Reinhold Kopp,RA/FAArbR: CSR-Richtlinie
Am 29.9.2014 hat der Rat als letztes EU-Organ einer Erweiterung der EU-Rechnungslegungsrichtlinie (RL 2013/42/EU) für große Unternehmen von öffentlichem Interesse, insbesondere börsennotierte Unternehmen, mit mehr als 500 Beschäftigten zugestimmt. Die Richtlinie wird noch dieses Jahr in Kraft treten und muss dann in zwei Jahren nach Konsultation der maßgeblichen Interessensträger in nationales Recht umgesetzt werden.
Nachdem bisher schon große Kapitalgesellschaften nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, insbesondere (aber nicht nur) Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, in der handelsrechtlichen Lageberichterstattung erläutern müssen, sollen geschätzte 6 000 Unternehmen in der EU künftig auch Angaben zu den vom Unternehmen verfolgten Konzepten zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung, zur Achtung der Menschenrechte und zu anderen sozialen Belangen und die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit für diese Belange in einer Weise erläutern, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens und der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind. Die Nachhaltigkeitsangaben im Lagebericht dürfen weder insgesamt noch bei einzelnen Indikatoren im Gegensatz zur allgemeinen Darstellung von Geschäftslage und -verlauf stehen.
Zusätzlich müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen auch ihre Konzepte hinsichtlich der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat nach Diversitätsgesichtspunkten (z. B. Alter, Geschlecht, Bildungs- und Berufshintergrund) und über deren Umsetzung und Ergebnisse berichten. Zwar wird die Struktur der Berichte vorgegeben, statt der Berichterstattung im (Konzern-)Lagebericht können aber auch gesonderte Berichte in zeitlichen Zusammenhang erfolgen; sie sind online zu stellen. Zur Orientierung können sich die Unternehmen an nationale, europäische oder internationale Regeln anlehnen; die bezogenen Leitlinien sind anzugeben.
Die Unternehmen, die bei einem oder mehreren Punkten auf die Darstellung ihrer Strategie verzichten, müssen dafür eine klare und ausführliche Begründung angeben, soweit die Mitgliedstaaten keine Klausel zum Konkurrenzschutz einführen, die die Berichtspflicht begrenzen kann.
Die Änderungsrichtlinie ist Ausfluss der Mitteilung der EU-Kommission zu Corporate Social Responsibility (CSR) vom 25.10.2011 (COM(2011) 681final) und des dazu ergangenen Aktionsplanes, in der die EU vom Freiwilligkeitsprinzip bei gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen abrückt. Insofern sind die Anforderungen der Änderung maßvoll. Sie erfassen im Wesentlichen nur die international ausgerichteten Unternehmen, die ohnehin überproportional über soziale Belange berichten und diesen Aufwand nochmals steigern müssen. Ob die Richtlinie die Erwartung erfüllt, Transparenz und die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte von Unternehmen in der Breite zu erhöhen, wird vielfach angezweifelt.
Dennoch ist die Richtlinie ein erster Schritt, CSR in der EU zu verrechtlichen. Die Methodik „comply or explain“orientiert sich an § 161 AktG zum Deutschen Corporate Governance Kodex. Damit gewinnt CSR zunehmend die Qualität, neben Good Governance, Risikomanagement und Compliance ein gleichwertiger Referenzbaustein professioneller Unternehmensführung zu werden. Der nächste Schritt könnte sein, dass einzelne Mitgliedstaaten den Bericht auch einer materiellen Bewertung durch den Abschlussprüfer unterwerfen. Das würde dem Aufsichtsrat von börsennotierten Kapitalgesellschaften im Rahmen einer angemessenen Überwachung der Geschäftsleitung die Prüfung erleichtern, ob die Nachhaltigkeitsinformationen objektivierbar, vergleichbar und belastbar sind.
Die neue Regulierung bietet die Chance für Compliance-Verantwortliche, die Wahrnehmung der Geschäftsleitung für die steigende Bedeutung gesellschaftlicher Verantwortung als Unterstützung für effektiveren Legalitäts- und Integritätsschutz zu nutzen. Die CSR-Themen eignen sich als Wertegerüst, das die Unternehmenskultur, die Verhaltensstandardisierung der Beschäftigten und die Reputation des Unternehmens positiv beeinflussen kann. Sensibilität gegen Korruption und Bestechung als moralischer Kompass reduziert Geschäftsrisiken.
Schnittstellen mit Compliance sind aber kein hinreichender Grund, CSR und Compliance in eine gemeinsame Unternehmensfunktion zu integrieren. Compliance Manager sollten sich auf rechtskonforme Organisation und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Unternehmen konzentrieren. CSR bleibt jedenfalls vorläufig noch „beyond compliance“ und ist mit Wertewandel und Stakeholderkommunikation konzeptionell breiter ausgerichtet.
Reinhold Kopp,RA/FAArbR, ist Partner bei Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Berlin. Ferner ist er Justiziar des Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM).