Markus Ferber: MiFID II – Herzstück der Europäischen Finanzmarktordnung nach der Krise
„Kein Finanzplatz und kein Finanzprodukt dürfen unreguliert bleiben und die Stabilität der Finanzmärkte insgesamt muss erhöht werden.“ Das war das grundsätzliche Ziel, auf das sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten im Jahr 2009 in Pittsburgh geeinigt haben. Denn die Wirtschafts- und Finanzkrise hat eine Reihe von Defiziten bei der Art und Weise offengelegt, wie Finanzmärkte in Europa und der Welt funktionieren oder sie nicht funktionieren.
Diese politischen Ziele galt es nun in konkrete Gesetzesform zu gießen. Der zentrale Baustein auf europäischer Ebene dafür war die Überarbeitung der Richtlinie für Finanzinstrumente (MiFID II). Seit dem Inkrafttreten von MiFID I im Jahr 2004 hatte sich das Marktumfeld rapide verändert. Neue Produkte, neue Marktakteure und neue Handelsstrategien, denen der regulatorische Rahmen nicht mehr gerecht wurde, hielten Einzug auf den Märkten. Die Antwort war eine Generalüberholung der Finanzmarktregulierung in Europa. Das Instrument dafür: MiFID II
Die Reduzierung von systemischen Risiken und gleichzeitig eine tiefere Integration der europäischen Wertpapiermärkte – das waren meine obersten Ziele als Berichterstatter des Europäischen Parlaments. Gleichzeitig wollte ich mehr Vor- und Nachhandelstransparenz sowie ein höheres Niveau an Anlegerschutz erreichen. Kurzum: Die europäischen Finanzmärkte sollten transparenter, effizienter und widerstandsfähiger werden, und das ist am Ende auch gelungen.
Um alle bis dahin unregulierten Handelsaktivitäten einzufangen, haben wir als ersten Schritt die Marktstruktur angepasst. Dazu haben wir die Organised Trading Facility (OTF) als Sammelbecken für alle bisher unregulierte Bereiche eingeführt und den Zugang zu kritischer Marktinfrastruktur erleichtert. Gleichzeitig haben wir die Transparenzvorschriften aus MiFID I auf weitere Finanzinstrumente (z. B. Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und ähnliche von Unternehmen ausgegebene Finanzinstrumente) ausgedehnt. Das Leitprinzip für alle diese Maßnahmen war die Idee, allen Marktteilnehmern die gleichen Chancen einzuräumen. Dazu zählt im Informationszeitalter nicht nur der Zugang zur Marktinfrastruktur, sondern v. a.auch der Zugang zu den relevanten Marktdaten – auch diesen wird MiFID II substantiell vereinfachen.
Ein Bereich, der besonders große Aufmerksamkeit erfahren hat, war der Hochfrequenzhandel, bei dem es in den vergangenen Jahren eine besonders rasante Entwicklung zu beobachten gab. Bei der Regulierung dieses sehr speziellen Bereichs kommt es darauf an, systemische Risiken zu reduzieren, gleichzeitig aber die Vorteile des Hochfrequenzhandels, nämlich die Bereitstellung von Liquidität, zu bewahren. In der Summe gilt es also die richtige Balance zwischen Geschwindigkeit, Transparenz, Effizienz, Stabilität und fairen Ausgangsbedingungen zu finden. Dazu gehört die grundsätzliche Verpflichtung, dass Handelsalgorithmen überprüft und genehmigt werden, bevor sie am Markt eingesetzt werden. Als zusätzliche Sicherheitsmechanismen sind künftig automatische Handelsunterbrechungen, bei hoher Volatilität, sowie Mindestpreisschritte vorgesehen.
Auch beim Verbraucherschutz galt es, die richtige Balance zu finden: Einerseits wollen wir die Transparenz für den Verbraucher durch präzisere Offenlegungs- und Dokumentationspflichten stärken, ihn andererseits aber nicht durch ein zu großes Maß an Informationen überschütten. Darüber hinaus soll der Verbraucher vollständig über die Art des Beratungsmodells informiert sein, d. h. dem Verbraucher muss klar sein, ob die Beratung unabhängig oder provisionsbasiert erfolgt. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass das Modell der provisionsbasierten Beratung per se schlecht ist. Das Gegenteil ist der Fall, denn wenn nur honorarbasierte Beratung erlaubt wäre, würde gerade der Kleinanleger unter einem reduzierten Beratungsangebot leiden. Deswegen bleibt MiFID II bei der Frage des Beratungswegs bewusst offen.
In der Summe kann man MiFID II mit Fug und Recht als Herzstück der europäischen Finanzmarktregulierung nach der Krise bezeichnen, denn sie deckt von der Marktstruktur über den Hochfrequenzhandel bis zum Verbraucherschutz jeden Aspekt der Finanzmarktregulierung ab.
Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments