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Wirtschaftsrecht
28.03.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Verurteilungen wegen progressiver Kundenwerbung

In den Jahren 2002 bis 2006 vertrieben die neun Angeklagten über eine Leipziger Firma Fortbildungsseminare zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung und Motivation, Zeitmanagement, Rhetorik und Verkauf zum Preis von 3.200 Euro. Zugleich wurde auch die Vertriebsmitarbeit in der Firma beworben; es wurden Verdienstmöglichkeiten von mindestens 550 Euro brutto für jedes erfolgreich vermittelte Seminar in Aussicht gestellt. Die Werbemaßnahmen richteten sich in erster Linie an Personen, die nach Arbeit oder Verdienstmöglichkeiten an den Wochenenden suchten; sie wurden aufgrund einer Zeitungsannonce, die eine Fahrertätigkeit offerierte, zu einer Präsentationsveranstaltung geladen. Die Angeklagten, die in unterschiedlichen Funktionen in der Vertriebsorganisation zusammenarbeiteten, verlangten als Voraussetzung für eine Vertriebsmitarbeit die Buchung eines Seminars. Erst nach Bezahlung der Seminarkosten wurde den geworbenen Personen der Mitarbeitervertrag ausgehändigt. Insgesamt wurden auf diese Art im genannten Zeitraum mindestens 4.605 Personen umworben; es wurden 3.959 Seminare vertrieben.

Das LG Leipzig hat die Angeklagten der progressiven Kundenwerbung nach § 16 Abs. 2 UWG schuldig gesprochen und gegen sie - mit Ausnahme eines Angeklagten, der zu einer Geldstrafe verurteilt wurde - auf Freiheitsstrafen erkannt. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen wurde nur zum Teil zur Bewährung ausgesetzt.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des BGH hat die Revisionen der Angeklagten durch Beschluss vom 24. 2.2011 - 5 StR 514/09 - als unbegründet verworfen. Er sah die für typische Kettenverträge geworbenen Mitarbeiter als Verbraucher im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG an. Abzustellen war auf den Zeitpunkt, in dem sie erstmals durch das Absatzkonzept des Veranstalters angesprochen wurden und auf sie durch die Werbemaßnahme eingewirkt werden sollte. In dieser Phase waren sie noch nicht zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit entschieden. Da der Tatbestand des § 16 Abs. 2 UWG als Unternehmensdelikt (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB) ausgestaltet ist, ist für die Vollendung des Delikts ausreichend, wenn mit der werbenden Tätigkeit begonnen wurde und dieses Verhalten unmittelbar in die Buchung eines Seminars einmünden sollte. Einen Verbotsirrtum hatte das Landgericht ebenfalls zu Recht ausgeschlossen. Zwar bestand eine unterschiedliche Entscheidungspraxis der Gerichte zu dem von den Angeklagten verfolgten System. Die Angeklagten hielten jedoch selbst eine Strafbarkeit für wahrscheinlich. Deshalb nahmen sie in die schriftlichen Verträge - wahrheitswidrig - die Klausel auf, dass zwischen der Mitarbeit im Vertrieb und der Buchung des Seminars kein Zusammenhang bestehe.

Einige der Angeklagten hatten allerdings mit ihren Revisionen insoweit Erfolg, als der Bundesgerichtshof auch bei den - sämtlich unbestraften - Angeklagten, gegen die das Landgericht unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen hatte, die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt hat.

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