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Wirtschaftsrecht
03.02.2012
Wirtschaftsrecht
LG Heidelberg: Aufklärungspflicht der beratenden Bank über das allgemeine Emittentenrisiko

 Mit Urteil vom 17.1.2012 – 2 O144/11 – hat das LG Heidelberg entschieden: Über die generelle Abhängigkeit der Rückzahlung des empfohlenen Zertifikats von der Bonität der Emittentin bzw. Garantiegeberin (sog. allgemeines Emittentenrisiko) muss die beratende Bank auch dann aufklären, wenn dem Anleger zu einem früheren Zeitpunkt ohne Bezug zur konkreten Anlageberatung eine mehr als 150 Seiten umfassende Informationsbroschüre mit allgemeinen Hinweisen zu Wertpapieren(„ Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“) übergeben wurde. Denn es kann schon nicht unterstellt werden, dass ein durchschnittlicher Anleger und Bankkunde eine derart umfangreiche Broschüre vollständig durchliest. Erst recht kann nicht erwartet werden, dass ihm die in der Broschüre enthaltenen Informationen zu einer Vielzahl von komplexen Anlageprodukten in dem späteren Beratungsgespräch noch so präsent sind, dass er keinerweiterenAufklärung über die für die konkrete Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände und insbesondere über die Produktrisiken mehr bedarf. Die Pflicht der beratenden Bank zur Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko entfällt auch regelmäßig nicht, wenn ein Anleger bereits früher Zertifikate erworben hatte und ihm bei diesen früheren Zertifikatskäufen von der beratenden Bank schriftliche Produktinformationen übergeben wurden. Denn die Bank darf nicht ohne Weiteres unterstellen, dass der Anleger bei den vorausgegangenen Zertifikatskäufen richtig und vollständig aufgeklärt wurde und die ihm zur Verfügung gestellten schriftlichen Produktinformationen gelesen und verstanden hat. Insbesondere dann,wenn die frühere Beratung von einem anderen Berater oder Institut gemachtwurde,muss zudemin Rechnunggestellt werden, dass der Anleger falsch beraten wurde und aus diesem Grund – trotz der Übergabe eines richtig und vollständig informierenden Prospekts – eine falsche Vorstellung von den Produktrisiken und sonstigen für die Anlageentscheidung bedeutsamenUmständen hat. Bei einemkonservativen und sicherheitsorientierten Anleger, der über das allgemeine Emittentenrisiko nicht aufgeklärt wurde, kann regelmäßig nicht angenommenwerden, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Für ihn gilt daher die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dass er bereits früher Zertifikate erworben hatte, vermag diese Vermutung ebenso wenig zu entkräften wie die Tatsache, dass die Insolvenz einer Großbank vor der Lehman-Pleite für unwahrscheinlich gehalten wurde.

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