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Wirtschaftsrecht
30.07.2020
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Kein Recht des Antragstellers eines Spruchverfahrens auf Ablehnung eines sachverständigen Prüfers

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.6.2020 – I-26 W 7/20 [AktG]

Volltext:BB-ONLINE BBL2020-1729-1

Amtlicher Leitsatz

Den Antragstellern eines Spruchverfahrens steht kein Recht auf Ablehnung des sachverständigen Prüfers oder der für ihn tätigen Wirtschaftsprüfer aus §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1,42Abs. 2ZPOzu.

Sachverhalt

I. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Zurückweisung ihrer Ablehnungsgesuche in einem aktienrechtlichen Spruchverfahren.

Dem Spruchverfahren liegt der am 26.09.2016 beschlossene und am 14.02.2017 in das Handelsregister eingetragene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der ehemaligen X. O. AG zugrunde, die nachfol-gend in E. O. AG umbenannt und im Jahr 2019 auf die Antragsgegnerin verschmol-zen wurde. Die insgesamt 91 Antragsteller - darunter die Antragsteller zu 21) bis 25) sowie die beschwerdeführenden Antragsteller zu 35) bis 38) und zu 39) bis 42) – halten die im Unternehmensvertrag angebotenen Kompensationsleistungen - eine Bruttoausgleichszahlung i.H.v. 3,13 € (2,82 € je Aktie netto) und eine Abfindung mit 55,02 € je Aktie – für zu gering und begehren deren gerichtliche Überprüfung.

Die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung, die auf einer im Auftrag der Antragsgegnerin erstatteten Unternehmensbewertung der Q. GmbH Wirtschaftsprü-fungsgesellschaft („Q.“) basieren, hat die vom Landgericht mit Beschluss vom 1.06.2016 zur sachverständigen Prüferin gemäß § 293c AktG bestellte Wirtschafts-prüfungsgesellschaft Y. AG („Y.“) mit Prüfbericht vom 16.08.2016 bestätigt.

Die Antragsteller erheben Einwendungen gegen das Bewertungsgutachten und den Prüfbericht. U.a. rügen sie, die Antragsgegnerin habe Einfluss auf die Unternehmensbewertung und die Planungsrechnungen genommen. Die Abfindung sei unangemessen niedrig, der Ausgleich fehlerhaft berechnet. Die der Unternehmensbewertung zugrunde gelegte Planung sei zu pessimistisch. Synergien seien unzureichend berücksichtigt worden. Der Kapitalisierungszinssatz einschließlich der Parameter Marktrisikoprämie und Betafaktor seien überhöht, der Wachstumsabschlag sei zu niedrig angesetzt worden. Die typisierte Annahme einer inländischen persönlichen Besteuerung sei fehlerhaft.

Überdies haben einzelne Antragsteller – darunter die am vorliegenden Beschwerdeverfahren beteiligten - die Auswahl der sachverständigen Prüferin beanstandet. Das Landgericht habe Ausschluss- und Hinderungsgründe bei der Bestellung unzureichend geprüft bzw. berücksichtigt. Die Y. habe insbesondere deshalb nicht zur sachverständigen Prüferin bestellt werden dürfen, da sie dem internationalen Zusammenschluss MSI Global Alliance angehöre. Auch sei sie im Rahmen der beschlussfassenden Hauptversammlung vom 26.09.2016 auf Seiten der Gesellschaft mit der Beantwortung von Aktionärsfragen befasst gewesen. Sie stehe daher „ganz offensichtlich im Lager der Antragsgegnerin und der von dieser kontrollierten Tochtergesellschaft“. Ihre Feststellungen könnten der gerichtlichen Angemessenheitsprüfung im Spruchverfahren nicht zugrunde gelegt werden; eine Anhörung scheide aus. Der Vielzahl der vorgebrachten Einwendungen, die praktisch alle Aspekte der von Q. erstatteten Unternehmensbewertung beträfen, könne das Landgericht nur durch Einholung einer umfassenden Neubewertung eines „tatsächlich neutralen“ gerichtlichen Sachverständigengutachtens gerecht werden. Einzelne Antragsteller – darunter die beschwerdeführenden – haben die Offenlegung der zwischen der Antragsgegnerin und der sachverständigen Prüferin getroffenen Vergütungsvereinbarung gefordert und „vorsorglich“ darauf hingewiesen, dass der sachverständigen Prüferin bei einer Anhörung „lediglich“ die Stellung eines sachverständigen Zeugen zukomme.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Angemessenheit der vorgesehenen Kompensati-onsleistungen. Sie meint, gegen die Anhörung der – ordnungsgemäß ausgewählten und bestellten – sachverständigen Prüferin bestünden keine Bedenken. Ausschluss- und Hinderungsgründe gegen die Bestellung der Y. lägen nicht vor. Das mit ihr vereinbarte Honorar sei marktüblich und angemessen, der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung ein rechtlich zulässiger und in ständiger Praxis üblicher Vorgang. Für eine Offenlegung der Einzelheiten bestehe keine Rechtsgrundlage.

Mit Verfügung vom 9.05.2019 hat das Landgericht Termin zur Anhörung „des sach-verständigen Prüfers“ bestimmt, zu dem es die bei der Y. mit dem Prüfbericht befasst gewesenen Wirtschaftsprüfer W. und K. geladen und ihr eine schriftliche Zusammenfassung ihrer Stellungnahme zu weiteren, in der Terminsverfügung aufgeführten bewertungsrelevanten Fragestellungen aufgegeben hat. Weiter hat es die Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 11.07.2019 darauf hingewiesen, dass die genannten Wirtschaftsprüfer entsprechend § 8 SpruchG als sachverständige Zeugen vernommen würden.

Unter dem 13.09.2019 hat die sachverständige Prüferin eine schriftliche Zusammenfassung ihrer Stellungnahme vorgelegt, die den Verfahrensbeteiligten zugeleitet worden ist.

Daraufhin haben die Antragsteller zu 35) bis 38) und zu 39) bis 42) „die Sachver-ständigen“ W. und K. mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.09.2019 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, das Landgericht hat infolge dessen den Anhörungstermin aufgehoben.

Die genannten Antragsteller haben gemeint, ihr Ablehnungsgesuch sei gemäß § 406 ZPO zulässig. Die abgelehnten Wirtschaftsprüfer seien vom Landgericht „als Sachverständige“ zum Anhörungstermin geladen worden. Überdies seien sie als solche zu qualifizieren, da die Stellungnahme vom 13.09.2019 über die Wiedergabe eigener Wahrnehmungen hinaus sachverständige Schlussfolgerungen enthalte. Nach zivilprozessualen Grundsätzen werde ein sachverständiger Zeuge „automatisch“ zum Sachverständigen, wenn er inhaltlich als solcher gehört werde; auf die gerichtliche Bestellung oder formale Bezeichnung komme es nicht an. Ein Ablehnungsrecht müsse auch aus verfassungsrechtlichen Gründen und aufgrund des Grundsatzes des fairen Verfahrens bestehen, da die Verfahrensbeteiligten anderenfalls allein aufgrund der formalen Bezeichnung gegebenenfalls „faktisch einem Sachverständigen ausgesetzt“ seien.

Auch der Sache nach sei das Ablehnungsgesuch begründet. Bereits das auf die Prüfung der Angemessenheit der Kompensationsleistungen (und mögliche weitere Dienstleistungen) bezogene Vertragsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und „den Prüfern“ begründe die Besorgnis der Befangenheit. Wirtschaftsprüfer W. habe in der Hauptversammlung vom 26.09.2016 als „Experte im Lager der Antragsgegnerin“ – aller Wahrscheinlichkeit nach gegen entsprechendes zusätzliches, bislang nicht offengelegtes Honorar – Fragen der Aktionäre beantwortet. Darüber hinaus werde aus den in der Stellungnahme vom 13.09.2019 enthaltenen Ausführungen – insbesondere zum Betafaktor und zur nicht betriebsnotwendigen Liquidität - deutlich, dass die sachverständige Prüferin offenkundig keine neutrale Position einnehme, sondern sich „inhaltlich als Handlanger der Antragsgegnerin“ sehe, deren einzige Aufgabe es sei, die festgesetzten Kompensationsleistungen mit allen Argumenten zu bestätigen (Bl. 2889, 2894). Nicht nur sei sie mit ihrer Stellungnahme über die Fragen des Landgerichts hinausgegangen; sie habe zudem „aktiv“ versucht, das Gericht etwa von der fehlenden Aussagekraft des unternehmenseigenen Betafaktors zu überzeugen. All dies erwecke bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung, „die gerichtlich bestellten Prüfer“ stünden der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber.

Ergänzend haben die Antragsteller zu 35) bis 38) geltend gemacht, die Wirtschafts-prüfer W. und K. hätten mit ihrer Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch vom 21.10.2019 versucht, das Gericht und die Antragsteller über den Umfang ihrer vorangegangenen Tätigkeit für die Antragsgegnerin zu täuschen. Sie hätten den Anschein erweckt, auf der Hauptversammlung lediglich prüfungsbezogene Fragen (im Interesse der außenstehenden Aktionäre) beantwortet zu haben, die die Gesellschaft oder die Antragsgegnerin selbst nicht hätten beantworten können; tatsächlich hätten sie jedoch für die Beantwortung oder Mitarbeit bei der Beantwortung einer Vielzahl von Aktionärsfragen im Interesse und gegen Bezahlung der Antragsgegnerin zur Verfügung gestanden. Es könne aus objektiver Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich weiterhin als Mitglieder des von der Antragsgegnerin beauftragten und bezahlten Experten-Teams ansehen würden, dessen Aufgabe es sei, die Bewertungsrügen der Antragsteller zu widerlegen. Zudem habe die Y. in einer „Mandantenstory“ ihres Firmenmagazins über die Übernahme der E. O. AG durch die Antragsgegnerin berichtet. Sie sehe die Antragsgegnerin daher offensichtlich als ihre Mandantin an, in deren Team und Lager sie sich selbst verorte; darüber hinaus habe sie deutlich ihre Vorbehalte gegenüber den Minderheitsaktionären zum Ausdruck gebracht. Selbst wenn der Ablehnungsantrag unzulässig sein sollte, komme daher eine weitergehende Anhörung der sachverständigen Prüfer und eine Verwertung ihrer Stellungnahme vom 13.09.2019 nicht mehr in Betracht, da davon keine weitere neutrale Aufklärung zu erwarten sei.

Die sachverständige Prüferin und die Antragsgegnerin sind den Ablehnungsgesu-chen entgegengetreten.

Die sachverständige Prüferin hat diesen entgegengehalten, sie sei weder als Sach-verständige noch als sachverständige Zeugin, sondern als „Auskunftsperson sui generis“ anzusehen. Auch in der Sache lägen Anhaltspunkte für eine Parteilichkeit nicht vor. Dass sich ihre Stellungnahme nicht nur auf die im Rahmen der Prüfung wahrgenommenen Tatsachen, sondern auch auf die Beurteilung von Bewertungsfragen beziehe, liege in der Natur der Sache.

Die Antragsgegnerin hat gemeint, die Ablehnungsgesuche seien schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf die Stellungnahmen vom 21.10.2019 (Bl. 2912 ff.) und 28.10.2019 (Bl. 2976 ff.) verwiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9.01.2020 hat das Landgericht die Ableh-nungsgesuche der beschwerdeführenden Antragsteller zu 35 bis 38), zu 39) bis 42) sowie der – nicht als Beschwerdeführer beteiligten – Antragsteller zu 21) bis 25) als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die sachverständige Prüferin eines Spruchverfahrens könne zwar wie ein Sachverständiger abgelehnt werden. Davon sei auch das Oberlandesgericht Frankfurt mit Beschluss vom 2.05.2011 (21 W 3/11, AG 2011, 828 ff. Rn. 43) „ohne Weiteres“ ausgegangen. In der Sache lägen indes keine Ablehnungsründe vor. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 3192 ff.) verwiesen.

Dagegen richten sich die Antragsteller zu 35) bis 38) und zu 39) bis 42) mit ihren sofortigen Beschwerden, denen sich die – nicht beschwerdeführenden - Antragsteller zu 21) bis 25) mit ihrer Stellungnahme vom 20.02.2020 angeschlossen haben.

Sie sind der Ansicht, das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass ein sachverständiger Prüfer „jedenfalls dann, wenn er wie ein Sachverständiger behan-delt werde“, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden könne. Es habe die Ablehnungsgesuche jedoch zu Unrecht als unbegründet erachtet. Insoweit wie-derholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meinen, bei vernünftiger Betrachtung liege eine Vielzahl von Umständen vor, die den Anschein der Parteilichkeit der abgelehnten Wirtschaftsprüfer rechtfertigten. Hilfsweise werde die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.

Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf die Beschwerdeschriften vom 3.02.2020 (Bl. 3206 ff.) und 11.02.2020 (Bl. 3231 ff.), wegen des weiteren Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze, in Bezug genommenen Anlagen und gutachterlichen Stellungnahmen verwiesen.

Aus den Gründen

II. Die gemäß §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaften Rechtsmittel sind zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt.

In der Sache bleiben sie ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Ablehnungsgesuche im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Die Ablehnung der sachverständigen Prüferin bzw. der für sie mit dem Prüfbericht und der zusammenfassenden Stellungnahme vom 13.09.2019 befassten Wirt-schaftsprüfer wegen (vermeintlicher) Besorgnis der Befangenheit scheidet schon im Ansatz aus, da die nach §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO für Sachverständige geltenden Vorschriften auf den sachverständigen Prüfer keine Anwendung finden. Die Ablehnungsgesuche waren daher schon unzulässig. Für eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Befangenheitsregeln ist - auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben und des Grundsatzes des fairen Verfahrens - kein Raum.

1. Den Antragstellern steht schon im Ansatz kein Recht auf Ablehnung der sachver-ständigen Prüferin oder der für sie tätigen Wirtschaftsprüfer aus §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO zu.

Nach §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sach-verständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Danach kommt eine Ablehnung der mit dem Prüfbericht und der zusammenfassenden Stellungnahme befassten Wirtschaftsprüfer nicht in Betracht. Diese sind – nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur – nicht als Sachverständige i.S.v. §§ 402 ff. ZPO zu qualifizieren, wovon zunächst auch die beschwerdeführenden Antragsteller zu 35) bis 38) selbst mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6.07.2019 (Bl. 2548) ausgegangen waren. Ihre nachfolgend geäußerte Einschätzung, ein Ablehnungsrecht müsse dennoch „jedenfalls“ deshalb bestehen, da das Landgericht die Y. „wie einen Sachverständigen behandelt“ habe, geht fehl.

2. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG soll in den Fällen, in denen sachverständige Prüfer tätig waren (§ 7 Abs. 3 Satz 2 SpruchG) - insbesondere also (wie hier) bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nach § 293c AktG - das persönliche Erscheinen der sachverständigen Prüfer angeordnet werden, wenn deren Anhörung „als sachverständige Zeugen“ nicht nach freier Überzeugung des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts entbehrlich erscheint. Dadurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und die eventuell zusätzliche Beauftragung eines weiteren Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen im Spruchverfahren erleichtert und damit beschleunigt ermöglicht werden. Grundsätzlich soll es auch möglich sein, dass der früher tätig gewordene sachverständige Prüfer vom Gericht zum Sachverständigen bestellt wird (BT-Drs. 15/371 S. 15). Damit hat der Gesetzgeber - ungeachtet der im Schrifttum diskutierten Frage, ob es sich bei der Bezeichnung des sachverständigen Prüfers als sachverständiger Zeuge in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt – eine Abgrenzung dahingehend getroffen, dass sich dieser jedenfalls - ohne abweichende gerichtliche Beweisanordnung – von dem gerichtlichen Sachverständigen unterscheidet. Nach einhelliger Meinung besteht daher auch kein Ablehnungsrecht gegen ihn; die für Sachverständige geltenden Vorschriften der §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 ZPO finden auf ihn keine Anwendung (OLG München, Beschluss v. 20.03.2019 – 31 Wx 185/17, AG 2019, 659, 663 Rn. 88; v. 26.06.2018 – 31 Wx 382/15, juris Rn. 138; BeckOGK/Drescher, SpruchG § 8 Rn. 12; Drescher in: Spindler/Stilz, 4. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 11; Puszkajler in: KKSpruchG, 3. Aufl., § 8 Rn. 24; Halfmeier/Jacoby, ZIP 2020, 203, 206; zur Stellung des sachverständigen Prüfers als sachverständiger Zeuge Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 4 f.; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 4b; Kubis in: MünchKomm AktG, 5. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 2 f.; Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, UmwStG, 8. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 4). Ein dennoch gestelltes Ablehnungsgesuch ist unzulässig (so auch OLG München, Beschluss v. 26.06.2018 aaO; LG Stuttgart, Beschluss v. 23.03.2017 – 31 O 1/15 KfH SpruchG S. 7, n.v. (Bl. 3151); i.E. offen gelassen OLG Stuttgart, Beschluss v. 2.10.2017 – 20 W 6/17 S. 9, n.v. (Bl. 3160)).

Das Landgericht hat nach Maßgabe der in § 8 Abs. 2 SpruchG vorgesehenen Kon-zeption mit Verfügung vom 9.05.2019 von der Möglichkeit einer vorbereitenden Be-weisaufnahme durch Befragung der sachverständigen Prüferin Gebrauch gemacht, indem es Termin zur Anhörung „des sachverständigen Prüfers“ bestimmt, die mit dem Prüfbericht befasst gewesenen Wirtschaftsprüfer W. und K. zu diesem geladen und der sachverständigen Prüferin überdies vorbereitend eine schriftliche Zusam-menfassung ihrer Stellungnahme zu den in der Terminsverfügung aufgeführten bewertungsrelevanten Fragestellungen aufgegeben hat. Anhaltspunkte dafür, dass es die Y. bzw. die Wirtschaftsprüfer W. und K. „wie Sachverständige behandelt“ oder gar als Sachverständige beauftragt oder geladen hätte, liegen nicht ansatzweise vor. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht die Beteiligten mit Verfügung vom 11.07.2019 auf entsprechende Nachfrage hin explizit darauf hingewiesen hat, dass die geladenen Wirtschaftsprüfer nach § 8 SpruchG als sachverständige Zeugen gehört werden sollen; ebenso zutreffend hat es auf die Anfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 39) bis 42) nach der Rechtsgrundlage für die Übersendung der Verfahrensakten an die sachverständige Prüferin auf die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 2 SpruchG verwiesen.

3. Der von den beschwerdeführenden Antragstellern wiederholt vorgetragenen An-sicht, eine über die bloße Bekundung von Tatsachen aus der Prüfungstätigkeit hin-ausgehende wertende bzw. beurteilende Tätigkeit oder Schlussfolgerungen des sachverständigen Prüfers zu Bewertungsfragen machten diesen „automatisch“ zum Sachverständigen, kann nicht gefolgt werden. Sie ist mit der klaren gesetzlichen Vorgabe in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG nicht in Einklang zu bringen.

Wie schon dargelegt, besteht die Kernaufgabe des sachverständigen Prüfers im Spruchverfahren gerade darin, die verfahrensgegenständlichen Kompensationsleistungen – hier: die im Unternehmensvertrag angebotene Ausgleichszahlung und Abfindung – auf Ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Gleichzeitig will das Gesetz zum Zweck der Beschleunigung und Entlastung die Anwesenheit einer sachverständigen Person sicherstellen, die – als sachkundige Auskunftsperson – aufgrund ihrer Vorbefassung mit dem Bewertungsfall ohne größere Vorbereitung die stattgefundene Unternehmensbewertung samt den zugrunde liegenden Annahmen im Licht ihrer Prüfung detailliert vor Gericht erläutern und einzelne Fragen mündlich oder schriftlich beantworten kann (Senat, Beschluss v. 24.09.2015 – I-26 W 13/15 (AktE), BeckRS 2015, 19042 Rn. 27). Die volle Entschädigung der außenstehenden Aktionäre wird vorrangig dadurch sichergestellt, dass die Strukturmaßnahme - hier: der Abschluss des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages mit der Mehrheitsaktionärin - von dem sachverständigen Prüfer geprüft wird, der sich insbesondere dazu zu erklären hat, ob die vorgeschlagenen Kompensationen angemessen sind. Dadurch sollen nachfolgende Spruchverfahren entlastet und zeit- und kostenaufwändige „flächendeckende“ Gesamtgutachten von Sachverständigen vermieden werden (BT-Drs. 15/371 S. 12, 14, 15; Senat, Beschlüsse v. 25.05.2016 – I-26 W 2/15 (AktE), BeckRS 2016, 21367 Rn. 80; v. 11.05.2015 - I-26 W 2/13 (AktE), ZIP 2015, 1336 ff. Rn. 40 m.w.N.). Dies setzt für den sachverständigen Prüfer denklogisch voraus, dass er auch Schlussfolgerungen in Bezug auf vorgelagerte Bewertungsfragen treffen muss, ohne dass ihm deswegen vom Gesetzgeber in verfahrensrechtlicher Hinsicht generell die Rolle eines Sachverständigen zugewiesen worden wäre.

4. Eine analoge Anwendung der Befangenheitsregeln auf den sachverständigen Prüfer scheidet mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des § 406 Abs. 1 ZPO aus. Für eine erweiternde Auslegung besteht - auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben oder des Grundsatzes des fairen Verfahrens - kein Bedarf.

Allerdings gebietet es der Schutz der außenstehenden Aktionäre grundsätzlich nicht, im Spruchverfahren neben dem sachverständigen Prüfer noch einen weiteren gerichtlichen Sachverständigen zu beauftragen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse v. 25.05.2016 Rn. 80; v. 24.09.2015 Rn. 30, jeweils aaO; ebenso bereits OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschluss v. 14.04.2000 - 19 W 6/98 Rn. 30, juris; Drescher aaO § 8 SpruchG Rn. 12; Mennicke in: Lutter, UmwG, 6. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 6). Eine - zeit- und kostenintensive - Begutachtung durch einen unabhängigen, mit der konkreten Bewertung noch nicht befassten Sachverständigen wird nur dann notwendig, wenn begründete Zweifel an Vertrags- und Prüfbericht bestehen und auch nach ergänzender Stellungnahme und/oder Anhörung des sachverständigen Prüfers (§ 8 Abs. 2 i. V. m. § 7 Abs. 3 SpruchG) weiterer Aufklärungsbedarf besteht. In diesem Fall kann das mit dem Spruchverfahren befasste Gericht bei verbleibenden Zweifeln jedoch ohne weiteres von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine (weitere) ergänzende Stellungnahme des sachverständigen Prüfers einzuholen und/oder einen gerichtlichen Sachverständigen zu beauftragen. Danach kann keine Rede davon sein, dass die Verfahrensbeteiligten des Spruchverfahrens durch die – gesetzlich vorgesehene - Hinzuziehung des sachverständigen Prüfers „faktisch einem Sachverständigen ausgesetzt“ wären.

Überdies weist die sachverständige Prüferin zu Recht darauf hin, dass auch für sie der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit von Wirtschaftsprüfern nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO gilt. Zudem ist durch die Verweisung in §§ 293d, 327c Abs. 2 Satz 4 AktG auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen sichergestellt, dass es sich bei den bestellten Prüfern um unabhängige Prüfer handelt. Damit hat der Ge-setzgeber geeignete Maßnahmen für eine wirtschaftlich volle Entschädigung ergrif-fen. Gegenüber einer etwaigen schuldhaften Falschbewertung des Prüfers ist der Aktionär zudem durch Schadensersatzansprüche gemäß §§ 293d Abs. 2 AktG, 320 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 2 Satz 4, § 323 HGB geschützt (BGH, Urteil v. 18.09.2006 – II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2084 Rn. 29; Emmerich/Habersack aaO § 293d Rn. 9); bei schuldhafter – vorsätzlicher oder fahrlässiger – Pflichtverletzung haftet der Ver-tragsprüfer ihm, etwa wenn aufgrund eines Bewertungsfehlers Ausgleich und/oder Abfindung zu niedrig festgesetzt werden (Hüffer/Koch aaO § 293d Rn. 5; Altmeppen in: MünchKomm AktG, aaO § 293d Rn. 18; Veil in: Spindler/Stilz aaO § 293d Rn. 10). Für eine Analogie oder Ausdehnung der Befangenheitsregeln auf den sachverständigen Prüfer ist nach alledem kein Raum.

Die Ablehnungsgesuche waren daher schon unzulässig, die gegen ihre Zurückweisung gerichteten sofortigen Beschwerden sind demnach als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 SpruchG.

Unter Berücksichtigung des Verfahrensausgangs und des Rechtsgedankens des § 84 FamFG entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten der erfolglos eingelegten Rechtsmittel nach § 15 Abs. 1 SpruchG den beschwerdeführenden Antragstellern zu 35) bis 38) und zu 39) bis 42) aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.01.2018 – 12 W 45/17, ZIP 2018, 970 f. Rn. 24; zur Erfolglosigkeit einer seitens der Antragsgegnerin eingelegten Beschwerde Senat, Beschluss v. 21.01.2019 – I-26 W 20/18 (AktE) Rn. 15, juris). Anders als für das Ablehnungsverfahren (1. Instanz) fallen für die sofortige Beschwerde Gerichtskosten an (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 4 GNotKG, Ziffer 19116 KV GNotKG).

Anlass, der Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 2 SpruchG die außergerichtlichen Kos-ten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss v. 3.04.2017 – I-26 W 11/16 (AktE), ZIP 2017, 1210 f. Rn. 5; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.01.2018 aaO).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 17 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 5, 574 ZPO liegen nicht vor. Weder ist der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Be-schluss v. 2.05.2011 – 21 W 3/11, AG 2011, 828 ff.) ist eine abweichende Auffas-sung zur Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs gegen den sachverständigen Prüfer nicht zu entnehmen.

In seinem Beschluss vom 2.05.2011 hat das Oberlandesgericht Frankfurt - im Ein-klang mit der o.g. einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur – bezogen auf den dort zugrunde liegenden Bewertungsfall anlässlich eines Squeeze-out ent-schieden, dass es zur Überprüfung der der Unternehmensbewertung zugrunde ge-legten Ertragszahlen nicht zwingend der Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen bedarf; vielmehr sei die Angemessenheit der Barabfindung zunächst im Übertragungsbericht zu erläutern und sodann durch den nach § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG gerichtlich zu bestellenden sachverständigen Prüfer zu kontrollieren. Diese vom Gesetzgeber als Regelfall vorgegebene Vorgehensweise sei entgegen der Auffassung einiger Antragsteller des dortigen Verfahrens auch nicht sinnlos. Selbst wenn sich der sachverständige Prüfer in aller Regel im Spruchverfahren nicht selbst korrigieren werde, könne er plausible oder weniger überzeugende Antworten auf die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen geben. (Nur) im letzteren Fall bedürfe es dann der kosten- und zeitintensiven Heranziehung weiterer sachverständiger Hilfe (OLG Frankfurt, aaO Rn. 42).

Nach den weiteren Gründen des Beschlusses war das Landgericht zudem im konkreten Fall nicht gehindert, sich auf die Ausführungen des sachverständigen Prüfers zu stützen, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 18.09.2006, aaO Rn. 29) durch den Vorschlag der Antragsgegnerin die Unabhängigkeit der allein dem Gericht obliegenden Auswahl- bzw. Bestellungsentscheidung und damit zugleich die bestmögliche Gewähr für die Unabhängigkeit des Prüfers nicht tangiert wird (OLG Frankfurt aaO Rn. 43). In Anbetracht dessen musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt mit der - hier entschiedenen - Frage der Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs gegenüber dem sachverständigen Prüfer nicht befassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens über die Ablehnung beträgt grundsätzlich einen Bruchteil des Hauptsachewertes (vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2003 - II ZB 32/03 Rn. 6, juris). Der Senat schätzt diesen im Hinblick auf den ungewissen Verfahrensausgang auf den Mindestwert von 200.000 €, so dass der Wert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit 67.000 € (= 1/3) zu bemessen ist (Senat, Beschluss v. 21.01.2019 Rn. 17, aaO).

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

 

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