BGH: Eröffnung des Anwendungsbereichs des KapMuG
Mit Beschluss vom 30.4.2019 - XI ZB 13/18 - hat der BGH entschieden:
a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG ist der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nur dann eröffnet, wenn die öffent-liche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung ver-wendet worden ist. Dafür muss sie dem Kapitalanleger so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben worden sein, dass ihr Inhalt noch rechtzeitig zur Kenntnis genommen werden konnte (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 X ARZ 573/15, WM 2016, 156 Rn. 14).
b) Der verfassungsrechtliche Grundsatz effektiven Rechtsschutzes erfordert eine Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, nach der eine Ausset-zung nur dann in Betracht kommt, wenn sich das Prozessgericht bereits die Überzeugung (§ 286 ZPO) gebildet hat, dass es auf dort statthaft gel-tend gemachte Feststellungsziele für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird. Das gilt auch dann, wenn hierzu eine Beweis-aufnahme durchzuführen ist (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 8. April 2014 XI ZB 40/11, WM 2014, 992 Rn. 24 und vom 2. Dezember 2014 XI ZB 17/13, WM 2015, 69 Rn. 14). Vor der Aussetzungsent-scheidung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG demgegenüber offenbleiben müssen nicht nur die im Musterverfahren statthaften Feststellungsziele, sondern auch solche Tatsachen oder Rechtsfragen, die nur auf diese bezogen geprüft werden können. Das Prozessgericht ist nicht gehalten, hierzu vor seiner Aussetzungsentscheidung hypothetische Erwägungen anzustellen.