BGH: Erneute Entscheidung zu Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat sich in zwei Verfahren - XI ZR 367/11 und XI ZR 368/11 - mit Urteilen vom 16.10.2012 wiederum mit Schadensersatzklagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. befasst. In zwei weiteren, ursprünglich ebenfalls auf den 16.10.2012 terminierten Verfahren betreffend den Erwerb von „Lehman-Zertifikaten" waren die Verhandlungstermine aufgehoben worden, weil die Anleger - jeweils nach Abschluss außergerichtlicher Vergleiche - ihre Revisionen zurückgenommen hatten (vgl. dazu PM 129/2012 und 162/2012). Insgesamt sind seit April 2011 in sieben „Lehman-Sachen" die Verhandlungstermine infolge Revisionsrücknahme aufgehoben worden.
Der XI. Zivilsenat hat im Verfahren XI ZR 367/11 auf die Revision der beklagten Bank das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil jedenfalls mit der gegebenen Begründung ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die beklagte Bank nicht bejaht werden kann. Das Berufungsgericht wird nunmehr den weiteren Pflichtverletzungen nachzugehen haben, die die Klägerin der Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Zertifikate vorwirft. Im Verfahren XI ZR 368/11 ist die Revision der Klägerin - die vom Berufungsgericht ohnehin nur beschränkt auf die Frage einer Aufklärungspflicht der Beklagten über ihre „Gewinnmarge" zugelassen worden war - zurückgewiesen worden. Mit beiden Revisionsentscheidungen hat der XI. Zivilsenat seine Rechtsprechung zu „Lehman-Zertifikaten" in den Urteilen vom 27.9.2011 (XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10; vgl. PM 145/2011) sowie vom 26.6.2012 (XI ZR 259/11, XI ZR 316/11, XI ZR 355/11 und XI ZR 356/11, vgl. PM 99/2012) bestätigt:
Bei einem Festpreisgeschäft muss die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären, dass der Zertifikaterwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt. Für den Fall, dass dem Zertifikaterwerb ein Kommissionsvertrag zwischen dem Anleger und der Bank zugrunde liegt, besteht jedenfalls keine Aufklärungspflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung. Eine solche Aufklärungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Rückvergütungen. Denn diese Grundsätze betreffen lediglich Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen, deren Rückfluss an die beratende Bank dem Kunden verheimlicht wird. In beiden hier zu entscheidenden Fällen wiesen die Wertpapierabrechnungen dagegen nur den an die Beklagte zu zahlenden Nominal- bzw. Kurswert der Zertifikate, aber keine von den Anlegern an die Emittentin zu entrichtenden und ohne Wissen der Anleger an die Bank zurückfließenden Posten aus.
(PM BGH vom 16.10.2012)
Vgl. zu den „Lehman-Entscheidungen" des BGH vom 26.6.2012 auch den Kommentar von Bausch/Kohlmann, BB 2012, 2651.