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Wirtschaftsrecht
10.03.2022
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund aus verhaltensbedingten Gründen

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1.3.2022 – 1 W 85/21 Wx

Volltext: BB-Online BBL2022-578-2

Amtliche Leitsätze

1. Ein die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds tragender wichtiger Grund in dessen Person ist im Allgemeinen gegeben, wenn ein Verbleiben des Mitgliedes im Aufsichtsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist, weil einem Verbleib das Interesse der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat entgegensteht.

2. Ein verhaltensbedingter wichtiger Grund für eine Abberufung muss sich nicht zwingend aus dem Verhalten als Aufsichtsratsmitglied ergeben. Es genügt, dass ein Zusammenhang des Verhaltens mit der Aufsichtsratstätigkeit erkennbar ist und dass sich der verhaltensbedingte Grund auf diese Tätigkeit und damit auf die Gesellschaft auswirkt. Für letzteres genügen bereits Reputationsschäden der Gesellschaft, die - auch - auf einem ethischen Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seines Aufsichtsratsmandats beruhen können.

3. Der Umstand, dass das abzuberufende Aufsichtsratsmitglied weitere Pflichten – wie hier als Betriebsrat – zu beachten hat, hindert die Annahme eines wichtigen Grundes für die Abberufung jedenfalls dann nicht, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, da eine mögliche Interessenkollision die Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft nicht entfallen lässt.

4. Da sich der wichtige Grund für die Abberufung aus der Zerstörung des Vertrauens der Gesellschaft in die persönliche Integrität und Zuverlässigkeit und der daraus ergebenden mangelnde Eignung als Aufsichtsratsmitglied ergibt, kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr einer Wiederholung des konkreten Fehlverhaltens besteht.

 

Aus den Gründen

I.

Der Aufsichtsrat der … SE (fortan: Gesellschaft) begehrt die Abberufung des Antragsgegners als Mitglied des Aufsichtsrates der Gesellschaft aus wichtigem Grund.

Der bei der Gesellschaft beschäftigte Antragsgegner ist seit 2019 als Gewerkschaftsvertreter Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft; seine reguläre Amtszeit endet 2024. Der Antragsgegner war zudem als Arbeitnehmervertreter Mitglied des Betriebsrates der Gesellschaft, dessen Vorsitz er - nach den hier streitgegenständlichen Geschehnissen - am 25.06.2021 niederlegte.

Nachdem die Gesellschaft aufgrund von whistleblower-Meldungen mit dem Verdacht konfrontiert worden war, das sein - damaliges - Mitglied des Aufsichts- und Betriebsrats, B., über viele Jahre hinweg tatsächlich mehrfach im Urlaub gewesen sei, ohne solchen bei der Gesellschaft beantragt zu haben, sprach die Gesellschaft diesen am 27.05.2021 hierauf an, bat um die Bestätigung der Korrektheit seiner Urlaubsliste, führte gegen Mittag ein diesbezügliches Gespräch mit dem Antragsgegner als Betriebsratsvorsitzenden und einer seiner Stellvertreterinnen und wandte sich schließlich am späten Nachmittag (16:53 Uhr) unter Bezugnahme auf das zuvor geführte Gespräch („wie heute Mittag besprochen“) per E-Mail an den Betriebsrat mit der Bitte, sie über die Abwesenheitszeiten des B. im Betriebsrat zu informieren (Anlage ASt2 [AS34]).

Bereits um 13:19 Uhr des 27.05.2021 manipulierte der Antragsgegner die Absage-E-Mail des B. zur 90. Sitzung des Betriebsrats, indem er den Absagegrund „Urlaub“ entfernte (Anlage ASt 13,Seiten 3f. [AS61f.]). Am 28.05.2021 löschte der Antragsgegner die Absage-E-Mails des B. zur 80., 82. und 87. Betriebsratssitzung (Anlage ASt13, Seiten 1 bis 3 [AS 59 ff.]). Am 29.05.2021 beantragte der Antragsgegner Urlaub vom 31.05. bis zum 02.06.2021.

Nachdem am 31.05.2021 B. gegenüber der Gesellschaft bestätigt hatte, dass die vorgelegte Urlaubsliste vollständig und korrekt sei, führte die Gesellschaft ein weiteres Gespräch mit dem Antragsgegner als Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreterinnen mit Blick auf die Erforderlichkeit des Abgleichs mit den Organisationsdaten des Betriebsrats und forderte erneut zur Herausgabe der dem Betriebsrat vorliegenden Informationen zur Abwesenheit des B. auf, konkret an welchen Betriebsratssitzungen dieser laut der Dokumentation des Betriebsrats aus welchem Abwesenheitsgrund nicht teilgenommen hatte.

Am 01.06.2021 erhielt die Gesellschaft einen ersten anonymen Hinweis darauf, dass relevante Daten, insbesondere „Urlaubsabsagen“ des B. bezüglich der 80. Sitzung des Betriebsrats am 15.10.2020, dessen 82. Sitzung am 22.10.2020 und dessen 87. Sitzung am 26.11.2020, aus der sog. (E-Mail-)Inbox des Vorsitzes des Betriebsrats gelöscht worden seien. Ebenfalls am 01.06.2021 beantragte die Gesellschaft beim Betriebsrat eine - bis spätestens 04.06.2021 durchzuführende - Sondersitzung, um über die Herausgabe konkreter Ab- und Anwesenheitszeiten des B. zu entscheiden (Anlage ASt 3, Seiten 2 f. [AS 36 f.]). Eine Stellvertreterin des Antragsgegners lud zu einer Sondersitzung auf den 02.06.2021, der Antragsgegner nahm aus seinem Urlaub eine Verlegung und Neuladung auf den 04.06.2021 vor. Auf Bitte der Gesellschaft vom 02.06.2021 (Anlage ASt 3, Seiten 1 f. [AS 35 f.]) wurde die Sondersitzung auf den 07.06.2021 verlegt. Mit E-Mail vom 04.06.2021 (Anlage ASt 3, Seite 1 [AS 35]) konkretisierte die Gesellschaft ihr Auskunftsbegehren gegenüber dem Betriebsrat.

Am 08.06.2021 beschloss der Betriebsrat der Gesellschaft auf seiner - vom 07.06.2021 fortgesetzten - Sitzung, letzterer für die damalige Amtszeit des B. seit Mai 2018 eine Excel-Tabelle mit dessen - unter Schwärzung im Übrigen - abgelehnten Meeting-Requests (E-Mail) mit der Absage und dem Absagegrund sowie der Zeile in der vom Vorzimmer geführten Anwesenheitsliste der Sitzung, in der für diesen nachgeladen wurde, zu überlassen, und wies darauf hin, dass die Daten ausschließlich zur Sitzungsorganisation und konkretem Nachladen erfasst worden seien und allenfalls zur Anwendung des § 23 BetrVG verwendet werden dürften. Auf Nachfrage der Gesellschaft vom 08.06.2021 (Anlage ASt 4, Seite 1 [AS 38]) übermittelte der Betriebsrat am gleichen Tag die Excel-Tabelle gemäß dem gefassten Beschluss (Anlage ASt 5, Seiten 1 f. [AS 39 f.]). Zuvor hatte der Betriebsrat am 08.06.2020 ein „Kollegenteam“ gebildet, das anhand der von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Daten abglich, wann B. anwesend war und wann nicht, sowie, soweit festgestellt wurde, dass dieser bei einer Betriebsratssitzung nicht anwesend war, den jeweiligen Nachladegrund recherchierte. Bei der Durchsicht war dem Rechercheteam aufgefallen, dass einzelne - jeweils in einem separaten E-Mail-Ordner zu den Betriebsratssitzungen abzulegende - Absage-E-Mails fehlten; diese waren auch nicht im deleted folder des E-Mail-Postfachs des Betriebsratsvorsitzes. Auf diese von ihm festgestellten Ungereimtheiten bei den An-/Abwesenheitszeiten des B. hatte das Kollegenteam den Betriebsrat bei Überlassung der Rechercheergebnisse hingewiesen.

Mit E-Mail vom 09.06.2021 forderte die Gesellschaft beim Betriebsrat für 13 Abwesenheitstage die Übermittlung der Originaldokumentation ein, u.a. für die 80. Betriebsratssitzung am 15.10.2020, die 82. am 22.10.2020, die 87. am 26.11.2020 und die 90. am 10.12.2020 (Anlage ASt 5, Seite 1 [AS39]). Nachdem der Betriebsrat mit E-Mail vom 10.06.2021 (Anlage ASt 6, Seite 1 [AS 41]) der Gesellschaft Originaldokumente überlassen hatte, rügte diese mit E-Mail vom 11.06.2021 (Anlage ASt 7, Seiten 1 f. [AS 43 f.]), dass diese nicht vollständig sind, u.a. fehlten die Dokumentation der 80., 82. und 87. Sitzung des Betriebsrates, insbesondere die Absage-E-Mails mit Absagegrund.

Nachdem sich die Gesellschaft im Anschluss dazu entschlossen hatte, Betriebsratsmitglieder zu den Urlaubs- und Abwesenheitszeiten des B. zu befragen, leitete der Antragsgegner am 14.06.2021 eine E-Mail des den Betriebsrat beratenden Rechtsanwalts an diese weiter, wonach es pflichtwidrig sei, wenn einzelne Betriebsratsmitglieder ohne Beschluss des Betriebsrates dortige Internas preisgeben (Anlage ASt 8 [AS 47]). Ebenfalls am 14.06.2021 rügte die Gesellschaft gegenüber dem Betriebsrat nochmals, dass die mit E-Mail vom 11.06.2021 erbetenen fehlenden Informationen noch nicht vorliegen (Anlage ASt 9, Seite 1 [AS 48]), und es erreichte sie eine weitere whistleblower-Meldung, wonach aus der Inbox des Betriebsratsvorsitzes E-Mails gelöscht worden seien, welche für die Klärung der Verdachtsmomente gegen B. erheblich seien, und dessen Absage-E-Mail vom 04.12.2020 betreffend die 90. Betriebsratssitzung am 10.12.2020 inhaltlich verändert worden sei. Noch am gleichen Tag wandte sich die Gesellschaft daher erneut an den Betriebsrat und forderte zum Zweck der Aufklärung zur gemeinsamen Einsichtnahme in die Logfiles der Inbox des Betriebsratsvorsitzes auf (Anlage ASt10 [AS52]).

Am 15.06.2021 übersandte der Antragsgegner die drei fehlenden Absage-E-Mails des B. für die 80., 82. und 87. Betriebsratssitzung (Anlage ASt 11, Seite 1 [AS 53]: „Wir haben noch einmal recherchiert und weitere Dokumente gefunden“), nachdem er diese zuvor mittels des Vorgangs recover deleted items wiederhergestellt hatte; mit dieser E-Mail des Antragsgegners wurde zudem - u.a. - eine Absage-E-Mail des B. bezüglich der 90. Betriebsratssitzung übermittelt, die der Gesellschaft bereits am 10.06.2021 mit anderem Inhalt übersandt worden war: Während in der ersten überlassenen E-Mail als Absagegrund nur „bitte nachladen“ angegeben gewesen war, hieß es nunmehr „Urlaub, bitte nachladen“.

Am 17.06.2021 stimmte der Betriebsrat der von der Gesellschaft begehrten Einsichtnahme in die Logfiles der Inbox des Betriebsratsvorsitzes zu.

Am 23.06.2021 wurde der Antragsgegner von der Gesellschaft zu einer Verdachtsanhörung auf den 24.06.2021 geladen, die auf dessen Wunsch auf den 25.06.2021 verlegt wurde. Im Rahmen der Anhörung bestätigte der Antragsgegner das Löschen der drei Absage-E-Mails des B. für die 80., 82. und 87. Betriebsratssitzung aus der Inbox des Betriebsratsvorsitzes und deren Verschiebung sowie die Manipulation der Absage-E-Mail des B. vom 04.12.2020 hinsichtlich der 90. Sitzung des Betriebsrats. Schließlich gab der Antragsgegner zu, den Scan des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 26.07.2018 insofern manipuliert zu haben, als er die letzten drei Seiten mit der Unterschriften-, der Nachladeliste und einem Abwesenheits-Excel-Ausdruck entfernt hatte. Der Antragsgegner erklärte sein Verhalten im Wesentlichen damit, dass er B. habe helfen wollen und mehr oder weniger im Sinne eines Augenblicksversagens spontan gehandelt habe. Im Nachgang teilte der Antragsgegner mit E-Mail vom gleichen Tag mit, dass er das von ihm manipulierte Betriebsratsprotokoll dadurch wieder hergestellt habe, dass er die Originale neu eingescannt und diesen Scan nunmehr dem Postfach-Ordner wieder zugeführt habe. Im Anschluss an die Anhörung nahm die Gesellschaft Einblick in die Logfiles der Inbox des Betriebsratsvorsitzes; zu dessen Ergebnis wird auf das als Anlage vorgelegte Protokoll vom 25.06.2021 (Anlage ASt 13 [AS 59]) verwiesen.

Das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners mit der Gesellschaft hat diese mit Schreiben vom 05.07.2021 außerordentlich gekündigt; mit Urteil vom 01.12.2021 hat das Arbeitsgericht die Kündigung für wirksam erklärt.

Auf seiner Sitzung am 29.07.2021 fasste der Antragsteller - ohne die Stimme des von der Stimmabgabe ausgeschlossenen Antragsgegners - einstimmig den Beschluss, dessen gerichtliche Abberufung aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund zu beantragen (Anlage ASt 1 [AS29]).

Mit Beschluss vom 20.10.2021 - dem Antragsgegner zugestellt am 28.10.2021 (AS 172) - hat das Registergericht dem Begehren des Antragstellers stattgegeben: Das Löschen und Manipulieren von E-Mails sei ein die Abberufung tragender wichtiger Grund. Es sei sowohl eine grobe Pflichtverletzung als auch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Antragstellers als gegeben anzunehmen. Dieser könne überzeugend darlegen und habe glaubhaft gemacht, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich und daher seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sei. Der Antragsteller habe die Geschäftsführung der Gesellschaft zu überwachen und gewähre zudem Betriebsratsmitgliedern im Aufsichtsrat Einblick und Mitspracherechte in strategische Fragen der Unternehmensentwicklung. Daran anknüpfend sei die Grundlage der Zusammenarbeit der Mitglieder des Antragstellers sowie das jeweilige Vertrauen ineinander als auch das Pflichtbewusstsein und die Integrität der Mitglieder als einheitliches Gesellschaftsorgan durch das Verhalten des Antragsgegners nicht mehr gewährleistet. Durch sein Handeln - welches er erst zu jenem Zeitpunkt zugegeben habe, in dem die Aufklärung der Vorgänge aufgrund von technischen Daten und Mitteln unmittelbar bevorgestanden habe - habe der Antragsgegner das Vertrauen in seine Person und dadurch in seine Loyalität und sein Pflichtbewusstsein verloren. Denn der Antragsgegner habe aus dem Inneren der Gesellschaft damit gegen den Vorstand, der ein Ermittlungsverfahren zur Aufarbeitung des Sachverhalts rund um B. eingeleitet gehabt habe, und damit letztlich gegen die gesamte Gesellschaft und den Antragsteller gearbeitet. Dem Antragsgegner sei dabei jenes Ermittlungsverfahren als Aufsichtsrat und Betriebsratsvorsitzenden auch von Beginn an bekannt gewesen. Er habe somit, trotz des Wissens, dass möglicherweise vertragswidrige Abläufe stattgefunden hätten, sein persönliches Interesse und die Beziehung zu B. über das Interesse der Gesellschaft gestellt, indem er - wie von ihm (erst) am 25.06.2021 zugegeben und vom Antragsteller durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen von K. und der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden B. im Übrigen auch glaubhaft gemacht - E-Mails gelöscht, verschoben und E-Mails und auch den Scan des Protokolls einer Betriebsratssitzung inhaltlich manipuliert habe. Auch wenn der Antragsgegner hierbei im Wesentlichen im Rahmen seiner Stellung als Betriebsratsvorsitzender gehandelt habe, so werde daraus doch deutlich, dass eine vertrauensvolle Arbeit zwischen dem Antragsgegner als Person und den übrigen Mitgliedern des Antragstellers aufgrund dieses Verhaltens nicht mehr möglich sei, weil zukünftige Entscheidungen oder Abstimmungen des Antragsgegners hinterfragt werden könnten und aus Sicht des als Kontrollorgan fungierenden Antragstellers sogar hinterfragt werden müssten, so dass von einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Ein solches Bild würde letztlich nicht nur an der Integrität des einzelnen Mitgliedes, sondern auch an der des gesamten Antragstellers zweifeln lassen. Das Verbleiben des Antragsgegners im Antragsteller bis zum Ablauf seiner Amtszeit sei daher für die Gesellschaft und den Antragsteller unzumutbar. Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten vor dem Registergericht wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die am 24.11.2021 (AS 173) eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners, der mit seinem Rechtsmittel sein Begehren auf Zurückweisung des Antrags des Antragstellers weiterverfolgt: Die von der Gesellschaft am 01.06.2021 bis spätestens zum 04.06.2021 beantragte Betriebsratssitzung sei auf den 04.06.2021 terminiert, dann allerdings auf Wunsch der Gesellschaft mit Mail vom 02.06.2021 verlegt worden und habe am 07./08.06.2021 stattgefunden. Noch am 08.06.2021 habe der Betriebsrat - gemäß seinem am gleichen Tag gefassten Beschluss - eine inhaltlich korrekte und vollständige Excel-Liste, an deren Erstellung er - der Antragsgegner - nicht beteiligt gewesen sei, mit den Angaben des B. zu Absagen und Absagegrund für Betriebsratssitzungen übersandt. Somit habe es auch keinerlei Auswirkungen durch seinen - des Antragsgegners - Datenzugriff gegeben. Nachdem er - der Antragsgegner - in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender der Gesellschaft die von dieser mit Mail vom 11.06.2021 angeforderten Originaldokumente am 15.06.2021, die er zuvor so, wie sie ursprünglich gewesen seien, wiederhergestellt gehabt habe, per Mail übersandt gehabt habe, hätten der Gesellschaft am 15.06.2021 alle angeforderten Daten, die sie in dem gegenüber B. geführten Verfahren beansprucht habe, vorgelegen. Unklar sei, weshalb vom Antragsteller ausgeführt werde, dass das Rechercheteam bei der Recherche nichts habe finden können; es habe vielmehr ein Dokument, die Meeting-Request-Absage der 83ten BR-Sitzung vom 22.10.2020 gefunden und zur Weiterleitung zur Verfügung gestellt. Er - der Antragsgegner - habe weitere ursprünglich gelöschte und die inhaltlich wieder richtig gestellte Meeting-Request-Absage hinzugefügt. Er habe sein Verhalten nicht erstmals in der Anhörung vom 25.06.2021 geändert, vielmehr habe er bereits im Vorfeld vollständig dafür gesorgt, dass sein Zugriff auf die Daten rückgängig gemacht worden sei und die Gesellschaft die Daten erhalte; in der Anhörung habe er sodann sein Verhalten unumwunden eingeräumt, sich einsichtig gezeigt und entschuldigt. Es sei somit auch unrichtig, dass sein umfassendes Geständnis nur deshalb erfolgt sei, weil eine Einsichtnahme in die Logfiles bevorgestanden habe. Er - der Antragsgegner - habe keinen Einfluss auf die Terminierung des Anhörungsgespräches und Einsichtnahme in die Logfiles gehabt; mit anderen Worten hätte die Einsicht in die Logfiles in jedem Fall stattgefunden und habe von vornherein nicht im Zusammenhang mit seinen zu erwartenden Angaben im Anhörungsgespräch gestanden. Sein umfassendes Geständnis zeige sich zudem darin, dass er in dem Gespräch am 25.06.2021 eingeräumt habe, Seiten aus dem Scan des Protokolls der 8ten Sitzung des Betriebsrats entfernt zu haben, was durch den geplanten Zugriff auf die Logfiles bezüglich der E-Mail-Requests nicht herauszufinden gewesen wäre. Unberücksichtigt sei geblieben, dass sich die Pflichtverletzung in Gestalt des Zugriffes auf die Daten des Betriebsrates allenfalls auf das Amt des Betriebsratsvorsitzenden beziehen könne, nicht aber auf das Amt als Aufsichtsrat. Die Gesellschaft habe weder ein Einsichtsrecht noch ein Recht auf Überlassung der Daten des Betriebsrats. Fehlerhaft sei eine negative Prognose gestellt worden: Zum einen sei nicht davon auszugehen, dass er - der Antragsgegner - abermals in vergleichbarer Weise agieren werde, was sich bereits an seinem Verhalten während der Datenabfrage der Gesellschaft zeige, in dem er die Zugriffe auf die Daten rückgängig gemacht habe, zum anderen sei es faktisch ausgeschlossen, da er sein Amt als Betriebsratsvorsitzender niedergelegt habe und damit faktisch keinen Zugriff auf das Mailpostfach des Betriebsratsvorsitzes mehr nehmen könne. Soweit das Registergericht annehme, dass sein - des Antragsgegners - Verbleib im Antragsteller zu dessen Funktionsunfähigkeit führen würde, unterstelle es wohl einen „Einfluss“ des Aufsichtsrates durch ihn (sic), was allerdings nicht der Fall sei. Bei Kollektivorganen wie dem Antragsteller könne es immer zu Uneinigkeit kommen, was allerdings die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtige. Weshalb - unterstellt die Mitglieder des Antragstellers würden eine Abstimmung seinerseits in frage stellen - dadurch die Handlungsfähigkeit des Antragstellers beeinträchtigt sein könne oder an dessen Integrität zweifeln lassen würde, sei nicht ersichtlich. Ferner habe in die Abwägung einfließen müssen, dass die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Gesellschaft rechtlich durchaus zu hinterfragen sei. Die Gesellschaft habe vom Betriebsrat Daten angefordert, in welche allein dessen Mitglieder ein Einsichtsrecht hätten (§ 34 Abs. 3 BetrVG), und diese dazu verwenden wollen, um gegenüber B. den Verdacht - für den offensichtlich weder greifbare Anhaltspunkte noch andere Beweise existiert hätten, der Vorgesetzte von B. habe diesen nicht vermisst - zu bestätigen, dieser habe eigenmächtig mehrwöchigen Urlaub genommen. Die Angabe eines Absagegrundes einerseits und die Frage, ob tatsächlich Urlaub gemacht worden sei, seien zwei nicht korrelierende Dinge. Allenfalls könne angenommen werden, dass B. dem Betriebsrat einen unrichtigen Absagegrund mitgeteilt habe, was allenfalls eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Betriebsratsgremium darstellen würde. Ein angeblicher Lohnbetrug des B. habe über die streitgegenständlichen Meeting-Request-Absagen nicht bewiesen werden können. Letztlich habe die Gesellschaft durch die Anfrage gegenüber dem Betriebsrat nicht mehr herausfinden können, ob B. an einer Betriebsratssitzung teilgenommen habe oder nicht. Der Betriebsrat habe die Verwendung der Daten allein für die Anwendung des § 23 BetrVG freigegeben, einer Norm, die ausschließlich Konsequenzen für das Amt als Betriebsratsmitglied zur Folge haben könne; die Gesellschaft sei offensichtlich der Ansicht, sie habe die Daten zu anderen Zwecken verwenden können, als der Betriebsrat diese freigegeben habe. Er - der Antragsgegner - habe mithin keine Daten der Gesellschaft gelöscht und geändert. Dass der Antragsteller damit, sich auf diese Daten bzw. den Streit darum, ob er - der Antragsgegner - diese löschen oder ändern durfte, als Grund für seine Abberufung zu berufen, ausgeschlossen sei, folge unmittelbar auch aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), wonach technische Daten, die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet seien, nur nach entsprechender - hier fehlender - Mitbestimmung durch den Betriebsrat verwendet werden dürften; zur individualrechtlichen Sanktion gegenüber B. habe die Gesellschaft die Daten nach dem Beschluss des Betriebsrates aber gerade nicht verwenden dürfen. All das sei aber nur Gegenstand der rechtlichen Betrachtung, er - der Antragsgegner - sei keineswegs uneinsichtig und könne die Interessenlage der Gesellschaft an der Durchführung der Aufklärung verstehen und nachvollziehen. Er sei sich bewusst, dass zwischen der rechtlichen Beurteilung einerseits und im täglichen Umgang miteinander andererseits nicht immer die gleichen Grenzen verliefen.

Der Antragsgegner beantragt daher,

den Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Mannheim vom 20.10.2021, Aktenzeichen: HRB 719915, dahin abzuändern, dass der Antrag zurückgewiesen wird.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Registergericht hat der Beschwerde des Antragsgegners mit Beschluss vom 21.12.2021 (AS 227 f.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten in der Beschwerde wird auf die hier gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Registergerichts (Art.9Abs.1lit.c) ii) SE-VO, §103Abs.3Satz4AktG,§§402Abs.1, 375 Nr. 3, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 3 Satz 1 FamFG) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Registergericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass in der Person des Antragsgegners ein wichtiger Grund vorliegt, der dessen Abberufung als Aufsichtsratsmitglied auf Antrag des Antragstellers veranlasst (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO, § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG).

1. Da der Antragsgegner als Gewerkschaftsvertreter - und nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft - zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt wurde (§§ 36 Abs. 3 Satz 2, 6 Abs. 2 Satz 1 SEBG), seine Bestellung somit unabhängig vom Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft ist, ist der in Bezug auf letzteres geführte Kündigungsschutzprozess und dessen Ausgang für das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ohne Belang (vgl. dazu auch MünchKomm/AktG - Habersack, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 41).

2. Der erforderliche Antrag des Antragstellers auf Abberufung des Antragsgegners als Aufsichtsratsmitglied aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO, § 103 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG) liegt mit dem Beschluss vom 29.07.2021 (Anlage ASt 1 [AS 19 f.]) vor (vgl. dazu auch Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 103 Rn. 12).

3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde des Antragsgegners dagegen, dass das Registergericht einen in seiner Person liegenden, seine Abberufung als Aufsichtsratsmitglied tragenden wichtigen Grund (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO, § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG; vgl. dazu auch Habersack/Drinhausen-Seibt, SE-Recht, 3. Aufl. 2022, Art. 40 SE-VO Rn. 62) angenommen hat.

3.1 Das einen unbestimmten Rechtsbegriff beinhaltende Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes (in der Person des abzuberufenden Aufsichtsratsmitglieds) ist aufgrund einer wertenden Beurteilung der - vom Gericht festzustellenden - Umstände des Einzelfalles auszufüllen (vgl. OLG München, Beschl.v.28.08.2018 - 31Wx61/17 [jurisRn.2]; OLG Frankfurt, Beschl.v.01.10.2007 - 20 W 141/07 [juris Rn. 10]; MünchKomm/AktG - Habersack, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 39). Ein die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds tragender wichtiger Grund in dessen Person ist im Allgemeinen gegeben, wenn ein Verbleiben des Mitgliedes im Aufsichtsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist (arg.§626Abs.1BGB und § 84 Abs. 3 AktG; vgl.auchSchmidt/Lutter-Drygala, AktG, 4. Aufl. 2020, § 103 Rn. 14; Grigoleit - Grigoleit/Tomasic, AktG, 2. Aufl. 2020, § 103 Rn. 17; Frodermann/Janott - Henning, Hdb AktienR, 9. Aufl. 2017, § 8 Rn. 60 Fn.116;KK/AktG-Mertens/Cahn,AktG,3.Aufl.2013,§103Rn.33), insbesondere weil der weitere Verbleib im Amt die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt (vgl. OLG München, Beschl. v. 28.08.2018 - 31 Wx 61/17 [juris Rn. 3]; Beschl. v. 28.08.2018 - 31 Wx 135/18 [BeckRS 2018, 20539 Rn. 5]; OLG Frankfurt, Beschl.v.01.10.2007-20W141/07[juris Rn. 10]; Bürgers/Körber/Lieder - Bürgers/Fischer,AktG,5.Aufl. 2021, § 103 Rn. 11). Zu fragen ist vor allem, welche Bedeutung der für die Abberufung herangezogene Grund im konkreten Einzelfall für das Interesse der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat hat (vgl. Hölters/Weber-Simons, AktG, 4. Aufl. 2022, § 103 Rn. 34). Das Interesse des Aufsichtsratsmitglieds, sein Amt beizubehalten, wiegt angesichts der Tatsache, dass es sich - nur - um ein Nebenamt handelt, nicht derart schwer wie das eines Vorstandsmitglieds (vgl. BeckOGK- Spindler, 01.09.2021, § 103 AktG Rn. 34). Da das Aufsichtsratsmandat im Unternehmensinteresse ausgeübt wird, haben vielmehr die Interessen des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber demjenigen der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat grundsätzlich zurückzustehen (vgl.Hirte/Mülbert/Roth-Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 64).

3.2 Zu Unrecht nimmt der Antragsgegner insoweit zunächst an, ausschließlich die Verletzung seiner Organpflichten anlässlich seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied könne einen seine Abberufung als solches tragenden wichtigen Grund in seiner Person bilden, nicht aber ein außerhalb seiner Organtätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erfolgtes Fehlverhalten.

3.2.1 Denn es ist - auch soweit der in der Person des Aufsichtsratsmitgliedes liegende wichtige Grund (wie hier) verhaltensbedingt ist (vgl. dazu Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 63) - (lediglich) maßgeblich, ob das Verhalten des Mitglieds des Aufsichtsrats - sei es als solches oder außerhalb seines Aufsichtsratsmandats - konkrete nachteilige Folgen für den Geschäftsgang oder das Ansehen der Gesellschaft hat oder die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat gefährdet; dies gilt selbst bei - rein - privaten Verfehlungen eines Aufsichtsratsmitglieds (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 103 Rn. 11; Schmidt/Lutter - Drygala, AktG, 4. Aufl. 2020, § 103 Rn. 18; Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 63; KK/AktG - Mertens/Cahn, AktG, 3. Aufl. 2013, § 103 Rn. 37 sowie - zum Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied [§ 84 Abs. 3 AktG], wo der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes grundsätzlich in gleicher Weise auszulegen ist [vgl. BeckOGK - Spindler, 01.09.2021, § 103 AktG Rn. 34; Hölters/Weber - Simons, AktG, 4. Aufl. 2022, § 103 Rn. 34] - Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl. 2021, § 84 Rn. 28; MünchKomm/AktG - Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 132). Demnach ist für einen verhaltensbedingten wichtigen Grund - nur - erforderlich, dass ein Zusammenhang des Verhaltens mit der Aufsichtsratstätigkeit erkennbar ist (vgl. BeckOGK - Spindler, 01.09.2021, § 103 AktG Rn. 34), wofür ausreicht, dass es sich auf diese Tätigkeit und damit die Gesellschaft auswirkt (vgl. Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 63 und 79); für letzteres genügen bereits Reputationsschäden der Gesellschaft, die - auch - auf einem ethischen Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seines Aufsichtsratsmandats beruhen können (vgl. Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 79; KK/AktG - Mertens/Cahn, AktG, 3. Aufl. 2013, § 103 Rn. 37).

3.2.2 Unabhängig davon, dass die Aufsichtsratsmitglieder (auch) außerhalb der Wahrnehmung ihrer Organfunktion zumindest eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Interessen der Gesellschaft trifft (§242BGB; vgl.dazuauchOLGStuttgart,Urt.v.29.02.2012-20U3/11[jurisRn.194];KK/AktG-Mertens/Cahn,AktG,3.Aufl.2013,§116Rn.26), kann ein wichtiger Grund nach alledem insbesondere dann vorliegen, wenn Verfehlungen - auch außerhalb der Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats - einen Rückschluss auf die mangelnde Eignung als Aufsichtsratsmitglied, beispielsweise eine mangelnde Zuverlässigkeit, zulassen und/oder zumindest ein - tatsächlicher - Bezug zwischen ihnen und der Tätigkeit als Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht (vgl. auch BeckOGK - Spindler, 01.09.2021, § 103 AktG Rn. 34; Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 63 sowie - wiederum zum Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied [§ 84 Abs. 3 AktG] - BeckOGK - Fleischer, 01.09.2021, § 84 AktG Rn. 137; MünchKomm/AktG - Spindler,5.Aufl.2019,§ 84 Rn. 134; Hirte/Mülbert/Roth - Kort, AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 156). Denn bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kommt es unter dem Gesichtspunkt der Corporate Governance (sieheauchdortigeGrundsätze10[Satz4] und19 [Satz1] DCGK) wesentlich auf das Unternehmensinteresse an einer funktionsfähigen Überwachung durch den Aufsichtsrat (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.10.2007 - 20 W 141/07 [juris Rn. 11]; Hirte/Mülbert/Roth - Hopt/Roth, AktG, 5. Aufl. 2018, § 103 Rn. 67) und damit - auch - auf die eine solche gewährleistende persönliche Integrität von dessen Mitgliedern und die Vereinbarkeit einer weiteren Aufsichtsratstätigkeit mit der Verpflichtung des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder auf das Unternehmensinteresse an (vgl. auch MünchKomm/AktG-Habersack, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 40).

3.3 Gemessen an diesem Maßstab erfüllt bereits das unstreitige Verhalten des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Manipulation und Löschung von die Abwesenheit des B. anlässlich Betriebsratssitzungen der Gesellschaft betreffenden Daten die Voraussetzungen eines seine Abberufung als Aufsichtsratsmitglied tragenden wichtigen Grundes in seiner Person.

3.3.1 Dass der Antragsgegner unmittelbar, nachdem er am 27.05.2021 gegen Mittag durch die Gesellschaft über deren Auskunftsbegehren in Bezug auf die Abwesenheit seines Betriebsratskollegen B. bei den Sitzungen des Betriebsrates informiert worden war, um 13:19 Uhr dessen Absage-E-Mail zur 90. Sitzung des Betriebsrates vom 10.12.2020 dergestalt manipulierte, dass er den darin genannten Grund für die Absage „Urlaub“ entfernte, stellt dieser ebenso wenig in Abrede wie, dass er am darauffolgenden Tag, dem 28.05.2021, die Absage-E-Mails des B. zur 80. Betriebsratssitzung am 15.10.2020, 82. Betriebsratssitzung am 22.10.2020 und 87. Betriebsratssitzung am 26.11.2020 aus der Inbox des Betriebsratsvorsitzes löschte und - zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt - die letzten drei Seiten der Niederschrift über die 8. Sitzung des Betriebsrates vom 26.07.2018 mit der Unterschriften- und Nachladeliste sowie dem „Abwesenheits-Excel-Ausdruck“ entfernte.

3.3.2 Umstände, die - auch nur ansatzweise - ein anderes Motiv des Antragsgegners, als die manipulierten und entfernten Informationen zu Gunsten seines Betriebsratskollegen B. und zu Lasten der Gesellschaft im Rahmen der von dieser betriebenen Aufklärung des gegen letzteren aufgrund der whistleblower-Meldungen bestehenden Verdachts ungenehmigten Urlaubs zu unterdrücken, oder gar ein sein Verhalten rechtfertigendes Interesse tragen, hat der Antragsgegner weder gegenüber der Gesellschaft noch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren dargetan noch ist dies sonst ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsgegner - nach dem von ihm nicht bestrittenen Vorbringen des Antragstellers - anlässlich seiner Verdachtsanhörung am 25.06.2021 eingeräumt, dass er B. mit seinem Verhalten habe helfen wollen. Dass der Antragsgegner zugleich Vorsitzender des Betriebsrates der Gesellschaft war und insofern gegebenenfalls gegenläufige Interessen zu denen in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied zu vertreten hatte, beseitigt weder seine vorbeschriebenen Verfehlungen als solche noch lässt es diese weniger schwerwiegend und damit nicht mehr als wichtigen Grund erscheinen. Denn zum einen ist die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich und eine solche Interessenkollision lässt die Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft nicht entfallen (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1979 - II ZR 244/78 [juris Rn. 13]). Zum anderen rechtfertigten es die vom Antragsgegner als Vorsitzenden des Betriebsrates der Gesellschaft wahrzunehmenden Interessen und von ihm im vorliegenden Verfahren (insbesondere mit Blick auf §§ 34 Abs. 3, 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) formulierten rechtlichen Bedenken gegen eine Herausgabe der von der Gesellschaft begehrten Informationen allenfalls, in diesem Gremium auf eine Versagung der Zustimmung zur Einsicht und Herausgabe der von der Gesellschaft begehrten Daten hinzuwirken, nicht aber die angeforderten Daten - (auch) am Betriebsrat vorbei (vor dessen Entscheidung über das Auskunftsbegehren) - eigenmächtig zu manipulieren und/oder zu löschen. Dies lag - schon bei Anwendung auch nur durchschnittlicher verkehrsüblicher Sorgfalt - auf der Hand und musste sich folglich auch dem Antragsgegner ohne weiteres sofort erschließen, weshalb dessen pauschales vorgerichtliches Berufen auf ein „Augenblicksversagen“ ihn im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht nennenswert zu entlasten vermag, zumal angesichts der sich über (mindestens) zwei Tage erstreckenden verschiedenen Manipulationen ohnehin nicht von „einem“ (!) „Augenblicksversagen“ gesprochen werden kann.

3.3.3 Durch sein eigenmächtiges, durch keinerlei rechtlich berechtigtes Interesse gedecktes Manipulieren und Löschen von der Gesellschaft zuvor vom Betriebsrat angeforderter Informationen, um diese im Interesse eines Betriebsratskollegen im Rahmen der von der Gesellschaft eingeleiteten Untersuchung zu unterdrücken, hat der Antragsgegner das - für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied (wie bereits ausgeführt) unerlässliche - Vertrauen der Gesellschaft in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit zerstört und sich als ungeeignet für die Wahrnehmung des Unternehmensinteresses an einer funktionsfähigen Überwachung des Vorstands als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft erwiesen. Mit einem Aufsichtsratsmitglied, das sich bei seinem wie hier - zumindest auch - die Gesellschaft betreffenden Verhalten, mag es auch außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied liegen, ohne anerkennenswerten Grund zu solchen Manipulationen hinreißen lässt, ist - wie schon das Registergericht letztlich zutreffend angenommen hat - eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat nicht mehr möglich; die Kooperationsbasis ist dadurch vielmehr so schwer und nachhaltig gestört, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr erwartet werden kann. Darauf, ob - wie der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren argumentiert - die von ihm (zunächst) unterdrückten Informationen (allein) überhaupt geeignet waren, einen „Lohnbetrug“ des B. zu beweisen, kommt es nichtan.DennauchwennmandiesmitdemAntragsgegnerverneint,rechtfertigtediesnichtdievon ihm vorgenommene Unterdrückung der Informationen durch die Manipulation und Löschung der Daten; lediglich ergänzend ist daraufhinzuweisen, dass der Umstand, dass der Antragsgegner die Manipulation und Löschung der Daten - um B. zu helfen - vorgenommen hat, zudem dafür spricht, dass er zumindest zum damaligen Zeitpunkt selbst noch anderer Auffassung war. Auch dass die - deutlich nach dem (Fehl-)Verhalten des Antragsgegners - am 08.06.2020 vom Betriebsrat ohne Zutun des Antragsgegners erstellte Excel-Liste (siehe auch Anlage ASt 5, Seiten 1 f. [AS 39 f.]) die Abwesenheiten des B. und deren Grund korrekt auswies, die vorherigen Manipulationen und Löschungen durch den Antragsgegner insoweit also ohne Auswirkung blieben, vermag diesen bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt seines Fehlverhaltens in Gestalt der Manipulation und Löschungen am 27. und 28.05.2021 - offensichtlich - nicht zu entlasten. Darauf, ob die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner sich erneut in gleicher oder ähnlicher Weise (fehl-)verhält, kommt es nach alledem - entgegen dessen Auffassung - nicht an (vgl. dazu auch Hölters/Weber - Simons, AktG, 4. Aufl. 2022, § 103 Rn. 34); dies gilt ganz abgesehen davon, dass durch das Fehlverhalten des Antragsgegners das Vertrauen der Gesellschaft in dessen persönliche Integrität insgesamt zerstört wurde und es daher ohne Belang ist, ob sich gerade das konkrete Fehlverhalten durch die Manipulation und Löschung von Daten des Betriebsrates wiederholen kann; denn darauf beschränkt sich der Vertrauensverlust nicht.

3.3.4 Dieser die Abberufung des Antragsgegners als Mitglied des Aufsichtrates der Gesellschaft rechtfertigende wichtige Grund in seiner Person entfällt schließlich auch nicht deswegen, weil der Antragsgegner die von ihm manipulierten und gelöschten Daten zuletzt wiederhergestellt und der Gesellschaft überlassen hat. Denn zum einen vermag dies die aufgrund seiner vorherigen - heimlichen - Manipulation und Löschung der betroffenen Daten trotz des ihm bekannten Auskunftsbegehrens der Gesellschaft an seiner Integrität und Vertrauenswürdigkeit - zu Recht - begründeten Zweifel ohnehin nicht zu beseitigen. Und zum anderen hat der Antragsgegner - worauf der Antragsteller zutreffend hinweisen lässt - dies nicht offen, verbunden mit einem Eingeständnis seines vorherigen Fehlverhaltens oder zumindest dessen Offenlegung, sondern erneut heimlich durch eine erneute eigenmächtige Manipulation der Daten getan. Dadurch, dass er die Informationen der Gesellschaft am 15.06.2021 mit dem Bemerken „Wir haben noch einmal recherchiert und weitere Dokumente gefunden“ übersandt hat (Anlage ASt 11 [AS 53]), hat der Antragsgegner angesichts dessen, dass er zuvor - heimlich - selbst die von ihm zunächst gelöschten und manipulierten Daten wieder mit dem ursprünglichen Inhalt hergestellt hatte, wiederum versucht, die wahren Geschehnisse - nun zu seiner eigenen Entlastung - zu vertuschen; weshalb es sich in diesem Zusammenhang zu Gunsten des Antragsgegners auswirken soll, dass die recherchierenden Kollegen des Betriebsrats - ohne sein Zutun - in der Lage gewesen waren, die von seinen Manipulationen und Löschungen nicht betroffene Meeting-Request-Absage des B. zur 83. Sitzung des Betriebsrates am 22.10.2020 („Abwesend wegen Aufsichtsratssitzung“) aufzufinden, erschließt sich nicht. Auch dass damit die von der Gesellschaft angeforderten Daten dieser somit am 15.06.2021 zur Verfügung standen und sich folglich der Versuch von deren - endgültiger - Unterdrückung durch die zunächst vom Antragsgegner vorgenommenen Manipulationen und Löschungen letztlich als gescheitert erwies, lässt die durch das vorangegangene Verhalten des Antragsgegners begründeten Zweifel an seiner Integrität und damit Zuverlässigkeit und Eignung als Aufsichtsratsmitglied nicht entfallen. Letzteres gilt in gleicher Weise dafür, dass der Antragsgegner - schließlich - in seiner Verdachtsanhörung vom 25.06.2021 sein Fehlverhalten, auch soweit es - in einem Fall (Manipulation der Niederschrift der 8. Betriebsratssitzung vom 26.07.2018) - durch die Einsicht in die Logfiles der Inbox des Betriebsratsvorsitzes nicht aufgedeckt worden wäre (im Übrigen aber - ohne dass dies hier entscheidungserheblich wird - durch einen Vergleich mit den in Papierform vorhandenen Unterlagen, die der Antragsgegner zum Wiederherstellen des Protokolls genutzt hatte), eingeräumt hat. Dies gilt umso mehr, als der Betriebsrat bereits zuvor am 17.06.2021 der Einsichtnahme in die Logfiles der Inbox des Betriebsratsvorsitzes zugestimmt hatte und angesichts dessen die unwiderlegliche Enthüllung des Fehlverhaltens des Antragsgegners in Gestalt von dessen Manipulationen und Löschungen betreffend die 80., 82., 87. und 90. Betriebsratssitzung - wie auch der Antragsgegner als Mitglied des Betriebsrates wusste - jederzeit drohte; dass der Antragsgegner - wie er zuletzt vorbringen lässt - auf die Terminierung der Verdachtsanhörung und der Einsichtnahme in die Logfiles keinen Einfluss gehabt hat und letztere ohnehin in jedem Fall stattgefunden hätte, entlastet ihn nicht und rechtfertigt auch keine abweichende Beurteilung des bereits eingetretenen Vertrauensverlustes. Selbst wenn sich der Antragsgegner schließlich - wie von ihm für sich in Anspruch genommen - seit der Verdachtsanhörung einsichtig und reumütig gezeigt haben sollte, ist der Gesellschaft sein Verbleib im Aufsichtsrat bis zum Auslaufen seiner Bestellung im Jahr 2024 aufgrund seines gravierenden Fehlverhaltens durch die eigenmächtige Manipulation und Löschung von Daten und des dadurch zerstörten Vertrauens in seine Integrität und Zuverlässigkeit nicht - mehr - zumutbar. Wer - wie der Antragsgegner - derart bewusst gegen die Interessen und zum Nachteil der Gesellschaft, deren Aufsichtsrat er ist, handelt, verfügt nicht über die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität, die für eine derartige Vertrauensstellung unabdingbar ist mit der Folge, dass für die Gesellschaft seine weitere Aufsichtsratstätigkeit unzumutbar ist.

3.3.5 Lediglich ergänzend - ohne dass dies hier entscheidungserheblich wird - ist daher darauf hinzuweisen, dass auch viel dafür spricht, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Antragsgegners dessen Verbleib im Aufsichtsrat zu einem für die Gesellschaft nicht hinzunehmenden Reputationsverlust führen würde, weil damit eine Person, die sich durch ihr zumindest in engem Zusammenhang mit der Gesellschaft stehendes (Fehl-)Verhalten als nicht hinreichend integer und zuverlässig für die Wahrnehmung der (Überwachungs-)Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrats erwiesen hat, dennoch weiterhin diese Aufgaben bei der Gesellschaft wahrnehmen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG (vgl. Keidel - Heinemann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 402 Rn. 16), der Geschäftswert folgt aus §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG.

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