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Wirtschaftsrecht
12.07.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: Anträge auf Eintragung von Namen als geschützte geografische Angaben: Die Kommission ist nicht an die vorherige Beurteilung seitens der nationalen Behörden gebunden

EuGH, Urteil vom 12. 7. 2023 – Rs. T-34/22; Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2023:386

PM Nr. 118/23 v. 12.7.2023: Sie verfügt bei der Prüfung, ob ein solcher Antrag die im Unionsrecht vorgesehenen Bedingungen für die Eintragung erfüllt, über ein eigenständiges Ermessen

Die Namen „Jambon sec de Corse“/„Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Lonzo de Corse“/„Lonzo de Corse – Lonzu“ und „Coppa de Corse“/„Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ wurden 2014 als geschützte Ursprungsbezeichnungen (g. U.) eingetragen.[1]

Im Jahr 2015 beantragte das Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses, ein Interessenverband korsischer Metzger, bei den französischen Behörden gemäß der Verordnung Nr. 1151/2012[2] die Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Ȋle de Beauté“ und „Coppa de l’Ȋle de Beauté“ als geschützte geografische Angaben (g. g. A.).

Im Jahr 2018 erließen diese Behörden Verordnungen zur Genehmigung der entsprechenden Produktspezifikationen, damit diese der Europäischen Kommission zur Genehmigung übermittelt werden konnten.

Der die Produktspezifikationen der g. U. „Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Lonzo de Corse – Lonzu“ und „Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ innehabende Verband klagte beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) auf Nichtigerklärung dieser Verordnungen. Er machte geltend, dass der Begriff „Île de Beauté“ den Begriff „Corse“ (Korsika) nachahme oder darauf anspiele und daher zu einer Verwechslung mit den bereits als g. U. eingetragenen Namen führe. Der Staatsrat wies die betreffenden Klagen u. a. mit der Begründung ab, dass die Verwendung unterschiedlicher Begriffe und der unterschiedliche Schutz durch eine g. U. einerseits und eine g. g. A. andererseits die Gefahr einer solchen Verwechslung ausschließen könnten.

Die Kommission lehnte die Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“ und „Coppa de l’Île de Beauté“ als g. g. A. jedoch mit dem Durchführungsbeschluss 2021/1879[3] ab. Sie hielt es u. a. für allgemein bekannt, dass es sich bei dem Namen „Île de Beauté“ um eine übliche Umschreibung handle, die in den Augen der französischen Verbraucherinnen und Verbraucher eindeutig Korsika bezeichne. Die beabsichtigten Namen verletzten daher den Schutz, den die betroffenen g. U. nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 genössen.[4] Damit entsprächen sie nicht den Voraussetzungen für die Eintragung, d. h. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012.[5]

Die Klage des Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses und einiger seiner Mitglieder gegen diesen Beschluss wird vom Gericht abgewiesen.

Obwohl der Gerichtshof wie auch das Gericht bereits Gelegenheit hatten, über den Umfang der Kontrolle von Eintragungsanträgen durch die Kommission zu entscheiden, ist das Gericht in dieser Rechtssache veranlasst, sich erstmals dazu zu äußern, ob ein Name eintragungsfähig ist, vor allem nachdem nationale Behörden und Gerichte befunden haben, dass normal informierte sowie angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher in Gegenwart der beantragten g. g. A. keinen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu den Erzeugnissen herstellten, die die bereits eingetragenen g. U. trügen. Darüber hinaus äußert sich das Gericht ebenfalls erstmals zur Möglichkeit für die Kommission, die Eintragung eines Namens auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 abzulehnen.

Würdigung durch das Gericht

Das Gericht weist den Klagegrund zurück, wonach die Kommission ihre Befugnisse überschritten und sich über die Rechtskraft von Urteilen hinweggesetzt haben soll.

Zur Zuständigkeit der Kommission stellt das Gericht erstens fest, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 eine taugliche Rechtsgrundlage für die Ablehnung der Eintragung eines Namens darstellen kann. Zwar bezieht sich Art. 7 Abs. 1 Buchst. a speziell auf die „Produktspezifikation“ für den Namen, der Gegenstand eines Schutzantrags ist. Für die Eintragungsfähigkeit nach dieser Bestimmung ist jedoch die Frage der Anspielung im Sinne des Art. 13 ein Kriterium. Die Kommission muss nämlich gemäß Art. 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 im Licht deren 58. Erwägungsgrundes nach eingehender Prüfung beurteilen, ob die dem Eintragungsantrag beigefügte Produktspezifikation die nach der Verordnung Nr. 1151/2012 erforderlichen Angaben enthält und diesen keine offensichtlichen Fehler anhaften.

Die Produktspezifikation, deren Ausarbeitung eine notwendige Stufe des Eintragungsverfahrens ist, muss u. a. den Namen enthalten, dessen Schutz beantragt wird, wie er „im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird“. Daraus folgt, dass die Kommission prüfen muss, ob diese Verwendung nicht den in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Schutz gegen Anspielung verletzt. Die Eintragung einer g. g. A. zuzulassen, obwohl diese auf eine bereits eingetragene g. U. anspielen würde, nähme nämlich dem in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b vorgesehenen Schutz die praktische Wirksamkeit, denn wäre der Name erst einmal als g. g. A. eingetragen, könnte die zuvor als g. U. eingetragene Bezeichnung ihm gegenüber nicht mehr den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schutz genießen.

Daher kann die Kommission nicht verpflichtet sein, die Eintragung eines Namens zu bewilligen, wenn sie dessen Verwendung im Handel für rechtswidrig hält.

Zweitens präzisiert das Gericht den Umfang der durch die Kommission vorzunehmenden Prüfung der Konformität von Namen mit den in der Verordnung Nr. 1151/2012 genannten Bedingungen.

Insoweit muss die Kommission[6] die Anträge auf geeignete Art und Weise prüfen, um sicherzustellen, dass keine offensichtlichen Fehler vorliegen und dass das Unionsrecht sowie die Interessen von Beteiligten außerhalb des Antragsmitgliedstaats berücksichtigt wurden.

Drittens stellt das Gericht klar, dass die Kommission nach Maßgabe dessen über ein unterschiedliches Ermessen verfügt, ob es sich um die erste Stufe des Verfahrens zur Eintragung eines Namens, d. h. diejenige der Zusammenstellung des Antragsdossiers, das die nationalen Behörden der Kommission gegebenenfalls übermitteln werden, handelt oder um die zweite Stufe dieses Verfahrens, d. h. ihre eigene Prüfung der Eintragungsanträge.

Während sich aus der Rechtsprechung[7] ergibt, dass die Kommission hinsichtlich der ersten dieser beiden Stufen nur „über ein eingeschränktes oder über gar kein“ Ermessen verfügt, kommt ihr ein eigenständiges Ermessen zu, wenn es um die Entscheidung geht, einen Namen in Anbetracht der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Eintragungsvoraussetzungen als g. U. oder g. g. A. einzutragen.

Zur Rüge einer Rechtskraftverletzung fügt das Gericht hinzu, dass die eigenständige Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen durch die Kommission nicht mit einer rechtskräftig gewordenen Entscheidung eines nationalen Gerichts, der zufolge für normal informierte sowie angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher keine Gefahr einer Anspielung zwischen den eingetragenen g. U. und den beantragten g. g. A. besteht, in Frage gestellt werden kann.



[1] Die Eintragungen erfolgten mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 581/2014 der Kommission vom 28. 5. 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Jambon sec de Corse/Jambon sec de Corse – Prisuttu [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 23), der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 580/2014 der Kommission vom 28. 5. 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Lonzo de Corse/Lonzo de Corse – Lonzu [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 21) bzw. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 582/2014 der Kommission vom 28. 5. 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Coppa de Corse/Coppa de Corse – Coppa di Corsica [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 25).

[2] VO (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 11. 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).

[3] Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1879 der Kommission vom 26. Oktober 2021 zur Ablehnung von drei Anträgen auf Schutz eines Namens als geografische Angabe gemäß Artikel 52 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates („Jambon sec de l’Île de Beauté“ [g. g. A.], „Lonzo de l’Île de Beauté“ [g. g. A.], „Coppa de l’Île de Beauté“ [g. g. A.]) (ABl. 2021, L 383, S. 1).

[4] Art. 13 („Schutz“) Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 bestimmt: „Eingetragene Namen werden geschützt gegen … jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird“.

[5] 5 Art. 7 („Produktspezifikation“) Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012 sieht vor: „Eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder eine geschützte geografische Angabe muss einer Produktspezifikation entsprechen, die mindestens folgende Angaben enthält: … den als Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe zu schützenden Namen wie er im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird …“.

[6] Nach dem 58. Erwägungsgrund und Art. 50 Abs. 1 der VO Nr. 1151/2012.

[7] Urteile vom 29. 1. 2020, GAEC Jeanningros (C-785/18, EU:C:2020:46), und vom 23. 4. 2018, CRM/Kommission (T-43/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:208).

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