Schlimmer geht’s nimmer – die Novellierung der Tabakprodukt-Richtlinie
Vorab:
-
Tabakerzeugnisse sind legale Produkte – Rauchen ist erlaubt!
-
Die Gefahren sind unbestritten und bekannt!
-
Regelungen zur Reduzierung des Risikos, zur Vermeidung von Irreführung, zur Information über die Gefahren, zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Nichtrauchern sind vorhanden, ebenso umfassende Werbe- und Sponsoring-Verbote!
Ist damit alles geregelt? Weit gefehlt, denn jetzt geht es ums Ganze, um die Ächtung von Tabakerzeugnissen und -konsum, um eine rauchfreie Gesellschaft!
Wahrscheinlich wäre vielen Tabakgegnern ein Verbot dieses Teufelszeugs lieber; dies würde aber zu teuer (Entschädigung) und wäre nicht zielführend, (vgl. amerikanische Prohibition). Also geht man den subtileren Weg und vermiest den Konsum – und das mit Hilfe von EU-Gesetzgebung.
Gesetzgebung muss sich an übergeordnete, verfassungsrechtliche Regeln halten; insoweit gibt der Entwurf Anlass zu vielen Fragen, aber keine befriedigenden Antworten:
Ist die EU überhaupt zuständig? Geht es um Binnenmarkt oder um Gesundheitspolitik, für die sie keine Kompetenz hat? Wird der freie Warenverkehr gewährleistet, wenn die Mitgliedstaaten weitreichende Regelungskompetenzen behalten? Ist es mit dem Sinn des Binnenmarktes vereinbar, die Vermarktungsfähigkeit von Produkten zu erschweren? Betreffen die auf die Kommission delegierten Regelungsbefugnisse nicht doch „wesentliche“ Bereiche, die dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sind?
Massiv greift das Vorhaben in EU-Grundrechte ein: Eigentumsrecht, unternehmerische Freiheit, Meinungs- und Informationsfreiheit. Zwar räumen dies Kommission und Parlament in den Erwägungsgründen ein, aber dies ist die einzige Referenz an das Verfassungsrecht. Kann die prohibitive Intention wirklich rechtfertigen, legale Produkte unattraktiv zu machen, indem Zutaten verboten werden, die ein „charakteristisches Aroma“ erzielen; darf ihre Vermarktung durch kombinierte Warnhinweise und bildliche Horrordarstellungen behindert werden? Muss man hinnehmen, dass durch die Vorgaben zur Packungsaufmachung, die sich eindeutig in Richtung „plain packaging“ bewegen, der Marke kaum noch Beachtung verschafft werden kann? Warum müssen Unternehmen ihre internen Marktstudien den Behörden vorlegen?
Auch im europäischen Recht hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herausragende Bedeutung: Sind die vergraulenden Maßnahmen überhaupt geeignet, die
Der Richtlinienentwurf ist auch ein Musterbeispiel von Gesetzesperfektionismus; man lese den – kabarettistisch anmutenden – Vorschlag des Parlaments zum „Mundstückbelagpapier“ bei Filterzigaretten und die über Seiten reichende Regelung zur Rückverfolgbarkeit; wie soll man das befolgen, insbesondere KMU? In dieser Vorschrift zeigt sich auch ein tiefsitzendes Misstrauen des Parlaments, wenn die Technologie zur Rückverfolgung „… von Wirtschaftsteilnehmern eingesetzt werden muss, die in keiner Weise rechtlich oder geschäftlich mit der Tabakindustrie verbunden sind“.
Weitere Fragen grundsätzlicher Art stellen sich, wie nach dem Leitbild des ansonsten viel gepriesenen informierten, verständigen Verbrauchers. Ist es dem Bürger zumutbar, als offensichtlich unfähig angesehen zu werden, mit dem Rauchen und seinen Gefahren umzugehen? Sind hier nicht fast sozialistische Tendenzen der bevormundenden „Allfürsorge“ des Staates zu erkennen?
Ordnungspolitisch gibt dieser Entwurf ein verheerendes Signal, zumal die Tabakgesetzgebung Gutmenschen, die sich z.B. mit Lebensmitteln und Ernährung befassen, als Vorbild dienen könnte (und schon dient).
Fazit:
Das Vorhaben darf nicht verwirklicht werden; es ist im Übrigen nur als Zwischenschritt zu weiteren Verschärfungen angelegt.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Matthias Horst, Berlin