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Wirtschaftsrecht
29.05.2013
Wirtschaftsrecht
EuGH: Etappensieg für das VW-Gesetz

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts in dem Zwangsgeldverfahren gegen Deutschland in Sachen VW-Gesetz (C-95/12) erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Der Generalanwalt hat sich der Rechtsauffassung der Bundesregierung angeschlossen. Dieser Etappensieg zeigt, dass es richtig ist, für unseren Standpunkt vor dem EuGH zu kämpfen. Das VW-Gesetz in seiner jetzigen Form sichert den Erfolg des Unternehmens Volkswagen mit ab. Ich bin zuversichtlich, dass die besseren Argumente am Ende auch die Richter des Europäischen Gerichtshofs überzeugen werden.

Zum Hintergrund

Das VW-Gesetz beinhaltet gesellschaftsrechtliche Regelungen für die Volkswagen AG. Mit dem Gesetz aus dem Jahr 1960 wurde die Privatisierung des aus dem VW-Werk hervorgegangen Unternehmens realisiert. Hierbei wurden zur Sicherung eines starken Einflusses der öffentlichen Hand und der Arbeitnehmervertreter Sonderregelungen gegenüber dem allgemeinen Gesellschaftsrecht zur Besetzung des Aufsichtsrates sowie zu Stimmerfordernissen in Aufsichtsrat und Hauptversammlung vorgesehen.

Zum Vorlauf der Zwangsgeldklage

Zwischen EU-Kommission und Bundesregierung bestehen seit mehreren Jahren unterschiedliche Auffassungen über das VW-Gesetz. Im Rahmen eines von der Kommission im Jahr 2001 gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens hat der EuGH im Oktober 2007 entschieden, dass ein Teil der Regelungen des VW-Gesetzes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 63 AEUV verstoßen (Rechtssache C-112/05). Das Urteil betraf folgende Vorschriften des VW-Gesetzes:

.               § 4 Abs. 1 (Entsenderecht der öffentlichen Hand): Vertretung des Landes Niedersachsen mit zwei Vertretern im Aufsichtsrat, unabhängig von der Höhe der Beteiligung 

                § 2 Abs. 1 (Stimmrechtsbeschränkung): Beschränkung des Stimmgewichts der Anteilseigner in der Hauptversammlung auf maximal 20 %, auch bei höherer Beteiligung

                § 4 Abs. 3 (erhöhte Sperrminorität): Wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung erfordern eine Zustimmung von 80 % + 1 Aktie, in Abweichung vom Aktiengesetz (75 %).

Der Gerichtshof sah in der Begrenzung der Stimmrechtsausübung auf 20% des Grundkapitals in Verbindung mit der Erhöhung der Mehrheit für Beschlüsse der Aktionärsversammlung auf 80 % und im Entsenderecht des Bundes und des Landes Niedersachsen für je zwei Aufsichtsratsmitglieder eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 63 AEUV (damals Artikel 56 EG). Die von der Kommission ebenfalls gerügte Verletzung der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 AEUV (damals Artikel 43 EG) wies der EuGH dagegen ab.

Infolge des EuGH-Urteils wurde das VW-Gesetz im Dezember 2008 geändert. Das Entsenderecht der öffentlichen Hand und  die Stimmrechtsbeschränkung wurden aufgehoben. Die erhöhte Sperrminorität blieb hingegen unverändert, da der Gerichtshof vor allem das Zusammenspiel von Stimmrechtsbeschränkung und Sperrminorität ("in Verbindung mit") für europarechtswidrig erklärt hatte.

Daneben beschloss die Hauptversammlung von VW in der Folgezeit die Einfügung einer dem § 4 Abs. 3 VW-Gesetz (erhöhte Sperrminorität) entsprechende Regelung in die Satzung von VW.

Die Bundesregierung ist der Ansicht ist, dass die vorgenommenen Gesetzesänderungen das Urteil des EuGH umsetzen. Diese Ansicht hat sich jetzt auch der Generalanwalt angeschlossen. Auf dieser Grundlage stellt sich die Frage möglicher finanzieller Sanktionen nicht.

(PM BMJ vom 29.5.2013)

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