurkundung und Beglaubigung mittels Videokommunikation gemäß § 78p BNotO, §§ 16a ff., § 40a BeurkG (vgl. Hager/MüllerTeckhof, NJW 2023, 1855). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dem der Kläger nicht widersprochen hat, ist davon auszugehen, dass dafür jährlich oftmals ein sechsstelliger Betrag aufzuwenden sein wird. Dabei besteht anders als in der Regel im hauptberuflichen Notariat das Risiko, dass sich die über die für die Führung der Anwaltskanzlei hinausgehenden zusätzlichen Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung der Geschäftsstelle vor dem Hintergrund, dass der neu bestellte Anwaltsnotar mit den langjährig eingeführten, in seinem oder den benachbarten Amtsgerichtsbezirken tätigen Notaren in Konkurrenz tritt, in der Anfangszeit nicht oder nur schwer amortisieren.
33 (2) Dies lässt der Kläger - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - außer Acht. Er geht unzutreffend von einem im Wesentlichen demographisch begründeten Nachwuchsmangel aus, der indes mit den durchgängig hohen Bewerberzahlen im hauptberuflichen Notariat nicht vereinbar ist.
34 (a) Der Umstand, dass die Zahl der Rechtsanwälte in Einzelzulassung seit 2017 leicht gesunken ist (von 154.711 auf 140.713; vgl. Kilian, AnwBl 2023, 360), vermag entgegen der Ansicht des Klägers einen solchen demographisch begründeten Nachwuchsmangel nicht zu belegen. Zwischen 1990 und 2015 stieg die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte stark an (1990: 56.638; 2015: 163.513) und verharrt seither auf hohem Niveau (2022: 165.587; 2023: 165.186). Dabei waren am 1. Januar 2022 ausweislich des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Statistischen Jahrbuchs der Anwaltschaft 2021/2022 43,1 % der Rechtsanwälte mit Einzelzulassung (mithin 61.582) 50 Jahre oder jünger (vgl. auch die Grafik Durchschnittsalter Anwaltschaft, https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken). Für Anwaltsnotare waren laut dem Gutachten der Bundesnotarkammer (Anlage 2, S. 3 ff.) 2022 653 Stellen ausgeschrieben sowie ferner in den Oberlandesgerichtsbezirken Düsseldorf und Hamm weitere 295 Stellen für besonders qualifizierte Bewerber (Bedürfnisstellen II, vgl. dazu unten II 2 c bb), mithin insgesamt 948 Stellen. Selbst unter Zugrundelegung der vom Kläger unter Bezugnahme auf das von ihm vorgelegte Gutachten zur Europarechtskonformität der Altersgrenze (Februar 2023, S. 24) behaupteten Zahlen (961 ausgeschriebene Stellen für Anwaltsnotare im Jahr 2022) ist die Zahl der jüngeren Rechtsanwälte daher ohne weiteres genügend, um (demographisch) ausreichenden Nachwuchs für das Anwaltsnotariat zu gewährleisten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Besonderheiten der Bedürfnisprüfung die 2022 ausgeschriebenen Stellen den gesamten Bedarf an Anwaltsnotaren widerspiegeln und daher nicht etwa die insgesamt in mehreren Jahren ausgeschriebenen Stellen zu den abgelegten notariellen Fachprüfungen ins Verhältnis gesetzt werden können.
35 (b) Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass sich die Altersstruktur im Anwaltsnotariat gemäß dem Gutachten der Bundesnotarkammer (Anlage 3, S. 1) ganz überwiegend ausgeglichen zeigt, wobei mit Ausnahme der Notarkammern Berlin und Braunschweig im Wesentlichen etwa eine Drittelverteilung zwischen den Altersgruppen der bis 49 Jahre, zwischen 50 und 59 Jahre sowie zwischen 60 bis 69 Jahre alten Notaren besteht. In den Notarkammern Celle, Frankfurt am Main und Kassel sowie in der Westfälischen Notarkammer weist die Altersgruppe der bis 49 Jahre alten Anwaltsnotare jeweils den höchsten Anteil auf, der denjenigen der zwischen 60 und 69 Jahre alten Notare deutlich übersteigt.
36 (c) Der Umstand, dass die Zahl der Anwaltsnotare seit 1998 deutlich von 9.045 auf 4.997 zurückgegangen ist, belegt entgegen der Ansicht des Klägers keinen demographisch begründeten Nachwuchsmangel. Da die Stellenzahl wie ausgeführt stets auf einer Bedürfnisprüfung beruht, vermag sich in ihrem Rückgang schon kein Nachwuchsmangel zu zeigen. Die Entwicklung spiegelt vielmehr die Entwicklung der Urkundszahlen sowie die vom Gesetzgeber - unter anderem mit der Einführung der notariellen Fachprüfung - angestrebte bessere Qualifizierung mit dem Ziel leistungsfähigerer Notariate wider.
37 (d) Schließlich besteht entgegen der Ansicht des Klägers auch kein erhebliches Missverhältnis zwischen der Anzahl der erfolgreich abgelegten notariellen Fachprüfungen und den altersbedingt freiwerdenden Stellen. In den Jahren 2010 bis 2022 bestanden 3.361 Anwälte die notarielle Fachprüfung (2010: 151, 2011: 166; 2012: 271; 2013: 290; 2014: 328; 2015: 290; 2016: 355; 2017: 324; 2018: 296; 2019: 337; 2020: 188; 2021: 197; 2022: 168; Quelle: https://www.pruefungsamt-bnotk.de/service-downloadbereich/statistiken). Das entspricht etwa 65 % der tätigen Anwaltsnotare (Gutachten der Bundesnotarkammer, Anlage 1 S. 6 bis 17, 2022: 5.102 Anwaltsnotare). Auf dieser Grundlage ist eine Besetzung der altersbedingt freiwerdenden Stellen entgegen der Ansicht des Klägers im Grundsatz gesichert, was durch die Altersstruktur im Anwaltsnotariat - wie oben ausgeführt - belegt wird. Der deutliche Rückgang der Zahl der bestandenen notariellen Fachprüfungen seit 2020 ist - was der Kläger außer Acht lässt - vor dem Hintergrund der Pandemie zu sehen und lässt daher eine Prognose für die nächsten Jahre nicht zu.
38 (3) Kann danach kein im Wesentlichen demographisch begründeter Nachwuchsmangel festgestellt werden, sondern hat dieser ausschlaggebend die genannten anderen strukturellen Gründe, kommt es entgegen der Ansicht des Klägers für die Erforderlichkeit der Altersgrenze auf die Frage, ob die im Anwaltsnotariat ausgeschriebenen Stellen besetzt werden können, nicht an.
39 (a) Zwar weist der Kläger zu Recht auf die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs hin (Gutachten zur Europarechtskonformität der Altersgrenze gemäß § 48a BNotO, S. 22), wonach es möglich ist, dass eine Altersgrenze zur Erreichung des verfolgten Ziels, die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen, weder angemessen noch erforderlich ist, wenn die Zahl der Berufsträger (dort: Vertragszahnärzte) auf dem betreffenden Arbeitsmarkt, gemessen am Bedarf (dort: der Patienten), nicht überhöht ist, weil der Zugang neuer und insbesondere junger Berufsangehöriger zu diesem Markt normalerweise unabhängig davon möglich ist, ob es Berufsträger gibt, die ein bestimmtes Alter überschritten haben (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - C-341/08, Slg. 2010, I-47100 Rn. 71 - Petersen).
40 (b) Eine solche Situation liegt hier aber angesichts der vom Senat getroffenen Feststellungen nicht vor. Die Funktion der Altersgrenze, die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen, wird nämlich - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - dadurch erfüllt, dass beim Ausscheiden eines lebensälteren Notars sein Urkundenund Gebührenaufkommen (§§ 85 ff., 36, 95 ff. GNotKG) auf die jüngeren Notare übergeht. Bleiben lebensältere Notare mit gut eingeführten Notariaten und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten - wie auch der Kläger, dessen jährliches Urkundenaufkommen nach seinem eigenen Vorbringen 2020 selbst das durchschnittliche Aufkommen eines hauptberuflichen Notars überstiegen hat - ohne Altersgrenze im Amt, haben jüngere Rechtsanwälte keine hinreichende Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate. Nur wenn sie wegen des stetigen Ausscheidens lebensälterer Notare ein wirtschaftlich sinnvolles Urkunden- und Gebührenaufkommen erreichen können, werden sie den erheblichen Aufwand auf sich nehmen, der wie oben dargestellt für den Einstieg in den Nebenberuf erforderlich ist. Es trifft daher nicht zu, dass der Kläger beim Verbleiben im Amt keinen nachrückenden Bewerber "blockiere". Steht im Mittelpunkt der Betrachtung - wie wegen der Ausgestaltung des Nebenberufs geboten - die Verteilung des verfügbaren Urkunden- und Gebührenaufkommens zwischen den Generationen, erschließt sich im Gegenteil gerade beim hier vorliegenden Bewerbermangel aus strukturellen Gründen unmittelbar, dass die Altersgrenze zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels (nach wie vor) erforderlich ist und nicht über das Notwendige hinausgeht.
41 (c) Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich das mit der Altersgrenze verfolgte Ziel auch nicht dahin geändert, dass mit ihr nunmehr das Ziel einer Qualitätsverbesserung des Anwaltsnotariats verfolgt werde. Die Altersgrenze soll nach wie vor die Berufschancen zwischen den Generationen gerecht verteilen. Dass sich die Rahmenbedingungen des Zugangs zum Anwaltsnotariat beginnend etwa seit 2010 erheblich geändert haben, bewirkt keine Änderung des mit der Altersgrenze verfolgten Ziels. Es erfordert lediglich das Ausscheiden aus dem Amt von lebensälteren Notaren auch dann, wenn ein Bewerbermangel besteht. In diesem Zusammenhang haben sowohl der Präsident der Bundesnotarkammer als auch der Vertreter der Beklagten überzeugend dargelegt, dass für (mögliche) Notarbewerber die Planbarkeit in Bezug auf den Zeitpunkt, wann eine Stelle (und damit auch Urkunden- und Gebührenvolumen) altersbedingt frei wird, einen hohen Stellenwert hat. Es ist nach Ansicht des Senats nachvollziehbar, dass eine solche Planbarkeit gerade in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten bei der Entscheidung, ob mögliche Bewerber den für den Zugang zum Notarberuf erforderlichen hohen persönlichen und finanziellen Aufwand in Kauf nehmen, eine wichtige Rolle spielt.
42 (d) Dem steht nicht entgegen, dass - wie der Kläger meint - eine Aufhebung der Altersgrenze den Einstieg in den Nebenberuf des Anwaltsnotars attraktiver werden ließe. Zur Überzeugung des Senats wird es für die Entscheidung jüngerer Berufsbewerber maßgeblich darauf ankommen, ob sich die erforderlichen - persönlichen und finanziellen - Investitionen in überschaubarer Zeit amortisieren und die laufenden Kosten gedeckt werden können. Demgegenüber ist aus Sicht eines jüngeren Neunotars bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nachrangig, dass der Notarberuf über die Altersgrenze hinaus ausgeübt werden kann. Dass Anwälte in nennenswertem Umfang bereit sind, die Notartätigkeit - wie der Kläger meint - wirtschaftlich durch ihre Anwaltstätigkeit quer zu subventionieren, wird allenfalls in Einzelfällen oder kurzfristig vorkommen. Es würde zudem auch eine nicht hinnehmbare Gefahrenlage im Hinblick auf die Einhaltung der sich aus der Bundesnotarordnung ergebenden Pflichten des Notars, insbesondere die Pflichten aus § 14 BNotO, begründen.
43 (e) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass - wie der Kläger geltend macht - lediglich wenige, etwa allenfalls 10 % der Notare den Nebenberuf über die Altersgrenze hinaus ausüben würden. Auf diese Behauptung kommt es schon deshalb nicht an, weil der Zugang zum Nebenberuf aus Sicht möglicher Bewerber bereits dann wirksam verschlossen wird, wenn die wirtschaftlich besonders erfolgreichen Anwaltsnotare weiterhin und ohne Altersgrenze im Amt bleiben. Gerade für diesen Personenkreis, dem auch der Kläger angehört, wird der Verbleib im Amt über die Vollendung des 70. Lebensjahr hinaus besonders attraktiv erscheinen.
44 Überdies geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Bedürfnis für eine solche Regelung weiterhin besteht, weil durch einen zahlenmäßig relevanten Verbleib älterer Notare im Amt die geordnete Altersstruktur im Notariat nicht hinreichend gewahrt ist. § 48a BNotO wurde 1991 durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung eingeführt (BGBl. I S. 150). Der Gesetzgeber hielt die darin bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren für erforderlich, "um eine geordnete Altersstruktur, insbesondere im Anwaltsnotariat, zu wahren" (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 11/8307 S. 18). Der Gesetzgeber hat an dieser Risikobeurteilung in Kenntnis des Bewerberrückgangs im Anwaltsnotariat 2021 (siehe dazu sogleich [f]) festgehalten. Dies hält sich in dem vom Unionsgerichtshof den Mitgliedstaaten zugebilligten - und vom Senat auch aus den Gründen der Gewaltenteilung zu beachtenden - weiten Ermessens-, Beurteilungs- und Prognosespielraum hinsichtlich der allgemeinen (Pensions-)Altersgrenzen (siehe oben Nr. 1).
45 (f) Nach alledem kann der Senat nicht feststellen, dass der Gesetzgeber den ihm nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs zukommenden Prognose- und Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Altersgrenze und ihre Ausgestaltung verletzt hat. Der Gesetzgeber hat 2021 in Kenntnis des signifikant zugenommenen Bewerbermangels im Anwaltsnotariat an der Altersgrenze festgehalten (BT-Drucks. 19/26828, S. 113, 114). Er hat durch das am 1. August 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (§ 48b BNotO) geschaffen. Er hat ferner vorgesehen, dass von der örtlichen Wartezeit (§ 5b Abs. 1 Nr. 2 BNotO) für den Fall abgesehen werden kann, dass im jeweiligen Amtsbereich keine Bewerbung dieser Voraussetzung genügt, wenn ein Bewerber seine Anwaltstätigkeit mindestens zwei Jahre im vorgesehenen Amtsbezirk oder drei Jahre in einem angrenzenden Amtsbezirk ausgeübt hat (§ 5b Abs. 3 BNotO). Insbesondere durch die verbesserten Möglichkeiten der Vereinbarung von Familie und Beruf wird der Nebenberuf attraktiver und der Zugang zu ihm ohne die zuvor bestehenden erheblichen Hürden tatsächlicher Art zahlreichen jüngeren Rechtsanwältinnen erst ermöglicht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auf dieser Grundlage die weitere Entwicklung der Bewerberzahlen abzuwarten, steht im Einklang mit dem ihm nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs zuzubilligenden Prognose- und Beurteilungsspielraum. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird.
46 noch darauf, ob und gegebenenfalls in welchen Gerichtsbezirken ein zwingendes Bedürfnis nach notariellen Leistungen im Sinn von § 4 Abs. 1 BNotO besteht.
47 c) Die bundeseinheitlich für alle Notare geltende Altersgrenze ist zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels auch angemessen. Insbesondere wird sie entgegen der Ansicht des Klägers kohärent und systematisch angewendet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zuzubilligenden weiten Wertungsspielraums einen angemessenen Ausgleich gefunden, ohne dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird.
48 aa) Die Altersgrenze gilt bundeseinheitlich und ausnahmslos und weist daher eine vollständige Kohärenz auf. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er aus dem Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. April 2023 (12 K 2386/22, juris Rn. 69 ff.) nichts für sich herleiten. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob eine unterschiedliche Behandlung von Bundesbeamten und Bundesrichtern im Hinblick auf das Hinausschieben des Ruhestands gemäß § 53 BBG eine Inkohärenz begründen kann. So liegt es hier indes nicht, nachdem eine vergleichbare Ungleichbehandlung schon nicht geltend gemacht wird.
49 bb) Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt eine Aushöhlung insbesondere nicht daraus, dass der Verordnungsgeber in Nordrhein-Westfalen die Allgemeine Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare mit Wirkung zum 1. Januar 2021 geändert, und die Richt- beziehungsweise Bedürfniszahlen von 275 auf 350 erhöht hat (§ 15 AVNot NRW in der Fassung vom 10. Mai 2019, JMBl. NRW vom 15. Mai 2019, Nr. 10). Das zeigt sich schon daran, dass die obige Betrachtung für die Jahre 2021 und 2022 unter Einschluss der sogenannten Bedürfnisstellen II erfolgt ist. Die vom Kläger behauptete Aushöhlung des Diskriminierungsverbots ist aber auch unabhängig davon nicht festzustellen.
50 (1) Gemäß § 15 AVNot NRW ist ein Bedürfnis für die Bestellung einer Notarin oder eines Notars in der Regel gegeben, wenn in einem Amtsgerichtsbezirk der Jahresdurchschnitt der Urkundsgeschäfte der Notarinnen und Notare unter Mitberücksichtigung einer weiteren Notarstelle in den letzten beiden Kalenderjahren mindestens 350 beträgt. Hierbei sind Niederschriften mit dem Faktor 1,0, Beglaubigungen mit Entwurf mit dem Faktor 0,5 und Beglaubigungen ohne Entwurf mit dem Faktor 0,1 zu gewichten (§ 10a Abs. 1 AVNot). Für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren (2021 und 2022) wurden zudem sogenannte Bedürfnisstellen II ausgeschrieben. Um besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern den Zugang zum Notaramt zu ermöglichen, wurde für diese Ausschreibung die Bedürfniszahl 275 zugrunde gelegt. Besonders geeignet sind solche Bewerber, die einen Notendurchschnitt aus der notariellen Fachprüfung und der die juristische Ausbildung abschließen Staatsprüfung von mindestens acht Punkten aufweisen (§ 15a AVNot). Diese Änderung führte für die Ausschreibung vom 15. Mai 2022 (JMBl. NRW 2022 Nr. 10, S. 234 f.) dazu, dass 57 Bedürfnisstellen, darunter keine für den Amtsgerichtsbezirk D. , und zusätzlich 303 Bedürfnisstellen II, darunter vier für den Amtsgerichtsbezirk D. , ausgeschrieben worden sind. Ziel der Anhebung der Bedürfniszahlen war es nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten, einem rein rechnerisch bestehenden Überhang an unbesetzten Stellen im Anwaltsnotariat entgegenzuwirken, nachdem trotz dieses Überhangs keine Unterversorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit notariellen Leistungen festzustellen war. Der Hinweis im vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kammerreport Hamm vom 15. Juni 2019, wonach die Urkundszahl vor dem Hintergrund der seit Jahren nicht besetzten Notarstellen erhöht werden solle, steht dem nicht entgegen. Mit der Stellenkonsolidierung verbunden war das Ziel, die Qualität der notariellen Leistungen weiter anzuheben, eine flächendeckende Versorgung des rechtsuchenden Publikums mit notariellen Leistungen weiterhin sicherzustellen und das Interesse für das Anwaltsnotariat in der Anwaltschaft aufrechtzuerhalten. Die Anhebung der Bedürfniszahl sollte dem juristischen Nachwuchs signalisieren, dass ein attraktives und leistungsstarkes Anwaltsnotariat angestrebt wird, indem durch eine verstärkte Beschäftigung mit notariellen Leistungen eine größere berufliche Erfahrung und ein gesteigerter betriebswirtschaftlicher Anreiz für die Tätigkeit als Anwaltsnotare geschaffen werden. Zugleich sollte der höhere Urkundenschlüssel zu einer stärkeren Bewerberkonkurrenz führen mit der Folge, dass sich vor allem Bewerber mit guten Ergebnissen in den Prüfungen die besten Chancen ausrechnen können. Mit der vorübergehenden Ausschreibung von Bedürfnisstellen II sollte gemäß der Vorgabe in § 4 Satz 2 BNotO vermieden werden, dass die Anhebung der Bedürfniszahl den Zugang zum Anwaltsnotariat für einen Übergangszeitraum verschließt.
51 (2) Die maßvolle Anhebung führte zu Bedürfniszahlen, die - wie oben ausgeführt - auch in anderen Bundesländern gelten (vgl. zum Organisationsermessen des Verordnungsgebers BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 24/02, DNotZ 2003, 782 [juris Rn. 6 ff.]. Die Anhebung verfolgte vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen an den Nebenberuf das mit der Altersgrenze kohärente Ziel, ein leistungsfähiges und angesichts der seit 2010 gestiegenen Anforderungen auch für jüngere Berufsbewerber attraktives Anwaltsnotariat mit gesteigertem betriebswirtschaftlichen Anreiz zu gewährleisten.
52 cc) Ein angemessener Interessenausgleich wird schließlich auch dadurch gewährleistet, dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den Bundesländern geltenden Pensionsaltersgrenzen von 67 (vgl. etwa § 48 Abs. 1 DRiG; § 51 Abs. 1 BBG) beziehungsweise 65 Jahren (vgl. § 38 LBG Berlin) für Richter und Beamte liegt. Zudem handelt es sich beim vom Kläger ausgeübten Notaramt um einen Nebenberuf. Der Kläger ist nicht gehindert, den Beruf des Rechtsanwalts auch weiterhin auszuüben oder als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Oktober 2010 - C-45/09, ECLI:EU:C:2010:601 Rn. 75 - Rosenbladt; vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 54 - Georgiev; vom 5. Juli 2012 - C-141/11, EuZW 2012, 794 Rn. 40 - Hörnfeldt; Regler in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 48a Rn. 6, 9).
53 dd) Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich, dass das vom Kläger angeführte mildere Mittel, das darin bestehen soll, lediglich diejenigen über 70jährigen Notare aus dem Amt ausscheiden zu lassen, die angesichts ihrer Beurkundungszahlen das Amt tatsächlich nicht mehr ausüben, nicht geeignet wäre, um die mit der Altersgrenze verfolgten Ziele zu erreichen. Aus dem gleichen Grund liegt kein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß darin, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Klägers, wonach der Gesetzgeber vorrangig "Zwergnotariate" zu beseitigen habe, nicht ausdrücklich beschieden hat.
54 d) Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, eine Diskriminierung ergebe sich ferner aus dem Umstand, dass Notare in Italien bis zum 75. Lebensjahr amtieren dürften. Dass in verschiedenen Mitgliedstaaten oder verschiedenen Regionen in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Altersgrenzen gelten, stellt die Erforderlichkeit und kohärente und systematische Anwendung der Altersgrenze nicht in Frage, weil ihre Festsetzung nach Erwägungsgrund 14 den Mitgliedstaaten obliegt (vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 97 - Fuchs und Köhler zu unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern).
55 III. Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Unionsgerichtshof besteht kein Anlass. Ein einzelstaatliches Gericht ist, soweit gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts stellt. Es ist von dieser Pflicht nur dann befreit, wenn es festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, die Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., 283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 21; vom 15. September 2005, Intermodal Transports, C-495/03, ECLI:EU:C:2005:552, Rn. 33; vom 4. Oktober 2018, Kommission/Frankreich, C-416/17, ECLI:EU:C:2018:811, Rn. 110).
56 1. Der Streitfall wirft keine neuen Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2000/78 auf. Er kann - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - durch die den nationalen Gerichten zugewiesene Anwendung (EuGH, Urteile vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev und vom 3. Juni 2021 - C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 40, 42, 48 - GN) der durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung geklärten Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall entschieden werden. Etwas Anderes ergibt sich nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweis des Klägers auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Köln (36 Not 8/22, beim Unionsgerichtshof anhängig unter C-408/23, bisher unveröffentlicht). Der vom Kläger nicht vorgelegte Beschluss betrifft nach seinem Vortrag die Altersgrenze für die Bestellung zum Notar gemäß § 5 Abs. 4 BNotO und mithin eine andere Fallgestaltung.
57 2. Entgegen der Ansicht des Klägers war nach diesen Maßgaben auch im Hinblick auf die Einholung des Gutachtens der Bundesnotarkammer durch den Senat gemäß § 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO ein Vorabentscheidungsersuchen nicht erforderlich. Der Beklagte ist nicht einer ihm obliegenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, mit der Folge, dass der Klage ohne weitere Ermittlungen oder Beweisaufnahme stattzugeben gewesen wäre.
58 Dies gilt schon deshalb, weil die Altersgrenze - wie ausgeführt - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats sowohl mit deutschem Verfassungsrecht als auch mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2000/78 und Art. 21 Abs. 1 GrCh vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund reichte der Verweis des Beklagten auf die bereits festgestellte Rechtfertigung zur Darlegung ohne weiteres aus. Es oblag sodann dem Kläger, zu einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vorzutragen und eine Diskriminierung ausreichend glaubhaft zu machen. Insoweit weicht die hier vorliegende Fallgestaltung von der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. März 2019 zugrundeliegenden ab (II ZR 244/17, BGHZ 221, 325 Rn. 38 f.). Mit dem Vortrag der Probleme bei der Besetzung von ausgeschriebenen Stellen im Bereich des Anwaltsnotariats ist der Kläger dem nachgekommen und hat dem Senat Anlass für eine von Amts wegen zu veranlassende Beweiserhebung gemäß § 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO gegeben. Es begegnet nach dem Maßstab der acte-clair-Doktrin keinem vernünftigen Zweifel, dass dies mit den hier unmittelbar anwendbaren Regelungen der Art. 6 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Abs. 5 RL 2000/78 nach den Erwägungsgründen 14, 25, 31 und 32 in Einklang steht, nachdem der Beklagte sich erstinstanzlich auf die nach ständiger Rechtsprechung bereits festgestellte Rechtfertigung berufen hat.
59 Dessen ungeachtet hat der Senat ohnehin Zweifel, ob die in Art. 10 Abs. 1 RL 2000/78 bestimmten Grundsätze der Beweislast und damit folgend der Darlegungslast bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer in einem allgemeinen Gesetz geregelten Altersgrenze mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 Anwendung finden können, jedenfalls wenn die maßgebende Prozessordnung, wie hier, die Amtsermittlung vorsieht. Dies ergibt sich aus der Systematik und dem Zweck von Art. 6 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 RL 2000/78 sowie aus den Erwägungsgründen 14, 25, 31 und 32. Art. 10 Abs. 1 RL 2000/78 hat nur die Geltendmachung von Diskriminierungen im Einzelfall zum Regelungsgegenstand. Es wäre zweckwidrig und mit dem unionsrechtlichen Gebot des "effet utile" unvereinbar, wenn sich im Amtsermittlungsv#erfahren die Anwendbarkeit einer gesetzlich bestimmten Altersgrenze im Sinne des Erwägungsgrundes 14 nach dem individuellen Vortrag der Parteien und ihrem Prozessgeschick beurteilen würde. Dies könnte dazu führen, dass in verschiedenen Verfahren die Vereinbarkeit derselben gesetzlichen Altersgrenze mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 jeweils in Abhängigkeit von der Substantiierung und Güte des Vortrags der Beteiligten unterschiedlich beurteilt wird. Aus diesem Grund gilt hier - wie oben ausgeführt - auch nicht § 22 AGG und die dazu vom Kläger zitierte Rechtsprechung (vgl. etwa OVG Münster, BeckRS 2019, 25474 Rn. 56).
60 Im Übrigen wird auf den Beschluss vom 6. März 2023 Bezug genommen, mit dem der Senat die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beweisbeschluss vom 26. Januar 2023 beschieden hat.