EuGH: Gerichtliche Überprüfung der Missbräuchlickeit einer Vertragsklausel
Der EuGH hat mit Urteil vom 20.9.2018 – C-51/17 – entschieden: 1. Der Begriff „Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er u. a. eine Vertragsklausel umfasst, die durch eine bindende nationale Rechtsvorschrift geändert worden ist, welche nach dem Abschluss eines Darlehensvertrags mit einem Verbraucher erlassen wurde und eine in diesem Vertrag enthaltene nichtige Klausel ersetzen soll.
2. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass der Anwendungsbereich dieser Richtlinie keine auf bindenden nationalen Rechtsvorschriften beruhenden Klauseln erfasst, die nach dem Abschluss eines Darlehensvertrags mit einem Verbraucher eingefügt worden sind und eine in diesem Vertrag enthaltene nichtige Klausel ersetzen sollen, wobei ein von der Nationalbank festgelegter Wechselkurs vorgeschrieben wird. Eine Klausel über das Wechselkursrisiko, wie die im Ausgangsverfahren streitige, ist jedoch nicht aufgrund dieser Bestimmung vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 ausgeschlossen.
3. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel die Finanzinstitute verpflichtet, den Darlehensnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um diese in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen. Dieses Erfordernis bedeutet, dass eine Klausel über das Wechselkursrisiko für den Verbraucher in formeller und grammatikalischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite in dem Sinne verständlich sein muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Abwertung der nationalen Währung gegenüber der Fremdwährung, in der der Kredit gewährt wurde, erkennen, sondern auch die – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann.
4. Art. 4 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass die Klarheit und Verständlichkeit von Vertragsklauseln unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrags zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden muss, ungeachtet des Umstands, dass der nationale Gesetzgeber einige dieser Klauseln zu einem späteren Zeitpunkt für missbräuchlich oder mutmaßlich missbräuchlich und deshalb für nichtig erklärt hat.
5. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass das nationale Gericht – anstelle des Verbrauchers in seiner Eigenschaft als Kläger – die Frage der möglichen Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen aufgreifen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.