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Wirtschaftsrecht
29.05.2018
Wirtschaftsrecht
BVerfG: Keine Strafbarkeitslücke durch Verweisung auf eine noch nicht anwendbare europäische Verordnung

Es besteht keine Straflosigkeit für vor dem 3.7.2016 begangene und noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die vom BGH vorgenommene Auslegung des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, nach der es am 2.7.2016 nicht zu einer „Ahndungslücke“ für Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz gekommen sei, verstößt nicht gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Dies stellte die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG mit Beschluss vom 3.5.2018 – 2 BvR 463/17 – fest und nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn ihre Strafbarkeit vor der Begehung der Tat gesetzlich bestimmt war. Über die Strafbarkeit eines Handelns entscheidet allein der Gesetzgeber. Den Richtern verbleibt die Anwendung und Interpretation der Vorschriften innerhalb der Grenze des Wortlauts.

Der BGH wird in dem angegriffenen Beschluss diesen Anforderungen gerecht. Die Verweisung in § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG auf Art. 14 MAR ist als bloßer Verzicht zu werten, deren Wortlaut wiederzugeben. Die Verweisungsnorm bestimmt unabhängig von der Bezugsnorm die Rechtsfolge. Es ist nicht entscheidend, ob die Bezugsnorm selbst eine Rechtsfolge enthält und ob diese bereits anwendbar ist. Voraussetzung ist lediglich, dass die Bezugsnorm durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung bekannt gemacht wurde. Dies ist im Hinblick auf die Marktmissbrauchsverordnung der Fall; diese wurde bereits im Jahr 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Strafbarkeit war daher genauso vorhersehbar, als wäre der Wortlaut des Art. 14 MAR in die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG aufgenommen worden.

Auch der Wortlaut des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG setzt nicht voraus, dass die Marktmissbrauchsverordnung auf europäischer Ebene bereits anwendbar war. Aus dem Begriff „verstößt“ ergibt sich nicht, dass die Verhaltensregel, gegen die verstoßen wird, bereits unabhängig von einer Bezugnahme anwendbar sein und bestimmte Rechtsfolgen auslösen muss.

Die vom BGH vorgenommene Auslegung des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG ist im Übrigen weder objektiv willkürlich, noch verkennt sie  europäisches Recht.

(PM BVerfG Nr. 42/2018 vom 29.5.2018)

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