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Wirtschaftsrecht
13.05.2015
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt a. M.: AGB-Inhaltskontrolle – Unangemessene Benachteiligung durch "Zwangsmediationsversuch" in der Rechtsschutzversicherung

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 9.4.2015 — 6 U 110/14

Amtlicher Leitsatz

1. Die von einer Rechtsschutzversicherung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel, wonach die Übernahme der Kosten für eine anwaltliche Beratung von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.

2. Zur Frage des irreführenden Gebrauchs der Begriffe "Rechtsschutzversicherung" und "Mediation" in dem in Ziffer 1. genannten Fall.

Sachverhalt

I. Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bot den Abschluss einer als „Rechtsschutzversicherung“ bezeichneten Versicherung an, bei der nach den im Tenor wiedergegebenen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Übernahme anwaltlicher Beratungskosten von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig war; die Beklagte bot hierfür dem Versicherungsnehmer günstigere Konditionen als beim Abschluss eines Vertrages ohne diese Beschränkung.

Die Klägerin nimmt die Beklagte hinsichtlich der Verwendung der beiden Klauseln sowie der Bezeichnungen „Rechtsschutzversicherung“ und „Mediator“/“Mediation“/“Mediationsverfahren“ auf Unterlassung in Anspruch. Weiter verlangt sie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten und begehrt die Gestattung zur Bekanntmachung der Urteilsformel im Bundesanzeiger sowie zur Veröffentlichung des Urteils.

Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich der Verwendung der AGB-Klauseln sowie der Bezeichnungen „Mediator“/“Mediation“/“Mediationsverfahren“ zur Unterlassung gemäß den Klageanträgen sowie zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.081,26 € nebst Zinsen verurteilt. Weiter hat es die Klägerin befugt, nach Rechtskraft des Urteils die Urteilsformel betreffend die AGB-Klauseln im Bundesanzeiger bekannt zu machen und einen Text über den Inhalt des Unterlassungstenors in öffentlichen Medien zu veröffentlichen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin verfolgt - abgesehen von dem nicht zugesprochenen Teil des Kostenerstattungsanspruchs - die abgewiesenen Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt vollständige Klageabweisung.

Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Die Klägerin beantragt zu ihrer Berufung,

(I. …)

II. das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte über die erstinstanzlich zuerkannten Anträge hinaus, zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, zu unterlassen,

Versicherungen unter der Bezeichnung „Rechtsschutzversicherung“ anzubieten oder abzuschließen, soweit

a)     für die außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers in einzelnen Leistungsarten nur die Kosten eines von der Beklagten ausgewählten Mediators übernommen werden,

und/oder

b)     für die gerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers anfallende Kosten des Versicherungsnehmers nur übernommen werden, soweit der Versicherungsnehmer sich um ein Konfliktlösung durch einen von der Beklagten ausgewählten Mediator vergeblich bemüht hat.

III. der Klägerin zu gestatten, über die erstinstanzlich zuerkannte Veröffentlichungsbefugnis hinaus die Urteilsformel zu I. 1. des erstinstanzlichen Urteils mit der Bezeichnung der verurteilten Beklagten einmalig im Bundesanzeiger auf Kosten der Beklagten, im Übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen;

IV. der Klägerin zu gestatten, über die erstinstanzlich zuerkannte Veröffentlichungsbefugnis hinaus das Urteil auch insgesamt auf Kosten der Beklagten vor oder nach Rechtskraft zu veröffentlichen, insbesondere in zwei regional im Bereich Stadt1 oder überregional herausgegebenen Tageszeitungen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt zu ihrer Berufung, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in Ziffer I. 1. b) des Tenors des angefochtenen Urteils an Stelle des Klammerzusatzes am Ende eingefügt wird „Dies gilt dann nicht, wenn mit der Durchführung der Mediation für den Versicherungsnehmer unmittelbare Rechtsnachteile verbunden sind oder unmittelbare Rechtsverluste drohen“.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten hat hinsichtlich des vom Landgericht in Ziffer I. 2. des Tenors zuerkannten Unterlassungsanspruchs, hinsichtlich eines Teils des zuerkannten Kostenerstattungsanspruchs (Tenor zu II. des angefochtenen Urteils) und hinsichtlich der vom Landgericht ausgesprochenen Befugnis der Klägerin zur Veröffentlichung des Urteils in Medien (Tenor zu IV. des angefochtenen Urteils) Erfolg.

A. Tenor zu I. 1. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Die mit dem Antrag zu I. 1. erstinstanzlich verfolgten Unterlassungsansprüche richten sich gegen die Verwendung zwei bestimmter in den AGB der Beklagten enthaltenen Klauseln, in denen die Klägerin unter mehreren Gesichtspunkten eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 I BGB) der Versicherungsnehmer sieht.

Der Streitgegenstand eines derartigen gegen eine konkrete Verletzungsform gerichteten Antrags umfasst sämtliche Beanstandungen, zu denen die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann; beanstandet der Kläger in einem solchen Fall die konkrete Verletzungsform unter mehreren Gesichtspunkten, ist es dem Gericht überlassen, auf welchen dieser Aspekte - soweit sie vom Kläger zur Begründung des Klagebegehrens herangezogen worden sind (vgl. hierzu Senat, GRUR-RR 2013 - Zählrate; WRP 2014, 1482) - es das Unterlassungsgebot stützt (vgl. BGH GRUR 2013, 401 - Biomineralwasser, Tz. 24). Diese Wahlrecht besteht auch für das Berufungsgericht unabhängig davon, wie das Landgericht ein etwa ausgesprochenes Verbot begründet hat (vgl. Senat GRUR-RR 2011, 145, Tz. 11).

Danach kann dahinstehen, ob - wie das Landgericht angenommen hat - die mit dem Antrag zu I. 1. angegriffenen Klauseln den Versicherungsnehmer deshalb unangemessen benachteiligen, weil die alleinige Auswahl des Mediators durch die Beklagte mit wesentlichen Grundgedanken von § 127 VVG bzw. § 2 I MediationsG unvereinbar sei (§ 307 II Nr. 1 BGB). Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 1, 3 I Nr. 2 UKlaG schon deswegen zu, weil der Versicherungsnehmer dadurch im Sinne von § 307 I BGB unangemessen benachteiligt wird, dass - unabhängig von der Auswahl des Mediators durch die Beklagte - nach dem Inhalt der Klauseln für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung überhaupt nur die Kosten für eine Mediation übernommen werden (Antrag zu I. 1. a)) und die Übernahme von Anwaltskosten für die gerichtliche Interessenwahrnehmung überhaupt von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig gemacht wird (Antrag zu I. 1. b)); auch auf diesen Vorwurf ist das Klagebegehren gestützt.

Ausgangspunkt der Prüfung nach § 307 I BGB sind Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertragstyps, für den die beanstandete Klausel verwendet wird. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn bei umfassender Würdigung der Gesamtumstände der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. Palandt, BGB, 74. Aufl., Rdz. 12 zu § 307 m.w.N.). Dabei ist auf den gesamten Vertragsinhalt abzustellen; insbesondere kann auch die Kompensation von Vor- und Nachteilen zu berücksichtigen sein, soweit die Regelungen sachlich zusammengehören und in einem Wechselverhältnis stehen (vgl. Palandt a.a.O. Rdz. 14 m.w.N.).

Die streitgegenständlichen Klauseln beinhalten einen der Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung vorgeschalten „Zwangsmediationsversuch“. Die Regelung verschafft der Beklagten erhebliche Vorteile, da sie die Kosten der von ihr zu erbringenden Versicherungsleistungen senkt; für den Versicherungsnehmer stellt sie jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung dar, da sie den Zugang zur - für ihn kostenfreien - anwaltlichen Beratung erschwert. Als Kompensation hierfür erhält der Versicherungsnehmer allerdings den Vorteil, dass die Beklagte ihren Tarif „…-Aktiv“ mit den streitgegenständlichen Klauseln zu wesentlich günstigeren Konditionen anbietet als den Vertrag über eine „normale“ Rechtsschutzversicherung, der diese Beschränkungen nicht enthält. Es erscheint daher nicht von vornherein unangemessen benachteiligend, wenn der Versicherungsnehmer dafür Einschränkungen hinzunehmen hat, die seinen Interessen widersprechen. Entscheidend ist vielmehr, ob die mit dem „Zwangsmediationsversuch“ verbundene Einschränkung dem Versicherungsnehmer - von ihm nicht ohne weiteres zu durchschauende - Nachteile bringt, die durch günstigere Beiträge tatsächlich nicht aufgewogen werden. Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats zu bejahen.

Die Rechtsschutzversicherung dient nach ihrem Grundgedanken dazu, den Versicherungsnehmer von den Kosten zu befreien, die mit der „Wahrnehmung (seiner) rechtlichen Interessen“ verbunden sind (§ 125 VVG). Eine sachgerechte Wahrnehmung der eigenen rechtlichen Interessen setzt aber zwingend die - beim Versicherungsnehmer regelmäßig fehlende - Kenntnis der Rechtslage einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen und Risiken für die Realisierung möglicher Ansprüche und Positionen voraus. Der Rechtssuchende bedarf daher - auch und gerade vor Beginn eines Verfahrens - rechtlicher Beratung in diesem Sinn, deren Kosten von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden sollen.

Eine solche, an den Interessen des Rechtssuchenden ausgerichtete Rechtsberatung kann und soll ein Mediator jedoch - selbst wenn er auf Grund seiner anwaltlichen Ausbildung dazu in der Lage sein sollte - gerade nicht leisten. Die Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe des sie durch das Verfahren führenden Mediators eigenverantwortlich eine einvernehmliche Lösung ihres Konflikts anstreben (§ 1 I, II MediationsG). Soweit Mediationen mit Bezug zu streitigen Rechtspositionen stattfinden, lösen sie sich im Rahmen der Konfliktbeilegung inhaltlich von den Bindungen an rechtliche Kriterien (vgl. Münchener Kommentar ZPO-Ulrici, Anhang zu § 278a, Rdz. 11). Sollte der Mediator im Laufe des Verfahrens erkennen, dass eine Partei rechtlich nicht hinreichend beraten ist, darf er diese Beratung nicht etwa selbst erteilen, sondern muss die Partei auf die Möglichkeit externer Beratung hinweisen (§ 2 VI 2 MediationsG). Eine Mediation ist insbesondere nicht gleichzusetzen mit (sonstigen) Formen der alternativen Streitbeilegung etwa vor Schiedsstellen oder Schlichtungsstellen. Anders als diese Stellen bewertet der Mediator weder die Positionen der Parteien in rechtlicher Hinsicht noch macht er konkrete Lösungs- oder Kompromissvorschläge; vielmehr lebt die Mediation als Verfahren von der methodischen Vorgehensweise der Mediatoren. Dementsprechend sieht auch der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz - VSBG) vom 10.11.2014 in § 1 III ausdrücklich vor, dass das Mediationsgesetz von den in diesem Gesetzentwurf angesprochenen Formen der Streitbeilegung unberührt bleibt.

Ein Mediationsversuch stellt daher keine „Wahrnehmung der rechtlichen Interessen“ im Sinne von § 125 VVG dar und kann insbesondere die Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt in keinem Fall ersetzen. Daraus folgt zwar noch nicht unbedingt, dass ein „Zwangsmediationsversuch“ den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt; denn es steht ihm grundsätzlich frei, den Versuch zunächst durchzuführen und im Fall des Scheiterns immer noch die erforderliche Rechtsberatung bei einem Rechtsanwalt einzuholen. Die für die Beurteilung nach § 307 I BGB entscheidende Besonderheit besteht aber darin, dass ein Mediationsversuch ohne vorherige oder begleitende rechtliche Beratung für den Versicherungsnehmer mit erheblichen Risiken und Gefahren verbunden ist, die für den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar sind.

Die Mediation als eine Form der alternativen Streitbeilegung hat zweifellos nicht nur ihre Berechtigung, sondern weist auch Vorzüge gegenüber der an rechtlichen Kategorien orientierten Konfliktlösung auf. Sie kann aber im hier interessierenden Zusammenhang durchaus gefährlich sein, wenn der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung vor der Mediation zuvor keine realistische Einschätzung der rechtlichen Situation erhalten hat. Denn nur auf der Grundlage einer solchen rechtlichen Einschätzung lässt sich sinnvoll eine Entscheidung darüber treffen, ob und mit welchem Ergebnis eine Mediation angebracht erscheint, oder ob die Durchsetzung der eigenen Position mit rechtlichen Mitteln nicht doch der bessere Weg ist. Begibt sich der Versicherungsnehmer ohne jede fundierte Einschätzung der Rechtslage in ein Mediationsverfahren, besteht nämlich die greifbare Gefahr, dass er - nur um der einvernehmlichen Regelung willen - möglicherweise auf Ansprüche oder Positionen verzichtet, die ihm nach der insoweit klaren Rechtslage zustehen und die auch ohne weiteres (mit Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung) durchzusetzen gewesen wären.

Diese Risiken und Gefahren, die mit einer Mediation ohne „rechtliche Grundlage“ verbunden sind, kann auch der verständige Verbraucher bei Abschluss und Durchführung des Vertrages nicht annähernd einschätzen. Zwar hat der Begriff der Mediation inzwischen eine nicht unerhebliche Bekanntheit erfahren. Damit geht jedoch nicht unbedingt die Kenntnis über den Inhalt und die Besonderheiten eines Mediationsverfahrens einher. Gerade wenn die Übernahme von Anwaltskosten durch die Rechtsschutzversicherung von einem vorgeschalteten Streitbeilegungsverfahren abhängig gemacht wird, geht der Versicherungsnehmer im Zweifel davon aus, dass ihm auf diese Weise insoweit ebenfalls eine Art rechtlicher Beratung zu Teil wird, als der eingeschaltete Streitmittler die Rechtslage jedenfalls prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung bei seinen Vergleichsvorschlägen im Blick behalten wird. Dies kann und soll ein Mediator jedoch - im Gegensatz etwa zu einer Schlichtungsstelle - wie ausgeführt gerade nicht leisten.

Der Klägerin stehen daher die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu. Das Verbot, sich auf die Klauseln zu berufen, folgt aus der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgenommen Auslegung des Begriffs des „Verwendens“ im Sinne von § 1 UKlaG (vgl. die Nachweise bei Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rdz. 8 zu § 1 UKlaG). Der Unterlassungstenor zu I. 1. b) war entsprechend dem vom Klägervertreter im Senatstermin gestellten Antrag neu zu fassen; die darin liegende Vervollständigung der Wiedergabe der angegriffenen Klausel dient lediglich der Klarstellung.

B. Berufungsantrag der Klägerin zu II. und Tenor zu I. 2. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Der Klägerin steht weder der mit dem Berufungsantrag zu II. weiterverfolgte noch der mit dem Tenor zu I. 2. des angefochtenen Urteils zugesprochene Unterlassungsanspruch zu; die Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen „Rechtsschutzversicherung“ und „Mediator“/“Mediation“/“Mediationsverfahren“ stellt in der mit den Anträgen beanstandeten Form unter keinem Gesichtspunkt eine unlautere geschäftliche Handlung dar.

Beide Anträge richten sich nicht gegen eine konkrete Verletzungsform, sondern umschreiben jeweils abstrakt das beanstandete Verhalten. Sie sind darauf gerichtet, der Beklagten generell die Verwendung der Bezeichnungen „Rechtsschutzversicherung“ sowie „Mediator/Mediation/Mediationsverfahren“ für einen Versicherungsvertrag mit „Zwangsmediationsversuch“ im beschriebenen Sinn, bei dem der Beklagten die Auswahl des Mediators überlassen bleibt, zu untersagen. Unter diesen Umständen kann das beantragte Verbot nur erlassen werden, wenn sämtliche davon erfassten Verhaltensweisen zu beanstanden sind (vgl. BGH GRUR 2013, 409 - Steuerbüro; Tz. 21). Daran fehlt es hier.

1. Berufungsantrag der Klägerin zu II.

Die Bezeichnung „Rechtsschutzversicherung“ verstößt unter den im Antrag genannten Voraussetzungen nicht gegen §§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 127 VVG.

Auch wenn die Beklagte sich die Auswahl des Mediators vorbehält, wird hierdurch die freie Anwaltswahl im Rahmen einer abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung (§ 127 VVG) nicht beeinträchtigt. Vielmehr geht es allein darum, unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsnehmer überhaupt einen Anwalt (dann aber den seiner Wahl) beauftragen darf. Das berührt die Anwaltswahl auch dann nicht, wenn der Mediator zugleich Rechtsanwalt ist. Denn auch in diesem Fall wird der „Anwalts-Mediator“ wie bereits ausgeführt gerade nicht zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers tätig.

Der Begriff „Rechtsschutzversicherung“ ist auch nicht per se irreführend (§ 5 UWG), wenn er im Zusammenhang mit dem im Klageantrag beschriebenen Versicherungsvertragsmodell verwendet wird. Denn unabhängig von der oben dargestellten unangemessenen Benachteiligung (§ 307 I BGB) durch einzelne Klauseln in den AGB der Beklagten handelt es sich bei dem Versicherungsangebot gleichwohl um eine Rechtsschutzversicherung im Sinne von § 125 VVG. Die Verwendung der Begriffe ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn zugleich klar und unmissverständlich auf die Besonderheit hingewiesen wird, dass - entgegen der mit dem Begriff „Rechtsschutzversicherung“ verbundenen Erwartung - vor Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung ein Mediationsversuch unternommen werden muss, und wenn zugleich die damit verbundenen Gefahren und Risiken deutlich gemacht werden. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass in der Werbung der Beklagten der beanstandete Begriff mit entsprechenden Zusätzen, eventuell auch mit einem „Sternchen-Hinweis“, erläutert und damit einer Irreführungsgefahr ausreichend entgegengewirkt wird.

Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auch ohne Erfolg darauf, die Verwendung des Begriffs „Rechtsschutzversicherung“ sei jedenfalls in dem im Berufungsantrag zu II. a) angesprochenen Fall irreführend, dass sich das Angebot der Beklagten darin erschöpfe, für die außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers nur die Kosten eines Mediators zu übernehmen. Denn dieses - in der Klausel gemäß Tenor zu I. 1. des angefochtenen Urteils beschriebene - Angebot ist nur ein Teil des gesamten Rechtsschutzversicherungsangebots der Beklagten, zu dem jedenfalls auch die Übernahme der Kosten für die gerichtliche Interessenvertretung gehört.

2. Tenor zu I. 2. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Die Bezeichnungen „Mediator/Mediation/Mediationsverfahren“ verstoßen unter den im Klageantrag bezeichneten Voraussetzungen nicht gegen §§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. den Vorschriften des Mediationsgesetzes.

Ein Verstoß gegen das für die Mediation wesentliche Freiwilligkeitsprinzip (§ 1 I MediationsG) ist nicht gegeben; denn der Versicherungsnehmer stimmt dem Mediationsversuch bereits mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages zu. Ebenso wenig ergibt sich aus § 2 I MediationsG („Die Parteien wählen den Mediator aus“), dass das Gesetz etwa jedem Mediationswilligen einen Anspruch auf den Mediator seiner Wahl gibt. Zum einen handelt es sich bei der Regelung nach deren Überschrift um eine Verfahrensvorschrift. Zum andern setzt die Regelung nicht notwendig eine Initiative der Parteien, sondern nur deren Einigung über die Person des Mediators voraus (vgl. Ulrici a.a.O. Rdz. 14). Dem wird auch dann genügt, wenn sich die Mediationsparteien über die Person eines von einem Dritten vorgeschlagenen Mediators einigen.

Unter diesen Umständen ist die Verwendung der Bezeichnungen unter den im Klageantrag genannten Bedingungen auch nicht irreführend (§ 5 UWG), weil es sich auch bei den von der Beklagten ausgewählten Mediatoren um solche im Sinne des Mediationsgesetzes handelt und etwaigen Fehlvorstellungen des Verkehrs jedenfalls durch geeignete Klarstellungen entgegengewirkt werden kann; insoweit gelten die obigen Ausführungen unter Ziffer 1. entsprechend auch im vorliegenden Zusammenhang.

C. Tenor zu II. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Die gegen die Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten (Tenor zu II. des angefochtenen Urteils) gerichtete Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nur zu, soweit die Abmahnung die Verwendung der AGB-Klauseln gemäß Ziffer I. 1. des Tenors des angefochtenen Urteils betraf (§§ 5 UKlaG i.V.m. 12 I 2 UWG); daraus ergibt sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 490,37 € nebst Zinsen in der festgesetzten Höhe.

Mit dem Abmahnschreiben vom 28.5.2013 (Bl. 54 ff. d.A.) hat der Anwalt der Klägerin neben den unwirksamen AGB-Klauseln eine weitere, mit der Klage nicht mehr angegriffene Klausel sowie die Werbung mit den Bezeichnungen gemäß Klageanträgen zu I. 2. und 3. beanstandet; weiter hat er die Gestattung zur Veröffentlichung der verlangten Unterwerfungserklärung in Medien verlangt.

Der Gegenstandswert der Gesamtabmahnung ist mit 135.000,- € anzusetzen. Wie bereits im Streitwertfestsetzungsbeschluss des Senats (Sitzungsprotokoll vom 9.4.2015, Bl. 488 f. d.A.) ausgeführt, richtet sich der Gegenstandswert nach dem Interesse, dass eine einzelne, gewichtige Anwaltskanzlei an der Durchsetzung der mit der Abmahnung verfolgten Ansprüche hat. Dieses Interesse erscheint im Hinblick auf die Eignung der beanstandeten AGB-Klauseln und Bezeichnungen, die geschäftlichen Belange einer solchen Anwaltskanzlei zu beeinträchtigen, mit einem Betrag von 135.000,- € angemessen berücksichtigt, wovon auf die Ansprüche betreffend die unwirksamen AGB-Klauseln ein Betrag von 50.000,- € entfällt (vgl. auch insoweit den genannten Streitwertfestsetzungsbeschluss des Senats).

Ausgehend von dem Streitwert von 135.000,- € ist daher für die gesamte Abmahnung eine - mit der Klage allein geltend gemachte - 0,65-Gebühr nach der Gebührentabelle zum RVG in der seinerzeit geltenden Fassung in Höhe von 980,20 € entstanden. Hiervon hat die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2010, 744 - Sondernewsletter, Tz. 52) den auf den berechtigten Teil der Abmahnung entfallenden Anteil (ca. 40 %), also 392,08 € zuzüglich 20,- € Abmahnpauschale und 19 % Umsatzsteuer (78,29 €) zu erstatten; daraus errechnet sich der zuerkannte Betrag von 490,37 €.

D. Berufungsantrag der Klägerin zu III. und Tenor zu III. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Die vom Landgericht der Klägerin gemäß § 7 UKlaG zuerkannte Befugnis zur Bekanntmachung der Urteilsformel im Bundesanzeiger ist nicht zu beanstanden. Die hiergegen von beiden Parteien mit der Berufung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Bekanntmachung sei zur Unterrichtung nicht geeignet und erforderlich, nachdem die Beklagte die Klauseln schon seit längerem nicht mehr verwende. Zum einen besteht jedenfalls bei Versicherungsnehmern, die einen solchen Vertrag geschlossen haben, nach wie vor ein Informationsbedürfnis. Zum andern können auch Mitbewerber der Beklagten weiterhin darauf hingewiesen werden, dass derartige Klauseln unwirksam sind (vgl. zu diesem Aspekt Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdz. 7 zu § 7 UKlaG). Darüber hinaus ist die Bekanntmachung im Bundesanzeiger ein Informationsmittel, von dem keine überzogene „Prangerwirkung“ zu Lasten der Beklagten ausgeht.

Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung erreichen will, dass sie zur Veröffentlichung ohne Rücksicht auf die Rechtskraft des Urteils, also auch schon im Rahmen der vorläufigen Vollstreckbarkeit, befugt wird, hat ihre Berufung keinen Erfolg.

Der Wortlaut von § 7 UKlaG schließt zwar - anders als § 12 III 4 UWG - eine Befugnis zur Bekanntmachung auch bereits vor Rechtskraft des Urteils nicht aus. Gleichwohl ist die Bekanntmachung eines nur vorläufig vollstreckbaren Urteils bedenklich, da die dadurch eintretenden Wirkungen bei einer etwaigen Abänderung nur schwer wieder beseitigt werden können. Im Rahmen des vom ihm auszuübenden Ermessens sollte das Gericht daher von der Einschränkung, dass die Bekanntmachung erst nach Rechtskraft erfolgen darf, nur dann absehen, wenn zwingende Gründe eine sofortige Veröffentlichung erforderlich machen (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdz. 9 zu § 7 UKlaG). Solche Gründe hat das Landgericht hier mit Recht verneint.

Nachdem der Senat den Tenor zu I. 1. b) des angefochtenen Urteils neu gefasst hat, erschien es sachgerecht, die Bekanntmachungsbefugnis auf den Tenor des Berufungsurteils zu beziehen.

E. Berufungsantrag der Klägerin zu IV. und Tenor zu IV. des angefochtenen Urteils (Berufung der Beklagten)

Die für die von der Klägerin weiter beantragte Veröffentlichungsbefugnis nach § 12 III UWG besteht keine Grundlage, nachdem ein Wettbewerbsverstoß aus den unter B. dargestellten Gründen nicht gegeben ist und die Vorschrift auf Ansprüche nach dem UKlaG nicht anwendbar ist (vgl. den insoweit fehlenden Verweis in § 5 UKlaG).

In diesem Punkt hat daher die Berufung der Beklagten Erfolg, während die Berufung der Klägerin zurückzuweisen ist.

F. Nebenentscheidungen

Der Gewährung des vom Klägervertreter beantragten Schriftsatznachlasses auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 1.4.2015 bedurfte es nicht, da dieser Schriftsatz sich ausschließlich mit solchen Fragen befasst, in denen die Klägerin ohnehin obsiegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.

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