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Wirtschaftsrecht
15.12.2011
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt: Rechte der Inhaber von Genussscheinen gestärkt

Mit Urteil vom 13.12.2011 - 5 U 56/11 - hat das OLG Frankfurt a. M. festgestellt, dass die beklagte Eurohypo AG Genussscheine der ehemaligen Rheinhyp während des Bestehens eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages unabhängig von ihrer tatsächlichen Ertragslage jährlich zu bedienen und bei Fälligkeit zum vollen Nennbetrag zurückzuzahlen hat. Grund hierfür war eine positive Gewinnprognose bei Abschluss des Unternehmensvertrages.


Der zugrunde liegende Sachverhalt:

Die Klägerin - eine private Beteiligungsgesellschaft - ist Inhaberin von Genussscheinen, die im Jahr 2000 von der Rheinhyp Rheinische Hypothekenbank AG (Rheinhyp) ausgegeben wurden und im Juni 2013 zur Rückzahlung fällig sind. Ausweislich der Genussschein-Bedingungen erhalten die Inhaber eine Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn. Die Ausschüttung vermindert sich, wenn der Bilanzgewinn zur vollständigen Bezahlung nicht ausreicht, und ist dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Weiterhin nehmen die Genussscheininhaber am laufenden Verlust in voller Höhe teil.

Im Jahr 2002 verschmolz die Rheinhyp mit der Europäischen Hypothekenbank AG zur Eurohypo AG, der Beklagten. Diese unterliegt seit 2007 einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer Holding. Mittlerweile ist die Beklagte eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Holding, die wiederum eine 100-prozentige Tochter der Commerzbank AG ist.

Bei Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Juni 2007 war die Prognose hinsichtlich der Ertragsentwicklung der Beklagten für die künftigen Geschäftsjahre positiv. Im Geschäftsjahr 2007 führte die Beklagte infolge des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages einen - fiktiven - Gewinn in Höhe von 103 Mio. € ab. Auf die Genussscheine leistete sie eine Ausschüttung entsprechend dem im Geschäftsbericht ermittelten fiktiven Gewinn. Auch im Geschäftsjahr 2008 erbrachte die Beklagte weitere Zahlungen auf die Genussscheine.
Für das Geschäftsjahr 2009 entstand der Beklagten ein Jahresfehlbetrag in Höhe von knapp 170 Mio. Euro, der jedoch bilanziell durch Erträge aus Verlustübernahmen durch die Holding und aus einer Herabsetzung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheine ausgeglichen wurde. Zahlungen auf die Genussscheine leistete die Beklagte für das Jahr 2009 nicht.


Der Standpunkt der Klägerin:

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die Genussscheininhaber nicht beeinträchtigen dürfe. Da vor dem Abschluss des Vertrages eine positive Ertragsprognose vorlag, hätten für die restliche Laufzeit der Genussscheine unvermindert jährliche Ausschüttungen zu erfolgen. Mit der Klage hat die Klägerin daher im Wesentlichen die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Dauer des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die Genussscheine unabhängig von der tatsächlichen Ertragslage jährlich zu bedienen und diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu ihrem vollen Nennbetrag zurückzuzahlen.


Die Vorentscheidung des Landgerichts:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass das Begehren der Klägerin im Ergebnis darauf hinauslaufe, das Genussrecht einem einfachen Darlehen gleichzustellen. Dies sei nicht sachgerecht; vielmehr sei ein Abstellen auf die Ertragslage und den Bilanzgewinn der Konzernmutter geboten.


Die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts
:
Der gegen das Urteil des Landgerichts eingelegten Berufung der Klägerin gab das Oberlandesgericht nunmehr statt.
Nach Auffassung des für die Entscheidung zuständigen 5. Zivilsenats ist die Klägerin als Genussscheinberechtigte in ähnlicher Weise schutzbedürftig wie ein außenstehender Aktionär. Im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung sei daher ein angemessener Ausgleich entsprechend § 304 Aktiengesetz vorzusehen, der im vorliegenden Fall dazu führe, dass die Beklagte verpflichtet sei, für die Dauer des Bestehens des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die vereinbarten Couponzahlungen zu leisten und das eingezahlte Kapital nach Fälligkeit zum Nennwert zurückzuzahlen.
Würde - wie das Landgericht meinte - nicht auf die Verhältnisse der Beklagten, sondern auf diejenigen des herrschenden Unternehmens oder der Konzernmutter abgestellt, hätte dies Folgen, die dem Charakter des Genussscheins bzw. den vorliegenden Ge-nussscheinbedingungen widersprächen. Wiese nämlich die Beklagte Verluste auf, ihre Konzernmutter aber Gewinne, würden die Genussscheine nicht herabgesetzt, sondern voll bedient, obgleich Verluste erwirtschaftet wurden. Im umgekehrten Fall - fiktiver Gewinn bei der Beklagten, aber Verlust bei der Konzernmutter - müssten die Genussscheine herabgesetzt werden und erhielten keine Verzinsung. Dies würde - wie der Senat weiter ausführt - im Ergebnis zu einer unzulässigen Abführung vorvertraglicher Eigenkapitalbestandteile gemäß § 301 Aktiengesetz führen.
Vorzugswürdig sei daher eine Lösung entsprechend § 304 Aktiengesetz. Im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung sei davon auszugehen, dass die Parteien eine solche redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bei Ausgabe der Genussscheine eine Regelung für den Fall des späteren Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages getroffen hätten.
In der Durchführung sei maßgeblicher Anknüpfungspunkt die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vorzunehmende Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft in der Zukunft. Vorliegend sei diese für die Zeit bis zur Fälligkeit der Genussscheine positiv gewesen. Im Ergebnis folge daraus, dass die Klägerin - wie von ihr vertreten und beantragt - bis zum Auslauf der Genussscheine die jeweils nach den Genussscheinbedingungen zu berechnende Zinsausschüttung und danach die vollständige, ungeschmälerte Rückzahlung der Genussscheine zum Nennbetrag beanspruchen könne. Umgekehrt müsste -auch dies stellte der Senat klar - bei einer negativen Gewinnprognose für die gesamte Laufzeit des Unternehmensvertrages bzw. der Restlaufzeit des Genussscheins die Ausschüttung entfallen sowie eine Beteiligung der Genussscheininhaber an dem (prognostizierten) Verlust erfolgen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum BGH.

(PM OLG Frankfurt vom 14.12.2011)

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