Editorial
Der Gesetzgeber betritt Neuland. Denn das hat es noch nie gegeben: „Jeder“ darf sich an einem Gesetzgebungsprozess beteiligen. Mit dem Grünbuch vom 31.10.2014 stößt das BMWi eine „öffentliche Konsultation“ an, um zu einem standfesten „zukünftigen Marktdesign und Ordnungsrahmen für den Stromsektor“ zu kommen. Ermöglicht werden soll eine „fundierte politische Entscheidung“. Das heißt: Die direkte Befragung der interessierten Kreise stellt die erste Stufe eines Gesetzgebungsprozesses mit den Stadien Weißbuch, öffentliche Konsultation, Gesetzgebungsprozess dar. Worum es im Einzelnen geht, stellen Altrock/Lehnert im zweiten Teil des Editorials dar.
Auch bisher schon hatte uns der Gesetzgeber Nachdenklichkeit verordnet. Sie begann mit dem Erfahrungsbericht, der in § 12 EEG 2000 vorgeschrieben wurde. Frist: zwei Jahre. Ab dem EEG 2012 kam ein jährlich abzustimmender Monitoring-Bericht dazu, um die Erreichung der Ziele der Novelle darzustellen und sich den „Herausforderungen“ aus den Befunden zu stellen. Der Gesetzgeber stellt sich also der Aufgabe der permanenten Anpassung der EE-Regeln an den Prozess der Energiewende.
Aber nicht nur das Recht der EE, sondern auch das allgemeine Energierecht hat eine „Paragrafenexplosion“ durchlaufen. Deswegen stellt der Verfasser dieser Zeilen Überlegungen zur Reduzierung der Komplexität an und bittet – wie das Grünbuch – um Resonanz. Mal sehen
Die Problemlage kann man an dem sehr gelungenen Aufsatz von Vollprecht/Zündorf studieren: Das EEG 2014 und die Wunderwelt der Übergangsregelungen. „Wunderwelt“ wohl deswegen, weil man ständig neue Entdeckungen macht. Sie resümieren, „dass es für den Gesetzgeber eine kleine Herkulesaufgabe gewesen sein“ müsse, für alle bisherigen EEGs die richtigen Regeln über das Weitergelten zu finden. Das habe zu einem „Patchwork-EEG“ geführt. Sehr bedenkenswert das Fazit: Solch komplexe Gesetzeswerke sollten nicht durchgepeitscht werden. „Denn die Auswirkungen unklarer Regelungen können die wirtschaftliche Existenz eines Anlagenbetreibers gefährden.“ Die Grundrechte und die Verfassungsbeschwerde winken im Hintergrund…
Sehr studierenswert sind auch die Aufsätze von Wahlhäuser, Mitarbeiter der BNetzA, zur Netzplanung und der von Plenz/Meister/Doliwa/Obbelode zur Bildung von Netzentgelten in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Wahlhäuser stellt den Entwicklungsstand der Gesetzeswerke zur Planung der Übertragungsleitungen und deren Umsetzungsstand dar. Im Bericht wird auch die Auseinandersetzung zwischen der BNetzA – genau genommen dem Gesetzgeber – und dem Freistaat Bayern, der gesetzlich festgelegte Trassen im Nachhinein ändern will, adressiert. Die Probleme zeigen sich auch an dem „kurzen Beitrag“ – kurz, aber oho – des Autorenteams um Moritz Meister von der Leuphana Universität Lüneburg. Sie zeigen die sehr unterschiedliche Höhe der Netzentgelte in den deutschen Regionen. Sie sind in den neuen Ländern, insbesondere den küstennahen, am höchsten. Denn dort ist am meisten erneuerbarer Strom im Netz, der hohe Aufwendungen zum Ausbau der Verteilnetze erfordert. Ihr Abhilfevorschlag: Angleichung der Netzentgelte. Weitere Abhilfe: Abtransport der Stromüberschüsse im Norden nach Süden. Da sind freistaatliche Süppchen von Übel.
Bei den Entscheidungen steht wieder einmal an der Spitze ein Urteil des EuGH zum Verbraucherschutz. Die Darstellung der maßgeblichen Regeln nimmt zwei Drittel des Platzes in der Entscheidung ein. Ergebnis: Die Preisanpassungsregeln in den Grundversorgungsverordnungen sind unwirksam. Ohrfeige für den 8. ZS beim BGH. Es gibt ihn noch, den Verbraucherschutz. Aber er geht primär von Luxemburg aus.
Dr. Peter Becker
Die „große“ EEG-Novelle 2014 ist durch, eine kleine „Nachbesserungsänderung“ gegenwärtig auf dem Weg. Ob die Novellierung so grundlegend war, wie im politischen Raum der Eindruck vermittelt wurde, erscheint aber als fraglich. Jedenfalls hat sie für einzelne Gruppen, vor allem die Biogas-Branche, erhebliche Einschnitte für die zukünftige Geschäftsentwicklung gebracht. Und bei Betrachtung der aktuellen Zubauzahlen im PV-Bereich könnte sich nach dem Boom der vergangenen Jahre wieder stärker die Frage stellen, ob denn hier nicht eher eine Entschleunigung des Zubaus der erneuerbaren Energien angestrebt wurde – besonders im Hinblick auf die Behandlung der PV-Anlage im Kontext der EEG-Umlageerhebung für den Eigenverbrauch. Und in Umsetzung des nun eingeführten Ausschreibungsmodells zunächst im PV-Freiflächen-Segment, im Grundsatz wohl aber darüber hinaus – die zweite grundlegende Neuerung – wird sich der vorgeblich angestrebte Zubau von EE-Kapazität nur mit dann steigenden Förderkosten erreichen lassen.
Politisch steht aber nun zunächst ein ganz anderes Thema auf der Agenda ganz oben: Die zukünftige Gestaltung des Strommarktdesigns. Hierzu hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Oktober 2014 ein Grünbuch vorgelegt, mit dem Eckpunkte des zukünftigen Strommarktdesigns zur Konsultation gestellt werden. Mehr als ein Diskussionspapier ist es zwar bislang nicht. Denn wirkliche Entscheidungen werden erst durch das spätere Weißbuch und vor allem die konkreten Gesetzesänderungen getroffen, die frühestens für 2015 zu erwarten sind. Aber mit dem Grünbuch zeichnen sich doch bereits ab, in welche Richtungen das federführende BMWi zum Strommarkt denkt.
In der öffentlichen Diskussion wurde das Grünbuch vielfach auf die Frage eines Kapazitätsmarkts reduziert. Dazu enthält das Papier aber letztlich wenig Neuigkeiten. Es werden verschiedene Optionen dargestellt, ohne dass eine Festlegung für eine bestimmte Variante erfolgt. Das BMWi steht Kapazitätsmärkten bekanntermaßen kritisch gegenüber, wobei sich dabei die Umweltseite (keine Subventionen für fossile Kraftwerke) und die Wirtschaftsseite (keine Markteingriffe) einig sind. Diese kritische Haltung wird im Grünbuch aber nur indirekt deutlich. Stattdessen wird immer wieder der offene Diskussionsprozess für diese grundlegende Frage betont. Wie offen die Diskussion aber tatsächlich noch ist, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen.
Neben dem Kapazitätsmarkt-Thema enthält das Grünbuch aber auch eine Reihe weiterer wichtiger Vorschläge für die zukünftige Gestaltung des Energiemarkts. Aus Sicht der erneuerbaren Energien ist zunächst erfreulich, dass der im Verhältnis zu konventionellen Kraftwerken so wichtige Einspeisevorrang in keiner Weise in Frage gestellt wird. Stattdessen wird die Beibehaltung der vollen Entschädigung für Abregelungen bei Netzengpässen vorgeschla¬
Als weitere sog. „Sowieso-Maßnahmen“, also Maßnahmen unabhängig von der Kapazitätsmarktfrage, wird außerdem etwa vorgeschlagen, die Netzentgeltsystematik zu optimieren, staatlich veranlasste Preisbestandteile in der Ausgestaltung anzupassen und auch die Rolle der Eigenerzeugung sowie der – gerade für die Energieeffizienz so wichtigen – KWK zu hinterfragen. Alle Maßnahmen sollen dazu dienen, die Stromerzeugung weiter zu flexibilisieren. Daneben ist natürlich ist auch die europäische Kooperation wichtig. Dies gilt insbesondere für die leidige Frage des Emissionshandels, dessen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Flexibilisierung bislang zu vernachlässigen ist. Ob die im Grünbuch enthaltenen Vorschläge für eine Reform des Emissionshandels ausreichend und überhaupt durchsetzbar sind, ist aber fraglich.
Insgesamt lässt sich damit aus dem Grünbuch gut ablesen, welche Fragen in den nächsten Jahren die Änderungen des Energierechts prägen werden. Die Einleitung eines offenen Diskussionsprozesses dazu ist sicherlich zu begrüßen. Wichtig ist nun, dass die Diskussion auch tatsächlich geführt wird. Zu oft sind in dem mittlerweile schnelllebigen Energierecht nämlich Entscheidungen ohne eine ausreichende Diskussion im Vorfeld gefällt worden.
Dr. Martin Altrock / Dr. Wieland Lehnert