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Wirtschaftsrecht
15.02.2018
Wirtschaftsrecht
OLG München: Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters auf Antrag einer Partei

OLG München, Beschluss vom 31.1.2018 – 34 SchH 15/17

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-385-5

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters auf Antrag der betreibenden Partei setzt voraus, dass die andere Partei unter Mitteilung der Person des eigenen Schiedsrichters sowie des Lebenssachverhalts, der zum Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens gemacht werden soll, erfolglos zur Bestellung aufgefordert worden ist (Anschluss an BGH NJW 1960, 1296; KG MDR 2008, 284; OLG Naumburg SchiedsVZ 2010, 229).

ZPO § 1034 Abs. 1 S. 2, § 1035 Abs. 3 S. 3

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller, vormals Geschäftsführer der H. GmbH mit Sitz in G., schloss am 3.4.2003, handelnd in eigenem Namen sowie für die H. GmbH, mit den Antragsgegnern zu 2 und 3, diese handelnd jeweils nicht in eigenem Namen, sondern als Geschäftsführer für eine damals im Gründungsstadium befindliche und am 8.4.2003 im Handelsregister eingetragene H. GmbH mit Sitz in S., eine als „Kooperationsvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. Aus deren Präambel ergibt sich, dass der Antragsteller Inhaber von Rechten war, die die von ihm geführte H. GmbH verwertete. Des Weiteren geht aus der Präambel hervor, dass alleinige Gesellschafterin der Vertragspartnerin die I. GmbH war und die Antragsgegner zu 2 und 3 damals deren Geschäftsführer waren.

Der auf eine Laufzeit bis 31.3.2023 notariell geschlossene Vertrag, mit dem sich der Antragsteller unter anderem verpflichtete, seiner Vertragspartnerin diverse Gegenstände wie Zeichnungen, Pläne, Daten, Hard- und Software, Anlagen und Werkzeuge zur uneingeschränkten Nutzung zu überlassen (Ziff. I), und nach dem der Antragsteller von seiner Vertragspartnerin eine Provision zu beanspruchen hat (Ziff. II), enthält eine Klausel folgenden Inhalts:

VI. Schiedsgerichtsklausel

Die Vertragsparteien vereinbaren, dass sämtliche Rechtsstreitigkeiten anlässlich und auf Grund des vorliegenden Vertrages durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen. Als Schiedsgericht vereinbaren die Parteien, dass von jeder Vertragspartei 1 Patentanwalt aus einem Umkreis von 100 km um den Firmensitz der … GmbH, S., bestimmt wird. Diese benannten Patentanwälte haben, sofern sie sich zur Streitschlichtung bereit erklären einen weiteren Patentanwalt zu benennen, so dass das Schiedsgericht aus 3 Personen besteht. Die Vertragsparteien unterwerfen sich dem Schiedsspruch des Schiedsgerichtes. Die Kosten des Schiedsverfahrens trägt der unterliegende Teil.

Der ordentliche Gerichts Weg ist ausgeschlossen.

Mit nicht datiertem notariellem Erbvertrag wandte der Antragsteller im März/April 2003 diejenigen Gegenstände, die er gemäß Kooperationsvertrag seiner Vertragspartnerin zur Nutzung zu überlassen hatte, dieser als Vermächtnis zu. An der Vermächtnisanordnung wirkten die Antragsgegner zu 2 und 3 als Geschäftsführer der - inzwischen wohl im Handelsregister eingetragenen - H. GmbH mit Sitz in S. durch Annahme des Erbvertrags mit, um eine vertragsmäßige Bindungswirkung herbeizuführen.

Unter Vorlage dieser Verträge hat der Antragsteller am 25.8.2017 beim Oberlandesgericht Bamberg beantragt, für die drei Antragsgegner einen - gemeinsamen - Schiedsrichter zu bestellen. Er trägt vor, es sei zu „massiven Vertragsverletzungen“ „des Vertragspartners“ gekommen, weswegen er ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet habe; er habe nämlich mit drei im Text jeweils gleichlautenden Anwaltsschreiben je vom 19.6.2017 die Antragsgegner unter Fristsetzung auf den 6.7.2017 aufgefordert, einen Schiedsrichter zu bestellen. Die Vertragspartnerin selbst habe nicht angeschrieben werden können, weil „diese Firma“ vertragswidrig aus dem Handelsregister gelöscht worden sei. Die Antragsgegner seien der Aufforderung nicht nachgekommen; vielmehr habe „der Vertragspartner“, nämlich der Antragsgegner zu 2, per Mail vom 20.6.2017 mitgeteilt, dass kein Schiedsrichter bestellt werde.

Nach Abgabe des Verfahrens an das Oberlandesgericht München wurde der Antragsteller u.a. -neben weiterer Bedenken - darauf hingewiesen, dass:

am Bestehen einer Schiedsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern ernstliche Zweifel bestehen, weil die Antragsgegner nicht Vertragspartei der Kooperationsvereinbarung, sondern die (damalige) Gesellschafterin der Vertragspartei sowie die (damaligen) Geschäftsführer der Gesellschafterin seien;

eine wirksame Aufforderung zur Schiedsrichterbestellung nur dann vorliegt, wenn - woran es hier fehle - zugleich der Name des eigenen Schiedsrichters benannt werde und aus der Aufforderung der Streit, der durch Schiedsrichter entschieden werden soll, ersichtlich sei;

aus den vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben zudem das Verlangen nach Bestellung eines gemeinsamen Schiedsrichters hervorgehen müsse.

Hierzu hat der Antragsteller u. a. ausgeführt, der Kooperationsvertrag sei mit den drei Antragsgegnern geschlossen worden. Diese hätten sich verpflichtet, die „neue“ H. GmbH in S. zu gründen, was nach Vertragsabschluss auch erfolgt sei. Nach vertragswidriger Liquidation dieser Gesellschaft und Löschung ihrer Firma im Handelsregister im Jahr 2008 würden die Geschäfte vertragswidrig über die I. GmbH und eine weitere GmbH betrieben. Durch dieses Vorgehen seien ihm seine Rechte aus dem Kooperationsvertrag entzogen worden. Er könne deshalb von den drei Antragsgegnern als Gesamtschuldner Provisionszahlungen für die Jahre 2003 bis 2023 im Wert von 2.520.000 € beanspruchen. Vom Schiedsgericht seien der Gesamtbetrag des Schadensersatzes für die begangenen Vertragsverstöße zu ermitteln und eine Bewertung der Erfüllungsverweigerung vorzunehmen. Außerdem seien die Erbrechte zu klären, nachdem die im Erbvertrag bezeichnete Gesellschaft nicht mehr existiere.

Des Weiteren hat der Antragsteller gegenüber dem Senat einen Schiedsrichter benannt.

Aus den Gründen

II.

Dem Antrag kann nicht stattgegeben werden.

1. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den gestellten Antrag ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 3 und Abs. 5, § 1025 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295), da die Antragsgegner ihren Geschäfts- bzw. Wohnsitz (§§ 13, 12, 17 Abs. 1 ZPO) in Bayern haben und der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens noch nicht bestimmt ist.

2. Der Antrag kann keinen Erfolg haben, weil es an einer wirksamen vorgerichtlichen Aufforderung an die Antragsgegner zur Bestellung eines - gemeinsamen - Schiedsrichters für einen bestimmten Streit fehlt.

a) Da die Parteien - unabhängig von der Frage des Bestehens einer Schiedsvereinbarung -jedenfalls keine Bestimmungen zur Bildung des Schiedsgerichts getroffen haben, richten sich die Größe des etwaigen Schiedsgerichts und das Verfahren zu dessen Bildung nach den gesetzlichen Regelungen, § 1034 Abs. 1 Satz 2, § 1035 Abs. 3 ZPO.

Die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters setzt danach in jedem Fall voraus, dass die betreibende Partei die Gegenpartei vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wirksam zur Benennung eines Schiedsrichters aufgefordert hat. Daran fehlt es hier.

Erst mit fruchtlosem Ablauf der in § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO genannten Monatsfrist ab entsprechender Aufforderung verliert die zur Bestellung aufgeforderte Partei ihr Recht auf Schiedsrichterernennung und geht die Kompetenz zur Bestellung des Schiedsrichters von der säumigen Partei auf das staatliche Gericht über; dieses hat im Bestellungsverfahren nur eine „Ersatzzuständigkeit“ (BayObLGZ 2002, 17/19; Senat vom 14.10.2014, 34 SchH 7/10, juris; auch Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren 6. Aufl. Rn. 113 f.; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 864).

Das setzt nach herrschender und vom Senat geteilter Meinung die Mitteilung über die Person des eigenen Schiedsrichters und die hinreichende Bezeichnung der Rechtsstreitigkeit im Aufforderungsschreiben voraus (BGH NJW 1960, 1296/1297 a. E.; KG MDR 2008, 284/285; OLG Naumburg SchiedsVZ 2010, 229; Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. § 1035 Rn. 14; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 23. Aufl. § 1035 Rn. 13 f.; Wieczorek/Schütze ZPO 14. Aufl. § 1035 Rn. 45 f. und 48; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 76. Aufl. § 1035 Rn. 10; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 10 Rn. 18 und 20; teils abweichend Musielak/Voit ZPO 14. Aufl. § 1035 Rn. 9).

Die vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 19.6.2017 erfüllen diese Anforderungen nicht. Aus den drei Schreiben geht schon nicht hervor, dass die Bestellung eines gemeinsamen Schiedsrichters für mehrere Streitgenossen verlangt wird und wer die jeweils als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Personen sind, die sich wegen der Schiedsrichterbenennung miteinander ins Benehmen setzen müssten. Des Weiteren enthalten die Schreiben keine Mitteilung über die Person des eigenen Schiedsrichters. Schließlich wird der Streit, der dem Schiedsgericht zur Entscheidung unterbreitet werden soll und für den die Gegenseite einen Schiedsrichter benennen soll, nicht bezeichnet. Als Betreff ist lediglich angegeben: „Schiedsgerichtsverfahren gemäß Kooperationsvertrag“. Damit ist nicht einmal schlagwortartig der Lebenssachverhalt gekennzeichnet (vgl. Musielak/Voit § 1044 Rn. 2), der zum Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens gemacht werden soll.

b) Da es bereits an einem wirksamen Aufforderungsschreiben fehlt, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die im Kooperationsvertrag mit der mittlerweile liquidierten H. GmbH getroffene Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) auch die Antragsgegner (alle oder einzelne von ihnen) bindet. Auch auf die übrigen Bedenken gegen den Antrag braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertbestimmung beruht auf § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Mit einem Bruchteil (etwa 1/3 des Hauptsachebetrages von rund 2,5 Mio. €) ist im Regelfall, so auch hier, das wirtschaftliche Interesse an der Durchführung des Bestellungsverfahrens angemessen bewertet (MüKo/Münch ZPO 5. Aufl. § 1035 Rn. 64).

Diese Entscheidung kann mit Rechtsmitteln nicht angegriffen werden, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

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