OLG München: Zur Vollmachtsvermutung des Urkundennotars
OLG München, Urteil vom 10.3.2015 – 31 Wx 60/15
Amtlicher Leitsatz
Die Beurkundung eines Verschmelzungsvertrages zwischen der Kommanditistin einer KG (hier: GmbH) und einer anderen Gesellschaft (hier: AG) begründet nicht die Vermutung einer Vollmacht des Urkundsnotars für die übrigen Gesellschafter der KG zur Anmeldung des Gesellschafterwechsels bei der KG.
FamFG § 378 Abs. 2 HGB §§ 108, 161 Abs. 2
Sachverhalt
I. Der Urkundsnotar hatte am 06.11.2014 die Verschmelzung der S. GmbH sowie einer weiteren Gesellschaft auf die S. AG beurkundet. Die S. GmbH war Kommanditistin der B. GmbH & Co. KG. Zu deren Registerblatt reichte der Notar am 29.01.2015 folgende Anmeldung ein:
„Aufgrund der Erklärungen in meiner Urkunde vom 06.11.2014 ... melde ich, der unterzeichnende Notar, hiermit gemäß § 378 Abs. 2 FamFG zur Eintragung in das Handelsregister an:
[Spalte 5]
c) Kommanditisten, Mitglieder:
Infolge Verschmelzung ausgeschieden als Kommanditist:
S. GmbH, ...
Hierfür im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20 UmwG eingetreten als Kommanditist:
S. AG, ...“
Mit Zwischenverfügung vom 09.02.2015 beanstandete das Registergericht, es fehlten die elektronischen Anmeldungen der persönlich haftenden Gesellschafterin sowie der beiden weiteren Kommanditisten in öffentlich beglaubigter Form. Eine Bevollmächtigung des Notars für die Anmeldung des Gesellschafterwechsels im Wege der Gesamtrechtsnachfolge werde nur für diejenigen angenommen, die am Verschmelzungsvertrag vom 06.11.2014 beteiligt gewesen seien, nämlich die Kommanditistin S. GmbH als übertragende Gesellschaft und die übernehmende Gesellschaft S. AG. Die persönlich haftende Gesellschafterin und die weiteren Kommanditisten seien an dem Verschmelzungsvertrag nicht beteiligt gewesen.
Mit der Beschwerde verweist der Notar darauf, die Vollmachtsvermutung nach § 378 Abs. 2 FamFG gelte für alle zur Anmeldung Verpflichteten, auch wenn diese an der zugrunde liegenden Beurkundung nicht beteiligt gewesen seien. Das ergebe sich aus den Entscheidungen des OLG Oldenburg vom 16.09.2011 und des OLG Karlsruhe vom 31.01.2011.
Aus den Gründen
II. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Nach §§ 161 Abs. 2, 108 HGB ist die Anmeldung von sämtlichen Gesellschaftern der B. GmbH & Co. KG zu bewirken. Die Vollmachtsvermutung für den Notar (§ 378 Abs. 2 FamFG) greift nur insoweit ein, als er im Namen der an seiner Urkunde beteiligten Gesellschaften Anmeldungen vornehmen kann. Dagegen begründet die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages zwischen der S. GmbH und der S. AG keine Vollmachtsvermutung zugunsten der weiteren Gesellschafter der B. GmbH & Co. KG, die an dem Verschmelzungsvertrag nicht beteiligt sind.
2. Aus den in der Beschwerde zitierten obergerichtlichen Entscheidungen ergibt sich nichts anderes. Beide haben für die Beurkundung von Satzungsänderungen bei einer GmbH - mithin Erklärungen der Gesellschafter - angenommen, dass der Notar nach § 378 Abs. 2 FamFG als ermächtigt gelte, auch für den an der Änderung des Gesellschaftsvertrags nicht beteiligten anmeldepflichtigen Geschäftsführer die Änderung des Gesellschaftsvertrags anzumelden. Denn der Wortlaut des § 378 Abs. 2 FamFG enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Notar nur dann als bevollmächtigt gelten solle, wenn er eine Beurkundung mit demjenigen Organ einer juristischen Person vorgenommen habe, das zur Anmeldung verpflichtet sei. Im allgemeinen könne vermutet werden, dass eine Gesellschaft, die einen Notar mit der Beurkundung oder Beglaubigung gesellschaftsrechtlicher Erklärungen betraue, diesem auch das Vertrauen entgegenbringen werde, dass für den - eher formalen - Akt der Anmeldung der Erklärungen zum Handelsregister erforderlich sei. Da Vertragspartner des Notars bei dem der Beurkundung zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag regelmäßig nicht deren einzelnen Organe - etwa die Gesellschafter oder die Geschäftsführer - sein werde, sondern die Gesellschaft selbst, sei es nicht gerechtfertigt, das Vertrauensverhältnis nur dann zu vermuten, wenn dasselbe Organ die Erklärung abgegeben habe, das auch zur Anmeldung verpflichtet sei. Bei Konflikten innerhalb der Gesellschaft könne der Geschäftsführer die Vollmachtsvermutung ohne weiteres durch einen entsprechenden Hinweis an das Registergericht beseitigen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2011, Rechtspfleger 2011, 382/383; OLG Oldenburg, 16.09.2011, FG Prax 2011, 311).
Diese Gesichtspunkte treffen zu, soweit hier der Notar mit seiner Eigenurkunde vom 29.01.2015 als Vertreter der am Verschmelzungsvertrag beteiligten Gesellschaften die Anmeldung vorgenommen hat. Sie stützen aber nicht seine Auffassung, er könne auch die übrigen Gesellschafter der B. GmbH & Co. KG vertreten. Gegenstand seiner Urkundstätigkeit war weder eine Erklärung der B. GmbH & Co. KG noch eine solche ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin oder der weiteren Kommanditisten. § 378 Abs. 2 FamFG bietet keine Grundlage dafür, die Vollmachtsvermutung auch auf solche Anmeldungen zu erstrecken, die in Folge des beurkundeten Vorgangs aufgrund gesetzlicher Vorschriften (hier: § 108 HGB) von Dritten abzugeben sind, die weder Gesellschafter noch Organ der an der Errichtung der Urkunde beteiligten Gesellschaften sind.