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Wirtschaftsrecht
13.06.2019
Wirtschaftsrecht
LG Stuttgart: Pflicht des Beraters zur Herausgabe von Handakten

LG Stuttgart, Urteil vom16.1.2019 – 27 O 272/18; Berufung eingelegt (Az. OLG Stuttgart 12 U 19/19)

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1426-1

 

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Ein als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätiger Berater ist verpflichtet, dem Insolvenzverwalter seiner Mandantschaft Auskunft über den Inhalt der Handakten zu geben und ihm Einsicht in den gesamten drittgerichteten Schriftverkehr, den der Berater für seinen Auftraggeber geführt hat, sowie die über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten zu gewähren.

2. Ein Anspruch gegen den Berater auf Herausgabe der Korrespondenz zwischen ihm und seinen Mandanten besteht ebenso wenig wie eine Pflicht zur Herausgabe der zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere.

§§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB; InsO § 80; WPO § 51b WPO; StBerG § 66 Abs. 3

Sachverhalt

Der Kläger verlangt von der Beklagten Auskunft, Einsicht in und Unterlassung der Vernichtung von Handakten.

Mit Beschlüssen des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – wurde über das Vermögen der GmbH und der SE (im Folgenden auch Insolvenzschuldnerinnen) jeweils das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das Geschäftsmodell der GmbH bestand zum wesentlichen Teil in der Durchführung sogenannter Cum/Ex- und Cum/Cum-Transaktionen. Die Generalstaatsanwaltschaft beschlagnahmte Akten der GmbH. Die Beklagte war auf Grund einer Mandatsvereinbarung mit der GmbH für diese als Abschlussprüferin und Steuerberaterin tätig. Ebenso übernahm sie gegenüber der SE steuerberatende Tätigkeiten. Beiden Verträgen lagen die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom 1.1.2002 (AAB) zu Grunde.

Der Kläger forderte die Beklagte zur Herausgabe der bei ihr vorhandenen Handakten aus der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung auf. Diesem Verlangen kam die Beklagte nicht nach. Ein Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten der Generalstaatsanwaltschaft wurde durch diese, bestätigt durch das Amtsgericht; abgelehnt.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg. 

Aus den Gründen

Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch nach §§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB i.V.m. § 80 InsO über den Inhalt der Handakten zu

A. … II. Der Kläger kann von der Beklagten im tenorierten Umfang Auskunft über den Inhalt der Handakten betreffend der Insolvenzschuldnerinnen gemäß §§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB i.V.m. § 80 InsO verlangen.

1. Der Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte folgt aus §§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB i.V.m. § 80 InsO.

a) Die zwischen den Insolvenzschuldnerinnen und der Beklagten geschlossenen Beratungsverträge zur steuerlichen Beratung und Wirtschaftsprüfung sind Geschäftsbesorgungsverträge mit in der Regel dienstvertraglichen Charakter, auf die gemäß § 675 Abs. 1 BGB die §§ 666, 667 anzuwenden sind.

b) Die aus dem Vertragsverhältnis folgenden Ansprüche kann der Kläger geltend machen, § 80 Abs. 1 InsO. Die Verträge sind mit Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerinnen erloschen §§ 115, 116 InsO. Für ein Fortbestehen des Mandats nach § 115 Abs. 2 InsO fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten. Daraus folgt, dass die aus dem beendeten Mandatsverhältnis entstandenen Ansprüche der Schuldnerin in die Insolvenzmasse fallen und der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Klägers unterliegen. Dies bedeutet, dass der Kläger unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfang Herausgabe oder Einsichtsgewährung der Handakte verlangen kann, wie es ohne die Insolvenz die Schuldnerin bei einer anderweitigen Mandatsbeendigung selbst gekonnt hätte (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - IX ZR 243/17 -, Rn. 13, juris)

Dem Anwendungsbereich der §§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB unterfällt auch die begehrte Auskunft über Dokumente und weitere Unterlagen

2. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über Dokumente, Schriftstücke, E-Mails, Dateien, Besprechungsprotokolle, Entwürfe, Präsentationen, Zeichnungen, Grafiken, handschriftliche Aufzeichnungen, Notizen und Vermerke unterfällt dem Anwendungsbereich der §§ 675 Abs. 1, 666, 667 BGB.

a) Gemäß § 666 BGB ist ein Beauftragter verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Aus § 667 BGB folgt die Pflicht des Beauftragten zur Herausgabe dessen, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch besteht zur Vorbereitung des - hier auf dritter Stufe geltend gemachten - Herausgabeanspruchs und ist daher in seinem Umfang auf diesen beschränkt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 29. Juli 2014 - 9 U 53/14 -, Rn. 40, juris).

Die Herausgabepflicht des Berater richtet sich nach §§ 667, 675 BGB i.V.m. § 51b WPO bzw. § 66 Abs. 3 StBerG …

b) Die Herausgabepflicht der Beklagten richtet sich nach §§ 667, 675 BGB i.V.m. § 51b WPO bzw. § 66 Abs. 3 StBerG und umfasst die oben benannten Dokumente und Unterlagen.

aa) „Zur Ausführung des Auftrags erhalten“ im Sinne des § 667 Alt. 1 BGB ist alles, was dem Beauftragten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist. Hierunter fallen sämtliche Unterlagen und Schriftstücke, die dem Berater von seinem Auftraggeber ausgehändigt worden sind (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -, Rn. 18, juris).

… und erfasst den gesamten drittgerichteten Schriftverkehr sowie die über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten 

bb) ,Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ gemäß § 667 Alt. 2 BGB ist jeder Vorteil, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat.

(1) Dies umfasst zum einen den gesamten drittgerichteten Schriftverkehr, den der Berater für seinen Auftraggeber geführt hat, das heißt sowohl die dem Berater zugegangenen Schriftstücke als auch die Kopien eigener Schreiben (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 Rn. 18, juris). Zu den herauszugebenden Unterlagen gehören darüber hinaus Notizen über Besprechungen, die der Berater im Rahmen der Besorgung des Geschäfts mit Dritten geführt hat. Sofern diese Notizen die Wiedergabe von Gesprächen enthalten, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie nicht lediglich dem internen Gebrauch des Anwalts, etwa als bloße Arbeitshilfe oder Gedächtnisstütze, sondern auch dem Interesse des Auftraggebers zu dienen bestimmt sind, um den Inhalt der für ihn geführten Verhandlungen zu dokumentieren (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -, Rn. 19, juris).

(2) Auch sind nach dieser Alternative die vom Beauftragten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien, soweit sie nicht Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs sind, grundsätzlich nach dieser Alternative herauszugeben (BGH, Urteil vom 11. März 2004 - IX ZR 178/03 -, Rn. 5, juris). Hiervon ausgenommen sind Aufzeichnungen über persönliche Eindrücke des Beraters und über die Sammlung vertraulicher Hintergrundinformationen (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -, Rn. 20, juris BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - IX ZR 243/17-, Rn. 15).

Jedoch besteht weder ein Anspruch auf Herausgabe der Korrespondenz zwischen dem Berater und seinen Mandanten …

cc) Keine Herausgabepflicht besteht hinsichtlich des Briefwechsels zwischen der Beklagten und den Insolvenzschuldnerinnen sowie über Notizen über Gespräche mit diesen. Ein Anspruch folgt weder aus §§ 675,666,667 BGB noch aus Ziffer 15.2 AAB.

(1) Soweit der Schriftwechsel grundsätzlich als aus der Geschäftsbesorgung erlangt angesehen werden kann, wird die vertragliche Herausgabepflicht aus §§ 675, 666, 667 BGB durch § 51b Abs. 4 WPO/ § 66 Abs. 3 StBerG eingeschränkt (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -, Rn. 21, juris für die insoweit parallele Vorschrift des § 50 BRAO a.F.; allg. d. berufsrechtlichen Vorschriften als Konkretisierung d. vertraglichen Anspruchs ansehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 29. Juli 2014 - 9 U 53/14 Rn. 59, juris; Hense/Ulrich-Krauß, WPO-Kommentar, 3. Aufl., § 51b WPO, Rn. 34). Nach diesen Vorschriften gehört der Schriftwechsel zwischen Berater und Mandanten nicht zu der herausgabepflichtigen Handakte des Beraters. Dies gilt entsprechend auch für Notizen über Gespräche mit diesem (BGH, Urteil vom 30. November 1989, a.a.O.). Für von dem Berater an den Auftraggeber versandte Schreiben wäre für eine Herausgabepflicht im Übrigen bereits mit dem Versenden Erfüllung eingetreten, § 362 BGB.

(2) Ein Anspruch auf Herausgabe der Korrespondenz folgt auch nicht aus Ziffer 15.2 AAB. Nach Ziffer 15.2 S. 1 AAB hat die Beklagte die Unterlagen herauszugeben, die sie aus Anlass ihrer Tätigkeit für den Auftrag von den Insolvenzschuldnerinnen von diesen oder für diesen erhalten hat. Dies gilt nach S. 2 jedoch nicht für den Schriftwechsel zwischen der Beklagten und den Insolvenzschuldnerinnen.

cc) Ebenso wenig erstreckt sich die Herausgabepflicht auf Schriftstücke, welche der Kläger bzw. die Insolvenzschuldnerinnen bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten haben, vgl. § 51b Abs. 4 WPO und § 66 Abs. 3 StBerG. Insoweit ist der Herausgabeanspruch des § 667 BGB bereits durch Erfüllung erloschen, § 362 BGB (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -, Rn. 21). Auch ein Anspruch aus Ziffer 15.2 AAB geht nicht weiter. Nach Ziffer 15.2 AAB S. 2 ist die aus Ziffer 15.2 S. 1 folgende Herausgabepflicht ausgeschlossen für Schriftstücke, welcher dieser bereits in Urschrift oder Abschrift besitzt. Ob der Ausschluss im Hinblick auf § 305c BGB auch Schriftstücke erfasst, welche der Auftraggeber zwar erhalten hat, aber nicht mehr besitzt, kann dahinstehen. Der Anspruch aus Ziffer 15.2 S. 1 AAB wäre auch ohne den konkretisierenden Zusatz gemäß § 362 BGB erloschen, sobald der Auftraggeber Urschriften oder Abschriften der Unterlagen bereits erhalten hat.

… noch in Bezug auf die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere

dd) Letztlich sind auch zu internen Zwecken gefertigte Arbeitspapiere der Beklagten nicht herauszugeben.

 (1) Interne Arbeitspapiere sind keine Unterlagen, die der Berater im Sinne des § 667 BGB oder Ziffer 15.2 S. 1 AAB aus Anlass seiner Tätigkeit für den Auftrag von oder für den Auftraggeber erhalten hat (vgl. auch Gutman, BB 2010, 171, 173). Sie stellen insbesondere keinen Vorteil dar, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat. Interne Arbeitspapiere werden auf Grund eigener Leistung des Auftragnehmers allein zum Zwecke der eigenen Erfüllung der Vertragspflichten erstellt. Sie dienen allein dem eigenen Interesse und werden nicht im Interesse des Mandanten gefertigt. Die nach § 667 Alt. 2 BGB herauszugebenden, von dem Auftragnehmer selbst angelegten Akten, Unterlagen und Dateien erfassen daher nicht solche Arbeitspapiere, die der Auftragnehmer bei seiner Tätigkeit für sich gefertigt hat, um mit ihrer Hilfe seine Vertragspflichten erfüllen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1988 - IVa ZR 262/86, NJW 1988, 2607). Die Vorschriften des § 51 b Abs. 4 WPO bzw. § 66 Abs. 3 StBerG, welche interne Arbeitspapiere aus der herausgabepflichtigen Handakte ausnehmen, schränken die vertraglichen Herausgabeansprüche daher, auch wenn eine Einschränkung möglich ist (s.o.), bereits nicht ein.

(2) Eine Ausweitung des Herausgabeanspruchs auf interne Arbeitspapiere ist auch nicht im Hinblick auf eine Vorbereitung eines Haftungsanspruchs gegen den Berater geboten. Über §§ 675, 666, 667 BGB hinaus ist keine Anspruchsgrundlage für die Herausgabe interner Aufzeichnungen erkennbar. Daraus, dass interne Arbeitspapiere unter Umständen im Rahmen einer Beweisaufnahme im Haftungsprozess berücksichtigt werden können (so in OLG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2011 - 8 U 1603/08 -, Rn. 11, juris), folgt keine Ausweitung der Herausgabepflicht. Materiell-rechtliche und zivilprozessuale Vorlagepflichten sind nicht gleichlaufend. Eine grundsätzliche zivilprozessuale Vorlagepflicht für interne Arbeitspapiere besteht ohnehin nicht (vgl. Meixner/Schröder, B. Die Haftung als Jahresabschlussprüfer, Rn. 441 ff.). Ob und wieweit interne Arbeitspapiere beispielsweise durch einen Sachverständigen bei seiner Begutachtung verwertet werden können, hängt maßgeblich von der Substantiierung des Parteivortrags, insbesondere dem Vortrag von Anknüpfungstatsachen und der Bezugnahme der Parteien auf die Arbeitspapiere im Prozess, ab. Die Bestimmungen der §§ 420 ff. ZPO setzen einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Herausgabe voraus, sofern sich der Berater nicht zu eigenen Beweiszwecken auf seine Unterlagen bezieht. Auch aus §§ 142, 144 ZPO folgt keine unbeschränkte zivilprozessuale Vorlagepflicht (Meixner/Schröder, a.a.O., Rn. 444 ff.).

ee) Eine weitergehende Einschränkung des Herausgabeanspruches enthält § 51b WPO für den Bereich der Abschlussprüfung nicht.

Der Auskunftsanspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen

3. Der Auskunftsanspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen, § 362 BGB. Die Angabe der Beklagten, dass sich mit Ausnahme interner Arbeitspapiere in ihren Akten keine Schriftstücke befänden, welche sie aus Anlass ihrer beruflichen Tätigkeit von den Insolvenzschuldnerinnen oder für diese erhalten habe und welcher diesen nicht bereits im Original, in Kopie oder in elektronischer Form erhalten haben, reicht als Erfüllung der Auskunftspflicht nicht aus.

a) Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis (im engeren Sinne), wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Welche Leistung geschuldet ist, beurteilt sich nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses. Eine aus § 666 BGB folgende Auskunftspflicht richtet sich ihrem Inhalt nach danach, was nach dem Gegenstand der Besorgung, der Üblichkeit im Geschäftsverkehr und dem Zweck der verlangten Information unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 01. Dezember 2011 - III ZR 71/11 -, BGHZ 192, 1-8, Rn.

b) Im Hinblick darauf, dass die Auskunft den oben skizzierten Herausgabeanspruch des Klägers vorbereiten soll, kann eine Erfüllung demnach nicht vorliegen.

aa) Im Rahmen des Herausgabeanspruchs trägt die Beklagte die Darlegungslast hinsichtlich der Erfüllung des Herausgabeverlangens, so dass konkret darzulegen wäre, welche der herausverlangten Dokumente bereits herausgegeben wurden. Würde man im Rahmen der Auskunft an die Darlegung geringere Anforderungen stellen, würde dies die Darlegungslast im Rahmen des Herausgabeanspruchs obsolet machen. Die pauschale Auskunft, alle herausgabepflichtigen Unterlagen herausgegeben zu haben, ist demnach nicht ausreichend.

bb) Hinzu kommt noch, dass die Beklagte von einem geringeren Umfang des Herausgabeanspruches ausgeht. Daher stellt die Aussage, dass alle herausgabepflichtigen Unterlagen bereits übergeben sind, keine Auskunft über die tatsächlich herausgabepflichtigen Unterlagen dar. Die erteilte Auskunft ist mithin unvollständig.

4. Der Auskunftsanspruch ist nicht verjährt … [wird ausgeführt].

5. Der Auskunftsanspruch ist auch nicht verwirkt … [wird ausgeführt].

Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ist nicht treuwidrig

6. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs in Vorbereitung eines Herausgabeanspruchs ist auch nicht treuwidrig, § 242 BGB. Eine Treuwidrigkeit folgt insbesondere nicht daraus, dass der Kläger eventuell herauszugebende Unterlagen zur Vorbereitung eines Haftungsprozesses gegen die Beklagte verwenden möchte. Der Herausgabeanspruch kann im Rahmen eines Beratungsmandats unter anderem bezwecken, die Leistungen des Beraters zu überprüfen. Die Handakte dient gerade der Nachprüfbarkeit einer ordnungsgemäßen Mandatsabwicklung (BGH, Urteil vom 17.05.2018 - IX ZR 243/17,- juris Rn. 25; Krauß, a.a.O., Rn. 7 für die Handakte des Wirtschaftsprüfers).

Der Anspruch auf Einsichtnahme des Insolvenzverwalters folgt aus §§ 675,666 BGB

III. Der Anspruch auf Einsichtnahme des Klägers in die Handakten der Beklagten im ausgesprochenen Umfang folgt aus §§ 675,666 BGB. Sie erfasst über die für den Antrag Ziffer 1 benannten Unterlagen zudem solche, welche die Beklagte bereits an die Insolvenzschuldnerinnen in Ur- oder Abschrift herausgegeben hat.

Die Vorlagepflicht ist die Grundlage für den Anspruch des Auftraggebers auf Einsicht in die Handakten

1. Nach § 666 Alt. 3 BGB hat ein Auftragnehmer die Pflicht, nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Der Begriff "Rechenschaft" ist hier in einem weiteren Sinne gemeint als in § 259 BGB; er bezieht sich insbesondere nicht lediglich auf eine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung, sondern umfasst allgemein die Pflicht des Beauftragten, in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten seines Handelns zur Auftragsausführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen. Dabei sind dem Auftraggeber auch Belege, soweit üblich und vorhanden, vorzulegen. Diese Vorlagepflicht ist die Grundlage für den Anspruch des Auftraggebers auf Einsicht in die Handakten.

Dieser Anspruch auf Einsichtnahme erfasst auch solche Unterlagen, die der Auftraggeber bereits erhalten hat

2. Der Anspruch auf Einsichtnahme erstreckt sich auch auf Unterlagen, welche der Auftraggeber bereits erhalten hat.

a) Die Pflicht nach § 666 BGB gilt nicht nur für solche Unterlagen, die dem Auftraggeber zu belassen sind, also bereits unter die Herausgabepflicht nach § 667 BGB fallen; vielmehr kann sich die Vorlagepflicht auch auf diejenigen Bestandteile der Handakten beziehen, die nicht herausgegeben zu werden brauchen, sondern beim Berater verbleiben können. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht eines Beraters kann dementsprechend auch dann bestehen, wenn der Herausgabeanspruch des Auftraggebers gemäß § 667 BGB i.V.m. § 51b Abs. 4 WPO/ § 66 Abs. 3 StBerG bereits durch Erfüllung erloschen ist (BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 Rn. 23 - 24, juris). Dies folgt aus einer fortwirkende Treuepflicht aus dem beendeten Mandatsverhältnis. Beschränkungen des Anspruchs können sich nur aus den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Treu und Glauben, ergeben.

b) Der Annahme einer Treuwidrigkeit steht aber regelmäßig entgegen, wenn der Mandant substantiiert geltend macht, nicht (mehr) über die entsprechenden Unterlagen zu verfügen (BGH, Urteil 30. November 1989, a.a.O.). Nichts anderes kann nach den aufgezeigten Grundsätzen gelten, wenn der Auftraggeber Unterlagen nicht verliert, sondern nur eingeschränkt Zugriff auf diese hat und somit nicht in der Lage ist, sich selbst die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen. So liegt es hier. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unstreitig Unterlagen der Schuldnerinnen beschlagnahmt, so dass sich diese nicht mehr im Besitz des Klägers befinden. Akteneinsicht in die Ermittlungsakte (im engeren Sinne) wurde dem Kläger nicht gewährt. Soweit dem Kläger gestattet ist, bei konkreter Anfrage Einsicht in einzelne der beschlagnahmten Akten zu erhalten, reicht dies unabhängig von der Detailliertheit der Asservatenliste nicht aus, um ein aus der rechenschafts- und nachvertraglichen Treuepflicht folgendes Einsichtnahmerecht des Klägers auszuschließen. Angesichts des Umfangs der beschlagnahmten Akten und des Umstandes, dass diese nur einzeln auf konkrete Anforderung eingesehen werden können, könnte sich der Kläger nur mit hohem Aufwand ein Überblick über die Tätigkeit der Beklagten verschaffen. Dies gilt umso mehr, als für ihn nicht erkennbar ist, welche Unterlagen zu der Ermittlungsakte beigezogen wurden.

c) Weitere Umstände, die das Verlangen des Klägers treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich … Der Umstand, dass der Kläger nach Einsichtnahme in die Unterlagen seine Erkenntnisse für einen Haftungsprozess gegen die Beklagte verwerten könnte, reicht für die Annahme einer Treuwidrigkeit, wie bereits zum Auskunftsanspruch dargelegt, nicht aus.

3. Ausgenommen sind allein die Unterlagen, bei denen eine Pflicht zur Einsichtgewährung von vornherein nicht in Betracht kommt. Dies sind die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere im Sinne des § 51b WPO und des § 66 StBerG sowie Notizen über persönliche Eindrücke und vertraulich recherchierte Informationen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1989 - III ZR 112/88 -,Rn. 23; Krauß, a.a.O., Rn. 43) …

Der Insolvenzverwalter hat gegen den Berater auch einen Anspruch auf Unterlassung der Vernichtung der Handakte

IV. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung der Vernichtung der Handakte aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und den Insolvenzschuldnerinnen i.V.m. § 80 InsO. Solange die Parteien über die Herausgabepflicht und das Einsichtsrecht im Streit sind, obliegt der Beklagten die (nach)vertragliche Nebenpflicht, eine Vernichtung der Handakte zu unterlassen. Diese vertragliche Pflicht bleibt von den berufsrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 51b Abs. 2 WPO, § 66 Abs. 1 StBerG) unberührt. Hiervon ausgenommen sind allein solche Unterlagen, die von vornherein nicht von einem Herausgabeanspruch erfasst sein können, mithin wiederum die in Ziffer III 3. bereits genannten Unterlagen.

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