Editorial
Guido Wustlich, der am Gesetzgebungsverfahren zum EEG 2012 maßgeblich mitgewirkt hat, und Benedikt Müller haben die Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) im EEG 2012 für die ZNER beschrieben (ZNER 2011, 380 ff.): Es gibt zwei Wege, nämlich die Direktvermarktungen in die Marktprämie und in das Grünstromprivileg. Die Marktprämie soll den Unterschied zwischen dem erzielbaren Marktpreis und der festen Einspeisevergütung ausgleichen. Das Grünstromprivileg entlastet den Händler, indem die EEG-Umlage verringert wird. Der Reiz des Letzteren bestand in seiner „Schlichtheit“, es hatte aber einen sich verstärkenden konstruktiven Nachteil: Je mehr Händler das Privileg nutzten, desto höher stieg die EEG-Umlage für alle anderen Stromverbraucher; das System war dadurch „selbstzerstörerisch“. Deswegen wurde das Grünstromprivileg mit dem EEG 2014 abgeschafft. Die geförderte Direktvermarktung beschränkt sich seither auf die Marktprämie. Aber der Gesetzgeber hatte vielleicht ein schlechtes Gewissen: Mit der Verordnungsermächtigung des § 95 Nr. 6 EEG 2014 wurde vorgesehen, eine weitere Vermarktungsmöglichkeit einzuführen, bei der freilich gewährleistet sein müsse, dass „die Höhe der EEG-Umlage für andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen dadurch nicht steigt“.
Daraufhin haben die Firmen Clean Energy Ressourcing (Clens) gemeinsam mit Greenpeace Energy, EWS, MVV und Naturstrom ein „Grünstrommarktmodell (GMM)“ entwickelt. Damit sollte ein eigenes optionales gefördertes Vermarktungssystem neben der Direktvermarktung über die Marktprämie geschaffen werden. Die Endkunden sollten in einer direkten Lieferbeziehung zertifizierten Strom aus EE beziehen können, nachgewiesen durch entsprechende Herkunftsnachweise; auf Basis der Herkunftsnachweis-Durchführungsverordnung (HkNDV v. 15.10.2012).
Das BMWi holte drei Gutachten zu den energiewirtschaftlichen und energierechtlichen, insbesondere europarechtlichen, Fragen ein. Die ergaben zwar einerseits, dass keine gravierenden rechtlichen Einwände bestanden. Aber die Kosten-Nutzen-Analyse war negativ. Deswegen sprach sich Wirtschaftsminister Gabriel mit einem Brief an die Fraktionsspitzen vom 13. Oktober 2015 gegen ein solches Modell aus. Das Vorgehen kommentierte die ZNER (in Heft 1/2016) wie folgt: „Verkehrte Welt: Das Stromeinspeisungsgesetz und das EEG 2000 kamen aus dem Bundestag. Heute scheint es schon zu reichen, wenn Minister Gabriel dem Gesetzgeber mitteilt, wie er es gerne hätte. Den ‚Erzengel‘ Hermann Scheer gibt es eben leider nicht mehr.“
Daher widmet die ZNER der entstandenen Lage ein Schwerpunktheft. Der Nachfolger von Guido Wustlich im Wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift, Dr. Volker Hoppenbrock, beschreibt die zukünftige Vermarktung von Grünstrom: Das Grünstrommarktmodell und die geplante neue regionale Grünstromkennzeichnung. Daniel Hölder, einer der Autoren des GMM, und Stephan Braig fragen in ihrer „kritischen Analyse“ des Eckpunktpapiers zur regionalen Grünstromkennzeichnung (das die ZNER dokumentiert) „Mehr Transparenz oder teurer Etikettenschwindel?“. Und Wieland Lehnert und Fabian Sösemann, Spezialisten für das Thema, erhoffen sich von der Umsetzung einer regionalen Grünstromkennzeichnung einen Anschub bei regionalen Stromprodukten. Aber sie steuern auch Kritik bei.
Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag trotz der hohen Komplexität des Themas und der Ermahnung aus dem BMWi ein Modell findet, dass nicht nur mit dem Instrument Herkunftsnachweis arbeitet, sondern die direkte Beziehung Lieferant/Abnehmer fördert und für den Lieferanten Vermarktungsimpulse bereitstellt. Nach dem RefE EEG 2016 soll die VO-Ermächtigung des § 95 Nr. 6 erhalten bleiben.
Mittelbar zum Thema gehören auch die Aufsätze von Anna-Maria Grüner und Frank Sailer Das EEG als Instrument des Bundes zur räumlichen Steuerung der Erneuerbaren Energien und die Fortsetzung des Beitrags von Steffen Herz und Bettina Hennig aus Heft 1/2016 zu Ausgewählten Rechtsfragen dezentraler Energiekonzepte, hier mit dem Schwerpunkt der mobilen Energiespeicherung (Elektromobilität) – angesichts der gerade erst anspringenden staatlichen Förderung der Elektromobilität sehr spannend! Die ZNER dokumentiert zu diesem Thema das Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion: Elektromobilität voranbringen. Leider fehlt die Förderung eines Konzeptes, das der japanische Hersteller Mitsubishi seit 2009 umsetzt (in Japan), nämlich die Einsetzbarkeit der Batterie des E-Mobils für die nächtliche Hausversorgung. Die deutschen Hersteller glänzen bei diesem Thema durch Desinteresse.
Peter Becker