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Wirtschaftsrecht
28.08.2025
Wirtschaftsrecht
EuGH: Royal Football Club Seraing – Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Schiedssprüche des Sportschiedsgerichts für u. a. Klubs und Spieler

EuGH, Urteil vom 1.8.2025 – C-600/23, Royal Football Club Seraing SA gegen Fédération internationale de football association (FIFA) u. a.

ECLI:EU:C:2025:617

Volltext:BB-ONLINE BBL2025-1985-2

Tenor

Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass

– einem Schiedsspruch des Sportschiedsgerichts (CAS) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits, in dem dieser Schiedsspruch ergangen ist, Rechtskraft verliehen wird, wenn dieser Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet der Europäischen Union steht und die Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Grundsätzen und Bestimmungen, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind, nicht zuvor wirksam von einem zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof berechtigten Gericht dieses Mitgliedstaats überprüft worden ist;

– einem solchen Schiedsspruch infolge dieser Rechtskraft im Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits und Dritten im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats Beweiskraft zuerkannt wird.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Royal Football Club Seraing SA (im Folgenden: RFC Seraing) auf der einen Seite und der Fédération internationale de football association (FIFA), der Union des associations européennes de football (UEFA) und der Union royale belge des sociétés de football association ASBL (URBSFA) auf der anderen Seite wegen eines Antrags auf Nichtigerklärung, auf Erlass von Anordnungen und auf Ersatz des Schadens, der dem RFC Seraing dadurch entstanden sein soll, dass diese drei Verbände Regeln angewandt haben, die wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht als nichtig anzusehen sein sollen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.“

4          Art. 267 AEUV sieht vor:

„Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

a)      über die Auslegung der Verträge,

b)      über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der [Europäischen] Union[.]

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

…“

5          Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta bestimmt:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

…“

Belgisches Recht

Gerichtsgesetzbuch

6          Teil I des Gerichtsgesetzbuchs in der durch das Gesetz zur Festlegung verschiedener Bestimmungen im Bereich der Justiz vom 21. Dezember 2018 (Moniteur belge vom 31. Dezember 2018, S. 106560, deutsche Übersetzung von Auszügen veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 29. September 2020, S. 68578) geänderten Fassung (im Folgenden: Gerichtsgesetzbuch) trägt die Überschrift „Allgemeine Grundsätze“. Dieser Teil I enthält ein Kapitel 3 („Urteile und Entscheide“), in dem sich Art. 19 Abs. 1 dieses Gesetzbuchs befindet, in dem es heißt:

„Ein Urteil ist ein Endurteil, insofern mit ihm die Rechtsprechungsbefugnis des Richters in einer Streitfrage ausgeschöpft ist, vorbehaltlich der gesetzlich festgelegten Rechtsmittel.“

7          Dieser Teil I enthält ein Kapitel 4 („Rechtskraft“). Dieses Kapitel 4 umfasst die Art. 23 bis 28 des Gerichtsgesetzbuchs, die Folgendes vorsehen:

„Art. 23

Die materielle Rechtskraft erstreckt sich nur auf das, was Gegenstand der Entscheidung war. Erforderlich ist, dass die eingeklagte Sache dieselbe ist; dass die Klage auf derselben Ursache beruht, ungeachtet der geltend gemachten Rechtsgrundlage; dass die Klage zwischen denselben Parteien besteht und von ihnen und gegen sie in derselben Eigenschaft erhoben wird. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich jedoch nicht auf die Klage, die zwar auf derselben Ursache beruht, über die der Richter aber angesichts der Rechtsgrundlage, auf die sie sich stützt, nicht erkennen konnte.

Art. 24

Jede Endentscheidung hat ab ihrer Verkündung materielle Rechtskraft.

Art. 25

Die materielle Rechtskraft verhindert, dass die Klage erneut erhoben wird.

Art. 26

Die materielle Rechtskraft bleibt bestehen, solange die Entscheidung nicht aufgehoben wurde.

Art. 27

Die Einrede der Rechtskraft kann zu jedem Verfahrenszeitpunkt vor dem Tatsachenrichter, bei dem die Klage anhängig ist, geltend gemacht werden.

Sie kann nicht von Amts wegen vom Richter aufgeworfen werden.

Art. 28

Jede Entscheidung wird formell rechtskräftig, wenn gegen sie kein Einspruch oder keine Berufung mehr eingelegt werden kann, vorbehaltlich der gesetzlich festgelegten Ausnahmen und unbeschadet der Wirkungen der außerordentlichen Rechtsmittel.“

8          Das Gerichtsgesetzbuch enthält auch einen Teil VI („Schiedsverfahren“). Zu Kapitel 6 („Schiedsspruch und Beendigung des Verfahrens“) dieses Teils VI gehört Art. 1713 des Gerichtsgesetzbuchs, der u. a. folgende Bestimmungen enthält:

„§ 1 -      Das Schiedsgericht erlässt End- oder Zwischenentscheidungen in Form eines oder mehrerer Schiedssprüche.

§ 9 -      Der Schiedsspruch hat, was die Beziehung zwischen den Parteien betrifft, dieselben Auswirkungen wie eine gerichtliche Entscheidung.“

9          Teil VI Kapitel 8 („Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen“) enthält u. a. die Art. 1719 bis 1721 des Gerichtsgesetzbuchs, die Folgendes bestimmen:

„Art. 1719

§ 1 -      Ein in Belgien oder im Ausland erlassener Schiedsspruch kann erst zwangsvollstreckt werden, nachdem das Gericht Erster Instanz ihn gemäß dem in Artikel 1720 erwähnten Verfahren ganz oder teilweise für vollstreckbar erklärt hat.

§ 2 -      Das Gericht Erster Instanz kann den Schiedsspruch erst für vollstreckbar erklären, wenn er vor einem Schiedsgericht nicht mehr angefochten werden kann oder wenn die Schiedsrichter die vorläufige Vollstreckung des Schiedsspruchs ungeachtet der Berufung angeordnet haben.

Art. 1720

§ 1 -      Das Gericht Erster Instanz ist zuständig, um über Klagen im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung eines in Belgien oder im Ausland erlassenen Schiedsspruchs zu befinden.

§ 2 -      Ist der Schiedsspruch im Ausland erlassen worden, ist das örtlich zuständige Gericht das Gericht Erster Instanz am Sitz des Appellationshofes, in dessen Bereich die Person, gegen die die Vollstreckbarerklärung beantragt wird, ihren Wohnsitz oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, ihren gewöhnlichen Wohnort oder gegebenenfalls ihren Gesellschaftssitz oder, in Ermangelung eines Gesellschaftssitzes, ihre Niederlassung oder Zweigniederlassung hat. …

§ 5 -      Der Schiedsspruch darf nur anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden, wenn er nicht gegen die in Artikel 1721 erwähnten Bedingungen verstößt.

Art. 1721

§ 1 -      Das Gericht Erster Instanz verweigert die Anerkennung und die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, ungeachtet des Landes, in dem er erlassen worden ist, nur unter folgenden Bedingungen:

b)      wenn das Gericht Erster Instanz feststellt,

ii)      dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

…“

Gesetz zur Einführung des Gesetzbuches über das internationale Privatrecht

10        Art. 22 („Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen“) des Gesetzes zur Einführung des Gesetzbuches über das Internationale Privatrecht vom 16. Juli 2004 (Moniteur belge vom 27. Juli 2004, S. 57344, deutsche Übersetzung veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 10. November 2005, S. 48274) bestimmt:

„§ 1 -      Eine ausländische gerichtliche Entscheidung, die in dem Staat, in dem sie ergangen ist, vollstreckbar ist, wird gemäß dem in Artikel 23 erwähnten Verfahren in Belgien für ganz oder teilweise vollstreckbar erklärt.

Eine ausländische gerichtliche Entscheidung wird in Belgien ganz oder teilweise anerkannt, ohne dass das in Artikel 23 erwähnte Verfahren angewandt werden muss.

Wird die Anerkennung als Vorfrage vor einem belgischen Rechtsprechungsorgan geltend gemacht, ist dieses Organ dafür zuständig, darüber zu erkennen.

Die Entscheidung darf nur anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie nicht gegen die Bedingungen von Artikel 25 verstößt.

§ 2 -      Jeder Interessehabende … kann gemäß dem in Artikel 23 erwähnten Verfahren feststellen lassen, dass die Entscheidung ganz oder teilweise anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden muss oder es nicht werden darf.

§ 3 -      Im Sinne des vorliegenden Gesetzes:

1.      bezeichnet der Begriff gerichtliche Entscheidung alle Entscheidungen, die von einer Behörde, die eine Gerichtsbarkeit ausübt, erlassen worden sind,

2.      verleiht die Anerkennung der ausländischen Entscheidung Rechtskraft.“

FIFA-Regelwerk

FIFA-Statuten

11        Die FIFA ist ein privatrechtlicher Verband mit Sitz in Zürich (Schweiz).

12        Nach Art. 2 der FIFA-Statuten in ihrer Ausgabe von Mai 2024, die im Wesentlichen und vorbehaltlich ihrer Neunummerierung den früheren Jahresausgaben dieser Statuten entspricht, ist Zweck der FIFA u. a. „Erlass und Durchsetzung von Vorschriften und Bestimmungen zur Regelung des Fussballs und damit verbundener Aspekte“ sowie „Kontrolle des Association Football in all seinen Formen, indem alle notwendigen Massnahmen ergriffen werden, um Verstösse gegen die Statuten, Reglemente und Beschlüsse der FIFA sowie gegen die Spielregeln zu verhindern“, und zwar auf weltweiter Ebene.

13        Nach den Art. 11 und 14 dieser Statuten kann jeder „Verband, der in seinem Land für die Organisation und Kontrolle des Fussballs … verantwortlich ist“, Mitgliedsverband der FIFA werden, sofern er sich insbesondere vorab verpflichtet, u. a. die Statuten, Reglemente und Weisungen der FIFA sowie die Beschlüsse ihrer Organe einzuhalten. Als Mitgliedsverband der FIFA ist ein solcher Verband nach den Art. 14 und 15 dieser Statuten u. a. verpflichtet, seine eigenen Mitglieder zur Einhaltung der Statuten, Reglemente und Weisungen der FIFA sowie der Beschlüsse ihrer Organe zu verpflichten und dafür zu sorgen, dass diese von allen maßgebenden Interessengruppen im Fußball, insbesondere den ihm nach Art. 20 dieser Statuten unterstellten Ligen und Klubs sowie den Spielern, beachtet werden. Außerdem muss sich ein solcher Verband der Zuständigkeit und den Entscheidungen des Sportschiedsgerichts (Court of Arbitration for Sport, CAS) unterwerfen und in seiner Satzung Bestimmungen vorsehen, nach denen auch alle maßgebenden Interessengruppen dieses Gericht und diese Entscheidungen ausdrücklich anerkennen müssen. In der Praxis sind zurzeit mehr als 200 nationale Fußballverbände Mitglieder der FIFA. Dazu gehört die URBSFA, die ihren Sitz in Belgien hat und deren Zweck es ist, die Organisation und Förderung des Fußballs in diesem Mitgliedstaat sicherzustellen.

14        Art. 44 („Rechtsorgane“) Abs. 1 der FIFA-Statuten sieht vor:

„Die FIFA hat die folgenden Rechtsorgane:

a)      Disziplinarkommission[,]

c)      Berufungskommission“.

15        Art. 47 („Berufungskommission“) dieser Statuten bestimmt:

„1.      Die Berufungskommission verfährt nach dem FIFA-Disziplinarreglement und dem FIFA-Ethikreglement.

2.      Die Berufungskommission ist für die Behandlung von Berufungen gegen Entscheide der Disziplinarkommission zuständig, die gemäss diesen Statuten oder dem massgebenden FIFA-Reglement nicht endgültig sind.

3.      Die Entscheide der Berufungskommission sind endgültig und für alle betroffenen Parteien verbindlich. Ausgenommen sind Entscheide, die beim CAS angefochten werden können.“

16        Abschnitt IX („Schiedsgerichtsbarkeit“) der FIFA-Statuten enthält folgende Artikel:

„49. Sportschiedsgericht (CAS)

1.      Die FIFA anerkennt das Sportschiedsgericht (CAS) mit Sitz in Lausanne (Schweiz) als unabhängiges Schiedsgericht bei Streitigkeiten zwischen der FIFA, den Mitgliedsverbänden, Konföderationen, Ligen, Klubs, Spielern, Offiziellen, Fussballvermittlern und Spielvermittlern.

2.      Für das Schiedsgerichtsverfahren gelten die Bestimmungen des Reglements für das Schiedsverfahren des CAS. Das CAS wendet in erster Linie die verschiedenen Reglemente der FIFA sowie ergänzend das Schweizer Recht an.

50. Zuständigkeit des CAS

1.      Berufungen gegen letztinstanzliche Entscheide der FIFA und deren Rechtsorgane müssen … beim CAS eingereicht werden.

4.      Eine Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Das zuständige FIFA-Organ oder ersatzweise das CAS kann einer Berufung aber aufschiebende Wirkung einräumen.

51. Verpflichtung zur Schiedsgerichtsbarkeit

1.      Die Konföderationen, Mitgliedsverbände und Ligen verpflichten sich, das CAS als unabhängige richterliche Instanz anzuerkennen und dafür zu sorgen, dass ihre Mitglieder sowie die ihnen angeschlossenen Spieler und Offiziellen die Entscheide des CAS befolgen. …

2.      Der ordentliche Rechtsweg ist ausgeschlossen, mit Ausnahme der in den FIFA-Reglementen ausdrücklich vorbehaltenen Fälle. Der ordentliche Rechtsweg ist auch für vorsorgliche Massnahmen aller Art ausgeschlossen.

3.      Die Verbände sind verpflichtet, in ihre Statuten oder Reglemente eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der ordentliche Rechtsweg bei Streitigkeiten innerhalb des Verbands oder bei Streitigkeiten, die die Ligen, Mitglieder der Ligen, Klubs, Mitglieder der Klubs, Spieler, Offizielle und weitere Verbandsoffizielle betreffen, ausgeschlossen ist, sofern der ordentliche Rechtsweg in den FIFA-Reglementen oder durch zwingende Gesetzesvorschriften nicht ausdrücklich vorgesehen oder vorgeschrieben ist. Anstelle des ordentlichen Rechtswegs ist eine Schiedsgerichtsbarkeit vorzusehen. Die genannten Streitigkeiten sind einem unabhängigen und ordnungsgemäss einberufenen Schiedsgericht, das nach den Regeln eines Verbands oder einer Konföderation anerkannt ist, oder dem CAS vorzulegen.

Die Verbände müssen zudem dafür sorgen, dass diese Regelung innerhalb des Verbands durchgesetzt wird, falls nötig, indem den Mitgliedern diese Pflicht auferlegt wird. Die Verbände müssen gegen sämtliche Parteien, die diese Pflicht verletzen, Sanktionen verhängen und dafür sorgen, dass Berufungen gegen solche Sanktionen ebenfalls nur bei einem solchen Schiedsgericht möglich sind und der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen ist.“

 Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern

17        Am 22. März 2014 erließ die FIFA eine Regelung mit dem Titel „Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“, das am 1. August 2014 in Kraft trat. Mit diesem Reglement wurde ein früheres Reglement mit demselben Titel, das am 5. Juli 2001 erlassen worden war, aufgehoben und ersetzt.

18        Art. 1 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 dieses Reglements sieht vor:

„Dieses Reglement enthält die generellen und zwingenden Bestimmungen zum Status von Spielern, deren Spielberechtigung für den organisierten Fussball sowie deren Transfer zwischen Klubs verschiedener Verbände.“

19        Dieses Reglement wurde im Dezember 2014 geändert (im Folgenden: RSTS). Zu den aus dieser Änderung hervorgegangenen Bestimmungen gehört u. a. Art. 18bis („Beeinflussung von Klubs durch Drittparteien“) RSTS, der in seiner geänderten Fassung vorsieht:

„1.      Klubs dürfen keine Verträge abschliessen, die anderen Klubs die Möglichkeit einräumen, in Arbeitsverhältnissen oder Transfersachen ihre Unabhängigkeit, ihre Politik oder die Leistung ihrer Teams zu beeinflussen. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall sowie für Drittparteien.

2.      Die FIFA-Disziplinarkommission darf gegen Klubs Disziplinarmassnahmen verhängen, wenn diese ihre Pflichten in diesem Artikel verletzen.“

20        Zu diesen Bestimmungen gehört auch Art. 18ter („Dritteigentum an wirtschaftlichen Spielerrechten “) RSTS, der Folgendes vorsieht:

„1.      Weder Klubs noch Spieler dürfen mit einer Drittpartei einen Vertrag abschliessen, der einer Drittpartei einen gänzlichen oder partiellen Anspruch auf eine Entschädigung, die bei einem künftigen Transfer eines Spielers zwischen zwei Klubs fällig wird, oder beliebige Rechte im Zusammenhang mit einem künftigen Transfer oder einer Transferentschädigung gewährt.

2.      Das Verbot von Abs. 1 gilt ab dem 1. Mai 2015.

3.      Verträge, die unter Abs. 1 fallen und vor dem 1. Mai 2015 abgeschlossen wurden, dürfen bis zu ihrem Vertragsende weiterbestehen. Sie dürfen aber nicht verlängert werden.

4.      Verträge, die unter Abs. 1 fallen und zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 30. April 2015 abgeschlossen wurden, dürfen ab Inkrafttreten höchstens ein Jahr dauern.

5.      Bis Ende April 2015 müssen alle bestehenden Verträge, die unter Abs. 1 fallen, ins [Transferabgleichungssystem (Transfer matching system, TMS)] eingegeben werden. Alle Klubs, die solche Verträge abgeschlossen haben, müssen diese in der vollständigen Fassung mit allen etwaigen Anhängen oder Änderungen ins TMS hochladen. Darin müssen die Details der betreffenden Drittpartei, der vollständige Name des Spielers sowie die Dauer des Vertrags angegeben sein.

6.      Die FIFA-Disziplinarkommission darf gegen Klubs oder Spieler Disziplinarmassnahmen verhängen, wenn diese ihre Pflichten in diesem Artikel verletzen.“

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits

Die zwischen dem RFC Seraing und Doyen geschlossenen Verträge

21        Der RFC Seraing ist ein Fußballklub in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, der in Belgien ansässig und der URBSFA angeschlossen ist.

22        Am 30. Januar 2015 schloss der RFC Seraing einen ersten Vertrag mit der Doyen Sports Investment Ltd (im Folgenden: Doyen), einer Gesellschaft mit Sitz in Malta, deren Haupttätigkeit die finanzielle Unterstützung von Fußballklubs in Europa ist. Dieser erste Vertrag hatte zum einen einen Rahmen für den Abschluss zukünftiger Finanzierungsvereinbarungen für Spieler und zum anderen die Übertragung eines Teils der „wirtschaftlichen Rechte“ des RFC Seraing an drei bestimmten Spielern auf Doyen zum Gegenstand. Diese wirtschaftlichen Rechte sollen den finanziellen Wert der Spieler widerspiegeln. Sie sind mit den „Verbandsrechten“ verbunden, die ein Klub durch die Verpflichtung eines bestimmten Spielers erhält, wie z. B. das Recht, diesen Spieler anzumelden, oder das Recht, ihn spielen zu lassen. Ihre Ausübung ermöglicht es dem Klub, der sie besitzt, die Beträge einzufordern, die z. B. im Fall einer Ausleihe oder eines Transfers des Spielers, für die Nutzung oder Abtretung seiner Bildrechte oder wegen der Auflösung seines Vertrags geschuldet werden.

23        Nach diesem ersten Vertrag mit einer vereinbarten Laufzeit bis zum 1. Juli 2018 wurde Doyen Eigentümerin von 30 % der wirtschaftlichen Rechte des RFC Seraing an den drei betreffenden Spielern und zahlte ihm im Gegenzug einen Betrag von 300 000 Euro. Der RFC Seraing verpflichtete sich, den verbleibenden Anteil seiner wirtschaftlichen Rechte an diesen Spielern nicht „unabhängig und eigenständig“ an einen Dritten abzutreten.

24        Am 7. Juli 2015 schlossen der RFC Seraing und Doyen einen zweiten Vertrag (im Folgenden zusammen mit dem ersten Vertrag: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verträge). Dieser sah die Abtretung von 25 % der wirtschaftlichen Rechte des RFC Seraing an einem vierten Spieler an Doyen gegen Zahlung von 50 000 Euro durch Doyen vor.

 Disziplinar- und Schiedsverfahren in der Schweiz

25        Im Anschluss an eine Untersuchung leitete die FIFA unter Mitwirkung der URBSFA am 2. Juli 2015 ein Disziplinarverfahren gegen den RFC Seraing wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Art. 18bis und 18ter RSTS wegen des Abschlusses der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge ein.

26        Am 4. September 2015 erließ die FIFA-Disziplinarkommission einen Entscheid (im Folgenden: Entscheid der FIFA-Disziplinarkommission), in dem sie zunächst feststellte, dass der RFC Seraing durch den Abschluss der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge gegen die Art. 18bis und 18ter RSTS verstoßen habe. Darüber hinaus untersagte sie diesem Klub die Registrierung von Spielern für vier aufeinanderfolgende Registrierungsperioden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Schließlich verhängte sie gegen den Klub eine Geldstrafe in Höhe von 150 000 Schweizer Franken (d. h. etwa 138 000 Euro gemäß dem damaligen Wechselkurs), zahlbar innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung ihrer Entscheidung.

27        Am 30. November 2015 legte der RFC Seraing gegen diesen Entscheid bei der Berufungskommission der FIFA Berufung ein. Da eine solche Berufung keine aufschiebende Wirkung hat, beantragte er am 3. Dezember 2015 bei dieser Kommission ferner die Aussetzung der Vollstreckung dieses Entscheids. Am 4. Dezember 2015 gab der Vorsitzende der Berufungskommission diesem Antrag statt.

28        Am 7. Januar 2016 wies die Berufungskommission der FIFA die vom RFC Seraing gegen den Entscheid der Disziplinarkommission der FIFA eingelegte Berufung zurück (im Folgenden: Entscheid der Berufungskommission der FIFA).

29        Am 9. März 2016 beantragte der RFC Seraing beim CAS die Aufhebung des Entscheids der Berufungskommission. Am 17. März 2016 beantragte er bei diesem Organ zudem, in Anbetracht der fehlenden aufschiebenden Wirkung des entsprechenden Rechtsbehelfs, ihm gemäß Art. 50 der FIFA-Statuten aufschiebende Wirkung einzuräumen. Am 12. April 2016 gab das CAS diesem Antrag statt.

30        Im Rahmen dieses Rechtsbehelfs machte der RFC Seraing im Wesentlichen u. a. geltend, dass der Entscheid der Berufungskommission der FIFA und die mit diesem Entscheid gegen ihn verhängten disziplinarischen Sanktionen rechtswidrig seien, weil die Bestimmungen, auf denen dieser Entscheid beruhe, ihrerseits rechtswidrig seien. Insoweit machte er u. a. geltend, dass die Art. 18bis und 18ter RSTS, soweit sie ein mit disziplinarischen Sanktionen bewehrtes vollständiges Verbot sogenannter „Third-Party-Influence“- und „Third-Party-Ownership“-Praktiken aufstellten, gegen das Unionsrecht und insbesondere gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit, die in den Art. 45, 56 und 63 AEUV garantiert seien, sowie gegen die in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbsregeln verstießen. Er machte auch einen Verstoß gegen die Schweizer Wettbewerbsregeln geltend.

31        Am 9. März 2017 erließ das CAS einen Schiedsspruch (im Folgenden: Schiedsspruch des CAS), in dem es insbesondere als Erstes feststellte, dass die FIFA-Reglements, das schweizerische Recht und das Unionsrecht das auf den Rechtsstreit anwendbare Recht bildeten. Zum Unionsrecht vertrat dieses Organ zunächst die Auffassung, dass die kumulativen Voraussetzungen, unter denen es verpflichtet sei, im Rahmen seiner Prüfung die Verkehrsfreiheiten und die Wettbewerbsregeln als „[zwingende] Bestimmung[en] eines anderen [als des schweizerischen] Rechts“ im Sinne des schweizerischen Rechts zu berücksichtigen, erfüllt seien. Die Bestimmungen, in denen diese Freiheiten und Regeln niedergelegt seien, würden nämlich vom Gerichtshof als Teil der öffentlichen Ordnung der Union angesehen. Sodann bestehe angesichts zum einen der offensichtlichen Auswirkungen des RSTS im Gebiet der Union und insbesondere auf die Tätigkeit der in den Mitgliedstaaten ansässigen Fußballklubs und zum anderen der Auswirkungen des Entscheids der Berufungskommission der FIFA auf die Möglichkeit des RFC Seraing, an in diesem Gebiet veranstalteten Interklub-Fußballwettkämpfen teilzunehmen, ein enger Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und diesen Bestimmungen. Schließlich teile die schweizerische Rechtsordnung die durch diese Bestimmungen geschützten Interessen und Werte.

32        Als Zweites war das CAS in der Sache u. a. der Ansicht, dass der RFC Seraing nicht dargetan habe, dass die Art. 18bis und 18ter RSTS gegen die schweizerischen Wettbewerbsregeln verstießen. Es verneinte auch einen Verstoß gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Art. 45, 56, 63, 101 und 102 AEUV.

33        Was erstens die Verkehrsfreiheiten betrifft, stellte das CAS im Wesentlichen fest, dass die Art. 18bis und 18ter RSTS den freien Kapitalverkehr beschränkten. Die behaupteten negativen Auswirkungen dieser Artikel auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit seien dagegen nicht hinreichend dargetan und jedenfalls begrenzt. Unabhängig von der Art der Freiheit seien diese Artikel jedenfalls gerechtfertigt, weil mit ihnen legitime, im Allgemeininteresse liegende Ziele im Bereich des Sports verfolgt würden, wie u. a. die Wahrung der Integrität von Wettkämpfen, und die Prüfung ihres Inhalts zeige nicht nur, dass sie zur Erreichung dieser Ziele geeignet seien, sondern auch, dass sie nicht über das hinausgingen, was hierzu erforderlich und verhältnismäßig sei.

34        Was zweitens die Wettbewerbsregeln der Union betrifft, war das CAS zum einen der Ansicht, dass mit den Art. 18bis und 18ter RSTS keine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt werde, sondern die in der vorstehenden Randnummer genannten legitimen, im Allgemeininteresse liegenden Ziele im Bereich des Sports verfolgt würden. Zum anderen habe der RFC Seraing nicht nachgewiesen, dass diese Artikel tatsächlich oder potenziell eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirkten.

35        Als Drittes bestätigte das CAS die gegen den RFC Seraing verhängte Geldstrafe sowie das ihm auferlegte Verbot der Registrierung von Spielern, verkürzte die Dauer dieses Verbots jedoch auf drei aufeinanderfolgende Registrierungsperioden.

36        Als Viertes und Letztes entschied das CAS, dass in Anbetracht der nacheinander von der Berufungskommission der FIFA und von ihm selbst erlassenen Aussetzungsmaßnahmen diese disziplinarischen Sanktionen ab der Zustellung seines Schiedsspruchs an den RFC Seraing anwendbar seien, so dass die Geldstrafe innerhalb von 30 Tagen ab dieser Zustellung zu zahlen sei und das Registrierungsverbot sich auf die Registrierungsperioden Sommer 2017, Winter 2017/2018 und Sommer 2018 erstrecken müsse.

37        Am 15. Mai 2017 reichte der RFC Seraing beim Bundesgericht (Schweiz) eine Beschwerde gegen den Schiedsspruch des CAS ein. Außerdem beantragte er, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu verleihen.

38        Mit Beschluss vom 7. August 2017 wies das Präsidium des Bundesgerichts diesen Antrag auf aufschiebende Wirkung zurück.

39        Zur Stützung seiner Beschwerde machte der RFC Seraing u. a. geltend, dass der Schiedsspruch des CAS mit dem „materiellen Ordre public“ im Sinne des schweizerischen Rechts unvereinbar sei. Insoweit machte er u. a. erneut geltend, dass dieser Schiedsspruch gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit, die in den Art. 45, 56 und 63 AEUV garantiert seien, gegen die in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbsregeln sowie gegen die schweizerischen Wettbewerbsregeln verstoße.

40        In ihren Schriftsätzen bzw. Stellungnahmen beantragten die FIFA und das CAS, die Beschwerde des RFC Seraing abzuweisen.

41        Mit Urteil vom 20. Februar 2018 wies das Bundesgericht diese Beschwerde ab. Zu dem Beschwerdegrund des RFC Seraing, mit dem die Unvereinbarkeit des Schiedsspruchs des CAS mit dem materiellen Ordre public und insbesondere mit den Wettbewerbsregeln und den Verkehrsfreiheiten geltend gemacht wurde, verwies dieses Gericht als Erstes auf seine insoweit gefestigte Rechtsprechung. Aus dieser ergebe sich erstens, dass ein Schiedsspruch nur dann als mit dem materiellen Ordre public unvereinbar angesehen werden könne, wenn er durch sein Ergebnis und nicht nur durch seine Begründung die wesentlichen und weithin anerkannten Werte missachte, die nach den in der Schweiz vorherrschenden Auffassungen die Grundlage jeder Rechtsordnung bilden sollten. Zweitens setze eine solche Missachtung voraus, dass der Schiedsspruch so weit gegen fundamentale Grundsätze des materiellen Rechts verstoße, dass er mit der maßgeblichen Rechtsordnung und dem maßgeblichen Wertesystem nicht mehr in Einklang zu bringen sei. Drittens gehörten die Wettbewerbsregeln nicht zum materiellen Ordre public.

42        Als Zweites fügte das Bundesgericht im Wesentlichen hinzu, dass der Beschwerdegrund der Unvereinbarkeit des Schiedsspruchs des CAS mit dem materiellen Ordre public im vorliegenden Fall jedenfalls als unzulässig zurückzuweisen sei, soweit er sich auf das Unionsrecht und die schweizerischen Wettbewerbsregeln beziehe, weil er dem Begründungserfordernis für Beschwerden gegen einen Schiedsspruch nicht genüge.

Das Gerichtsverfahren in Belgien

43        Am 3. April 2015, also vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch die FIFA, verklagten Doyen und der RFC Sérésien, ein nicht gewinnorientierter Verein nach belgischem Recht, der den RFC Seraing leitet, die FIFA, die UEFA und die URBSFA vor dem Tribunal de commerce francophone de Bruxelles (französischsprachiges Handelsgericht von Brüssel, Belgien).

44        Am 8. Juli 2015, also nach der Einleitung dieses Disziplinarverfahrens, aber vor dem Erlass des Entscheids der Disziplinarkommission der FIFA, trat der RFC Seraing dem Verfahren freiwillig bei und beantragte die Feststellung, dass das in den Art. 18bis und 18ter RSTS aufgestellte vollständige Verbot der „Third-Party-Influence“- und „Third-Party-Ownership“-Praktiken mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Art. 45, 56, 63, 101 und 102 AEUV, unvereinbar ist. Außerdem beantragte dieser Klub, alle Bestimmungen, die ein solches vollständiges Verbot enthalten, für nichtig zu erklären, verschiedene Anordnungen gegen die FIFA, die UEFA und die URBSFA zu erlassen und ihm den vorläufigen Betrag von 500 000 Euro zum Ersatz der verschiedenen ihm aufgrund der Anwendung der Art. 18bis und 18ter RSTS entstandenen Schäden zuzusprechen.

45        Am 17. November 2016 erließ das Tribunal de commerce francophone de Bruxelles (französischsprachiges Handelsgericht von Brüssel) ein Urteil, in dem es sich u. a. für unzuständig erklärte, über die verschiedenen Anträge des RFC Seraing zu entscheiden.

46        Am 19. Dezember 2016, also nach dem Erlass des Entscheids der Disziplinarkommission der FIFA und des Entscheids der Berufungskommission der FIFA, aber vor der Verkündung des Schiedsspruchs des CAS, legte der RFC Seraing gegen dieses Urteil Berufung bei der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) ein.

47        Im Rahmen dieser Berufung machte er u. a. geltend, er habe verschiedene Schäden erlitten, die durch ein Fehlverhalten der FIFA unter Mitwirkung der URBSFA verursacht worden seien, das im Wesentlichen darin bestanden habe, dass diese Verbände die Art. 18bis und 18ter RSTS auf ihn angewandt hätten, indem sie zunächst ein Disziplinarverfahren eingeleitet hätten, ihm dann vorgeworfen hätten, gegen die in diesen Artikeln aufgestellten Verbote verstoßen zu haben, und schließlich disziplinarische Sanktionen gegen ihn verhängt hätten. Dieses Disziplinarverfahren, die Feststellung eines Verstoßes und die disziplinarischen Sanktionen seien nämlich deshalb fehlerhaft, weil die Art. 18bis und 18ter RSTS, auf die sie sich stützten, selbst gegen das Unionsrecht verstießen, insbesondere gegen die Art. 45, 56, 63, 101 und 102 AEUV.

48        Am 12. Dezember 2019, also nach der Verkündung des Schiedsspruchs des CAS und des in Rn. 41 des vorliegenden Urteils genannten Urteils des Bundesgerichts, erließ die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) ein Urteil (im Folgenden: Urteil der Cour d’appel de Bruxelles), in dem sie sämtliche Anträge des RFC Seraing zurückwies.

49        In diesem Urteil entschied die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) u. a. als Erstes, dass die Berufungsgründe des RFC Seraing, wonach die Art. 18bis und 18ter RSTS gegen das Unionsrecht verstießen, von diesem Klub bereits vor dem CAS im Rahmen des Rechtsstreits zwischen ihm und der FIFA geltend gemacht und im Schiedsspruch des CAS zurückgewiesen worden seien. Nach Ansicht der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) ist jedoch davon auszugehen, dass der Schiedsspruch des CAS in Anbetracht von Art. 24, Art. 28 und Art. 1713 § 9 des Gerichtsgesetzbuchs in den Beziehungen zwischen den Parteien die gleichen Wirkungen wie eine Entscheidung eines Gerichts habe, so dass ihm ab seiner Verkündung die materielle Rechtskraft zuerkannt werden müsse und er mit der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesgericht formell rechtskräftig geworden sei. Die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) kam daher zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Berufungsgründe unzulässig seien, soweit sie gegen die FIFA gerichtet seien.

50        Als Zweites stellte die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) im Wesentlichen fest, dass gerichtlichen Entscheidungen oder Schiedssprüchen, sobald ihnen in den Beziehungen zwischen den Parteien des Rechtsstreits Rechtskraft zuerkannt werde, folglich gegenüber an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten, denen sie entgegengehalten werden könnten, die Beweiskraft zuerkannt werden müsse, die mit einer solchen Rechtskraft verbunden sei. Im vorliegenden Fall habe der Schiedsspruch des CAS somit Beweiskraft gegenüber der URBSFA, die nicht Partei des Rechtsstreits zwischen dem RFC Seraing und der FIFA vor dem CAS gewesen sei. Angesichts dieser Beweiskraft hätte der RFC Seraing, da er der URBSFA ebenfalls ein Fehlverhalten zur Last lege, die auf den Schiedsspruch des CAS gestützte Vermutung der Vereinbarkeit der Art. 18bis und 18ter RSTS mit dem Unionsrecht widerlegen müssen. Dieser Obliegenheit sei der Klub jedoch nicht nachgekommen. Die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) wies daher die in der vorstehenden Randnummer genannten Berufungsgründe, soweit sie gegen die URBSFA gerichtet waren, als unbegründet zurück.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

51        Der RFC Seraing legte bei der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde gegen das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) ein.

52        In der Vorlageentscheidung führt die Cour de cassation (Kassationshof) aus, dass die vom RFC Seraing vorgebrachten Kassationsgründe zwei Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts aufwürfen, deren Vorlage an den Gerichtshof sie für erforderlich halte.

53        Erstens macht der RFC Seraing mit seinem ersten Beschwerdegrund geltend, dass die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) u. a. gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta verstoßen habe, indem sie seine Berufungsgründe, soweit sie gegen die FIFA gerichtet gewesen seien, als unzulässig zurückgewiesen habe. Dieses Gericht habe nämlich zu Unrecht angenommen, dass dem Schiedsspruch des CAS gegenüber der FIFA Rechtskraft zukomme, soweit darin die Vereinbarkeit der Art. 18bis und 18ter RSTS mit dem Unionsrecht festgestellt worden sei.

54        Insoweit ergebe sich zwar aus der Rechtsprechung, die aus den Urteilen vom 23. März 1982, Nordsee (102/81, EU:C:1982:107), und vom 6. März 2018, Achmea (C-284/16, EU:C:2018:158), hervorgegangen sei, dass Einzelne vereinbaren könnten, die Streitigkeiten, die zwischen ihnen entstehen könnten, einem Schiedsorgan zuzuweisen, doch dürfe dies die volle Achtung, die kohärente Auslegung und die wirksame Anwendung des Unionsrechts im Unionsgebiet nicht beeinträchtigen. Außerdem ergebe sich daraus, dass dieses Erfordernis selbst impliziere, dass die zuständigen nationalen Gerichte über die streitigen unionsrechtlichen Fragen entscheiden könnten, indem sie erforderlichenfalls dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegten, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz für die Einzelnen zu gewährleisten.

55        Im Übrigen gehe aus dem Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos (C-116/20, EU:C:2022:273), im Wesentlichen hervor, dass, auch wenn das Unionsrecht den zuständigen nationalen Gerichten nicht unter allen Umständen gebiete, von der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter Rechtskraft erlange, abzusehen, wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte, diese Rechtsvorschriften gleichwohl den Erfordernissen der Äquivalenz und der Effektivität genügen müssten.

56        Diese Rechtsprechung erlaube es indes nicht, die im vorliegenden Fall aufgeworfene Frage zu beantworten, ob es mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV vereinbar sei, Rechtskraft gegenüber den Parteien eines bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen Rechtsstreits einem Schiedsspruch zuzuerkennen, der vor dieser Zuerkennung nicht von einem zur Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befugten Gericht auf seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht habe überprüft werden können, obwohl mit diesem Schiedsspruch über Fragen zum Unionsrecht entschieden werde.

57        Zweitens macht der RFC Seraing mit seinem dritten Beschwerdegrund geltend, dass die Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel) u. a. gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta verstoßen habe, indem sie seine Berufungsgründe, soweit sie gegen die URBSFA gerichtet gewesen seien, als unbegründet zurückgewiesen habe. Dieses Gericht habe nämlich zu Unrecht angenommen, dass dem Schiedsspruch des CAS gegenüber der URBSFA die mit der Rechtskraft verbundene Beweiskraft zukommen müsse, soweit darin die Vereinbarkeit der Art. 18bis und 18ter RSTS mit dem Unionsrecht festgestellt worden sei.

58        Insoweit weist die Cour de cassation (Kassationshof) zunächst darauf hin, dass der Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstelle, der für sich genommen zur Aufhebung des Urteils der Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel) führen könne, und führt sodann aus, dass die Prüfung dieses Beschwerdegrundes eine Entscheidung über die Frage erfordere, ob es mit dieser Bestimmung vereinbar sei, einem Schiedsspruch, der nicht zuvor von einem zur Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befugten Gericht auf seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht habe überprüft werden können, obwohl mit diesem Schiedsspruch über Fragen zum Unionsrecht entschieden werde, gegenüber an einem bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten Beweiskraft zuzuerkennen.

59        Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta der Anwendung von Bestimmungen des nationalen Rechts wie Art. 24 und Art. 1713 § 9 des Gerichtsgesetzbuchs, in denen der Grundsatz der Rechtskraft gesetzlich verankert ist, auf einen Schiedsspruch entgegen, dessen Vereinbarkeit mit dem Recht der Union von einem Gericht eines Staates, der nicht Mitglied der Union ist, das nicht zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union berechtigt ist, überprüft worden ist?

2.      Steht Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta dem entgegen, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, die Dritten gegenüber Beweiskraft verleiht, vorbehaltlich des Gegenbeweises, den diese zu erbringen haben, auf einen Schiedsspruch angewandt wird, dessen Vereinbarkeit mit dem Recht der Union von einem Gericht eines Staates, der nicht Mitglied der Union ist, das nicht zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union berechtigt ist, überprüft worden ist?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

60        Wie sich aus der Formulierung der Vorlagefragen und der ihnen zugrunde liegenden Begründung ergibt, fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Auslegung von Art. 19 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta, um entscheiden zu können, ob diese Bestimmungen der Anwendung zum einen nationaler Vorschriften, die endgültigen Schiedssprüchen Rechtskraft im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits zuerkennen, und zum anderen einer nationalen Vorschrift, die ihnen aufgrund der Rechtskraft Beweiskraft gegenüber Dritten zuerkennt, auf einen vom CAS erlassenen und vom Bundesgericht bestätigten Schiedsspruch entgegenstehen.

61        Einige Verfahrensbeteiligte fordern den Gerichtshof jedoch im Wesentlichen auf, bei seiner Prüfung auch andere Bestimmungen oder Regeln des nationalen Rechts zu berücksichtigen als diejenigen, auf die das vorlegende Gericht in seinen Fragen speziell Bezug nimmt.

62        Insbesondere hat die belgische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt, dass Art. 1713 § 9 des Gerichtsgesetzbuchs zwar bestimme, dass ein Schiedsspruch zwischen den Parteien die gleichen Wirkungen wie eine gerichtliche Entscheidung habe, einschließlich der Rechtskraft nach Art. 24 dieses Gesetzbuchs, es jedoch ferner erforderlich sei, dass der Schiedsspruch gemäß den Art. 1720 und 1721 des Gerichtsgesetzbuchs, die das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen in Belgien vorsähen, in die belgische Rechtsordnung aufgenommen werde.

63        In der mündlichen Verhandlung hat diese Regierung ausgeführt, dass es in diesem Zusammenhang drei Möglichkeiten gebe, einen Schiedsspruch vor den belgischen Gerichten anzufechten. Zunächst könne, wenn eine Partei beim zuständigen erstinstanzlichen Gericht auf der Grundlage der Art. 1720 und 1721 des Gerichtsgesetzbuchs einen Antrag auf Anerkennung eines Schiedsspruchs in Belgien stelle, dieses Gericht auf Antrag der anderen Partei oder von Amts wegen den erstgenannten Antrag ablehnen, wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Sodann könne eine Partei, die die Anerkennung eines Schiedsspruchs verhindern wolle, auf der Grundlage derselben Bestimmungen bei diesem Gericht einen Antrag auf Nichtanerkennung des betreffenden Schiedsspruchs stellen. Schließlich könne die Nichtanerkennung eines Schiedsspruchs, auch wenn dies in Art. 1721 des Gerichtsgesetzbuchs nicht ausdrücklich vorgesehen sei, inzident immer dann beantragt oder sogar von Amts wegen ausgesprochen werden, wenn ein Schiedsspruch im Rahmen eines Verfahrens vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werde, wie dies in Art. 22 des Gesetzes zur Einführung des Gesetzbuches über das Internationale Privatrecht für ausländische gerichtliche Entscheidungen vorgesehen sei.

64        Wie die belgische Regierung ersuchen die FIFA und im Wesentlichen die UEFA den Gerichtshof, die nationalen Bestimmungen über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Belgien zu berücksichtigen.

65        Die Europäische Kommission und die deutsche Regierung werfen ihrerseits im Wesentlichen die Frage nach der Vollständigkeit der Darstellung der im vorliegenden Fall möglicherweise anwendbaren nationalen Bestimmungen in der Vorlageentscheidung auf, weisen aber darauf hin, dass der Gerichtshof grundsätzlich an die Auslegung des innerstaatlichen Rechts gebunden ist, die das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen vorgenommen hat.

66        Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung im Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht u. a. für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig (Urteile vom 4. Juni 2013, ZZ, C-300/11, EU:C:2013:363, Rn. 36, und vom 24. Juli 2023, Lin, C-107/23 PPU, EU:C:2023:606, Rn. 76). Der Gerichtshof hat sich seinerseits zur Auslegung oder zur Gültigkeit der Vorschriften des Unionsrechts, zu denen er befragt wurde, unter Berücksichtigung des vom vorlegenden Gericht festgestellten tatsächlichen und rechtlichen Kontexts der Vorlagefragen zu äußern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri, C-341/05, EU:C:2007:809, Rn. 47, und vom 24. Februar 2022, Namur-Est Environnement, C-463/20, EU:C:2022:121, Rn. 40).

67        Es ist daher allein Sache des vorlegenden Gerichts, die auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Vorschriften zu bestimmen und sie zu berücksichtigen, soweit es dies für angebracht hält.

68        Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er zum einen dem entgegensteht, dass einem Schiedsspruch des CAS im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits, in dem dieser Schiedsspruch ergangen ist, Rechtskraft verliehen wird, wenn die Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit dem Unionsrecht nicht zuvor von einem zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof berechtigten nationalen Gericht geprüft wurde, und zum anderen dem entgegensteht, dass ihm infolge dieser Rechtskraft im Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits und Dritten im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats Beweiskraft zuerkannt wird.

Zum wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz des Einzelnen innerhalb der Union, einschließlich im Fall der Befassung eines Schiedsgerichts

69        Die Union ist eine Rechtsunion, in der dem Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz als Garant für den Schutz sämtlicher dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsender Rechte grundlegende Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen [Unabhängigkeit des Obersten Gerichts], C-619/18, EU:C:2019:531, Rn. 58, und vom 20. April 2021, Repubblika, C-896/19, EU:C:2021:311, Rn. 51).

70        Deshalb wird dieses Recht, das sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, den Einzelnen auch auf Unionsebene unter den in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta vorgesehenen Voraussetzungen gewährleistet, wobei die letztgenannte Bestimmung bei der Auslegung der erstgenannten gebührend zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 66, vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, EU:C:2018:117, Rn. 35, und vom 2. März 2021, A. B. u. a. [Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf], C-824/18, EU:C:2021:153, Rn. 143).

71        Die Anerkennung des in Art. 47 der Charta garantierten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in einem bestimmten Einzelfall setzt u. a. voraus, dass sich die Person, die es geltend macht, auf durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten beruft (Urteile vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 34, und vom 29. Juli 2024, protectus, C-185/23, EU:C:2024:657, Rn. 71). Dies ist im Ausgangsrechtsstreit der Fall, da sich der RFC Seraing, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, auf die Rechte und Freiheiten aus den Art. 45, 56, 63, 101 und 102 AEUV beruft.

72        Diesem in Art. 47 der Charta garantierten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf entspricht die Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist (Urteile vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois [Rechtsbehelf gegen ein Auskunftsersuchen in Steuersachen], C-245/19 und C-246/19, EU:C:2020:795, Rn. 47, sowie vom 1. August 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Ablehnung des Aufnahmegesuchs eines ägyptischen unbegleiteten Minderjährigen], C-19/21, EU:C:2022:605, Rn. 36).

73        Während Art. 47 der Charta zur Wahrung des Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz jedes Einzelnen beiträgt, der sich in einem bestimmten Fall auf ein Recht oder eine Freiheit beruft, das bzw. die er aus dem Unionsrecht herleitet, soll Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV sicherstellen, dass das von jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C-896/19, EU:C:2021:311, Rn. 52).

74        Was erstens die in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV aufgestellte Pflicht betrifft, so bedeutet diese, dass alle zum Gerichtssystem der Mitgliedstaaten gehörenden Einrichtungen, die als „Gerichte“ im Sinne des Unionsrechts zur Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts berufen sein können, den Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gerecht werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, EU:C:2018:117, Rn. 40, und vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 40).

75        Zweitens verlangt das in Art. 47 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf u. a., dass diese Gerichte eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Handlungen, Maßnahmen oder Verhaltensweisen vornehmen können, von denen im Rahmen eines bestimmten Rechtsstreits behauptet wird, dass sie die Rechte oder Freiheiten, die das Unionsrecht einem Einzelnen verleiht, verletzt haben. Dieses Erfordernis bedeutet grundsätzlich, dass diese Gerichte über die Befugnis verfügen, alle für diesen Rechtsstreit relevanten Tatsachen- und Rechtsfragen zu prüfen (Urteil vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois [Rechtsbehelf gegen ein Auskunftsersuchen in Steuersachen], C-245/19 und C-246/19, EU:C:2020:795, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76        Keine dieser beiden Bestimmungen impliziert jedoch, dass die Einzelnen über einen unmittelbaren Rechtsbehelf verfügen, der in erster Linie darauf abzielt, eine bestimmte Maßnahme in Frage zu stellen, sofern es im Übrigen im betreffenden nationalen Rechtsschutzsystem einen oder mehrere Rechtsbehelfe gibt, die es ihnen ermöglichen, inzident eine wirksame gerichtliche Kontrolle dieser Maßnahme zu erreichen, und die damit die Beachtung der ihnen durch das Unionsrecht garantierten Rechte und Freiheiten gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, EU:C:2007:163, Rn. 47 und 49, vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois [Rechtsbehelf gegen ein Auskunftsersuchen in Steuersachen], C-245/19 und C-246/19, EU:C:2020:795, Rn. 79, sowie vom 8. April 2025, Europäische Staatsanwaltschaft [Gerichtliche Kontrolle von Verfahrenshandlungen], C-292/23, EU:C:2025:255, Rn. 79).

77        Im Übrigen müssen die Rechtsbehelfe, die im betreffenden nationalen Rechtsschutzsystem zur Verfügung stehen, es dem zuständigen nationalen Gericht ermöglichen, den Gerichtshof unter den in Art. 267 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen um eine Vorabentscheidung über alle Fragen zu ersuchen, die die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit eines Rechtsakts des Unionsrechts betreffen. Insoweit ist zu betonen, dass das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, das das Schlüsselelement des durch die Verträge geschaffenen Gerichtssystems darstellt, einen Dialog von Gericht zu Gericht zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten einführt, der die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten soll und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts ermöglicht (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 176, sowie Urteile vom 6. März 2018, Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 37, und vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 73). Dieses Vorabentscheidungsverfahren ist somit ein wesentlicher Bestandteil des durch die Verträge geschaffenen Systems, das es den nationalen Gerichten ermöglichen soll, einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2021, IS [Rechtswidrigkeit des Vorlagebeschlusses], C-564/19, EU:C:2021:949, Rn. 76).

78        Allerdings verbietet es die durch die Verträge geschaffene Rechtsordnung grundsätzlich nicht, dass Einzelne, die aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Gebiet der Union unter diese Rechtsordnung fallen, Rechtsstreitigkeiten, die zwischen ihnen im Rahmen dieser Ausübung entstehen können, einem Schiedsmechanismus unterwerfen.

79        Im Gegenteil ist, anders als der Abschluss zum einen von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, mit denen verbindliche Schiedsmechanismen eingeführt werden, die der Zuständigkeit ihrer Gerichte Streitigkeiten entziehen, die sich auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen können, und zum anderen von Ad-hoc-Schiedsvereinbarungen, die die Fortsetzung von auf der Grundlage solcher Abkommen eingeleiteten Schiedsverfahren ermöglichen, der streng verboten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2018, Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 54 und 55, vom 2. September 2021, Republik Moldau, C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 59, und vom 26. Oktober 2021, PL Holdings, C-109/20, EU:C:2021:875, Rn. 44 und 45), die Inanspruchnahme eines Schiedsverfahrens durch Einzelne grundsätzlich möglich.

80        Wie sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, in deren Licht Art. 47 der Charta auszulegen ist (Urteil vom 19. Dezember 2019, Deutsche Umwelthilfe, C-752/18, EU:C:2019:1114, Rn. 37), ist insoweit zwischen Zwangsschiedsgerichtsbarkeit und freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit zu unterscheiden. In Bezug auf Letztere hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass es den Parteien eines Vertrags freisteht, freiwillig auf bestimmte durch diese Konvention garantierte Rechte zu verzichten, einschließlich des Rechts, bestimmte Streitigkeiten, die sich aus der Erfüllung des betreffenden Vertrags ergeben können, vor die staatlichen Gerichte zu bringen, sofern ein solcher Verzicht frei, rechtmäßig und eindeutig ist (EGMR, 2. Oktober 2018, Mutu und Pechstein/Schweiz, CE:ECHR:2018:1002JUD004057510, § 96).

81        In gleicher Weise hat der Gerichtshof festgestellt, dass Einzelne die Möglichkeit haben, eine Vereinbarung zu schließen, mit der in klaren und deutlichen Worten die mit ihr in Zusammenhang stehenden Rechtsstreitigkeiten ganz oder zum Teil einem Schiedsorgan zugewiesen werden, anstelle des Gerichts, das nach den ohne eine solche Vereinbarung anwendbaren Vorschriften für sie zuständig gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 193).

82        Sobald jedoch der durch eine solche Vereinbarung eingeführte oder bestimmte Schiedsmechanismus im gesamten Unionsgebiet oder in einem Teil davon im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Gebiet angewandt werden soll, muss dieser Mechanismus so konzipiert und angewandt werden, dass zum einen seine Vereinbarkeit mit den für die Struktur der justiziellen Architektur in der Union maßgebenden Grundsätzen und zum anderen die tatsächliche Einhaltung der öffentlichen Ordnung der Union sichergestellt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 188 und 189).

83        Hierzu ist hervorzuheben, dass unabhängig von den Regeln, die auf das nach einem solchen Schiedsmechanismus zuständige Schiedsorgan Anwendung finden können, die von ihm erlassenen Schiedssprüche einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können müssen, die geeignet ist, den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, auf den die betroffenen Personen nach Art. 47 der Charta Anspruch haben und den zu gewährleisten die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen verpflichtet sind.

84        Dieses Erfordernis bedeutet nicht, dass es in der Union notwendigerweise ein Gericht oder mehrere Gerichte geben muss, die befugt sind, alle für die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten, in deren Rahmen Schiedssprüche ergangen sind, relevanten Tatsachen- und Rechtsfragen zu prüfen, wie dies nach der in Rn. 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Fall sein müsste, wenn kein Schiedsverfahren in Anspruch genommen wird. In Anbetracht der Möglichkeit für den Einzelnen, unter den in Rn. 82 dieses Urteils genannten Voraussetzungen ein Schiedsverfahren in Anspruch zu nehmen, und der Erfordernisse der Wirksamkeit des Schiedsverfahrens kann die gerichtliche Kontrolle von Schiedssprüchen nämlich wirksam beschränkt sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 35, vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro, C-168/05, EU:C:2006:675, Rn. 34, und vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 193).

85        Den von Schiedssprüchen betroffenen Einzelnen muss es jedoch jedenfalls möglich bleiben, von einem Gericht, das alle Anforderungen nach Art. 267 AEUV erfüllt, eine Überprüfung der Frage zu erwirken, ob die betreffenden Schiedssprüche mit den Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar sind, die zur öffentlichen Ordnung der Union gehören und im Rahmen des betreffenden Rechtsstreits relevant sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 37, und vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 193).

86        Diese Kontrolle muss, um wirksam zu sein, geeignet sein, die Beachtung dieser Grundsätze und Bestimmungen sicherzustellen, was bedeutet, dass sie sich auf die Auslegung dieser Grundsätze und dieser Bestimmungen, auf die Rechtsfolgen, die daran hinsichtlich ihrer Anwendung in einem bestimmten Fall zu knüpfen sind, und gegebenenfalls auf die rechtliche Qualifizierung der von dem Schiedsorgan festgestellten und gewürdigten Tatsachen im Hinblick auf diese Grundsätze und Bestimmungen erstrecken muss.

87        Es kann nämlich nicht zugelassen werden, dass sich Einzelne durch die Inanspruchnahme eines Schiedsverfahrens über Grundsätze und Bestimmungen des Primär- oder Sekundärrechts der Union hinwegsetzen können, die für die durch die Verträge geschaffene Rechtsordnung wesentlich sind oder für die Erfüllung der Aufgaben der Union von grundlegender Bedeutung sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 36, und vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro, C-168/05, EU:C:2006:675, Rn. 37). Vielmehr sind die betreffenden Grundsätze und Bestimmungen, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind, von Einzelnen zu beachten, sofern ihre jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen in einem bestimmten Einzelfall erfüllt sind. Insoweit stellt die Beachtung dieser öffentlichen Ordnung eine wesentliche Ergänzung des strukturierten Netzes von miteinander verflochtenen Grundsätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen dar, das die Union und ihre Mitgliedstaaten sowie die Mitgliedstaaten untereinander bindet (vgl. zu diesem letzten Aspekt Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88        Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Grundsätzen und Bestimmungen, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind, u. a. die Art. 101 und 102 AEUV, die unmittelbare Wirkung haben und in der Person des Einzelnen Rechte entstehen lassen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 36 bis 39, und vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 192 und 193).

89        Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit, die durch die Art. 45, 56 und 63 AEUV garantiert werden, sind ebenfalls Teil der öffentlichen Ordnung der Union. Auch diese drei Artikel, die im Rahmen des Ausgangsverfahrens allein in Frage stehen, haben unmittelbare Wirkung (vgl. zu Art. 45 AEUV Urteil vom 21. Dezember 2023, Royal Antwerp Football Club, C-680/21, EU:C:2023:1010, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung, und zu Art. 63 AEUV Urteil vom 10. März 2022, Grossmania, C-177/20, EU:C:2022:175, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie gehören zu den Grundlagen des Binnenmarkts im Sinne von Art. 26 AEUV, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst.

Zur gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen des CAS im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet der Union

90        Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, sind die Schiedsmechanismen, denen internationale Sportverbände wie die FIFA die Beilegung von Streitigkeiten unterwerfen, die zwischen ihnen oder zwischen nationalen Verbänden, die ihre Mitglieder sind, und den in ihre jeweilige Zuständigkeit fallenden Einzelnen, ob Unternehmen oder Sportler, entstehen können, aufgrund der Satzungen und der Vorrechte dieser Sportverbände durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet.

91        Aus diesem Grund hat der Gerichtshof festgestellt, dass in Fällen, in denen diese Rechtsstreitigkeiten mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Unionsgebiet zusammenhängen, der Möglichkeit für die betroffenen Einzelnen, eine wirksame gerichtliche Überprüfung der Frage zu erwirken, ob die im Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten ergangenen Schiedssprüche mit den zur öffentlichen Ordnung der Union gehörenden Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar sind, ganz besondere Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 193 und 195).

92        In Anbetracht der Satzungen und Vorrechte von Sportverbänden wie der FIFA ist nämlich davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme solcher Schiedsmechanismen diesen Einzelnen einseitig aufgezwungen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 193, 195 und 225; EGMR, 2. Oktober 2018, Mutu und Pechstein/Schweiz, CE:ECHR:2018:1002JUD004057510, §§ 109 bis 115). Auch wenn die Anwendung eines solchen Mechanismus auf einen Einzelnen formell den Abschluss einer Vereinbarung mit ihm erfordern kann, sind der Abschluss dieser Vereinbarung und die Aufnahme einer Klausel, die die Inanspruchnahme eines Schiedsverfahrens vorsieht, in Wirklichkeit von vornherein durch eine von dem betreffenden Verband erlassene und für seine Mitglieder und die diesen Mitgliedern angeschlossenen Personen oder sogar für andere Personengruppen geltende Regelung vorgeschrieben.

93        Dieser zwingende Charakter derartiger Schiedsmechanismen ist eng mit dem Umstand verbunden, dass sie auf Rechtsstreitigkeiten zwischen, auf der einen Seite, einem Sportverband, der über besonders weitgehende Regelungs-, Kontroll- und Sanktionsbefugnisse sui generis verfügt, und, auf der anderen Seite, einer allgemeinen und unbestimmten Gesamtheit juristischer oder natürlicher Personen, die der Ausübung dieser Befugnisse im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unterliegen, Anwendung finden sollen, wie die Generalanwältin in den Nrn. 74 und 75 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat.

94        Zwar kann diese vorgeschriebene Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit unter Berücksichtigung der rechtlichen Autonomie, über die die internationalen Sportverbände verfügen, und im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeiten (vgl. insoweit Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C-333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 75 und 142 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) durch die Verfolgung legitimer Ziele, wie beispielsweise der Gewährleistung einer einheitlichen Behandlung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der in ihre Zuständigkeit fallenden Sportdisziplin oder der Ermöglichung einer kohärenten Auslegung und Anwendung der für diese Disziplin geltenden Regeln, grundsätzlich gerechtfertigt sein.

95        Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass diese rechtliche Autonomie es nicht rechtfertigen kann, dass die Ausübung der Befugnisse solcher Verbände dazu führt, dass die Möglichkeit für den Einzelnen eingeschränkt wird, sich auf die Rechte und Freiheiten zu berufen, die ihm das Unionsrecht verleiht und die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C-333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 75, und vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 196 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Erfordernis selbst impliziert aber, dass die Achtung dieser Rechte und Freiheiten Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein kann, erst recht, wenn die Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit den betreffenden Einzelnen aufgezwungen wird (vgl. entsprechend Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 36 bis 39, sowie vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 192 und 193).

96        Im vorliegenden Fall wurde der Schiedsspruch des CAS in Anwendung eines Schiedsmechanismus erlassen, der als den betroffenen Einzelnen in der Praxis einseitig auferlegt anzusehen ist, wie sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts und den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt.

97        Nach Art. 47 Abs. 3 und Art. 50 Abs. 1 der FIFA-Statuten sind nämlich Berufungen gegen einen Entscheid der Berufungskommission der FIFA und im weiteren Sinne gegen letztinstanzliche Entscheide der FIFA und ihrer Rechtsorgane beim CAS einzureichen. Nach Art. 50 Abs. 4 dieser Statuten hat eine solche Berufung keine aufschiebende Wirkung, auch wenn ihr das CAS eine solche Wirkung einräumen kann. Sodann müssen sich die nationalen Fußballverbände, die Mitglieder der FIFA sind, nach den Art. 11, 14 und 15 sowie Art. 51 dieser Statuten zum einen der Zuständigkeit und den Entscheidungen des CAS unterwerfen und zum anderen ihre eigenen Mitglieder oder die ihnen angeschlossenen Einrichtungen bzw. Personen wie Ligen, Klubs und Spieler verpflichten, sich je nach Fall dieser Zuständigkeit und diesen Entscheiden oder der Zuständigkeit und den Entscheidungen der auf nationaler Ebene geschaffenen Schiedsorgane zu unterwerfen. Schließlich sind nach Art. 51 der FIFA-Statuten Klagen und Anträge auf einstweilige Anordnungen vor einem ordentlichen Gericht ausgeschlossen, mit Ausnahme der in den FIFA-Reglementen ausdrücklich vorbehaltenen Fälle. Unter diesem Vorbehalt hat die jeweilige Zuständigkeit des CAS und der auf nationaler Ebene geschaffenen Schiedsorgane für alle von diesen Bestimmungen erfassten Personengruppen somit nicht nur allgemeinen und verbindlichen, sondern auch ausschließlichen Charakter.

98        Daher ist zu klären, welchen Anforderungen die gerichtliche Überprüfung von in Anwendung eines solchen Mechanismus ergangenen Schiedssprüchen genügen muss, damit die zuständigen nationalen Gerichte den Einzelnen den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz garantieren können, auf den sie nach Art. 47 der Charta Anspruch haben und den die Mitgliedstaaten gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu gewährleisten haben.

99        Erstens impliziert Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, wie in Rn. 76 des vorliegenden Urteils festgestellt, nicht zwangsläufig, dass es im Gebiet der Union einen unmittelbaren Rechtsbehelf geben muss, der es den betroffenen Einzelnen ermöglichen soll, Schiedssprüche in Frage zu stellen, wie etwa eine Aufhebungsklage, einen Einspruch oder eine Berufung, und damit vom zuständigen Gericht eine wirksame gerichtliche Überprüfung der betreffenden Schiedssprüche zu erwirken. Der betreffende Sportverband kann jedoch einen Schiedsmechanismus einrichten, der unter Berücksichtigung seines Sitzes einem solchen unmittelbaren Rechtsbehelf innerhalb der Union unterliegt.

100      Dagegen muss, wie in Rn. 76 des vorliegenden Urteils ausgeführt, in allen Fällen, in denen ein Schiedsspruch in einem Rechtsstreit ergangen ist, der mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Unionsgebiet zusammenhängt, und in denen kein unmittelbarer Rechtsbehelf gegen diesen Schiedsspruch vor einem Gericht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, der betroffene Einzelne die Möglichkeit haben, auf seinen Antrag hin oder von Amts wegen von jedem Gericht eines Mitgliedstaats, das über einen solchen Schiedsspruch in irgendeiner Weise entscheiden kann, inzidenter eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Frage zu erhalten, ob dieser Schiedsspruch mit den Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar ist, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind, wie sich aus den Rn. 85 und 95 des vorliegenden Urteils ergibt. Fehlt es an einer solchen inzidenten Kontrolle oder wäre sie in Anbetracht der in den Rn. 92 und 93 dieses Urteils angeführten Gesichtspunkte nicht wirksam, gäbe es keinen Rechtsbehelf, der es ermöglichen würde, den betroffenen Einzelnen einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, so dass der betreffende Mitgliedstaat zur Schaffung eines solchen Rechtsbehelfs verpflichtet wäre.

101      Zweitens müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten, die eine solche Kontrolle vorzunehmen haben, in einem Fall, in dem ein solcher Schiedsspruch wie im vorliegenden Fall eine Auslegung oder Anwendung der Grundsätze oder Bestimmungen enthält, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind und dem Einzelnen Rechte oder Freiheiten verleihen, in der Lage sein, die Auslegung dieser Grundsätze oder dieser Bestimmungen, die Rechtsfolgen, die mit dieser Auslegung für ihre Anwendung auf den konkreten Fall verbunden sind, und die im Hinblick auf diese Auslegung vorgenommene rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts, wie er von dem Schiedsorgan festgestellt und gewürdigt wurde, zu überprüfen, wie sich aus den Rn. 86 und 95 des vorliegenden Urteils ergibt.

102      Drittens dürfen sich diese Gerichte nicht darauf beschränken, gegebenenfalls festzustellen, dass ein solcher Schiedsspruch ganz oder teilweise mit Grundsätzen oder Bestimmungen unvereinbar ist, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind.

103      Vielmehr müssen diese Gerichte im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und im Einklang mit den anwendbaren nationalen Bestimmungen auch alle im Fall der Feststellung einer solchen Unvereinbarkeit gebotenen rechtlichen Konsequenzen ziehen können. Andernfalls wäre die vorgenommene gerichtliche Kontrolle nämlich nicht wirksam, da sie diese Unvereinbarkeit fortbestehen lassen könnte.

104      Insbesondere müssen die betroffenen Einzelnen, wenn es um einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln geht, bei diesen Gerichten nicht nur beantragen können, diesen Verstoß festzustellen und den Ersatz des ihnen dadurch entstandenen Schadens anzuordnen, sondern auch, das diesen Verstoß begründende Verhalten abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 200 und 201). Gleiches gilt für die Verkehrsfreiheiten, da diese Freiheiten von Sportverbänden zu beachten sind, wenn sie Regeln aufstellen oder anwenden, die sich unmittelbar auf diese Freiheiten auswirken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C-333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 85 und 86 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

105      Viertens und letztens muss nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs jedes nationale Gericht, das mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasst ist, befugt sein, einstweilige Anordnungen zu erlassen, die es ermöglichen, die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Hauptsache sicherzustellen, und zwar auch dann, wenn es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof richtet und das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs aussetzt. Außerdem muss ein solches Gericht die Vorschriften des nationalen Rechts, die dieser Befugnis entgegenstehen, unangewendet lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 1990, Factortame u. a., C-213/89, EU:C:1990:257, Rn. 21 bis 23; Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Februar 2021, Sea Watch, C-14/21 und C-15/21, EU:C:2021:149, Rn. 32).

106      Daraus folgt zum einen, dass die betroffenen Einzelnen die Möglichkeit haben müssen, bei jedem nationalen Gericht, das wirksam mit der Frage befasst wurde, ob ein Schiedsspruch mit den Grundsätzen und Bestimmungen der öffentlichen Ordnung der Union vereinbar ist, zu beantragen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache einstweilige Anordnungen zu ihren Gunsten zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, International Skating Union/Kommission, C-124/21 P, EU:C:2023:1012, Rn. 201). Ganz allgemein müssen solche einstweiligen Anordnungen bei jedem nationalen Gericht beantragt werden können, das dafür zuständig ist, im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung, auf Erlass einer Anordnung und auf Schadensersatz, wie im Ausgangsrechtsstreit, oder jedes anderen nationalen Gerichtsverfahrens über die Frage zu entscheiden, ob eine Handlung, Maßnahme oder Verhaltensweise eines internationalen oder nationalen Sportverbands oder eines Schiedsgerichts, dessen Zuständigkeit in der Praxis den Einzelnen einseitig von einem solchen Verband auferlegt wird, mit diesen Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar ist, ohne dass eine Entscheidung in der Sache über diese Frage abgewartet werden müsste. Ohne eine solche Möglichkeit könnte nämlich die volle Wirksamkeit einer solchen Entscheidung nicht gewährleistet werden.

107      Zum anderen muss jedes nationale Gericht, das für die Entscheidung über eine solche Frage zuständig ist, eine von einem Mitgliedstaat und erst recht eine von einem Sportverband stammende Regel unangewendet lassen, die es den betroffenen Einzelnen untersagt, bei ihm den Erlass solcher einstweiliger Anordnungen zu beantragen, oder die es in anderer Weise daran hindert, ihnen solche Maßnahmen zu gewähren.

108      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Schiedsspruch des CAS einen Rechtsstreit über disziplinarische Sanktionen betrifft, die von der FIFA wegen Verträgen verhängt wurden, die zwischen einem in Belgien ansässigen Fußballklub und einem in Malta ansässigen Unternehmen geschlossen wurden, dessen wirtschaftliche Tätigkeit in der finanziellen Unterstützung von Fußballklubs in Europa besteht. Dieser Schiedsspruch erging aufgrund eines Schiedsverfahrens, das durch die von der FIFA erlassene Regelung geschaffen wurde, nach der ein solcher Schiedsspruch Gegenstand einer Beschwerde vor einem Gericht eines Drittstaats sein kann. Es handelt sich somit um einen Schiedsspruch, in Bezug auf den der Betroffene, wenn kein unmittelbarer Rechtsbehelf vor einem Gericht eines Mitgliedstaats eingelegt werden kann, die Möglichkeit haben muss, inzident von jedem Gericht eines Mitgliedstaats, das mit einem solchen Schiedsspruch befasst werden kann, gegebenenfalls mit Unterstützung des Gerichtshofs auf der Grundlage von Art. 267 AEUV, eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der Grundsätze und Bestimmungen zu erwirken, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind.

109      Im Übrigen verleihen, wie sich aus den Angaben in der Vorlageentscheidung ergibt, die nationalen Bestimmungen und Vorschriften, die Gegenstand der Fragen des vorlegenden Gerichts sind, endgültigen Schiedssprüchen mit allgemeinen und unbestimmten Formulierungen im gesamten Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats Rechtskraft im Verhältnis zwischen den Parteien und Beweiskraft gegenüber Dritten. Sie wurden als solche in dem Urteil, das Gegenstand der beim vorlegenden Gericht anhängigen Kassationsbeschwerde ist, auf den Schiedsspruch des CAS angewandt.

110      Diese Anwendung hat somit zum einen zur Folge, dass einem solchen Schiedsspruch im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, Rechtskraft verliehen wird.

111      Diese Anwendung nimmt aber der Partei, der der in Rede stehende Schiedsspruch später von der anderen Partei in einem Rechtsstreit vor einem Gericht des betreffenden Mitgliedstaats entgegengehalten wird, die Möglichkeit, von diesem Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine wirksame Prüfung der Frage zu erlangen, ob dieser Schiedsspruch mit den Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar ist, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind.

112      Zum anderen hat diese Anwendung zur Folge, dass einem solchen Schiedsspruch in den Beziehungen zwischen den Parteien des Rechtsstreits, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, und den an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten Beweiskraft zuerkannt wird.

113      Zwar stellt diese Beweiskraft, wie sowohl das vorlegende Gericht in der Vorlageentscheidung als auch die Generalanwältin in Nr. 134 ihrer Schlussanträge ausgeführt haben, eine Vermutung dar, die von der Partei widerlegt werden kann, der der in Rede stehende Schiedsspruch später von einem an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten in einem Rechtsstreit vor einem Gericht des betreffenden Mitgliedstaats entgegengehalten wird.

114      Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch auch hervor, dass eine solche dem in Rede stehenden Schiedsspruch zuerkannte Beweiskraft eine der Folgen ist, die das nationale Recht an die Rechtskraft knüpft, damit dieser Schiedsspruch Dritten gegenüber geltend gemacht werden kann. Die Beweiskraft wird diesem Schiedsspruch somit in gleicher Weise verliehen wie die Rechtskraft, aus der sie folgt und mit der sie unmittelbar und untrennbar verbunden ist, ohne dass eine Kontrolle ihrer Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung der Union durch ein Gericht eines Mitgliedstaats stattfindet.

115      Das Erfordernis der Kontrolle der Einhaltung der öffentlichen Ordnung der Union ist aber geboten, um es dem betroffenen Einzelnen zu ermöglichen, sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf auszuüben und den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, der ihm gegebenenfalls von Amts wegen gemäß Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV zu gewährleisten ist, und zwar unabhängig davon, wer sich gegen ihn auf einen Schiedsspruch wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden berufen will.

116      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch das am 10. Juni 1958 in New York unterzeichnete Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (United Nations Treaty Series, Bd. 330, S. 3), das die Union nicht bindet, dem aber alle Mitgliedstaaten und im Übrigen die Schweizerische Eidgenossenschaft beigetreten sind, eine gerichtliche Kontrolle von Schiedssprüchen im Hinblick auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung vorsieht.

117      Wie u. a. die belgische, die französische, die litauische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission im Wesentlichen ausgeführt haben, ergibt sich nämlich aus diesem Übereinkommen, dass zwar jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens ausländische Schiedssprüche als wirksam anerkennen muss, die aufgrund einer Vereinbarung ergangen sind, mit der sich natürliche oder juristische Personen verpflichtet haben, Streitigkeiten, die zwischen ihnen über ein bestimmtes Rechtsverhältnis entstehen können, ganz oder teilweise einem Schiedsverfahren zu unterwerfen, dass diese Verpflichtung jedoch mit der Verpflichtung eines solchen Staates einhergeht, für die Betroffenen sicherzustellen, dass von den zuständigen nationalen Gerichten auf ihren Antrag oder von Amts wegen überprüft werden kann, ob diese Schiedssprüche mit seiner öffentlichen Ordnung vereinbar sind. Für die Mitgliedstaaten geht die letztgenannte Verpflichtung ihrerseits mit der Verpflichtung einher, sicherzustellen, dass diese Personen die Möglichkeit haben, die Vereinbarkeit der Schiedssprüche mit der öffentlichen Ordnung der Union überprüfen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C-126/97, EU:C:1999:269, Rn. 37).

118      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 47 der Charta nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus sich heraus Wirkung entfaltet und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das er als solches geltend machen kann (Urteile vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78, vom 29. Juli 2019, Torubarov, C-556/17, EU:C:2019:626, Rn. 56, und vom 28. Januar 2025, ASG 2, C-253/23, EU:C:2025:40, Rn. 89).

119      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, da er zum einen klar und präzise formuliert und zum anderen an keine Bedingung geknüpft ist, unmittelbare Wirkung (Urteile vom 18. Mai 2021, Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a., C-83/19, C-127/19, C-195/19, C-291/19, C-355/19 und C-397/19, EU:C:2021:393, Rn. 250, vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 58, und vom 6. März 2025, D. K. [Entbindung eines Richters von seinen Verpflichtungen], C-647/21 und C-648/21, EU:C:2025:143, Rn. 90).

120      Daraus folgt, dass das zuständige nationale Gericht, wenn die auf einen bestimmten Rechtsstreit anwendbaren nationalen Bestimmungen möglicherweise der vollen Wirksamkeit von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV entgegenstehen, diese Bestimmungen aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen muss, sofern es sie nicht unionsrechtskonform auslegen kann. Die Befugnis, unmittelbar zum Zeitpunkt der Anwendung des Unionsrechts alles Erforderliche zu tun, um eine nationale Bestimmung oder Praxis beiseitezulassen, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Normen mit unmittelbarer Wirkung des Unionsrechts bildet, ist nämlich Bestandteil des Amts des Unionsrichters, das dem nationalen Gericht obliegt, das im Rahmen seiner Zuständigkeit diese Normen anzuwenden hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 59 und 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

121      Diese Verpflichtung besteht daher u. a. in Fällen, in denen die anwendbaren nationalen Bestimmungen das zuständige nationale Gericht daran hindern, inzident eine wirksame Kontrolle der Frage vorzunehmen, ob ein Schiedsspruch, der vom CAS im Rahmen eines Rechtsstreits im Zusammenhang mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet der Union erlassen wurde, mit den Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar ist, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind.

122      Diese Verpflichtung besteht daher insbesondere dann, wenn es sich um nationale Bestimmungen und Vorschriften handelt, die einem solchen Schiedsspruch in den Beziehungen zwischen den Parteien Rechtskraft und in den Beziehungen zwischen den Parteien und Dritten Beweiskraft verleihen, ohne dass dieser Schiedsspruch zuvor einer Kontrolle unterzogen worden wäre, die es einem Gericht des betreffenden Mitgliedstaats ermöglicht hätte, wirksam zu prüfen, ob er mit den Grundsätzen und Bestimmungen vereinbar ist, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind. Insoweit ist hervorzuheben, dass gerade die Zuerkennung der Rechtskraft und damit der Beweiskraft des Schiedsspruchs in einem solchen Kontext unter Verstoß gegen das Erfordernis eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta erfolgt.

123      Eine solche Situation unterscheidet sich nämlich grundlegend von derjenigen, auf die sich die in Rn. 55 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs bezieht, in der die Zuerkennung der Rechtskraft, soweit es um gerichtliche Entscheidungen oder Schiedssprüche geht, die gemäß diesen Bestimmungen Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung sein konnten, mit der Begründung in Frage gestellt wird, dass sie der Feststellung und Ahndung eines Verstoßes gegen eine andere Bestimmung oder einen anderen Grundsatz des Unionsrechts entgegenstehe und damit eine Grenze missachte, die der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts der Rechtskraft als Ausdruck des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auferlege.

124      Im vorliegenden Fall folgt daraus, dass die nationalen Bestimmungen und Vorschriften, auf deren Grundlage die Fragen des vorlegenden Gerichts formuliert sind, beiseitegelassen werden müssten, sofern sie nicht, gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, dahin ausgelegt werden können, dass sie auf einen Schiedsspruch wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine Anwendung finden, was festzustellen allein Sache des vorlegenden Gerichts ist.

125      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass

–        einem Schiedsspruch des CAS im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits, in dem dieser Schiedsspruch ergangen ist, Rechtskraft verliehen wird, wenn dieser Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung eines Sports als wirtschaftliche Tätigkeit im Unionsgebiet steht und die Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Grundsätzen und Bestimmungen, die Teil der öffentlichen Ordnung der Union sind, nicht zuvor wirksam von einem zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof berechtigten Gericht dieses Mitgliedstaats überprüft worden ist;

–        einem solchen Schiedsspruch infolge dieser Rechtskraft im Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits und Dritten im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats Beweiskraft zuerkannt wird.

Kosten

126      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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