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Wirtschaftsrecht
30.09.2013
Wirtschaftsrecht
EuGH: Irreführender Charakter einer Geschäftspraxis hängt allein davon ab, dass Angaben unwahr bzw. zur Täuschung des Verbrauchers geeignet sind

Der EuGH hat mit Urteil vom 19.9.2013 - Rs. C-435/11 - wie folgt entschieden: Team4 Travel, ein auf die Vermittlung von Winterurlauben und Skikursen für britische Schülergruppen in Österreich spezialisiertes Reisebüro mit Sitz in Innsbruck (Österreich), gab in ihrer englischsprachigen Broschüre für die Wintersaison 2012 an, dass verschiedene Hotels zu bestimmten Terminen exklusiv über sie gebucht werden könnten. Tatsächlich hatten die betreffenden Hotels Team4 Travel eine solche Exklusivität vertraglich zugesichert.
Allerdings hielten sich die betreffenden Hotels nicht an diese Exklusivitätsvereinbarung und räumten CHS Tour Services, einem ebenfalls in Innsbruck ansässigen konkurrierenden Reisebüro, bestimmte Kontingente für dieselben Termine ein, was Team4 Travel zum Zeitpunkt der Verteilung ihrer Broschüren aber nicht wusste. CHS war der Ansicht, dass die in den Broschüren von Team4 Travel aufgestellte Exklusivitätsbehauptung gegen das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken verstoße. Mit Urteil vom 19.9.2013 – Rs. C-435/11 – hat der EuGH entschieden, dass im Fall einer Geschäftspraxis, die alle in der Richtlinienbestimmung, die speziell den Verbraucher irreführende Praktiken betrifft, ausdrücklich genannten Voraussetzungen erfüllt, nicht geprüft zu werden braucht, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne dieser Richtlinie widerspricht, um die Praxis als unlauter und mithin verboten ansehen zu können.
Nach der maßgebenden Bestimmung der Richtlinie hängt der irreführende Charakter einer Geschäftspraxis nämlich allein davon ab, dass sie unwahr ist, weil sie falsche Angaben enthält, oder dass sie ganz allgemein den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf u. a. die Art oder die wesentlichen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung zu täuschen geeignet ist und ihn dadurch voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ohne diese Praxis nicht getroffen hätte. Die Tatbestandsmerkmale einer irreführenden Geschäftspraxis sind daher im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert.
Liegen diese Merkmale vor, ist die Praxis als irreführend und mithin als unlauter und verboten anzusehen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die – in einer anderen, die allgemeine Definition unlauterer Praktiken enthaltenden Bestimmung der Richtlinie aufgestellte und der Sphäre des Unternehmers zuzurechnende – Voraussetzung eines Widerspruchs der Praxis zu den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt erfüllt ist.
Damit gewährleistet die Richtlinie im Fall irreführender Geschäftspraktiken ein hohes Verbraucherschutzniveau. Derartige Praktiken stellen, neben den aggressiven Geschäftspraktiken, die bei weitem am meisten verbreiteten unlauteren Geschäftspraktiken dar.
(PM EuGH vom 19.9.2013)

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