EuGH : Verbraucher muss im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht mit Strom rechtzeitig über Preiserhöhungen informiert werden
Mit Urteil vom 23.10.2014 – verb. Rs. C-359/11 und C-400/11 – hat der EuGH in Sachen Schulz entschieden, dass Verbraucher, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht mit Strom und Gas beliefert werden, rechtzeitig vor Inkrafttreten jeder Preiserhöhung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden müssen.
Der BGH ist mit zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Strom- und Gaskunden und ihren Versorgern betreffend mehrere Preiserhöhungen in den Jahren 2005 bis 2008 befasst. Die Kunden, die unter die allgemeine Versorgungspflicht fallen (Tarifkunden), sind der Ansicht, dass diese Erhöhungen unbillig gewesen seien und auf rechtswidrigen Klauseln beruht hätten.
In Beantwortung der vom BGH vorgelegten Fragen stellt der Gerichtshof mit seinem Urteil vom 23.10.2014 fest, dass die „Stromrichtlinie“ 2003/54 und die „Gasrichtlinie“ 2003/55 einer nationalen Regelung (wie der vorliegend in Rede stehenden deutschen Regelung) entgegenstehen, die den Inhalt von Strom- und Gaslieferungsverträgen mit Verbrauchern, die unter die allgemeine Versorgungspflicht fallen, bestimmt und für die Versorger die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, ohne jedoch zu gewährleisten, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.
Der Gerichtshof führt insbesondere aus, dass die Mitgliedstaaten gemäß diesen beiden Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten müssen.
Der Gerichtshof stellt fest, dass den Kunden neben ihrem (in den Richtlinien für den Fall einer Preisänderung vorgesehenen) Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden muss, gegen eine solche Änderung vorzugehen.
Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssen die unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.
Den Antrag, die finanziellen Folgen des Urteils so weit wie möglich zu beschränken, weist der Gerichtshof zurück und lehnt damit eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen seines Urteils ab. Hierzu stellt der Gerichtshof insbesondere fest, dass nicht dargelegt wurde, dass die Infragestellung der Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde. Die Auslegung der Richtlinien 2003/54 und 2003/55 gilt somit für alle im zeitlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinien erfolgten Änderungen.
(PM EuGH vom 23.10.2014)