Dr. Boris Uphoff: „Nivea-Blau“-Entscheidung des BGH – wem gehört die dunkelblaue Farbe?
Nach den Vorschriften des Markengesetzes (§ 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 Ziffer 1, Abs. 3 MarkenG) können sich Unternehmen Farbtöne, mit denen ihre Produkte gekennzeichnet sind, als Marke schützen lassen. Der Schutz ist nicht nur für Kombinationen aus mehreren Farben möglich, sondern grundsätzlich auch für einzelne Farben. Man spricht in diesem Fall von „konturlosen Einfarbmarken“.Zu den bekanntesten konturlosen Einfarbmarken zählen das Magenta der Deutschen Telekom und das Lila der Milka-Schokolade.
Unter welchen genauen rechtlichen Voraussetzungen derartige konturlose Einfarbmarken als Marke geschützt werden können, ist eine unter Juristen seit langem streitige Frage, zu der der BGH nun eine Grundsatzentscheidung getroffen hat.
Mit seinem Beschluss vom 9.7.2015 - I ZB 65/13 - zum „Nivea-Blau“ korrigierte der BGH eine in der Vorinstanz ergangene Entscheidung des Bundespatentgerichts (Beschluss vom 19.3.2013 – 24 W (pat) 75/10). Er gab dem Bundespatentgericht umfangreiche Hausaufgaben zur weiteren Klärung des Sachverhalts auf.
Der BGH schloss sich in seinem Beschluss zwar noch der Rechtsansicht des Bundespatentgerichts an, das Nivea-Blau sei eine bloße Standardfarbe (Pantone 280 C), die überdies in dem betroffenen Produktbereich der Haut- und Körperpflegeprodukte von zahlreichen Unternehmen zur Verpackungsdekoration eingesetzt werde, und zwar vor allem für sogenannte Nachtpflegeprodukte und für Herrenkosmetik. Derartige Standardfarben könnten nur dann von einem Unternehmen durch Markenschutz monopolisiert werden, wenn sie sich im Verkehr durchgesetzt haben, also sehr vielen Verbrauchern als Erkennungszeichen der Produkte eines bestimmten Unternehmens (hier die Nivea-Produkte des Unternehmens Beiersdorf) bekannt sind (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Zu dem Streitpunkt, wie groß der Anteil der Verbraucher sein muss, die eine Farbe als Hinweis auf die Herkunft des Produkts wiedererkennen, vertrat der BGH allerdings eine andere Auffassung als die Vorinstanz: Nach dem Nivea-Blau-Beschluss reicht es für die Eintragungsfähigkeit einer konturlosen Einfarbmarke aus, wenn mehr als 50 % der Konsumenten die betroffene Farbe als Herkunftshinweis verstehen. Das Bundespatentgericht hatte die Schwelle noch bei 75 % angesetzt.
Ob mehr als 50 % der Verbraucher das Dunkelblau des Farbtons Pantone 280 C mit Nivea in Verbindung bringen, muss das Bundespatentgericht nun nach den Vorgaben des BGH mit Hilfe eines demoskopischen Gutachtens herausfinden. Entscheidend wird dabei sein, dass die Verbraucher nicht allgemein nach der Zuordnung des Farbtons Pantone 280 C in dem Produktbereich „Haut- und Körperpflegeprodukte“ befragt werden dürfen. Vielmehr muss für jedes Produktsegment aus der Nivea-Serie überprüft werden, ob mehr als 50 % der Konsumenten das von Beiersdorf genutzte Dunkelblau als Herkunftshinweis verstehen. Das Ergebnis kann deshalb so ausfallen, dass ein sehr großer Teil der Verbraucher mit dem Dunkelblau zwar eine Nivea-Gesichtscreme in Verbindung bringt, nicht aber Nivea-Shampoo, Deodorant oder Rasiergel. In diesem Fall wäre die Farbe nur für Gesichtscreme als Marke schutzfähig, für die anderen Produktsegmente würde die Marke gelöscht.
Der BGH ließ in seinem Beschluss Zweifel daran durchblicken, ob es wirklich das Dunkelblau alleine sei, das Beiersdorf zur Identifizierung der Nivea-Produkte diene. Immerhin träte bei allen Nivea-Produktgestaltungen Weiß als zweite Farbe neben das Dunkelblau, und auf jeder Packung sei der Nivea-Schriftzug angebracht. Nur wenn die Verbraucher in dem Dunkelblau auch ohne die Kombination mit Weiß und dem Schriftzug den gedanklichen Bezug zu Nivea herstellten, könne die Farbe als konturlose Einfarbmarke geschützt werden.
Der Rechtsstreit, in dem der Beschluss des BGH vom 9.7.2015 erging, spielt sich zwischen Beiersdorf und ihrer Konkurrentin Unilever ab. Unilever möchte ihre „Dove“-Pflegeserie mit dunkelblauen Gestaltungselementen vertreiben und hatte deswegen beantragt, die im Jahr 2005 von Beiersdorf angemeldete konturlose Einfarbmarke zu löschen. Beiersdorf und Unilever streiten schon seit Jahren über den Schutz des Nivea-Blau. Ähnliche Prozesse gibt es um das „Sparkassen-Rot“ und das „Langenscheidt-Gelb“. Die Farbenstreits haben mitunter erhebliche wirtschaftliche Bedeutung: Einfarbmarken wie das Telekom-Magenta, das Milka-Lila und das Nivea-Blau können Werte im dreistelligen Millionenbereich erreichen.
Dr. Boris Uphoff ist Rechtsanwalt und Solicitor (England & Wales) im Münchener Büro der Rechtsanwaltssozietät McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP.