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ZLR 2020, 721
Sosnitza 

Das Lebensmittelrecht auf dem Weg zur Überregulierung?

Der 33. Deutsche Lebensmittelrechtstag 2020 war – abgesehen vom schnapszahligen Jubiläum – in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Pandemiebedingt wurde der Termin für den Deutschen Lebensmittelrechtstag zum ersten Mal von Ende März auf Mitte Oktober des Jahres verschoben. Zudem tagte der Deutsche Lebensmittelrechtstag zum ersten Mal nicht im Wiesbadener Kurhaus, sondern im gerade zuvor eingeweihten RheinMain CongressCenter, das vom Flair her leider nicht an das Kurhaus heranreicht. Die notwendigen, sicherheitsbedingten Vorsichtsmaßnahmen führten außerdem dazu, dass das persönliche Gespräch am Rande der wissenschaftlichen Vorträge deutlich zu kurz kam. Die große Mehrheit der Teilnehmer war sich allerdings einig, dass es wichtig war, dass die Veranstaltung überhaupt stattfand, und alle Teilnehmer sind in der Hoffnung auf eine Rückkehr der Veranstaltung in das altehrwürdige Kurhaus im Jahre 2021 vereint.

Trotz aller Widrigkeiten wurden unter dem Generalthema “Das Lebensmittelrecht auf dem Weg zur Überregulierung?” die aktuellen Strömungen und Entwicklungen des Lebensmittelrechts aufgegriffen. Im ersten Themenblock unter dem Titel “Kennzeichnung und Schutz im Übermaß?” stand vor allem der Nutri-Score im Zentrum. Hier wurde die Entwicklung zu einem eventuell rein europäischen Modell und dessen Implikationen diskutiert. Die aktuelle Diskussion um die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission für vegane und vegetarische Lebensmittel war ein weiterer zentraler Punkt dieses Themenblocks. Auch die nun inzwischen auf europäischer Ebene verabschiedete Regelung zur “Dual Quality” und deren Auswirkungen in den Mitgliedstaaten beschäftigte die Teilnehmer. Zudem wurde ein vertiefter Ausblick auf die Rolle des Anspielungsschutzes bei geografischen Herkunftsangaben zwischen “Champagner Sorbet” und “Culatello di Parma” gegeben. Im zweiten Themenblock “Kontrolle am Limit” wurde der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog für Lebensmittelrechtsverstöße vorgestellt und intensiv diskutiert. Hoch aktuell wurde auch das Pandemie-Management in Lebensmittelunternehmen beleuchtet. Abgerundet wurde der Themenblock dann durch die strafrechtliche Untersuchung des Bestimmtheitsgebots in Bezug auf Bußgeldtatbestände bei Hygieneverstößen, bevor das internationale Rückstandsrecht als Instrument des Verbraucherschutzes oder der Handelsbeschränkung diesen Themenblock beschränkte. Im dritten Komplex unter dem Schlagwort “Über- oder unterkomplexes Unionsrecht?” wurde zunächst den sich gegenüberstehenden Modellen von Kettenverantwortung und Stufenverantwortung, insbesondere vor dem Hintergrund von Art. 8 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, nachgegangen. Wichtige Impulse erhielten die Teilnehmer der Veranstaltung außerdem zu dem grundlegenden Thema der gegenseitigen Anerkennung vor dem Hintergrund der neuen Verordnung (EU) 2019/515. Abgerundet wurde das fachliche Programm durch ergänzende Vorträge zum unmittelbar be-ZLR 2020 S. 721 (722)vorstehenden Brexit sowie zu den rechtlichen Rahmenbedingungen im Lebensmittelrecht in China.

Wie gewohnt werden wir in diesem und in den folgenden Heften wieder die wichtigsten Beiträge des letzten deutschen Lebensmittelrechtstages veröffentlichen, um die aktuelle Diskussion nicht nur abzubilden, sondern auch weiter zu begleiten und zu fördern.

Prof. Dr. Olaf Sosnitza, Würzburg*

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Wissenschaftlicher Leiter des 33. Deutschen Lebensmittelrechtstags, Vorsitzender des Beirats der WGfL, Mitglied im Beirat der ZLR.

 
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