BGH: Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellverstößen – Grauzementkartell II
Die Klägerin, eine Baustoffhändlerin, erhebt gegen die Beklagte, eine Zementherstellerin, Schadensersatzansprüche und macht geltend, sie habe in den Jahren 1993 bis 2002 wegen deren Beteiligung an einem Kartell überhöhte Preise für Zement zahlen müssen. Die Beklagte hatte mit anderen Zementherstellern unter Verstoß gegen das Kartellrecht Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Gegen sie wurde deshalb 2003 ein Bußgeld festgesetzt. Der Bußgeldbescheid wurde 2013 durch eine Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs rechtskräftig (BGH, Beschluss vom 26.2.2013 – KRB 20/12).
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob mögliche Schadensersatzansprüche verjährt sind. Im Juli 2005 trat eine gesetzliche Bestimmung in Kraft (§ 33 Abs. 5 GWB 2005), wonach der Lauf der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Kartellverstoßes durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen dieses Verstoßes gehemmt wird. Die Hemmung endet sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens. Die Frage, ob diese Norm Anwendung findet, wenn der Kartellverstoß vor ihrem Inkrafttreten erfolgte, ein dadurch begründeter Anspruch aber im Juli 2005 noch nicht verjährt war, wurde in der Fachliteratur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt. Der Antwort auf diese Frage hat nicht nur für den Streitfall Bedeutung, sondern kann auch Schadensersatzforderungen betreffen, die in der Folge der Aufdeckung anderer Kartelle (z.B. LKW, Schienen, Zucker) erhoben werden.
Während die Klage beim LG – bis auf einen Teil der geforderten Zinsen – Erfolg hatte, hat das OLG die Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB verneint und die Ansprüche als verjährt angesehen.
Auf die Revision der Klägerin hat der BGH mit Urteil vom 12.6.2018 –KZR 56/16 – der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht – hinsichtlich der Zinsansprüche allerdings nicht in beantragter Höhe – stattgegeben.
Der Kartellsenat des BGH hat entschieden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005 (jetzt § 33h Abs. 6 GWB) auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1. Juli 2005 begangen wurden, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Dies entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wonach bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung eines Anspruchs das neue Gesetz ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf zuvor bereits entstandene, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung findet. Dieser bereits vom Reichsgericht entwickelte Grundsatz hat sowohl in Art. 169 EGBGB als auch – in jüngerer Zeit – in Art. 231 § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB und Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB seinen Niederschlag gefunden. Anders würde sich die Rechtslage nur darstellen, wenn die Neufassung der Verjährungsregelung mit grundlegenden Änderungen im materiellen Recht einherginge oder wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen hätte. Beides ist hier jedoch nicht der Fall.
(PM BGH Nr. 102/2018 vom 12.6.2018)