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Wirtschaftsrecht
20.09.2013
Wirtschaftsrecht
BMJ: Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet

Zur Verabschiedung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken am 21.9.2013 im Bundesrat erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:



Das Bundesjustizministerium bringt erstmals einen effektiven Abmahndeckel ins Gesetzblatt. Die Regelung zeigt jetzt schon ihre Wirkung in ersten Gerichtsentscheidungen. Das lange Ringen hat sich gelohnt, denn die Bundesregierung hat für die Verbraucher das erreicht, woran die große Koalition gescheitert war. Künftig kostet eine Abmahnung knapp 148 Euro - und nur in wenigen Ausnahmefällen mehr. Außerdem können Verbraucher künftig nicht mehr an einem beliebigen Gericht verklagt werden, sondern nur noch an ihrem Wohnsitz. Dieses vor allem durch das Internet entstandene Problem ist damit entschärft.


Verbraucher werden außerdem künftig gegen intransparente Inkassoforderungen geschützt. Auch die Höhe der Inkassoforderungen wird klar begrenzt auf den Betrag, den ein Rechtsanwalt in einem entsprechenden Fall fordern könnte. Durch eine Verzehnfachung der Bußgelder verschärfen wir die Sanktionen gegen die schwarzen Schafe der Branche.


Gegen unerlaubte Telefonwerbung wird es höhere Bußgelder geben. Außerdem können Gewinnspiele nicht mehr wirksam am Telefon verabredet werden. Damit macht das Bundesjustizministerium der Telefonabzocke einen Strich durch die Rechnung.



Zum Hintergrund:



Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken enthält ein ganzes Maßnahmenpaket zum Schutz der Verbraucher.



Urheberrecht



Abmahnungen - gebührenpflichtige Schreiben eines Rechtsanwalts - sind ein unter anderem im Urheber- und Wettbewerbsrecht etabliertes und legitimes Instrument. Es hilft, kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Es soll aber anwaltlichen Geschäftsmodellen Einhalt geboten werden, bei denen die massenhafte Abmahnung von Internetnutzern wegen Urheberrechtsverstößen zur Gewinnoptimierung betrieben wird und vorwiegend dazu dient, gegen den Rechtsverletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Es ist den Rechtsinhabern und der Legitimität der Durchsetzung ihrer Rechte abträglich, wenn durch solche Geschäftsmodelle das grundsätzlich auch in anderen Bereichen bewährte und effektive zivilrechtliche Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird, weil der eigentliche Abmahnzweck, nämlich die Beseitigung und die Unterlassung der Verletzungshandlung, in den Hintergrund rückt.


Eine 2008 eingeführte Begrenzung der Gebühren erfüllte nach den bisherigen Erfahrungen ihren Zweck nicht. Sie erzeugte Rechtsunsicherheit bei den Betroffenen, die oft das mit der Abmahnung vorgelegte „Vergleichsangebot" annahmen. Es vermehrten sich die Beschwerden über anwaltliche, komplett auf Textbausteinen basierende und ohne individuelle Überprüfung ausgesprochene „Massenabmahnungen" mit Forderungen von durchschnittlich 700 Euro. Nach den statistischen Erhebungen des Vereins gegen den Abmahnwahn e.V. im Jahr 2011 sind über 218 000 Abmahnungen mit einem Gesamtforderungsvolumen von über 165 Millionen Euro versandt worden bei einer durchschnittlichen Zählerquote von knapp 40 Prozent.



Daher wird im Urheberrechtsgesetz nunmehr zielgenau geregelt, dass die Erstattung der Anwaltskosten bei bestimmten Urheberrechtsstreitsachen mit klar bestimmbaren Tatbestandsmerkmalen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1000 Euro begrenzt wird. Für die erste Abmahnung bei privat handelnden Nutzern sind knapp 148 Euro (bei Zugrundelegung der Regelgebühr) zu erstatten. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann von  Wert abgewichen werden. Dazu bedarf es einer Darlegung, weshalb der Gegenstandswert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig wäre. Die Darlegungs- und Beweislast für diese besonderen Umstände trägt derjenige, der von diesem Wert abweichen möchte. Bei höheren Forderungen wäre dies der Abmahnende.



Zudem werden besondere inhaltliche Anforderungen für Abmahnungen festgelegt, die die Transparenz erhöhen sollen. Für den Empfänger der Abmahnung soll immer klar und eindeutig erkennbar sein, wessen Rechte er wodurch verletzt haben soll, wie sich geltend gemachte Zahlungsansprüche zusammensetzen und welche Zahlungen im Einzelnen von ihm verlangt werden. Er wird hierdurch besser in die Lage versetzt, zu erkennen, inwieweit die Abmahnung berechtigt ist, oder nicht.



Außerdem wird - ebenso wie für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen - durch Einführung eines Gegenanspruchs die Position des Abgemahnten gegenüber einem unberechtigt oder unwirksam Abmahnenden gestärkt.



Schließlich können Klagen gegen Verbraucher wegen Urheberrechtsverletzungen nicht mehr unbegrenzt am Handlungsort erhoben werden. Gerade bei Klagen wegen Rechtsverletzungen im Internet heißt das, dass sich der Kläger künftig nicht mehr das Gericht mit der für ihn günstigsten Rechtsprechung aussuchen kann. Der Verbraucher kann sich in Zukunft darauf verlassen, dass er wegen Urheberrechtsverletzungen an seinem Wohnsitz verklagt wird.



Inkasso



Von nun an sieht jeder Schuldner sofort, für wen das Inkassounternehmen arbeitet, worauf die geltend gemachte Forderung beruht und wie sich die Inkassokosten berechnen. Durch eine gesetzliche Regelung der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten der Inkassounternehmen werden Verbraucherinnen und Verbraucher davor geschützt, überzogene Inkassokosten zu zahlen. Derzeit gibt es keine klare Regelung, bis zu welcher Höhe Inkassokosten geltend gemacht werden können. Künftig sind Inkassokosten nur noch bis zu dem Betrag erstattungsfähig, den ein Rechtsanwalt für eine entsprechende Tätigkeit höchstens verlangen kann. Eine Verordnungsermächtigung ermöglicht, zusätzlich Höchstsätze für bestimmte Inkassotätigkeiten wie das erste Mahnschreiben oder das Mengeninkasso festzusetzen. Faire, am Umfang der Inkassotätigkeit orientierte Höchstsätze nehmen unseriösen Geschäftemachern den Anreiz.



Die Inkassobranche unterliegt künftig zudem einer effektiveren und strengeren Aufsicht. Schon heute benötigen Inkassounternehmen eine Registrierung. Damit unseriöse Unternehmen schneller vom Markt verschwinden, sollen die Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierung erweitert werden. Aufsichtsmaßnahmen unterhalb des Widerrufs der Registrierung, wie etwa die Möglichkeit, den Betrieb vorübergehend ganz oder teilweise zu untersagen, verbessern die Handlungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden. Betriebe ohne Registrierung können geschlossen werden. Neue Bußgeldtatbestände und die Anhebung des Höchstsatzes von 5.000 auf 50.000 Euro stärken die Sanktionsmöglichkeiten gegen unseriöse Unternehmen im In- und Ausland.



Telefonwerbung



Telefonwerbung kann künftig nicht nur mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn eine natürliche Person den Anruf tätigt. Für automatische Anrufmaschinen bestand bislang eine Gesetzeslücke, die nun geschlossen werden wird. Aufgrund einer Umfrage ist deutlich geworden, dass es bei Anrufen im Zusammenhang mit Gewinnspieldiensten besonders gravierende Probleme gab. Mit dem Gesetz sind Verträge über Gewinnspieldienste künftig allgemein nur wirksam, wenn sie in Textform abgeschlossen werden. Zudem wird die Bußgeldobergrenze bei dem bereits bestehenden Bußgeldtatbestand im Fall unerlaubter, ohne den Einsatz einer automatischen Anrufmaschine erfolgender Werbeanrufe deutlich erhöht.



Unlauterer Wettbewerb



Auch Missstände bei Abmahnungen im Wettbewerbsrecht werden begrenzt. Durch die im Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken enthaltenen Regelungen werden finanzielle Anreize für Abmahnungen deutlich verringert und die Position des Abgemahnten gegenüber einem missbräuchlich Abmahnenden gestärkt. Dadurch soll die Zahl der Abmahnungen abnehmen, die weniger im Interesse eines lauteren Wettbewerbs als zur Gebührenerzielung ausgesprochen werden.



Zudem wird die Bundesregierung auf Wunsch des Bundestages überprüfen, ob im Wettbewerbsrecht und in weiteren Rechtsgebieten ein Bedürfnis für eine weitergehende Abschaffung des sog. „fliegenden Gerichtsstands" besteht.


(PM BMJ vom 21.9.2013)

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