BGH: Aktienerwerb – Vereinbarung i. S. d. § 31 Abs. 6 S. 1 und § 31 Abs. 5 S. 2 WpÜG
BGH, Urteil vom 23.5.2023 – II ZR 219/21
ECLI:DE:BGH:2023:230523UIIZR219.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-1793-3
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Amtliche Leitsätze
a) Eine dem Erwerb im Sinne der Absätze 3 bis 5 gleichgestellte Vereinbarung setzt nicht voraus, dass der Bieter die Übereignung von Aktien verlangen kann.
b) Eine Vereinbarung ist bereits dann eine Grundlage für ein Übereignungsverlangen, wenn sie bei objektiver Betrachtung eine auf den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft gerichtete rechtsgeschäftliche Disposition des Bieters enthält, in der zum Ausdruck kommt, dass er bereit ist, eine Gegenleistung für den Aktienerwerb zu erbringen, die die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpÜG angebotene Gegenleistung übersteigt.
WpÜG § 31 Abs. 5 Satz 2
Eine Vereinbarung, mit der sich ein Paketaktionär vor dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verpflichtet, mit seinen Stimmrechten die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu unterstützen, wenn den außenstehenden Aktionären eine dem Betrag nach bestimmte Mindestabfindung angeboten wird, steht nicht im Zusammenhang mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß § 305 Abs. 1 AktG.
WpÜG § 31 Abs. 6 Satz 1
Sachverhalt
Die Klägerin hielt im Jahr 2017 insgesamt 295.500 Stückaktien der S. Aktiengesellschaft (im Folgenden: S. ), deren Aktien zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) zugelassen waren. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der N. AG (im Folgenden einheitlich: Beklagte) und Alleingesellschafterin der Hauptaktionärin der S. , der N. GmbH.
Die Beklagte unterbreitete den Aktionären der S. im April 2017 ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot, das die Mindestannahmeschwelle nicht erreichte. Im Juli 2017 veröffentlichte S. eine Mitteilung, nach der E. sowie von ihm kontrollierte Fondsgesellschaften (im Folgenden: E. ) insgesamt 8,69 % des Grundkapitals der S. hielten und kontrollierten.
Am 19. Juli 2017 veröffentlichte die Beklagte ein zweites freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zu einem Preis von 66,25 € je Aktie, mit einer Mindestannahmeschwelle von 63 % und einer Annahmefrist bis zum Ablauf des 16. August 2017. Am 18. August 2017 machte die Beklagte bekannt, dass die Mindestannahmeschwelle erreicht worden sei und sich eine weitere Annahmefrist bis zum Ablauf des 1. September 2017 ergebe. Die Klägerin nahm das Angebot an und reichte 295.500 Aktien ein. Die Abwicklung wurde am 22. August 2017 durchgeführt.
Nachdem S. am 24. August 2017 mittgeteilt hatte, dass die Beklagte an sie herangetreten sei, um sie über ihre Absicht zu informieren, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abzuschließen, schlossen die Beklagte und E. , die zu diesem Zeitpunkt 13,26 % der S. -Aktien hielt, am30. August 2017 einen als "Irrevocable Commitment" bezeichneten Vertrag in englischer Sprache (im Folgenden: IC). Darin verpflichtete sich E. , in der Hauptversammlung der S. einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag u.a. dann zuzustimmen, wenn die darin festgelegte Abfindung für außenstehende Aktionäre mindestens 74,40 € je Aktie beträgt. Die Beklagte wollte sich mit dieser Vereinbarung die Zustimmung von E. zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sichern, weil sie mit eigenen Stimmrechten eine Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals nicht erreichen konnte.
Am 15. September 2017 brachte die Beklagte den von ihr gehaltenen Anteil von 65,82 % des Grundkapitals der S. in die N. GmbH ein. Diese schloss Ende Dezember 2017 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, in dem sich die N. GmbH verpflichtete, die Aktien der außenstehenden Aktionäre gegen eine Barabfindung von 74,40 € je Aktie zu erwerben. Die Hauptversammlung der S. stimmte dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Anfang Februar 2018 zu. Der Vertrag wurde am 20. März 2018 in das Handelsregister eingetragen. Im Oktober 2018 veröffentlichte die Beklagte ein Übernahmeangebot zur Durchführung eines Delisting zu einem Preis von 81,73 € je Aktie, welches E. auf Grund einer zuvor abgeschlossenen Andienungsvereinbarung annahm.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die von ihr eingebrachten Aktien den Unterschiedsbetrag zwischen dem in dem Übernahmeangebot genannten Preis von 66,25 € je Aktie und der E. im IC zugesagten Mindestabfindung von 74,40 € je Aktie. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit ein Anspruch der Klägerin gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG verneint wurde. Die Klägerin verfolgt insoweit ihren Klageantrag weiter.
Aus den Gründen
7 Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
8 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
9 Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG nicht zu. E. habe sich weder mit dem IC noch im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verpflichtet, die Aktien an die Beklagte oder eine mit ihr gemeinsam handelnde Person zu übereignen. Soweit E. mit der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags im Handelsregister ein Recht erworben habe, das einer Veräußerungsoption entspreche, sei dieses Recht nicht mit einer Erwerbsmöglichkeit der Beklagten gleichzustellen. Anders als bei Erwerbsoptionen, die dem Bieter die Möglichkeit böten, den Rechtsgrund durch einseitige Erklärung herbeizuführen, aufgrund dessen der Aktionär zur Übertragung der Aktien verpflichtet sei, handele es sich bei Veräußerungsoptionen nicht um Vereinbarungen im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG. Der Wortlaut der Vorschrift möge zwar nicht ausdrücklich ein Forderungsrecht des Bieters verlangen, nach dem Sinn und Zweck von § 31 Abs. 6 WpÜG müsse die Bieterin den Erwerb aber selbst herbeiführen können. Die Norm wolle im Interesse der Gleichbehandlung der Aktionäre vermeiden, dass die Preisregelungen der Absätze 3 bis 5 umgangen würden, etwa durch Abschluss eines Kauf- oder Tauschvertrags mit einem hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt oder durch Optionsgeschäfte, "die zum Bezug der Aktien berechtigen", wie es in der Gesetzesbegründung ausdrücklich heiße. Bei einer Veräußerungsoption bestehe indes keine Bezugsberechtigung des Bieters. Die Vergleichbarkeit mit einer Erwerbsoption sei nicht deswegen gegeben, weil die Beklagte das Recht erhalten habe, einseitig ein Andienungsrecht von E. herbeizuführen. Dies könne anders sein, wenn die Veräußerungsoption bei ihrer durch die Beklagte herbeigeführten Begründung "im Geld" gewesen sei, weil dann mit ihrer Ausübung zu rechnen gewesen sei. Der Ausübungspreis habe bei Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags aber nicht über dem Börsenkurs der S. -Aktien gelegen.
10 Ein Anspruch scheitere darüber hinaus an § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG, der aufgrund der Verweisung in § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auch auf einem Erwerb gleichgestellte Vereinbarungen anzuwenden sei. Dem Gesetzeswortlaut lasse sich eine Einschränkung für bestimmte Fallkonstellationen im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Abfindung nicht entnehmen, insbesondere sei § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG nicht auf Fälle beschränkt, in denen es zu einem Spruchverfahren nach § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG komme. Es solle bereits vermieden werden, dass der Bieter überhaupt über einen längeren Zeitraum unkalkulierbaren Kosten ausgesetzt sein könne, was auch in der vorliegenden Konstellation der Fall sei. Das IC lege auch keine verbindliche Preisgestaltung mit E. fest. Die Beklagte habe sich nur eine Zustimmungsoption von E. gesichert, die sie nicht zwingend habe ausüben müssen. Eine verbindliche Erklärung der Beklagten zu einem höheren Wert der Aktien komme darin nicht zum Ausdruck.
11 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in zwei entscheidenden Punkten nicht stand. Ein Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zu der im IC in Aussicht gestellten Mindestabfindung kann weder verneint werden, weil die Beklagte mit E. keine einem Erwerb nach § 31 Abs. 3 bis 5 WpÜG gleichgestellte Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG geschlossen hat, noch ist ein solcher Anspruch ausgeschlossen, weil die Vereinbarung den Erwerb von Aktien im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre nach § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG betrifft.
12 1. Der Bieter ist gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG gegenüber den Inhabern der Aktien, die das Angebot angenommen haben, zur Zahlung einer Geldleistung in Höhe des Unterschiedsbetrags verpflichtet, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 WpÜG außerhalb der Börse Aktien der Zielgesellschaft erwirbt und hierfür wertmäßig eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung gewährt oder vereinbart. Dies gilt nach § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG nicht für den Erwerb von Aktien im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft. Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG sind Vereinbarungen einem Erwerb gleichgestellt, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann.
13 2. Bei dem IC handelt es sich um eine einem Erwerb nach § 31 Abs. 3 bis 5 WpÜG gleichgestellte Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG.
14 a) Eine Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG setzt nicht voraus, dass der Bieter die Übereignung von Aktien verlangen kann.
15 aa) Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum soll eine Vereinbarung, mit der der Bieter einem Aktionär der Zielgesellschaft ein Recht auf Andienung von Aktien der Zielgesellschaft einräumt oder eine auf die Abnahme der Aktien gerichtete Verpflichtung eingeht, allerdings nicht von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG erfasst sein (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2021, 1215, 1217; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 106; Heidel/Sohbi, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 32; Marsch-Barner in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 122; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 66; Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., § 62 Rn. 62.278, 62.280; Reinhardt/Kocher in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 15 Rn. 126). Teilweise wird die Anwendung der Vorschrift davon abhängig gemacht, ob das eingeräumte Andienungsrecht "im Geld" ist (Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Haarmann, 3. Aufl., § 31 Rn. 153 mit Fn. 277; Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 157 ff.; Kremer/Kulenkamp in KK-WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 107; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95; Wirbel in Beck’sches M&A-Handbuch, 2. Aufl., § 67 Rn. 93; Süßmann, NZG 2019, 771, 772; tendenziell auch Santelmann/Nestler in Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 105 mit Fn. 191). Eine andere Ansicht hält es demgegenüber für unbeachtlich, ob der Bieter die Übereignung verlangen kann (MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 97 f.; Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 228).
16 bb) Richtig ist die zuletzt genannte Auffassung.
17 (1) Aus dem Wortlaut von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG ergibt sich nicht, dass der Bieter die Übereignung von Aktien verlangen können muss. Erfasst werden vielmehr allgemein Vereinbarungen, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, ohne dass näher bestimmt wird, wer aus der Vereinbarung berechtigt und wer verpflichtet ist (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 Rn. 95; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 97; aA Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 106; Aisenbrey, Die Preisfindung im Übernahmerecht, 2017, S. 190; Brellochs, ZGR 2018, 811, 823, 827 f.; Süßmann, NZG 2019, 771, 773). Der Gesetzeswortlaut ist damit weiter gefasst als andere Normen des Zivilrechts, in denen ein Übereignungsverlangen in vergleichbarer Weise geregelt ist (vgl. § 1568b Abs. 1 BGB; § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG).
18 (2) Der Verweis auf § 31 Abs. 3 bis 5 WpÜG bietet keinen Anhaltspunkt für eine den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung (Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 228). Die in § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG genannten Vereinbarungen werden einem Erwerb im Sinne der Absätze 3 bis 5 gleichgestellt. Maßgeblich ist ein Erwerb durch den Bieter, wobei es unerheblich ist, wie dieser zustande kommt. § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG ist daher auch einschlägig, wenn eine Verkaufsoption zu Lasten des Bieters ausgeübt und ein dinglicher Erwerb vollzogen wird (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 157; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 107; Marsch-Barner in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 122; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95; Süßmann in Angerer/Brandi/Süßmann, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 66).
19 Aus § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG lässt sich ebenfalls nichts für eine einschränkende Auslegung gewinnen (aA Brellochs, ZGR 2018, 811, 823 f.). Zunächst gibt der Wortlaut von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, wie ausgeführt, für eine Beschränkung auf Vereinbarungen, auf Grund derer der Bieter die Übereignung von Aktien verlangen kann, nichts her. Der Gesetzgeber hat sich in § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG einer anderen Regelungstechnik bedient, so dass das Fehlen einer Regelung, die wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge erfasst, den Rückschluss auf eine enge Auslegung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG nicht erlaubt. Zudem lässt der Verweis auf § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG die unterschiedlichen Zielrichtungen der Normen außer Acht. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG (Transparenz-Richtlinie III), ABl. EU Nr. L 294 S. 13, und soll gewährleisten, dass Emittenten und Anleger vollständig über die Unternehmensbeteiligungsstruktur unterrichtet sind (Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Transparenz-Richtlinie III). Die Regelung des § 31 Abs. 6 WpÜG soll demgegenüber keine Transparenz vermitteln, sondern vor einer Umgehung der in § 31 Abs. 3 bis 5 WpÜG enthaltenen Mindestanforderungen an die Gegenleistung schützen, die ihrerseits Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes der Aktionäre der Zielgesellschaft sind (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 30 f., 57). Die Reichweite dieses Umgehungsschutzes ist aus dieser Zielsetzung heraus zu bestimmen (dazu näher unter Rn. 23).
20 Dementsprechend lässt sich auch aus § 20 Abs. 2 AktG, der zwischen Aktien, deren Übereignung das Unternehmen verlangen kann (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG), und Aktien, zu deren Abnahme das Unternehmen verpflichtet ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 AktG), unterscheidet, nichts für die Auslegung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG herleiten. Auch § 20 AktG, dessen Wortlaut im Übrigen enger gefasst ist als derjenige von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, dient der Offenlegung der Machtverhältnisse in den Gesellschaften, indem neben der Unternehmensleitung auch Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über bestehende oder entstehende Konzernbildungen informiert werden (RegE eines Aktiengesetzes, BT-Drucks. IV/171, S. 104 zu § 19 AktG-RegE; BGH, Urteil vom 22. April 1991 - II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 215; Urteil vom 24. April 2006 - II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 Rn. 13; Urteil vom 5. April 2016 - II ZR 268/14, ZIP 2016, 1919 Rn. 17).
21 (3) Den Gesetzesmaterialien lässt sich eine Beschränkung auf Vereinbarungen, die dem Bieter einen Anspruch auf Übereignung von Aktien verschaffen, nicht entnehmen. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine weite Auslegung im Sinne eines allgemeinen Umgehungsschutzes nahelegt (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 19).
22 Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung charakterisiert die von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG erfassten Vereinbarungen als "Verträge zum Erwerb von Aktien" (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 57). Dem lässt sich nicht entnehmen, dass darunter nur Vereinbarungen zwischen dem Bieter und einem Aktionär, die dem Bieter einen Anspruch auf Übereignung von Aktien an sich verschaffen, verstanden werden sollten. Soweit die Gesetzesbegründung Kauf- und Tauschverträge sowie Optionen anführt, die zum Bezug von Aktien berechtigen, handelt es sich nur um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 21; Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 228; Wackerbarth, ZIP 2012, 253, 259 mit Fn. 24). Eine einschränkende Auslegung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Gesetzesbegründung in der Aufzählung nur Erwerbsoptionen ausdrücklich erwähnt. Dem lässt sich nicht hinreichend klar entnehmen, dass der Anwendungsbereich der Norm auf Vereinbarungen beschränkt sein sollte, die ein Erwerbsrecht des Bieters begründen können. Es ist ebenso gut denkbar, dass dem Verfasser der Begründung in der beispielhaften Aufzählung die Erwerbsoption lediglich als Hauptanwendungsfall der Norm vor Augen stand.
23 (4) Der Sinn und Zweck von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG gebietet ebenfalls keine einschränkende Auslegung, die Vereinbarungen, durch die der Bieter ein Andienungsrecht einräumt, ausnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 30; aA Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95).
24 (a) Die Regelung des § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG will einer Umgehung der in § 31 Abs. 1 Satz 2 WpÜG auf den dinglichen Erwerb bezogenen Regeln durch schuldrechtliche Vereinbarungen vorbeugen. Wenn statt eines Erwerbs eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen wird, die den dinglichen Erwerb ermöglicht, soll bei der Bestimmung des Vorerwerbspreises auf diese Vereinbarung abzustellen sein. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bieter an dem Preis festgehalten wird, den er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot selbst als angemessen angesehen hat (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 23, 26).
25 Diese Erwägungen lassen sich auf Vereinbarungen, die einem Erwerb nach § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG gleichgestellt werden, übertragen. Die Preisregeln der § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG beruhen als Ausfluss des in § 3 Abs. 1 WpÜG verankerten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 30, 56) auf dem Gedanken der Selbstbindung des Bieters durch eigene rechtsgeschäftliche Dispositionen (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 41, 57, 67; Oechsler, Festschrift Hadding, 2004, S. 1027, 1036; Boucsein/Schmiady, AG 2016, 597, 602; vgl. MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 35; Wackerbarth, ZIP 2012, 253, 254 f., 259). Nach § 31 Abs. 4 WpÜG soll im Zeitraum bis zur Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG die Gewährung oder Vereinbarung jeder Gegenleistung preisrelevant sein, die diejenige des Angebots übersteigt. Nichts anderes gilt nach § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG für den Zeitraum von einem Jahr nach dieser Veröffentlichung, nur dass in diesem Zeitraum der Erwerb von Aktien an der Börse oder im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Abfindungspflicht (§ 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG) ausgenommen werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist aber unabhängig davon betroffen, ob der Bieter sich den Erwerb von Aktien zu einem höheren als den im Angebot genannten Preis sichert oder er die Veräußerung zu einem solchen Preis ermöglicht. Der Bieter kann auch durch die Einräumung eines Andienungsrechts zu erkennen geben, zu welchem Preis er bereit ist, die Aktien zu erwerben, und auf diese Weise einzelne Aktionäre bevorzugt behandeln.
26 (b) Gegen die Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG spricht nicht, dass der Bieter, der einem Aktionär ein Andienungsrecht einräumt, nicht die Möglichkeit hat, den Erwerb der Aktien herbeizuführen. Für die Anwendung der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob es später tatsächlich zu einem Aktienerwerb kommt (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 26; vgl. für die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts Marsch-Barner in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 121). Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG genügt vielmehr der Abschluss der Vereinbarung, die den dinglichen Erwerb ersetzt (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 31; Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 23). Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Bieter den Erwerb durchsetzen kann, weil der Umgehungsschutz nicht daran anknüpft, dass sich der Bieter Aktien der Zielgesellschaft außerhalb des öffentlichen Angebots sichert, sondern dass die in der Vereinbarung zum Ausdruck kommende rechtsgeschäftliche Disposition des Bieters derjenigen eines unmittelbaren Erwerbsgeschäfts entspricht(Aisenbrey, AG 2018, 102, 104; aA Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95; Brellochs, ZGR 2018, 811, 823 f.). Gerade wenn der Bieter die Entscheidung darüber, ob es zu einem Erwerb kommt, in die Hände eines potentiellen Veräußerers legt, kann er damit zum Ausdruck bringen, welchen Preis er bereit ist, für den Erwerb der Aktien zu zahlen. Liegt dieser Preis über dem Angebotspreis, ist mit einer solchen Disposition eine Ungleichbehandlung gegenüber den das Angebot annehmenden Aktionären verbunden, die innerhalb der in § 31 Abs. 4 und 5 Satz 1 WpÜG bestimmten Fristen vermieden werden soll. Entsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob die Ausübung des Rechts zur Veräußerung der Aktien als wahrscheinlich anzusehen ist, weil der Börsenpreis der Aktien bei Abschluss der Vereinbarung über dem zugesagten Preis liegt.
27 c) Einer Anwendung von § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG steht es auch nicht entgegen, dass sich aus dem IC für keine der Vertragsparteien ein Anspruch auf Übereignung von Aktien der Zielgesellschaft ergibt, sondern ein solcher Anspruch vom Wirksamwerden eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags und der Ausübung eines Andienungsrechts (§ 305 Abs. 1 AktG) abhängig war. Eine Vereinbarung ist bereits dann eine Grundlage für ein Übereignungsverlangen, wenn sie bei objektiver Betrachtung eine auf den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft gerichtete rechtsgeschäftliche Disposition des Bieters enthält, in der zum Ausdruck kommt, dass er bereit ist, eine Gegenleistung für den Aktienerwerb zu erbringen, die die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpÜG angebotene Gegenleistung übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor.
28 aa) Eine Vereinbarung, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, liegt im Hinblick auf den beabsichtigten Umgehungsschutz nicht nur vor, wenn sich aus ihr unmittelbar ein Anspruch auf Übereignung von Aktien ergibt, sondern auch dann, wenn ein mehraktiger Vorgang vorliegt, bei dem ein Anspruch auf Übereignung erst später begründet wird (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 16, 24). Der Senat hat den derivativen Erwerb einer Wandelschuldverschreibung als Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auch für den Fall angesehen, dass die Anleihebedingungen die Zielgesellschaft berechtigen, unter bestimmten Umständen anstatt der Lieferung der Aktien eine Barzahlung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 24 ff.; kritisch Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95; Brellochs, ZGR 2018, 811, 823 f.; Schiessl, Festschrift Seibert, 2019, S. 733, 738).
29 bb) Die Vereinbarung, mit der sich die Beklagte die Zustimmung eines Paketaktionärs zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gesichert hat, wenn in diesem Vertrag eine bestimmte Mindestabfindung der außenstehenden Aktionäre vorgesehen ist, enthält eine auf den Erwerb von Aktien gerichtete rechtsgeschäftliche Disposition der Beklagten, nachdem diese ihre Absicht zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bekundet hat und die Vereinbarung dazu diente, sich die nach § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG erforderliche Mehrheit zu sichern.
30 (1) Das IC, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und die Zustimmung der Hauptversammlung zu diesem Vertrag sind im Hinblick auf das nach § 305 Abs. 1 AktG einzuräumende Abfindungsoptionsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 27/05, BGHZ 167, 299 Rn. 11) ein mehraktiger Vorgang, an dessen Ende der Erwerb der Aktien durch den Bieter stehen kann (vgl. Aisenbrey, AG 2018, 102, 104). Ob die für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nach § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG notwendige Mehrheit nur mit den Stimmen des Paketaktionärs zustande kommen konnte, ist unerheblich. Es genügt, dass das IC einen Erwerb der Aktien durch die Beklagte ermöglicht hat. Dadurch, dass die Beklagte sich mit der Vereinbarung die für die Zustimmung der Hauptversammlung erforderliche Mehrheit des Grundkapitals sicherte, erhielt sie die Gewissheit, durch den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu den vereinbarten Bedingungen das Andienungsrecht des Paketaktionärs und der übrigen außenstehenden Aktionäre gemäß § 305 Abs. 1 AktG zu begründen.
31 (2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für eine Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG nicht darauf an, ob sich der Bieter zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Zielgesellschaft wegen des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verpflichtet. Die Beklagte hat bereits mit dem Erwerb der Option, von E. die Zustimmung zu einem den vereinbarten Maßgaben entsprechenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu verlangen, zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit ist, die Aktien für die in Aussicht gestellte Mindestabfindung zu erwerben und eine entsprechende rechtsgeschäftliche Disposition vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 24; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 98). Auch bei den vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommenen Optionen, die zum Bezug von Aktien berechtigen, kommt es nur auf den Abschluss der Optionsvereinbarung an, nicht aber darauf, ob die Option später ausgeübt wird (BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 26; Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Haarmann, 3. Aufl., § 31 Rn. 149 mit Fn. 271; Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 150; Marsch-Barner in Baums/ Thoma/Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 122; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 96; Aisenbrey, Die Preisfindung im Übernahmerecht, 2017, S. 200), oder der Optionsberechtigte sich zur Ausübung verpflichtet (vgl. Aisenbrey, AG 2018, 102, 104).
32 Der Abschluss der Vereinbarung diente nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dem Ziel, sich die Zustimmung von E. zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu sichern, weil die Beklagte selbst nur 65 % der Stimmrechte hielt und die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals (§ 293 Abs. 1 Satz 2 AktG) nicht mit ihren Stimmrechten sicherstellen konnte (vgl. auch Schiessl, Festschrift Seibert, 2019, 733, 736). Der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entsprach den bereits in der Angebotsunterlage mitgeteilten Absichten der Beklagten, die nach der Mitteilung der S. am 24. August 2008 konkretisiert waren.
33 (3) Eine Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auf das IC ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte die Aktien erst nach Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister (§ 294 Abs. 2 AktG) und nach Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre (§ 305 Abs. 1 AktG) erwerben konnte (aA Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 148a; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 109). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Beklagte "innerhalb überschaubarer Zeiträume" mit einem Erwerb rechnen konnte (so aber Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 157b). § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG stellt schon die Vereinbarung, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, einem Erwerb gleich. Eine Einschränkung im Hinblick darauf, wann das Andienungsrecht ausgeübt werden kann, lässt sich der Norm nicht entnehmen. Dafür besteht im Hinblick auf den beabsichtigten Umgehungsschutz auch kein Grund, wenn der Bieter mit dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung zeigt, welchen Preis er bereit ist, für den Erwerb der Aktien zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2017 - II ZR 37/16, BGHZ 216, 347 Rn. 24). Der Gesetzgeber hatte auch Vereinbarungen mit herausgeschobenem Erfüllungszeitraum vor Augen (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 57), weswegen der Anspruch auf Übereignung aus der Vereinbarung nicht fällig sein muss und auch bedingte oder befristete Vereinbarungen erfasst werden (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 154; KK-WpÜG/ Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 103; Marsch-Barner in Baums/Thoma/ Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 122; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 95; Steinmeyer/Santelmann/Nestler, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 104; einschränkend: MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 96).
34 Die Beklagte hat im Übrigen in der Vereinbarung zum Ausdruck gebracht, eine Abfindungsoption innerhalb der Jahresfrist gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG eröffnen zu wollen. Das IC sah neben dem Angebot einer Mindestabfindung von 74,40 € je Aktie vor, dass die Einladung zur Hauptversammlung zur Abstimmung über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vor dem 31. Januar 2018 veröffentlicht und die Hauptversammlung in einer Frist von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Einladung stattfindet. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der eine entsprechende Abfindung vorsah, ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG wirksam geworden (§ 294 Abs. 2 AktG).
35 (4) Anders als die Beklagte meint, steht einer Berücksichtigung der in der Vereinbarung abgestimmten Mindestabfindung nicht entgegen, dass sie sich auf die Höhe der im beabsichtigten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festzulegenden Abfindung bezog.
36 Richtig ist zwar, dass sich die Angemessenheit der Abfindung gemäß § 305 Abs. 1 AktG nicht an den Preisen orientieren muss, die von dem Bieter an andere Aktionäre gezahlt wurden oder werden (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 31 - Stollwerck), weswegen die dort erfolgende Bewertung von der Bewertung der nach § 31 WpÜG geschuldeten Gegenleistung abweichen kann (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 56). Darauf kommt es für die Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG aber nicht an. Nach dem Normzweck ist es unerheblich, auf welche Grundlagen der Bieter seine Bewertung der Aktien stützt. Auch bei § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG, vor dessen Umgehung § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG schützt, kommt es auf die Bewertungsgrundlagen der für den Erwerb der Aktien vereinbarten oder gewährten Gegenleistung nicht an. Maßgebend ist, ob die für den Erwerb gewährte oder vereinbarte Gegenleistung höher ist als die im Angebot genannte. Ebenso wenig sind die von dem Bieter verfolgten Motive von Bedeutung, weil § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG nicht auf subjektive Umstände in der Person des Bieters abstellt (Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Haarmann, 3. Aufl., § 31 Rn. 148; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 31 WpÜG Rn. 98; Aisenbrey, Die Preisfindung im Übernahmerecht, 2017, S. 200; Aisenbrey, AG 2018, 102, 104).
37 (5) Dass die aktienrechtliche Abfindung wegen der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung (§ 305 Abs. 5 Satz 2 AktG, § 1 Nr. 1 SpruchG) der Disposition der Parteien entzogen ist, hindert die Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG ebenfalls nicht (aA Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 148a; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 109; Süßmann, NZG 2019, 771, 772). Dagegen spricht schon, dass die Abfindung im Spruchverfahren nur zu Gunsten der Aktionäre herauf-, nicht aber zu ihren Lasten herabgesetzt werden kann (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 270/08, ZIP 2010, 2289 Rn. 12 zum Umtauschverhältnis; Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 37; Beschluss vom 21. Februar 2023 - II ZB 12/21, ZIP 2023, 795 Rn. 25 zVb in BGHZ), so dass sich die Beklagte an der in Aussicht gestellten Mindestabfindung später festhalten lassen musste.
38 (6) Schließlich verfängt der Hinweis der Beklagten, sie habe in ihrer Pressemitteilung nach Abschluss der Vereinbarung darauf hingewiesen, sie sei davon überzeugt, dass der Marktwert der Aktien der Zielgesellschaft unter der vereinbarten Mindestabfindung liege, nicht. Für die Bindung des Bieters kommt es ausschließlich auf den dem potentiellen Erwerber zugesagten Preis an, auch wenn dieser über dem vom Bieter angenommenen Marktwert gelegen haben sollte.
39 3. Ein Anspruch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG ausgeschlossen. Eine Vereinbarung, mit der sich ein Paketaktionär vor dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verpflichtet, mit seinen Stimmrechten die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu unterstützen, wenn den außenstehenden Aktionären eine dem Betrag nach bestimmte Mindestabfindung angeboten wird, steht nicht im Zusammenhang mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß § 305 Abs. 1 AktG.
40 a) Die Reichweite des Ausschlusses nach § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG ist ebenfalls umstritten. Nach einer Auffassung soll ein Nachbesserungsanspruch nach § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Bieter mit einem Aktionär eine den Angebotspreis übersteigende Abfindung vorzeitig aushandelt (Kremer/Kulenkamp in KK-WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 98 f.; Hasselbach/Stepper, BB 2021, 771, 778; Windorf, EWiR 2021, 331, 332). Nach anderer Auffassung ist § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG auf solche Vereinbarungen nicht anwendbar (MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 89; Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 227; Süßmann, NZG 2019, 771, 772; tendenziell auch: Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 148a).
41 b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.
42 aa) Nach § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG unterliegt der Bieter bei einem Erwerb im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre keiner Nachbesserungspflicht nach Satz 1 der Vorschrift. Im Anwendungsbereich von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, der die dort genannten Vereinbarungen einem Erwerb gleichstellt, muss daher ein Zusammenhang der Vereinbarung, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft vorliegen. Nähere Vorgaben, wie dieser Zusammenhang beschaffen sein muss, lassen sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen. Er deckt ein enges Verständnis, das einen Zusammenhang nur annimmt, wenn die Vereinbarung einen gesetzlichen Abfindungsanspruch begründet oder einen bereits begründeten Anspruch betrifft, ebenso wie ein weites Verständnis, das einen Zusammenhang für jede Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG bejaht, die sich im Ergebnis auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung bezieht.
43 bb) Der Charakter der Vorschrift als Ausnahmeregelung legt ein enges Verständnis vom Begriff des Zusammenhangs nahe (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1997 - I ZR 116/95, WM 1998, 1248 juris Rn. 29; Urteil vom 7. Oktober 2014 - EnZR 86/13, NVwZ 2015, 459 Rn. 33; Urteil vom 22. Oktober 2014 - VIII ZR 195/13, BGHZ 203, 98 Rn. 37), damit die der Nachbesserungspflicht nach § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG zu Grunde liegende Zielsetzung, die Gleichbehandlung der Aktionäre auch hinsichtlich der innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG vereinbarten Preise zu gewährleisten, nicht ausgehöhlt wird.
44 Auch der unmittelbare Anwendungsbereich von § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG, der nach Satz 1 dieser Bestimmung an einen Aktienerwerb anknüpft, spricht für enges Verständnis. Der Rechtsgrund für die Entstehung eines gesetzlichen Abfindungsanspruchs wird entweder bereits vor dem Aktienerwerb des Bieters gelegt, wie im vorliegenden Fall gemäß § 305 Abs. 1 AktG durch den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, in dem sich das herrschende Unternehmen verpflichtet, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der beherrschten Gesellschaft dessen Aktien gegen Zahlung der angemessenen Abfindung zu erwerben (BGH, Urteil vom 17. März 2008 - II ZR 45/06, BGHZ 176, 43 Rn. 13 - EKU) oder, wie beispielsweise im Fall der Eingliederung (§ 320a Satz 1, § 320b AktG), mit dem Erwerb der Aktien durch den Bieter. Dieser direkten Verknüpfung mit einem gesetzlichen Abfindungsanspruch entspricht ein enges Verständnis vom Begriff des Zusammenhangs auch für Vereinbarungen nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, die einem Erwerb lediglich gleichgestellt werden. Würden demgegenüber auf einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bezogene Vereinbarungen bereits im Vorfeld einer gesetzlichen Abfindungspflicht ermöglicht, bedeutete dies eine erhebliche Ausweitung für den nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG eröffneten Anwendungsbereich. Ob, wie die Revision meint, § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG vor diesem Hintergrund von vornherein nur auf den Erwerb von Aktien Anwendung findet (aA Kremer/Kulenkamp in KK-WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 99; Krause in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 149; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 76), erscheint zweifelhaft, muss aber im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden werden.
45 cc) Für ein enges Verständnis vom Begriff des Zusammenhangs spricht ferner die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, den Erwerb von Aktien "auf Grund" einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung an Aktionäre der Zielgesellschaft von einem Nachbesserungsanspruch auszunehmen (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 16, 56). Auf Empfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages wurde der Wortlaut in die heute geltende Fassung geändert. Dadurch sollte klargestellt werden, dass auch der Erwerb im Rahmen einer Eingliederung und eines Ausschlusses von Minderheitsaktionären nicht zu einem Nachbesserungsanspruch führt. In diesen Fällen erfolge der Erwerb der Aktien nicht auf Grund einer gesetzlichen Abfindung an Aktionäre der Gesellschaft, vielmehr sei dort die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung Folge des Erwerbs der Aktien (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7477, S. 53).
46 Gegenüber der ursprünglichen Formulierung im Gesetzentwurf stellt die nunmehr geltende Fassung zwar eine Erweiterung dar. Die Gesetzesmaterialien beziehen sich aber lediglich auf die Eingliederung und den Ausschluss von Minderheitsaktionären, in denen der sich kraft Gesetzes vollziehende Erwerb der Aktien durch den Bieter (§ 320a Satz 1, § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG) und die Entstehung des jeweiligen Abfindungsanspruchs des Aktionärs (§§ 320b, 327b AktG) zusammenfallen (zum Abfindungsanspruch aus § 320b AktG: OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1503, 1505; Koch, AktG, 17. Aufl., § 320b Rn. 2; BeckOGK AktG/Singhof, Stand 1.4.2023, § 320b Rn. 4; Wilsing/Paul in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 320b AktG Rn. 2; zum Abfindungsanspruch aus § 327b AktG: BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 229/09, BGHZ 189, 32 Rn. 19). Auf § 305 Abs. 1 AktG verweist die Begründung des Finanzausschusses demgegenüber nicht, weil dieser Anspruch mit Ausübung der Abfindungsoption entsteht (BGH, Beschluss vom 20. Mai 1997 - II ZB 9/96, BGHZ 135, 374, 380; Urteil vom 16. September 2002 - II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 31), während die Verpflichtung des Aktionärs zur Hingabe seiner Aktien erst die Folge der Ausübung seines Andienungsrechts ist (BGH, Urteil vom 17. März 2008 - II ZR 45/06, BGHZ 176, 43 Rn. 15 - EKU). Für eine weitere zeitliche Vorverlagerung des Anwendungsbereichs von § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG auf Fälle, in denen der Rechtsgrund der Abfindungspflicht nach § 305 Abs. 1 AktG noch nicht begründet ist, weil ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag noch nicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2008 - II ZR 45/06, BGHZ 176, 43 Rn. 13 - EKU), geben die Gesetzesmaterialien nichts her.
47 dd) Sinn und Zweck von § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG gebieten kein weites Verständnis vom Begriff des Zusammenhangs. Vielmehr legt der Normzweck ebenfalls eine restriktive Auslegung nahe.
48 (1) § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG soll verhindern, dass der Bieter wegen der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Abfindung über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum unkalkulierbaren Kosten im Hinblick auf einen übernahmerechtlichen Nachbesserungsanspruch ausgesetzt ist (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 56; Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Haarmann, 3. Aufl., § 31 Rn. 134; Heidel/Sohbi, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 30; Krause in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 148; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 99; Marsch-Barner in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand 10.2010, § 31 Rn. 116; Steinmeyer/Santelmann/Nestler, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 101; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 89; Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 227). Zugleich ist § 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG Ausdruck der fehlenden freiwilligen Selbstbindung des Bieters, weil er zur Zahlung einer angemessenen Abfindung gesetzlich gezwungen wird (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 74).
49 Die Abstimmung einer Mindestabfindung im Vorfeld eines vom Bieter beabsichtigten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einem Paketaktionär erfolgt ohne gesetzliche Verpflichtung. Sie ist das Ergebnis einer freien Verhandlung der Vertragsparteien und nimmt an der Privilegierung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nicht teil (Brandi/Nartowska/Kiefer, NZG 2021, 226, 227; Süßmann, NZG 2019, 771, 772). Die Beklagte macht selbst geltend, die in Aussicht gestellte Mindestabfindung habe vorliegend über dem Marktwert der Aktie gelegen. Durch einen an eine solche Vereinbarung anknüpfenden Nachbesserungsanspruch entsteht dem Bieter weder ein unabsehbares Kostenrisiko noch wird er auf unabsehbare Zeit einem solchen ausgesetzt. Gegenstand des Spruchverfahrens ist nicht die in einer solchen Vereinbarung zwischen dem Bieter und dem Paketaktionär frei verhandelte Mindestabfindung, sondern die gesetzlich geschuldete Abfindung. Dass es ohne die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung in der Regel nicht zu einer Vereinbarung über eine Mindestabfindung kommen würde (Windorf, EWiR 2021, 331, 332) rechtfertigt kein anderes Verständnis. Vielmehr würde es die Öffnung der Ausnahmebestimmung für Abfindungszusagen an einzelne Paketaktionäre in Bezug auf spätere Strukturmaßnahmen ermöglichen, Sondervorteile zu versprechen, um ihr Übernahmeziel zu erreichen (vgl. Döding, ZGR 2021, 956, 978 ff.). Dies ist vom Zweck der Ausnahmebestimmung nicht mehr gedeckt.
50 Der von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang angeführte Gesichtspunkt, dass sich das aus dem nachfolgenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ergebende Andienungsrecht aus § 305 Abs. 1 AktG an alle Aktionäre richtet, die das Übernahmeangebot nicht angenommen haben, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Eine relevante Ungleichbehandlung der Aktionäre liegt im Fall der Abstimmung einer Mindestabfindung vor der in Aussicht genommen Strukturmaßnahme im Verhältnis zu den Aktionären vor, die das Angebot angenommen haben und ferner unter dem Gesichtspunkt, dass der Paketaktionär frühzeitig von der Bewertung der Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter Kenntnis erhält und seine Risiken im Hinblick auf die Höhe einer späteren Abfindung von vornherein begrenzen kann. Hierdurch werden ihm nicht schutzwürdige Arbitragemöglichkeiten eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2021 - II ZR 315/19, NZG 2022, 276 Rn. 19).
51 (2) Der von der Gesetzesbegründung angeführte weitere Gesichtspunkt, § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG berücksichtige auch, dass die nach § 31 WpÜG geschuldete Gegenleistung von der nach § 305 Abs. 1 AktG geschuldeten Abfindung abweichen könne (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 56), gebietet ebenfalls nicht, Abfindungszusagen an einzelne Paketaktionäre in Bezug auf spätere Strukturmaßnahmen zu ermöglichen.
52 ee) Ob die in der Abfindungsvereinbarung abgestimmte Mindestabfindung in einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag übernommen und in einem gerichtlichen Spruchverfahren bestätigt wird, ist für die Anwendung von § 31 Abs. 5 Satz 2 Fall 1 WpÜG ohne Bedeutung. Der Nachbesserungsanspruch aus § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG entsteht mit dem Abschluss der Vereinbarung (Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Haarmann, 3. Aufl., § 31 Rn. 149; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 103; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 58; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 87; Brellochs, ZGR 2018, 811, 815). Nachträgliche Entwicklungen, deren Eintritt zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ungewiss ist, sind nicht zu berücksichtigen.
53 III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Beklagte ist danach antragsgemäß zu verurteilen.
54 1. Der Anspruch ist nach § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG auf den Unterschiedsbetrag zwischen der im IC in Aussicht gestellten Abfindung von 74,40 € je Aktie und der im Übernahmeangebot genannten Gegenleistung von 66,25 € je Aktie gerichtet.
55 Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für die Höhe des Anspruchs nicht darauf an, ob die mit dem im IC abgestimmte Gegenleistung unter dem Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft bei Vertragsabschluss lag. Zwar wird im Schrifttum angenommen, § 31 Abs. 5 Satz 1 WpÜG sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass ein Anspruch nicht bestehe, wenn der Bieter die Aktien zwar außerbörslich, aber zu einem Preis erwerbe, der den Börsenkurs nicht übersteige (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 70; Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 135; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 94; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 91; Steinmeyer/Santelmann/Nestler, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 95; beschränkt auf ganz geringe Volumina: MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 87). Ob dem zu folgen ist, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden, weil durch die Vereinbarung kein Erwerb zum Börsenkurs bewirkt wurde.
56 2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu (§§ 291, 288 Abs. 2 BGB). Bei dem Anspruch aus § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG handelt es sich um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft gemäß § 288 Abs. 2 BGB.
57 a) Eine Entgeltforderung liegt vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (BGH, Urteil vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08, ZIP 2010, 1698 Rn. 23; Urteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 259/09, ZIP 2010, 1700 Rn. 12). Entgeltlichkeit besteht nicht nur bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen (§§ 320 ff. BGB), sondern auch dann, wenn die Leistung des einen Teils Bedingung für die Entstehung der Verpflichtung des anderen Teils ist (BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 259/09, ZIP 2010, 1700 Rn. 13).
58 b) Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach der Rechtsprechung des Senats beruht der Anspruch auf die angemessene Gegenleistung aus § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG auf der Annahme des Übernahmeangebots und stellt daher einen auf Erfüllung gerichteten vertraglichen Anspruch dar (BGH, Urteil vom 23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 25; Urteil vom 13. Dezember 2022 - II ZR 14/21, WM 2023, 214 Rn. 150). Die Lieferung der Aktien ist eine Bedingung für den Anspruch auf Zahlung der Gegenleistung, weswegen es sich um eine Entgeltforderung gemäß § 288 Abs. 2 BGB handelt(aA OLG Frankfurt, ZIP 2016, 316, 317). Entsprechendes gilt für den Nachbesserungsanspruch aus § 31 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 WpÜG. Dieser Anspruch gehört ebenfalls zu der vom Bieter für die Lieferung der Aktien zu erbringenden Gegenleistung.