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Wirtschaftsrecht
18.09.2013
Wirtschaftsrecht
EU-Kommission: Nach LIBOR- und EURIBOR-Skandal - Regeln für Referenzzinssätze verschärft

Die EU-Kommission will das Vertrauen in Referenzzinssätze und andere Benchmark-Indizes wiederherstellen und hat dazu am 18.9.2013 eine neue Verordnung vorgelegt.


Eine Benchmark ist ein Index (statistisches Maß), der anhand eines repräsentativen Datensatzes ermittelt und als Referenzkurs für ein Finanzinstrument oder einen Finanzkontrakt oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds herangezogen wird. Die neuen Vorschriften werden die Zuverlässigkeit von Benchmarks erhöhen, die Prävention und Aufdeckung von Manipulationen erleichtern und die  Beaufsichtigung von Benchmarks durch die Behörden klarstellen. Sie ergänzen die im Juni 2013 vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligten Vorschläge der Kommission, wonach die Manipulation von Benchmarks künftig als Marktmissbrauchsdelikt einzustufen ist, bei dem strenge Verwaltungsstrafen verhängt werden (siehe MEMO/13/774). 



Hierzu Binnenmarktkommissar Michel Barnier: „Benchmarks sind ein zentraler Bestandteil des Finanzsystems: Obwohl sie für unsere Märkte und für die Kredite und Ersparnisse von Millionen von Bürgern von großer Bedeutung sind, sind sie bislang weitgehend unreguliert und unbeaufsichtigt. Skandale und Manipulationsvorwürfe haben das Marktvertrauen untergraben. Damit muss Schluss sein: Wir müssen das Vertrauen wiederherstellen. Die heute vorgeschlagene Verordnung wird erstmals dafür sorgen, dass alle Benchmark-Anbieter über eine Zulassung verfügen müssen und der Aufsicht unterliegen; er wird größere Transparenz herbeiführen und Interessenkonflikten begegnen. Dies wird die Integrität sowie Kontinuität und Qualität grundlegender Benchmarks sicherstellen."



Nach der Manipulation von LIBOR (London Interbank Offered Rate) und EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) wurden gegen mehrere Banken in Europa und den USA Geldstrafen von mehreren Millionen Euro verhängt. Derzeit wird auch wegen des Vorwurfs der Manipulation von Rohstoff- (wie Öl-, Gas- und Biokraftstoff-) sowie Devisen-Benchmarks ermittelt. Finanzinstrumente im Wert von mehreren Billionen Euro und Millionen von Wohnbaudarlehen sind an Benchmarks geknüpft. Aus diesem Grund können Benchmark-Manipulationen Verbrauchern und Anlegern erhebliche Verluste bescheren, die Realwirtschaft verzerren und das Marktvertrauen untergraben.



Hauptelemente des Vorschlags


Der Vorschlag steht mit den unlängst auf internationaler Ebene von der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) vereinbarten Grundsätzen in Einklang und deckt ein breites Spektrum an Benchmarks ab, d. h. nicht nur Referenzzinssätze wie den LIBOR, sondern darüber hinaus u. a. auch Rohstoff-Benchmarks. Er erfasst alle Benchmarks, die bei den an einem geregelten Handelsplatz zum Handel zugelassenen oder gehandelten Finanzinstrumenten, wie Energie- oder Währungsderivaten, als Bezugsgröße herangezogen werden, Benchmarks, die für Finanzkontrakte wie Hypothekendarlehen genutzt werden, und Benchmarks, anhand deren die Wertentwicklung von Investmentfonds gemessen wird. Er soll im gesamten Prozess der Ermittlung und Nutzung von Benchmarks mögliche Schwachstellen beseitigen.


Das übergeordnete Ziel besteht darin, die Integrität von Benchmarks sicherzustellen, indem garantiert wird, dass sie keinem Interessenkonflikt unterliegen, sie die wirtschaftliche Realität, die durch sie gemessen werden soll, widerspiegeln und sie angemessen verwendet werden.



Mit dem Vorschlag wird insbesondere angestrebt,


- die Unternehmensführung und Kontrolle beim Benchmark-Prozess zu verbessern.


Auf nationaler wie europäischer Ebene werden Benchmarks künftig nur mit entsprechender Zulassung bereitgestellt werden können und wird diese Bereitstellung einer Aufsicht unterliegen. Dem Vorschlag zufolge sollen Administratoren Interessenkonflikte so weit wie möglich vermeiden und diese in Fällen, in denen dies nicht möglich ist, angemessen steuern;


- die Qualität der von Benchmark-Administratoren verwendeten Eingabedaten und Methoden zu verbessern


Den neuen Bestimmungen zufolge müssen bei der Ermittlung von Benchmarks präzise Daten in ausreichender Menge herangezogen werden, die gewährleisten, dass der Markt oder die wirtschaftliche Realität, den bzw. die sie messen, realitätsgetreu abgebildet ist. Die Daten sollten aus zuverlässigen Quellen stammen und die Benchmark sollte belastbar und verlässlich berechnet werden. Dies bedeutet auch, dass nach Möglichkeit Transaktionsdaten - und wenn dies nicht möglich ist überprüfte Schätzungen - zu verwenden sind.


- sicherzustellen, dass Benchmark-Teilnehmer angemessene Daten zur Verfügung stellen und angemessenen Kontrollen unterliegen


Der Administrator wird einen Verhaltenskodex erstellen, der genau regelt, welche Pflichten und Aufgaben die Teilnehmer bei der Bereitstellung von Benchmark-Eingabedaten haben. Dazu zählt auch die Pflicht zur Regelung von Interessenkonflikten. 


- für Verbraucher und Anleger, die Benchmarks nutzen, einen angemessenen Schutz sicherzustellen


Die vorgeschlagene Verordnung erhöht die Transparenz der zur Ermittlung der Benchmark herangezogenen Daten und der Art ihrer Ermittlung. Sie wird auch eine Erklärung vorschreiben, aus der hervorgeht, was mit der Benchmark gemessen werden soll und wo die Anfälligkeiten liegen. Darüber hinaus soll sie die Banken dazu verpflichten, bei Bedarf, wie bei der Ausarbeitung von Hypothekenkreditverträgen, die Eignung der Benchmark für Verbraucher zu bewerten.


- die Beaufsichtigung und Kontinuität kritischer Benchmarks sicherzustellen


Kritische Benchmarks werden künftig unter Federführung der für den Benchmark-Administrator zuständigen Aufsichtsbehörde von Aufsichtskollegien beaufsichtigt, denen auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) angehört. Bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kollegiums wird die ESMA durch verbindliche Schlichtung eine Entscheidung herbeiführen können. Darüber hinaus werden für kritische Benchmarks noch weitere Zusatzanforderungen festgelegt, wozu auch die Befugnis der jeweils zuständigen Behörde zählt, Pflichtbeiträge zu verlangen.



Zentralbanken, die dem Europäischen System der Zentralbanken angehören, sind vom Anwendungsbereich ausgenommen, da sie bereits über Systeme verfügen, die die Einhaltung dieser Verordnung gewährleisten.


Detailliertere Vorschriften zu Rohstoff-Benchmarks und Referenzzinssätzen sind in den Anhängen der Verordnung enthalten. Um eine Doppelregulierung zu vermeiden, sind Benchmarks, deren Eingabedaten von geregelten Handelsplätzen bereitgestellt werden, von bestimmten Pflichten ausgenommen.


(PM EU-Kommission vom 18.9.2013)

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