BMJ: Zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform kommt
Die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform kommt. Insolvente Existenzgründer und Verbraucher sollen schneller als bisher eine zweite Chance erhalten, wenn sie einen Teil ihrer Schulden begleichen. Die Beschleunigung ist auch im Interesse der Gläubiger, weil die Schuldner einen gezielten Anreiz erhalten, möglichst viel zu bezahlen. Künftig sollen Schuldner im Insolvenzverfahren schon nach drei Jahren statt bisher sechs Jahren von ihren Restschulden befreit werden können, wenn sie mindestens ein Viertel der Forderungen und die Verfahrenskosten bezahlen. Eine Verkürzung von bisher sechs auf fünf Jahre ist möglich, wenn immerhin die Verfahrenskosten vollständig bezahlt werden.
Das außergerichtliche Einigungsverfahren soll gestärkt werden. Wenn sich einzelne Gläubiger gegen eine sinnvolle außergerichtliche Einigung sperren, kann ihre Zustimmung künftig vom Gericht ersetzt werden.
Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften sollen in Zukunft in der Insolvenz ähnlich wie Mieter geschützt werden. Aus Sicht der Betroffenen macht es oft keinen Unterschied, ob sie in einer Miet- oder Genossenschaftswohnung wohnen.
Lizenzen sind oft millionenschwere Wirtschaftsgüter, die in der Insolvenz nicht blockiert werden sollen. Die Neuregelung zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen stellt sicher, dass Lizenzen auch bei einer Insolvenz des Lizenzgebers unter Wahrung der Gläubigerinteressen weitergenutzt werden können.
Zum Hintergrund:
Nach dem bereits verabschiedeten Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das in seinen wesentlichen Teilen am 1.3.2012 in Kraft treten wird, legt das Bundesministerium der Justiz mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen im Rahmen eines dreistufigen Reformplans seine Vorschläge für die zweite Stufe der Reform vor.
Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zur:
* Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens
* Stärkung der Gläubigerrechte
* Umgestaltung des Einigungsversuchs im Verbraucherinsolvenzverfahren
* insolvenzrechtlichen Stellung von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften sowie
* Insolvenzfestigkeit von Lizenzen
Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Der Entwurf eröffnet Schuldnern die Möglichkeit, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu verkürzen. Diese Möglichkeit besteht, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre des Verfahrens mindestens 25% der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung soll zudem nach fünf Jahren erlangbar sein, wenn zumindest die Verfahrenskosten beglichen werden können. Ansonsten soll es bei der derzeitigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren bleiben.
Mit dieser differenzierten Regelung sucht der Entwurf einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einer möglichst schnellen Restschuldbefreiung, die ihm eine "zweite Chance" eröffnet, den Interessen der Gläubiger an der Realisierung der ihnen zustehenden Forderungen und den Interessen der Landesjustizverwaltungen, welche sich über die Stundungsregelung des § 4a InsO an der Finanzierung der Insolvenzverfahren beteiligt sind.
Durch die neuen Regelungen wird die Effektivität des Verfahrens gesteigert und den Folgen einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode Rechnung getragen.
Die Möglichkeit einer Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens soll allen natürlichen Personen offen stehen, d.h. sie wird nicht auf bestimmte Personengruppen wie Existenzgründer oder Verbraucher beschränkt.
Stärkung der Gläubigerrechte
Die Wahrnehmung der Gläubigerrechte ist, gerade wenn es um die Erteilung der Restschuldbefreiung geht, teilweise beschwerlich. Die praktischen Schwierigkeiten führen dazu, dass zuweilen die Restschuldbefreiung erteilt wird, obwohl Versagungsgründe vorliegen. Mit den Maßnahmen zur Stärkung der Gläubigerrechte soll dies künftig verhindern werden. Der Entwurf will damit auch die Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung unter den Gläubigern weiter verbessern.
Umgestaltung des Einigungsversuchs im Verbraucherinsolvenzverfahren Das außergerichtliche Einigungsverfahren wird gestärkt. Danach erhält der Schuldner künftig bereits im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Möglichkeit, die Zustimmung einzelner den Schuldenbereinigungsplan ablehnender Gläubiger vom Insolvenzgericht ersetzen zu lassen. Zudem soll künftig kein außergerichtlicher Einigungsversuch mehr unternommen werden müssen, wenn dieser offensichtlich aussichtslos ist. Hierdurch sollen die begrenzten Ressourcen von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen geschont werden
Schutz von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften sollen künftig in der Insolvenz - ähnlich wie derzeit bereits Mieter - vor dem Wohnungsverlust geschützt werden. Die vorgeschlagene Regelung zielt auf einen wertungsmäßigen Gleichlauf mit dem sozialen Wohnraummietrecht und soll zugleich verhindern, dass Schuldner ihr Vermögen unbegrenzt als genossenschaftliches Geschäftsguthaben insolvenzfest anlegen können. Damit trägt es auch den Interessen der Insolvenzgläubiger Rechnung.
Insolvenzfestigkeit von Lizenzen
Der Referentenentwurf enthält auch einen Vorschlag zur Behandlung von Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers. Ziel der vorgeschlagenen Bestimmung, die es einem Lizenznehmer ermöglichen soll, die Lizenz auch in der Insolvenz des Lizenzgebers fortzunutzen, ist es, die Interessen der Gläubiger des Lizenzgebers mit den Interessen des Lizenznehmers in angemessenen Ausgleich zu bringen und dabei den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zu stärken.
Nunmehr haben Länder und Verbände Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen.
(PM BMJ vom 23.1.2012)
Hinweis der Redaktion: Zum ESUG vgl. Willemsen/Rechel, BB 2012, 203 ff.
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