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Wirtschaftsrecht
07.04.2015
Wirtschaftsrecht
Dr. Nicolas Kredel / Jan Kresken: Gute Neuigkeiten für Organvertreter – Haftung für Kartellbußgelder bleibt (vorerst) ausgeschlossen

Organvertreter können für Kartellbußgelder, die in Folge ihres Handelns gegen ihr Unternehmen verhängt werden, nicht in Regress genommen werden. Dies hat das LAG Düsseldorf am 20. Januar 2015 entschieden. Die so eindeutige und pauschale Wertung des LAG überrascht und ist nicht in allen Punkten überzeugend begründet. Für die Organvertreter verbleibt ein Haftungsrisiko.

Als mitentscheidendes Argument für den Ausschluss der Regressmöglichkeit führt das LAG an, die Entscheidung des Normgebers, dass Unternehmen für Kartellverstöße zur Verantwortung gezogen (bebußt) werden sollen, dürfe nicht unterlaufen werden. Dies aber geschehe, wenn sich das Unternehmen durch Regressnahme bei dem Organvertreter schadlos halte. Das Zivilrecht "korrigiere" dann (unzulässig) die ordnungsrechtliche Sanktionsentscheidung. Vereinfacht: Wer ein Bußgeld erhält, muss es auch tragen - die Regressmöglichkeit steht dem entgegen.

Diese Argumentation ist fragwürdig. Mangels ausreichender Bonität der Organvertreter wird ein vollständiger Regress nur in Ausnahmefällen möglich sein - das Unternehmen wird wohl nur selten den gesamten Bußgeldumfang ersetzt bekommen. Die Regressmöglichkeit läuft im Regelfall also weder der Abschreckungs- noch der Sanktionswirkung des Bußgelds zuwider. Zudem ist zwar das Unternehmen Adressat des Bußgeldbescheides. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wird jedoch durch Zahlung des Bußgeldes beendet. Der nachfolgende Schadensersatzanspruch gegen den Organvertreter kann die - in der Festsetzung der Geldbuße liegende – ordnungsrechtliche Wertung somit nicht mehr "korrigieren".

Überzeugender wäre es daher z.B. gewesen, wenn das LAG die Regressmöglichkeit nicht per se ausgeschlossen, sondern – in analoger Anwendung von § 254 BGB – eine Haftungsminderung entsprechend den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs erwogen hätte. Diese sehen flexible Haftungshöchstsummen vor, die sich am Einkommen des Arbeitnehmers orientieren und somit vor einer existenzvernichtenden Haftung schützen (vgl. etwa BAG, NZA 2011, 345, 348). Eine solche Lösung wäre auch gegenüber der – von der Vorinstanz erwogenen – Begrenzung der Schadensersatzpflicht auf EUR 1 Mio. vorzugswürdig. Denn ordnungsrechtliche Bußgeldobergrenzen – z.B. in Höhe von EUR 1 Mio. für natürliche Personen für von ihnen begangene Kartellrechtsverstöße (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB) – gelten grundsätzlich nicht für zivile Schadensersatzverfahren.

Wenn ein Regress über das Unternehmens-Bußgeld tatsächlich ausgeschlossen ist, sind die Organvertreter jedoch "nicht aus dem Schneider": Das LAG hat durch Teilurteil entschieden. Eine auf EUR 100 Mio. gerichtete Leistungsklage auf Ersatz des Schadens eines Kunden des Unternehmens sowie 47 weitere Anträge auf Feststellung von Schadensersatzpflichten anderer Kunden sind nach wie vor rechtshängig. Das Verfahren wurde lediglich für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt. Für ehemalige Organvertreter bleibt also weiterhin das Risiko, für gegen das Unternehmen gerichtete Schadensersatzforderungen der Kunden des Unternehmens in Regress genommen zu werden. Der Gedanke, dass die ordnungsrechtliche Sanktion durch die Regressnahme unterlaufen wird, greift hier gerade nicht - denn Regress wird nicht für ein Bußgeld, sondern für eine Schadensersatzzahlung an die Kunden genommen.

Sollte ein Unternehmen sein Kartellbußgeld also bei dem Organvertreter einklagen, der den Kartellverstoß begangen hat? Vorerst hat dies keine große Aussicht auf Erfolg - aber die Rechtslage ist weiterhin noch nicht vollends geklärt. Sicherheitshalber sollte das Unternehmen auf die Erklärung eines Verjährungsverzichts hinwirken und die – wünschenswerte – höchstrichterliche Klärung der Frage abwarten.


Dr. Nicolas Kredel
, LL.M. (Michigan), LL.M. (Michigan), RA, ist Partner bei Baker & McKenzie Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Solicitors am Standort Düsseldorf. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im deutschen und europäischen Kartellrecht.

Jan Kresken
, LL.M. (Norwich), ist Rechtsanwalt bei der Sozietät Baker & McKenzie Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Solicitors am Standort Düsseldorf. Er ist auf den Bereich Kartellrecht spezialisiert.

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