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Wirtschaftsrecht
26.07.2019
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Abgasskandal – Hersteller ist Dritter im Verhältnis zum Händler

Volltext: BB-Online BBL2019-1730-2

Leitsätze

1. Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) führt nicht gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug, dessen Motorsteuerung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist.

2. Der Hersteller eines Fahrzeugs oder Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist im Verhältnis zum Händler Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Seine Kenntnis wird dem Händler nicht zugerechnet.

3. Zur Unwirksamkeit einer Rücktrittserklärung nach Verjährung des zugrundeliegenden Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen des sog. Abgasskandals.

Aus den Gründen

I.

Der Kläger verlangt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein von dem sog. „Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug.

Die V. AG (im Folgenden: V. AG) stellte unter der Bezeichnung „EA 189" einen Dieselmotor her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten „Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte „Modus 0“ aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.

Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstandes der V. AG nicht nur in diverse Fahrzeugtypen der V. AG, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen verbaut, u.a. auch in von der A. AG hergestellten Fahrzeugen.

Im Februar 2013 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über ein neues Fahrzeug der Marke A., Typ Q3 2.0 TDI quattro, 130 kW / 177 PS (Rechnung Anlage K 1). Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 3. Juni 2013 übergeben. Der dem Kläger in Rechnung gestellte Gesamtpreis inkl. Überführungs- und Zulassungskosten von 46.200 EUR brutto wurde durch den Kläger bezahlt. In dem Fahrzeug ist ein von der V. AG hergestellter Dieselmotor des o.g. Typs EA 189 mit 2,0 Liter Hubraum verbaut, dessen Motorsteuerung die o.g. Software zur Abgassteuerung enthält.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der V. AG „zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit mit [...] der Typengenehmigung“ die „unzulässigen Abschalteinrichtungen“ zu entfernen und drohte damit, andernfalls „die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen“. Zugleich wurde die V. AG verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 (Anlage B 7) bestätigte das KBA der V. AG gegenüber für das streitgegenständliche Modell, dass die in Reaktion auf den Bescheid vom 15. Oktober 2015 von der V. AG entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet sind, die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen.

Für das hier in Streit stehende Fahrzeug stand das Softwareupdate ab 16. Dezember 2016 zur Verfügung. Hierüber wurde der Kläger mittels Schreiben der A. AG im Januar 2017 informiert. In diesem Schreiben wurde der Kläger zugleich aufgefordert, einen Termin zum Aufspielen des Softwareupdates bei einem Servicepartner der A. AG zu vereinbaren.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. November 2017 (Anlage K 3) erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, das in Streit stehende Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises von 46.200 EUR zurückzunehmen.

Mit seiner am 28. Dezember 2017 bei dem Landgericht eingereichten und der Beklagten am 5. Februar 2018 zugestellten Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 40.329,21 EUR zuzüglich Zinsen Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des o.g. Fahrzeugs verlangt.

Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen,

er sei wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten. Die im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs installierte Software stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Aus diesem Grund sei das Fahrzeug mit einem erheblichen Sachmangel behaftet. Der Mangel sei durch das Aufspielen der neuen Software im Januar 2017 nicht behoben worden. Eine Nachbesserung sei unmöglich, jedenfalls sei eine solche dem Kläger unzumutbar. Deshalb könne er von der Beklagten die Rückzahlung des bezahlten Gesamtkaufpreises von 46.200 EUR abzüglich einer (unter Berücksichtigung einer Laufleistung bis 22. Dezember 2017 von 38.122 km und einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 300.000 km errechneten) Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.870,79 EUR verlangen. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, weil die Mängel durch die Rückrufaktion des Herstellers anerkannt worden seien und ein Termin für das Aufspielen der Software vereinbart worden sei. Darüber hinaus sei die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet, weil der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) nichtig sei.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben und im Übrigen u.a. geltend gemacht,

es liege kein Sachmangel vor, da die in Streit stehende Software keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Jedenfalls sei die geltend gemachte Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen. Außerdem hätte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Nachbesserung setzen müssen. Entgegen seiner Behauptung habe der Kläger das von der V. AG entwickelte Softwareupdate nicht aufspielen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Der Kläger könne nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrages nach §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB verlangen. Denn der mit Schreiben vom 20. November 2017 erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch des Klägers verjährt sei. Die zweijährige Verjährungsfrist habe mit der Übergabe des Fahrzeugs im Juni 2013 begonnen und sei spätestens Ende Juni 2015 abgelaufen gewesen. Die Beklagte sei nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Der Klageanspruch ergebe sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, da der Kaufvertrag nicht wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der damit unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Mit seiner Berufungsbegründung wendet er gegen das erstinstanzliche Urteil zum einen ein, dass sein Anspruch nicht verjährt sei. Die Verjährung habe durch das Aufspielen des Updates erneut begonnen. Außerdem verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie den Kläger einerseits zur Durchführung des Softwareupdates und damit zur Nacherfüllung anleite und sich andererseits auf Verjährung berufe. Zum anderen sei der Kaufvertrag entgegen der Ansicht des Landgerichts wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FVG nichtig.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend führt sie aus, dass der Kläger das von der V. AG entwickelte Softwareupdate im Juni 2018 habe aufspielen lassen.

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2019 – und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – trägt der Kläger ferner vor, das am 15. Juni 2018 durchgeführte Softwareupdate stelle einen (neuen) Mangel dar. Die Verwendung der neuen Software führe nämlich zu einer deutlich stärkeren Verrußung des Rußpartikelfilters. Diese negative Folge des Softwareupdates werde indes in der von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Bescheinigung (Anlage K 9) nicht aufgeführt. In dieser Bescheinigung sichere die A. AG (lediglich) zu, „dass mit der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Geräuschemissionen keine Verschlechterungen verbunden sind und alle typgenehmigungsrelevanten Fahrzeugwerte unverändert Bestand haben.“ Da die Verrußung des Rußpartikelfilters nicht genannt werde, sei die Bescheinigung falsch. Dies stelle einen zusätzlichen Betrugstatbestand dar. Die Beklagte habe sich diese falsche Bescheinigung zu eigen gemacht und hafte hierfür deshalb deliktisch. Die Klageforderung werde zusätzlich hierauf gestützt.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 9. Juli 2019 bestreitet die Beklagte in Bezug auf das am 15. Juni 2019 durchgeführte Softwareupdate zum einen, dass dieses mangelbehaftet gewesen sei oder zu einer Eigentumsverletzung des Klägers geführt habe. Zum anderen habe sie das Softwareupdate weder hergestellt noch habe sie dieses aufgespielt; letzteres habe vielmehr das Autohaus E. H. getan, dessen Rechtsnachfolgerin sie nicht sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen (1.). Soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 15. Juni 2018 erfolgte Aufspielen des seiner Ansicht nach mangelhaften Softwareupdates stützt, ist die darin zu sehende Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO unzulässig (2.).

1. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Vertragliche Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 346 Abs. 1, 349, 437 Nr. 2, 434, 323 BGB, die vorliegend grundsätzlich in Betracht kommen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 17 U 4/18, juris), bestehen im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB nicht (a)). Da der Kaufvertrag entgegen der Ansicht der Berufung nicht wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig ist, hat der Kläger ferner keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB (b)). Auf sonstige Anspruchsgrundlagen stützt der Kläger seinen im Zusammenhang mit dem Kauf des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs geltend gemachten Anspruch weder erst- noch zweitinstanzlich; solche sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere sind deliktische Ansprüche gegen die beklagte Händlerin aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB, aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 27 Abs. 1 EG-FGV oder aus § 826 BGB bereits mangels konkreter Anhaltspunkte für ein schuldhaftes oder sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht gegeben.

a) Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche des Klägers gemäß §§ 346 Abs. 1, 349, 437 Nr. 2, 434, 323 BGB bestehen nicht. Der mit Schreiben vom 20. November 2017 erklärte Rücktritt des Klägers ist nämlich gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB unwirksam, weil der klägerische Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt ist und die Beklagte sich hierauf zulässigerweise beruft.

aa) Zutreffend – und von der Berufung unangegriffen – ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass für den vertraglichen Gewährleistungsanspruch des Klägers die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gilt. Insbesondere kommt vorliegend – was der Kläger auch nicht geltend macht – gemäß § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht hiervon abweichend die Regelverjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB zur Anwendung. Denn die Voraussetzungen des § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB liegen mangels arglistigen Verschweigens des geltend gemachten Mangels durch die Beklagte und – weil der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 2. April 2014 – VIII ZR 46/13 –, juris Rn. 31 mwN) – mangels Zurechnung eines arglistigen Verschweigens durch die V. AG (vgl. hierzu nur OLG München, Urteil vom 3. Juli 2019 – 3 U 4029/18 –, juris Rn. 37; OLG Köln, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 5 U 82/17 – juris Rn. 8 ff. mwN; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. September 2017 – 2 U 4/17 –, juris Rn. 35 mwN; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Mai 2017 – I-22 U 52/17 –, juris Rn. 12) nicht vor.

Da die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe des Fahrzeuges – und damit mit Ablauf des 3. Juni 2013 – begann, endete sie mit Ablauf des 3. Juni 2015 und somit sowohl vor dem mit Schreiben vom 20. November 2017 erklärten Rücktritt als auch vor der im Dezember 2017 erfolgten Klageeinreichung.

bb) Entgegen der Ansicht der Berufung begann die Verjährung durch das Aufspielen des von der V. AG in Reaktion auf den Bescheid des KBA vom 15. Dezember 2015 entwickelte Softwareupdates im Juni 2018 nicht neu.

Zwar kann in einem Nachbesserungsversuch eines Neuwagenverkäufers im Einzelfall ein konkludentes Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. August 2012 – VII ZR 155/10 –, juris Rn. 12 mwN; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Januar 2018 – 9 U 83/16 –, juris Rn. 22 mwN). Maßgeblich ist dabei, ob der Auftragnehmer aus der Sicht des Auftraggebers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein (BGH, aaO mwN). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Beklagte hatte das Vorliegen eines Mangels zuvor bestritten und damit das Softwareupdate aus der Sicht des Klägers nicht in dem Bewusstsein aufgespielt, zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt des Aufspielens des Softwareupdates am 15. Juni 2018 bereits Verjährung eingetreten, so dass schon deshalb ein Anerkenntnis mit verjährungsunterbrechender Wirkung ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 87/14 –, juris Rn. 11 mwN).

cc) Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben.

Zwar kann die Erhebung der Verjährungseinrede im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 –, juris Rn. 43 mwN). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann dabei regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, aaO mwN).

Vorliegend kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten indes nicht festgestellt werden.

(1) Entgegen der Ansicht der Berufung liegt kein widersprüchliches und deshalb gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten der Beklagten vor.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 4. Mai 2018 (dort S. 3 = I 53) die Einrede der Verjährung erhoben. In demselben Schriftsatz hat sie (ausdrücklich hilfsweise [vgl. S. 3 der Klageerwiderung = I 53]) das Vorliegen eines Mangels bestritten (dort S. 6 ff. = I 59 ff.) und im Übrigen den Kläger aufgefordert, sich mit ihr zur Vereinbarung eines Termins zum Aufspielen des von der V. AG entwickelten Softwareupdates in Verbindung zu setzen (dort S. 16 = I 79). Eine frühere Aufforderung der Beklagten lässt sich dem Klägervortrag nicht entnehmen. Bei diesem Sachverhalt – Erhebung der Verjährungseinrede und gleichzeitiges Bestreiten des Vorliegens eines Mangels und hilfsweises Angebot auf Aufspielen des von der V. AG zur Verfügung gestellten Softwareupdates – liegt entgegen der Ansicht der Berufung kein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) der Beklagten vor. Da die Beklagte an dem Bestreiten des Vorliegens eines Mangels bis zu dem Aufspielen des Softwareupdates am 15. Juni 2018 festgehalten hat, konnte bei dem Kläger auch in der Folgezeit nicht die schützenswerte Vorstellung erwachsen, die Beklagte werde die bereits erhobene Verjährungseinrede wieder fallen lassen.

(2) Ferner handelt die Beklagte dadurch, dass sie die Einrede der Verjährung erhebt, nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die V. AG im Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf etwaige (auch bereits verjährte) Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit Motortyp EA 189 eingebauten Software bestehen, verzichtet hat (vgl. die als Anlage B 9 vorgelegte Presseerklärung der V. AG vom 16. Dezember 2015). Ebenso wenig ist die Verjährungseinrede deshalb als rechtsmissbräuchlich zu werten, weil die V. AG öffentlich mitgeteilt haben mag, (auch) die Händler würden auf die Einrede der Verjährung verzichten.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich eine solche – unterstellte – Erklärung überhaupt auf das von einem Tochterunternehmen der Beklagten hergestellte Fahrzeug bezog. Denn das beklagte Autohaus einerseits und die V. AG andererseits sind selbständige rechtliche Personen. Es besteht kein Rechtsschein, die Beklagte habe bei der Fahrzeugkonzeption und -herstellung mitgewirkt oder habe hierauf Einfluss gehabt. Der Kläger konnte und durfte daher nicht davon ausgehen, dass ein von der V. AG erklärter Verjährungsverzicht auch für den Händler gelten würde oder dass die V. AG für die Händler einen Verjährungsverzicht aussprechen oder entscheiden könne, ob diese einen Verjährungsverzicht aussprechen (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Juni 2019 – 13 U 247/18 –, nv; Beschluss vom 12. Juni 2019 – 13 U 206/19 –, nv).

Unabhängig davon war im Streitfall Verjährung bereits vor Bekanntwerden der geltend gemachten Manipulation und der Mitteilung der V. AG eingetreten, weshalb ausgeschlossen ist, dass der Kläger gerade im Hinblick auf die öffentliche Mitteilung der V. AG von einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgesehen hat (ebenso OLG Karlsruhe, aaO).

b) Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist entgegen der Ansicht der Berufung selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht gemäß § 134 BGB nichtig.

aa) Nach § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) dürfen Neufahrzeuge im Inland nur feilgeboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Erfordernis der Gültigkeit im Sinne des § 27 EG-FGV in einem materiellen oder aber in einem formellen Sinn zu verstehen ist, ob es also darauf ankommt, ob die Übereinstimmungsbescheinigung wirksam ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 – X ZR 34/98 –, juris Rn. 18 mwN) ist für die nach § 134 BGB gebotene Abwägung wesentlich, ob sich das betreffende Verbot an alle Beteiligten des Geschäfts richtet, das verhindert werden soll, oder ob es nur eine Partei bindet. Sind beide Teile Adressaten des Verbots, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle keine Wirkungen entfalten. Richtet sich das Verbot dagegen nur gegen eine Partei, ist regelmäßig der gegenteilige Schluss gerechtfertigt. Die Unterscheidung führt dazu, dass in den Fällen, in denen das betreffende Verbot allein den einen Teil trifft, die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in Betracht kommt, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert.

bb) Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist der hier in Streit stehende Kaufvertrag selbst bei einem unterstellten Verstoß der Beklagten gegen § 27 EG-FGV nicht gemäß § 134 BGB nichtig (so auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 21. Dezember 2018 – 11 U 55/18 –, juris Rn. 66 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 5 U 82/17 –, juris Rn 8 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. August 2018 – 12 U 179/17 –, n.v., vorgelegt als Anlage BB 8; Armbrüster, Verbotsnichtigkeit von Kaufverträgen über abgasmanipulierte Fahrzeuge, NJW 2018, 3481).

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 EG-FGV, die den Zweck verfolgt, dass nur vorschriftsgemäße Fahrzeuge in den Verkehr gelangen, richtet sich nämlich in allen Handlungsalternativen des Feilbietens, Veräußerns und Inverkehrbringens einseitig an den Verkäufer. Zugleich liegt dem Verbot kein Zweck zugrunde, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert. Zum einen hat der Verordnungsgeber einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 27 Abs. 1 EG-FGV nämlich bereits als Ordnungswidrigkeit sanktioniert (vgl. § 37 Abs. 1 EG-FGV). Dies erfolgte ausweislich der Verordnungsbegründung (BR-DrS. 190/09, S. 57 f.) ausdrücklich dazu, um „die in § 27 enthaltenen Anforderungen besser durchsetzen zu können“. Zum anderen hat der Verordnungsgeber dem KBA zur Sicherung der Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Fahrzeugtyp in § 25 EG-FGV diverse Möglichkeiten zur Hand gegeben (ua auch den Widerruf der Typengenehmigung), um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner zusätzlichen zivilrechtlichen Sanktionswirkung in Form der Nichtigkeit des Kaufvertrags, um den Zweck des § 27 EG-FGV zu erreichen.

Im Übrigen führte die Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV zu nachteiligen Folgen für den Käufer des Kraftfahrzeugs, die mit der Zielsetzung des § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht in Einklang zu bringen sind. Im Fall der Nichtigkeit des Kaufvertrags würden dem Käufer nämlich nicht nur dessen kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte genommen werden. Vielmehr käme in diesem Fall zu seinem Nachteil auch die verschärfte Haftung des § 819 BGB zum Tragen. Eine solche Schlechterstellung des Fahrzeugkäufers ist vom Schutzzweck des § 27 EG-FGV nicht umfasst.

2. Soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das am 15. Juni 2018 erfolgte Aufspielen des seiner Ansicht nach mangelhaften Softwareupdates stützt, ist die darin zu sehende Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO unzulässig.

Mit dem Aufspielen des Softwareupdates vom 15. Juni 2018, den behaupteten negativen Folgen der neu aufgespielten Software und des behaupteten Verschweigens dieser negativen Folgen führt der Kläger in der Berufungsinstanz neben dem bisherigen Lebenssachverhalt – Verkauf und Übergabe eines mangelbehafteten Fahrzeugs im Jahr 2013 – einen weiteren Lebenssachverhalt und damit weiteren Streitgegenstand ein. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße auch in der Berufungsinstanz nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Änderung des Klageantrags, sondern um eine nachträgliche objektive Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO, auf die die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend anzuwenden sind und die deshalb auch von § 533 ZPO erfasst wird (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03 –, juris Rn. 24 mwN).

Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (§ 533 Nr. 1 ZPO) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weshalb die Klageerweiterung im Berufungsrechtszug unzulässig und daher als unzulässig abzuweisen ist (vgl. Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 533 Rn. 24 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 23. November 1960 – V ZR 102/59 –, juris Rn. 8; Senat, Urteil vom 13. November 2018 – 17 U 98/17 –, nv).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einführung eines weiteren Streitgegenstandes im Streitfall sachdienlich ist, was fraglich sein dürfte, weil ein völlig neuer Prozessstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Januar 2012 – V ZR 92/11 –, juris Rn. 15 mwN).

Denn die Zulässigkeit der Einführung des neuen Streitgegenstandes in den Rechtsstreit scheitert jedenfalls daran, dass die darin zu sehende Klageänderung nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung „ohnehin“ nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das sind nämlich zum einen die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen, die den Prozessstoff der Berufungsinstanz im Hinblick auf das ursprüngliche Berufungsbegehren bilden einschließlich der bindenden Feststellungen des Eingangsgerichts und des vom Eingangsgericht nicht beurteilten Vorbringens (MünchKommZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 533 Rn. 14 mwN). Auf solchem Tatsachenstoff beruht der neue Streitgegenstand vorliegend aber nicht. Dazu kann zum anderen neues, auf den (ursprünglichen) Berufungsgegenstand bezogenes Vorbringen kommen, das nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen oder unstreitig ist (MünchKommZPO/Rimmelspacher, aaO mwN). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Beklagte hat sowohl die behaupteten nachteiligen Folgen des Softwareupdates bestritten als auch vorgetragen, dieses nicht installiert zu haben. Sonstiger Tatsachenstoff, der für die ursprüngliche Klage nicht entscheidungserheblich ist, kann im Wege der Klageänderung nicht in das Berufungsverfahren eingeführt werden (MünchKommZPO/Rimmelspacher, aaO mwN; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 533, Rn. 22; Saenger/Wöstmann, ZPO, 7. Aufl., § 533 Rn. 12 mwN; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09 –, juris Rn. 32).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Berufungsurteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert des Berufungsverfahrens festzusetzen. Soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz auch auf das am 15. Juni 2018 erfolgte Aufspielen des seiner Ansicht nach mangelhaften Softwareupdates gestützt hat, war dies nicht gemäß § 5 ZPO streitwerterhöhend zu berücksichtigen, nachdem die Klageerweiterung unzulässig ist.

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