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ZHR 171 (2007), 599-612
Baums 

Zur Deregulierung des Depotstimmrechts

I. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband hat jüngst, unterstützt von anderen Verbänden,1 erneut2 einen Vorstoß zur „Deregulierung“ des Vollmachtstimmrechts der Kreditinstitute unternommen. Die Hoffnung der Verbände, dass dieser Vorschlag Eingang in das Eckpunktepapier der Bundesregierung zum geplanten „Risikobegrenzungsgesetz“ finden würde, hat sich allerdings nicht erfüllt.3 Da aber demnächst die Umsetzung der Aktionärsrichtlinie ansteht,4 die auch Vorgaben zur Stimmrechtsvertretung von Aktionären in der Hauptversammlung enthält, böte sich die vorgeschlagene Deregulierung des Depotstimmrechts vielleicht in diesem Zusammenhang an. Wie sieht dieser Vorschlag aus, und sollte er unterstützt werden?

In § 128 AktG soll die Vorschrift gestrichen werden, dass Kreditinstitute, die Stimmrechte ihrer Depotkunden ausüben wollen, diesen eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts unterbreiten müssen. Künftig soll es genügen, dass das Kreditinstitut die Vorschläge der Verwaltung an den Depotkunden weiterleitet und ihn bittet, Weisungen dazu zu erteilen, wie es die Stimm¬ZHR 171 (2007) S. 599 (600)rechte aus den Aktien des Kunden ausüben soll. Wenn der Kunde keine ausdrückliche Weisung erteilt, soll das Kreditinstitut künftig berechtigt und verpflichtet sein, das Stimmrecht entsprechend den Vorschlägen der Verwaltung (vgl. § 124 Abs. 3 AktG) auszuüben, sofern es sich beim Einholen der Stimmrechtsvollmacht eine solche entsprechende „generelle Weisung“ dieses Inhalts hat erteilen lassen (§ 135 Abs. 5 AktG i.d.F. des Vorschlags). Aus der Begründung des Vorschlags der Verbände ergibt sich, dass diese generelle Weisung sogar in den Geschäftsbedingungen für Wertpapiergeschäfte oder formularmäßig, mit der Dauervollmacht, erteilt werden können soll. Allerdings sieht der Vorschlag vor, dass das mandatierte Institut den Kunden jährlich und an hervorgehobener Stelle darauf hinweisen muss, dass er die generelle Weisung, im Sinne der Verwaltungsvorschläge abzustimmen, jederzeit widerrufen kann (§ 135 Abs. 5 S. 2 des Vorschlags). Die übrigen Änderungsvorschläge zu §§ 128, 135 AktG sind Folgeänderungen, die sich aus der angeregten Streichung der Vorschrift ergeben, dass die Depotinstitute ihren Kunden eigene Abstimmungsvorschläge zu unterbreiten haben.

Die Verbände begründen ihren Vorstoß damit, es müssten Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer stärkeren Präsenz der Aktionäre führten. Es bestehe die Gefahr von Zufallsmehrheiten. Insbesondere inländische Aktionäre seien häufig in den Hauptversammlungen nicht präsent. Ein entbürokratisiertes Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute werde hier förderlich wirken.

II. 1. Die Begründung überrascht. Die durchschnittlichen HV-Präsenzen der DAX-Werte für 2007 liegen höher, zum Teil erheblich höher als jeder entsprechende Wert seit 2000.5 Für die MDAX- und die SDAX-Werte gilt Entsprechendes. Nur die durchschnittliche Präsenz bei den TecDAX-Werten liegt für 2007 geringfügig unter den Werten für 2002, 2003 und 2006, aber über den Werten für 2004 und 2005.6 Richtig ist nur, dass die Präsenzen nach 1998 (durchschnittliche HV-Präsenz bei den DAX 30-Gesellschaften 1998: 60,95%7) zunächst deutlich gesunken (2005: 45,87%), seither aber wieder angestiegen sind (2007: 56,42%).8 Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren. Zum Sinken der Präsenzen nach 1998 mag beigetragen haben, dass gerade die Sparkassen und Volksbanken zunehmend die Übernahme von ZHR 171 (2007) S. 599 (601)Stimmrechtsvertretungen für ihre (in der Regel inländischen) Depotkunden eingestellt haben, und dass private Kleinanleger zunehmend Wertpapierkonten bei Direktbanken eingerichtet haben, die diese Dienstleistung nicht anbieten. Dies mag ferner mit einem weiteren Anstieg ausländischen institutionellen und privaten Anteilsbesitzes zusammenhängen, der sich besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt sieht, Stimmen auf deutschen Hauptversammlungen vertreten zu lassen.9 Der Anstieg der Präsenzen nach 2005 dürfte vor allem auf das Anfang November 2005 in Kraft getretene UMAG zurückzuführen sein,10 das die Hinterlegungserfordernisse in der Satzung der Gesellschaft als Teilnahmevoraussetzung abgeschafft hat (vgl. § 123 Abs. 2 AktG a.F.). Vielleicht erklärt sich dieser Anstieg der Präsenzen teilweise auch mit verstärkten Bemühungen der Gesellschaften um Verwaltungsvollmachten und mit dem zunehmend von in- und ausländischen institutionellen Investoren wahrgenommenen Angebot professioneller Stimmrechtsberater (ISS; ECGS; IVOX).11

2. Ähnlich spekulative Erwägungen müssen nun hinsichtlich der Frage angestellt werden, ob die vorgeschlagene Deregulierung der §§ 128, 135 AktG tatsächlich, wie von den Verbänden in Aussicht gestellt, zu einer nennenswerten Erhöhung der Präsenzen beitragen würde. Soweit ersichtlich, liegen keine empirischen Angaben dazu vor, welchen Prozentsatz der in Wertpapierdepots bei der Sparkassen- und der Volksbankengruppe gehaltene direkte (also nicht in Investmentfonds gehaltene12) Anteilsbesitz derzeit ausmacht. Leider haben auch die Verbände diese Zahlen bei den angeschlossenen Instituten wohl nicht erhoben, jedenfalls ist in der Begründung des Vorschlags hierüber keine Mitteilung enthalten. So lassen sich nur Mutmaßungen entwickeln: Der Gesamtanteil der privaten Haushalte betrug im Jahr 2003 (lediglich) 13,9% der an deutschen Börsen notierten Aktien.13 Darunter befinden sich auch private Großaktionäre, Gründerfamilien usw., deren Anteile typischerweise nicht in Depots bei Sparkassen, Volksbanken und auch nicht bei Direktbanken, sondern in den Depots bei den großen Privatbanken gehalten werden, die die ZHR 171 (2007) S. 599 (602)Stimmrechtsausübung bisher angeboten haben und weiter anbieten möchten. Herausgerechnet werden müssen aus den 13,9% ferner diejenigen von Privataktionären gehaltenen Namensaktien, für die das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute nicht greift (vgl. §§ 125 Abs. 2, 128 Abs. 2 S. 1 i.V. mit Abs. 1; Abs. 2 S. 2 AktG). Hinzu kommt, dass ungewiss ist, ob die Direktbanken, aber auch sämtliche Sparkassen und Volksbanken ihren Kunden die Stimmrechtsvertretung künftig, nach der vorgeschlagenen Deregulierung, anbieten würden. Und schließlich ist zu bedenken, dass ein schwer abschätzbarer Teil der Kleinanleger es vielleicht doch ablehnen würde, seiner Bank oder Sparkasse eine Stimmrechtsvollmacht mit der generellen Weisung zu erteilen, bis auf Weiteres jeweils entsprechend den Vorschlägen der Verwaltung abzustimmen. Bei realistischer Betrachtung wird man sich daher vom Vorschlag der Verbände wohl keine nennenswerte Steigerung der Präsenzen erhoffen dürfen.14

Hier ist nicht der Ort, insoweit, was die Steigerung der Präsenzen betrifft, alternative Vorschläge zu unterbreiten. Das vom Kabinett verabschiedete Eckpunktepapier15 hat die noch in einer voraufgehenden Fassung16 enthaltene Überlegung, es könne ein Präsenzbonus für die Teilnahme an Hauptversammlungen17 eingeführt werden, nicht übernommen. Wohl aber soll, so das Eckpunktepapier, den Verwaltungen der Aktiengesellschaften nach ausländischen Vorbildern18 künftig die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Namensaktien die wirtschaftlichen Eigentümer festzustellen. Das könnte dazu führen, dass die Gesellschaften zunehmend dazu übergehen, auf Namensaktien umzustellen, und sich künftig noch aktiver als bisher um die Einwerbung von Stimmrechtsvollmachten bemühen. Die Vorgaben der Aktionärsrichtlinie19 sowie die geplante ergänzende Empfehlung der EU-Kommission20 zielen gleichfalls darauf ab, Aktionären die Stimmrechtsausübung zu erleichtern. Insgesamt sind hier Entwicklungen in Gang gesetzt, die – was die Steigerung der Präsenzen betrifft – hoffentlich doch nennenswertere Effekte haben werden als der Vorschlag der Verbände.

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3. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich in Bezug auf das erklärte Ziel der Verbände, gerade die Präsenz inländischer Anleger bei Abstimmungen zu erhöhen, dass es sich insoweit nicht um einen wirklich zielführenden Vorschlag handeln dürfte. Der Vorschlag der Verbände reiht sich in die zahlreichen Erwägungen dazu ein, wie vornehmlich im Ausland angesiedelten aktiven Finanzinvestoren (Hedge Fonds; Private Equity Fonds) entgegengetreten werden sollte.21 Das ist auch der Gegenstand des geplanten Risikobegrenzungsgesetzes,22 in das nach der Vorstellung der Verbände ihr Vorschlag aufgenommen werden sollte. Abgesehen von der mutmaßlich geringen praktischen Bedeutung des Vorschlags als Abwehrmittel gegen aktive Finanzinvestoren ist er auch rechtspolitisch fragwürdig. Darauf ist im Folgenden (III.; IV.) einzugehen.

III. 1. Neben dem Ziel, die Hauptversammlungspräsenzen zu steigern, will der Vorschlag der Verbände auch zu einer Deregulierung und Entbürokratisierung beitragen. Die Kosten des zentralen Erarbeitens von Weisungsvorschlägen durch die Landesbanken beziffert die Sparkassengruppe mit € 375000,– jährlich, die Kosten der eigenen Schlüssigkeitsprüfung durch die jeweiligen depotführenden Institute23 schätzt sie auf zusammen mehr als € 32 Mio.24 Dieser Betrag mag übersetzt sein.25 Außer Zweifel steht aber, dass das Gebot, eigene Weisungsvorschläge auszuarbeiten bzw. Weisungsvorschläge zentral ausarbeiten zu lassen und vor ihrer Übernahme zu überprüfen, erhebliche Kosten verursacht, die weder von den Emittenten ersetzt werden noch von den Depotinstituten offen ausschließlich denjenigen Anlegern in Rechnung gestellt werden können, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen.26

Wenn über eine (De-)Regulierung nachgedacht wird, sollte der Aufwand mit dem erwarteten Nutzen verglichen werden. Der Gesetzgeber hat das Gebot an die Depotinstitute, eigene Vorschläge zu erarbeiten und den Verwaltungsvorschlägen gegenüberzustellen, damit begründet, dies solle es dem Aktionär erleichtern, sachgemäße Weisungen zu erteilen.27 Soweit ersichtlich, verfügen wir nicht über eine empirische Studie dazu, wie häufig Vorschläge von Depotinstituten von den Vorschlägen der Verwaltungen abweichen,28 so ZHR 171 (2007) S. 599 (604)dass keine verlässliche Aussage dazu getroffen werden kann, ob diese Regulierung tatsächlich den vom Gesetzgeber erhofften Effekt einer echten Alternative zu den Verwaltungsvorschlägen hat (eingeräumt sei, dass die meisten Verwaltungsvorschläge Routineangelegenheiten betreffen oder im Aktionärsinteresse liegen mögen und deshalb alternative Vorschläge ausscheiden; eingeräumt sei ferner, dass die Befürchtung einer breiten Opposition auch präventiv wirken mag, und dass Depotbanken gelegentlich im Vorfeld beratend einwirken). Fehlt es an empirischen Angaben, dann empfiehlt es sich, auf die Anreize zu achten, um zu Einschätzungen mutmaßlichen Verhaltens zu gelangen. Da die Dienstleistung „Stimmrechtsvertretung“ jedenfalls im Massengeschäft, außerhalb der individuellen Anlegerbetreuung, nicht offen und zusätzlich zur allgemeinen Depotgebühr in Rechnung gestellt und abgerechnet wird, sie aber auch nicht kostenlos zu erwarten ist, muss es entweder implizite Vergütungen durch hohe allgemeine Depotgebühren, also auch für den Depotkunden, der diese Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt, oder über das Finanzdienstleistungsgeschäft mit den Emittenten geben. Oder ein Depotinstitut wird, wo wettbewerblicher Druck auf die Depotgebühren besteht und implizite Vergütungen nicht gefordert werden können und nicht zu erwarten sind, versuchen, die Aufwendungen für die Aktionärsvertretung so niedrig wie möglich zu halten oder diese Dienstleistung gar nicht mehr anbieten29 – eine Konsequenz, die die Sparkassen und Volksbanken inzwischen denn auch folgerichtig gezogen haben. Das bedeutet aber, dass der Regulierungsansatz in § 128 AktG, Depotinstitute, die die Stimmrechte für Anleger ausüben wollen, zu eigenen Abstimmungsvorschlägen zu zwingen, fragwürdig erscheint. Solange das Problem der kostengerechten Vergütung für diese Dienstleistung nicht gelöst ist, das sich von den Depotinstituten selbst in einer offenen, transparenten Weise für das Massengeschäft mit Kleinanlegern mit Aussicht auf Erfolg nicht lösen lässt,30 sollten informierte, konsequent am Aktionärsinteresse orientierte Auseinandersetzungen mit den Vorschlägen der Verwaltung nicht erwartet werden.

Der Vorschlag der Verbände sieht daher – durchaus folgerichtig – vor, dass die Depotinstitute künftig auf das Ausarbeiten eigener Abstimmungsvorschläge verzichten dürfen sollten. Sie sollen sich zwar weiterhin zur Übernahme der Stimmrechtsvertretung erbieten können, dann aber grundsätzlich den Verwaltungsvorschlägen zustimmen dürfen und ihnen zustimmen müssen, wenn der Aktionär nicht ausdrücklich eine abweichende Weisung erteilt. Hierzu sollen sie, wie erwähnt, aufgrund einer jederzeit widerruflichen Dauervollmacht und einer formularmäßig erteilbaren „generellen“ Weisung berechtigt und verpflichtet sein. Das Depotinstitut handelt künftig nach diesem Vorschlag als „Vertreter mit gebundener Marschroute“, der mangels expliziter abweichender Einzelweisung den Vorschlägen der Verwaltung zu folgen hat.

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Geht man einmal davon aus, dass Einzelweisungen, von den Verwaltungsvorschlägen abzuweichen, nur in seltenen Einzelfällen erteilt werden,31 dann dürfte sich der Vorschlag der Verbände dahin auswirken, dass künftig in allen Fällen, in denen Depotinstitute die Stimmrechtsvertretung ohne eigene Abstimmungsvorschläge anbieten und der Aktionär eine Dauervollmacht mit formularmäßiger Generalweisung erteilt hat, die Verwaltungsvorschläge die entsprechenden Stimmen erhalten.

2. Der damit verbundene tatsächliche Zuwachs an Verwaltungsmacht dürfte sich zwar in Grenzen halten, zum einen wegen der bereits oben (II. 2.) angestellten Erwägungen zur tatsächlichen Bedeutung des von den Sparkassen und Volksbanken verwalteten Aktienbesitzes, zum anderen in Anbetracht dessen, dass die Depotinstitute bereits bisher die von ihnen vertretenen Stimmen ganz überwiegend im Sinne der Verwaltungsvorschläge ausgeübt haben. Gleichwohl ist der Vorschlag einer entsprechenden Dauervollmacht mit formularmäßiger Generalweisung rechtspolitisch problematisch und weicht von bisher allgemein anerkannten Grundsätzen der Stimmrechtsvertretung ab. Für den vom Gesetzgeber inzwischen anerkannten Fall der Bevollmächtigung eines von der Gesellschaft selbst benannten Stimmrechtsvertreters (§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG) entspricht es der ganz herrschenden Auffassung, dass hier nicht eine allgemeine Vollmacht oder Ermächtigung seitens des Aktionärs genügt, sondern dass in entsprechender Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG ein solcher Stimmrechtsvertreter das Stimmrecht aufgrund der Vollmacht nur ausüben darf, soweit der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat.32 Dementsprechend verfährt auch die Praxis.33 Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass der von der Gesellschaft, d.h. der Verwaltung, benannte Stimmrechtsvertreter der Verwaltung zu nahe stehen und deshalb von der Vollmacht einen nicht im Aktionärsinteresse, sondern eher im Verwaltungsinteresse liegenden Gebrauch machen könnte. Durch das Aufführen der Verwaltungsvorschläge zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung in dem hierfür erforderlichen Formular und die Notwendigkeit, sich für oder gegen den jeweiligen Vorschlag zu entscheiden oder aber zu einer Enthaltung anzuweisen, wird dem Aktionär nicht nur die unkomplizierte Möglichkeit geboten, die Vollmacht in dem von ihm gewünschten Sinne zu konkretisieren und den Bevollmächtigten entsprechend zu binden, sondern auch die Bedeutung der Vollmacht vor Augen geführt. Erteilt der Aktionär bewusst oder „rational apathisch“ keine Einzelweisung, dann darf von der Vollmacht kein Gebrauch gemacht werden, auch dann ZHR 171 (2007) S. 599 (606)nicht, wenn das Formular einen Hinweis enthält, dass mangels abweichender Weisung im Sinne der Verwaltungsvorschläge abgestimmt werde.

Diese Erwägungen müssten nun erst recht eingreifen, wenn ein Depotinstitut zwar nicht von der Verwaltung als Stimmrechtsvertreter benannt ist, sich jedoch dazu erbietet, ja, dazu verpflichtet, die Stimmen generell im Sinne der Verwaltungsvorschläge auszuüben, falls nicht eine besondere abweichende Weisung im Einzelfall erfolgt. Denn anders als im Fall eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters, der immerhin frei und unabhängig im Aktionärsinteresse entscheiden könnte (und müsste), wenn man auf das Erfordernis spezieller Weisungen verzichten und eine allgemeine Abstimmungsvollmacht genügen lassen wollte, erklärt das Depotinstitut im Modell der Verbände ja von vorneherein und explizit, dass es sich, wenn es die Dauervollmacht mit formularmäßiger Generalweisung erhält, unbesehen dem Vorschlag der Verwaltung anschließen wird, wenn ihm keine abweichende Weisung im Einzelfall erteilt wird. Will man folgerichtig verfahren, dann kann es daher nicht dabei bewenden, dass das Depotinstitut dem Aktionär die Verwaltungsvorschläge zu den einzelnen Tagesordnungspunkten unterbreitet mit der Bitte, Weisungen für, gegen oder im Sinne einer Enthaltung zu den einzelnen Punkten zu erteilen, um dann, wenn der Aktionär sich weder in dem einen oder anderen Sinne äußert, im Sinne der Verwaltungsvorschläge abzustimmen. Der Hinweis im Formular, dass das Depotinstitut entsprechend verfahren wird, mag zwar dazu führen, dass einzelne Aktionäre hiermit dann auch einverstanden sind und im Hinblick darauf entsprechende Weisungen und die Rücksendung des Formulars unterlassen. In vielen Fällen wird der „rational apathische“ Aktionär diesen Hinweis und vielleicht das ganze Weisungsformular aber nicht beachten. Sein Verhalten aufgrund der irgendwann erteilten Dauervollmacht mit einer womöglich in den allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckten34 generellen Weisung als Zustimmung zu den Verwaltungsvorschlägen zu werten verschafft diesen Vorschlägen nicht viel mehr als eine Scheinlegitimation. Eine technisch einfache und zugleich ehrliche Lösung wäre die, dem Aktionär die Weisungsvorschläge im Vollmachtsformular für das Depotinstitut zu übermitteln und ihn zu bitten, sich zu den Vorschlägen der Verwaltung mit „ja“, „nein“, „Enthaltung“ oder mit Gegenanträgen zu äußern, und dieses Formular zurückzufordern. Freilich hätte dies nicht den gewünschten Effekt einer Präsenzsteigerung auch um die Stimmen der „apathischen“ Aktionäre. Und es wäre auch in diesem Modell – wie im Vorschlag der Verbände – das weitere Petitum außer Acht gelassen, dass die Verwaltungsvorschläge im Licht der Interessen der Aktionäre evaluiert und dem Aktionär notfalls Alternativvorschläge unterbreitet werden sollten. Darauf ist im Folgenden einzugehen.

ZHR 171 (2007) S. 599 (607)

IV. 1. Unabhängige Informationsintermediäre, die die Verwaltungsvorschläge analysieren, bewerten und erforderlichenfalls Alternativen aufzeigen, sind nicht nur wegen des Informationsgefälles besonders zwischen Kleinanleger und Verwaltung bedeutsam, sondern auch wegen der damit verbundenen Synergieffekte, also der Kostenersparnisse, die sich ergeben, wenn diese Dienstleistung einzelnen professionellen Anbietern überlassen werden kann, statt dies jeden einzelnen Aktionär erledigen zu lassen. Im überkommenen deutschen System der Stimmrechtsvertretung ist diese Dienstleistung von den Depotinstituten erbracht worden. Ausländische institutionelle Investoren und jetzt auch die deutschen Kapitalanlagegesellschaften bedienen sich bankunabhängiger Stimmrechtsberater.35 Auch Aktionärsvereinigungen (DSW, SdK) bieten zunehmend diese Dienstleistung an.36 Wird, dem Vorschlag der Verbände folgend, künftig das professionelle Einwerben von Stimmrechtsvollmachten durch Depotinstitute von der Pflicht, eigene Stimmrechtsvorschläge zu entwickeln, abgekoppelt und stattdessen ausschließlich auf die Verwaltungsvorschläge verwiesen, dann entfällt damit nicht nur die – wie auch immer qualitativ zu bewertende – Analyse der Verwaltungsvorschläge seitens der Depotinstitute, sofern sie diese Dienstleistung nicht weiterhin freiwillig erbringen. Sondern es entfällt für den durchschnittlichen Privatanleger auch die einfache Möglichkeit, zwischen den Verwaltungsvorschlägen und den Vorschlägen seines Informationsintermediärs zu wählen. Erst recht steht diese Wahl nicht demjenigen Aktionär offen, der dem von der Verwaltung benannten Stimmrechtsvertreter Vollmacht erteilt; der bloße Hinweis in den Einberufungsunterlagen37 darauf, dass der Aktionär sich auch durch Aktionärsvereinigungen vertreten lassen kann (§ 125 Abs. 1 S. 2 AktG), ist gut gemeint, ersetzt aber die Aufnahme alternativer Vorschläge in das Vollmachts- oder Weisungsformular keineswegs.

Die Frage ist, ob diese Entwicklung, die sich im Fall der „Deregulierung“ des Depotstimmrechts im Sinne des Vorschlags der Verbände, aber vor allem auch dann ergeben wird, wenn künftig die Emittenten zunehmend unmittelbar mit ihren (Namens-)Aktionären in Kontakt treten38 und Verwaltungsstimmrechtsvollmachten einwerben, einfach hingenommen werden sollte, oder ob hier flankierende Maßnahmen geboten sind. Der Hinweis darauf, dass etwa im US-amerikanischen Recht das Management die Stimmrechtsvoll¬ZHR 171 (2007) S. 599 (608)machten sogar für sich selbst einwirbt („proxies“),39 ohne dass auf abweichende Vorschläge unabhängiger Informationsintermediäre hingewiesen werden müsse, verschlägt hier nicht, weil das Proxy-System nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit ganz anderen Managementkontrollinstrumenten bis hin zu „proxy contests“40 gesehen werden muss, die bisher im deutschen Recht fehlen. Dem Vorschlag der Verbände näher steht das schweizerische Recht. Dort folgt das Depotinstitut, wenn der Aktionär keine spezielle Weisung erteilt, den Anträgen der Verwaltung (Art. 689 d OR). Immerhin muss aber jedenfalls die Gesellschaft, wenn sie für ein Organmitglied oder eine andere abhängige Person Stimmrechtsvollmachten einwirbt, zugleich eine unabhängige Person bezeichnen, die von den Aktionären mit der Vertretung beauftragt werden kann (Art. 689 c OR).41

2. Die Regierungskommission Corporate Governance, die sich mit dem Vollmachtstimmrecht der Depotinstitute ausdrücklich nicht befasst hat,42 hat – vor allem im Hinblick auf die damals gerade einsetzende Praxis der Benennung von Stimmrechtsvertretern durch die Verwaltung – empfohlen, im Corporate Governance Kodex eine Pflicht der Gesellschaften vorzusehen, neben den Verwaltungsvorschlägen Abstimmungsvorschläge derjenigen professionellen Stimmrechtsvertreter in das Vollmachtsformular aufzunehmen, die auf der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt haben.43 Damit sollte der „Wettbewerb um Stimmrechte“ und eine Entwicklung hin zu von der Verwaltung unabhängigen Stimmrechtsvertretern unterstützt werden.44 Wird das Depotstimmrecht dereguliert, indem den Depotinstituten freigestellt wird, eigene Vorschläge auszuarbeiten, sie aber gleichwohl zur Stimmrechtsvertretung befugt bleiben, dann sollte die Verpflichtung, neben den Vorschlägen der Verwaltung auch die Vorschläge professioneller, unabhängiger Stimmrechtsberater in das Vollmachts-(Weisungs-)formular aufzunehmen, dem Vorschlag der Regierungskommission entsprechend auch auf sie erstreckt werden. Insofern, was diese Verpflichtung betrifft, bedarf es keiner darauf abzielenden gesetzlichen Regelung. Für die Einwerbung der „Verwaltungsvollmachten“ könnte dies, wie von der Regierungskommission vorge¬ZHR 171 (2007) S. 599 (609)schlagen, aber bislang nicht umgesetzt wurde, im Deutschen Corporate Governance Kodex festgelegt werden, und für die Depotinstitute, die sich um Stimmrechtsvollmachten bemühen, aber keine eigenen Vorschläge mehr ausarbeiten müssen und dies auch nicht wollen, in den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte.

Dem Vernehmen nach ist diese Empfehlung der damaligen Regierungskommission bislang deshalb nicht in den Corporate Governance Kodex aufgenommen worden, weil sich die Frage stelle, wie sich der Kreis derjenigen unabhängigen professionellen Stimmrechtsberater abgrenzen lasse, auf deren Vorschläge verwiesen werden solle. Insofern dürfte eine einfache Abgrenzung genügen, z.B. (neben dem Verweis auf die Verwaltungsvorschläge) ein Verweis auf die Vorschläge derjenigen zwei vom Emittenten unabhängigen Aktionärsvereinigungen oder Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten und auf der letzten Hauptversammlung die meisten Stimmen vertreten haben.45 Eine „Akkreditierung“ professioneller Stimmrechtsberater durch die BaFin, wie sie gelegentlich in diesem Zusammenhang befürwortet wurde, ist nicht zu befürworten; nach geltendem Recht kommt sie – als Geschäftserlaubnis – auch nicht in Betracht, da es sich bei der Ausarbeitung von Abstimmungsvorschlägen weder um ein Bankgeschäft noch um eine Finanzdienstleistung handeln dürfte.46

3. Zentrale Voraussetzung für das Funktionieren dieses Modells, das sowohl für die Stimmrechtsvollmachten der Depotinstitute wie für die Vollmachten der von der Verwaltung benannten Stimmrechtsvertreter gelten würde, ist freilich, dass solche unabhängigen Abstimmungsvorschläge, die dann neben den Verwaltungsvorschlägen in das Vollmachtsformular aufgenommen werden müssten, überhaupt zur Verfügung stehen. Derzeit sind die Abstimmungsvorschläge von SdK und DSW (noch) kostenlos zugänglich, während die professionell tätigen Stimmrechtsberater der institutionellen Anleger hierfür Gebühren fordern. Werden diese Abstimmungsvorschläge der Aktionärsvereinigungen auf Dauer frei zugänglich sein können, weil ihren Vorschlägen mit der Aufnahme in die Verwaltungs- und Depotvollmachtsformulare eine erhebliche Bedeutung zuwächst, für das die Mitglieder dieser Vereinigungen bereit sind zu zahlen? Oder sollte es sich dabei nur um kostenlose „Einführungsangebote“ der Aktionärsvereinigungen handeln, die aus anderen Bereichen quersubventioniert werden müssen, und deshalb irgendwann nur mehr ZHR 171 (2007) S. 599 (610)gegen eine Vergütung angeboten werden? Wie sollten Gesellschaften und Depotinstitute dann verfahren? Wären die Depotinstitute dann bereit, die Aktionärsvereinigungen für das Erarbeiten der Abstimmungsvorschläge zu vergüten? Oder muss dann doch auf den Vorschlag eines Präsenzbonus47 zurückgegriffen werden, der hierfür eingesetzt werden könnte? Vielleicht erwägen die Bankenverbände, die den Vorschlag zur Deregulierung des Depotstimmrechts vorgelegt haben, ja auch, ob sie selbst die Stimmrechtsberatung (Ausarbeiten von Weisungsvorschlägen) für ihre Mitgliedsinstitute übernehmen, die dann freilich von einer eigenen Prüfungspflicht freigestellt werden müssten, und ob sie die offenbar, nach den eigenen Angaben des DSGV, insgesamt nicht erheblichen Kosten für das Erarbeiten der Vorschläge48 auf die Mitgliedsinstitute umlegen. Diese Fragen sind an dieser Stelle nicht zu beantworten. Festzuhalten ist nur, dass der Vorschlag der Verbände hierzu nichts enthält.

V. 1. Der Gesetzgeber könnte sich jedenfalls auf Folgendes beschränken: Er könnte es grundsätzlich bei der bisherigen Regelung des § 128 Abs. 2 AktG belassen, den Depotinstituten jedoch gestatten, statt eigener Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts die einer Aktionärsvereinigung im Sinne der §§ 128 Abs. 5, 135 Abs. 9 AktG oder eines vom Emittenten unabhängigen Stimmrechtsberaters neben den Verwaltungsvorschlägen in das Vollmachtsformular aufzunehmen. Dabei müsste klargestellt werden, dass die Depotinstitute keine eigene teure Pflicht zur Prüfung dieser Vorschläge trifft. Es läge dann bei den Depotinstituten zu entscheiden, ob sie die Stimmrechtsvertretung gar nicht anbieten; ob sie die Vertretung ihrer Depotkunden mit eigenen, gegebenenfalls zentral erarbeiteten Abstimmungsvorschlägen anbieten; oder ob sie die Vertretung ihrer Depotkunden in der Form anbieten, dass sie außer auf die Vorschläge der Verwaltung auch auf die Abstimmungsvorschläge einer Aktionärsvereinigung oder eines unabhängigen Stimmrechtsberaters verweisen. Sind deren Vorschläge nur gegen eine Vergütung erhältlich, müssten die Depotinstitute (bzw. ihre Verbände) entscheiden, ob und zu welchem Preis sie hierzu bereit sind.

2. Europarechtlich bestehen, wie angefügt werden mag, gegen eine solche (De-)Regulierung des Verhältnisses zwischen Aktionär und dem Depotinstitut, das die Stimmrechte aus den Aktien seiner Depotkunden ausüben will, auch in Zukunft, im Licht der demnächst umzusetzenden Aktionärsrichtlinie,49 keine Bedenken. Übt das Depotinstitut Stimmrechte aus Aktien seiner Kunden nicht als im Aktienregister eingetragener, formell legitimierter Namensaktionär (vgl. §§ 67 Abs. 2, 135 Abs. 7 AktG), sondern kraft Vollmacht aus, ist nicht Art. 13 der Aktionärsrichtlinie, sondern ihr Art. 10 anzuwenden. Das Gebot des nationalen Gesetzgebers an einen Stimmrechtsvertreter (Depotinstitut), dem Kunden entweder eigene Weisungsvorschläge zu unterbrei¬ZHR 171 (2007) S. 599 (611)ten oder neben den Vorschlägen der Verwaltung auf die einer Aktionärsvereinigung oder eines unabhängigen Stimmrechtsberaters zu verweisen, stellt aber (im Sinne von Art. 10 Abs. 1 S. 3 der Richtlinie) keine „Einschränkung in Bezug auf die Person dar, die als Vertreter bestellt werden kann“; diese Regelung will nur generelle „Wählbarkeitsbeschränkungen“ ausschließen.50 Ferner ist eine solche Regelung auch nicht mit Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie unvereinbar. In dieser Vorschrift heißt es zwar, dass die Mitgliedstaaten die Ausübung der Rechte der Aktionäre durch Vertreter zu keinem anderen Zweck beschränken dürfen als zur Regelung möglicher Interessenkonflikte zwischen dem Vertreter und dem Aktionär, in dessen Interesse der Vertreter zu handeln hat; und die Pflicht, eigene Weisungsvorschläge auszuarbeiten bzw. auf Abstimmungsvorschläge Dritter zu verweisen, gehört nicht zur Regelung von Interessenkonflikten zwischen dem Vertreter und dem Aktionär. Hier ist aber zu beachten, dass Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie ausschließlich das (Außen-)Verhältnis zwischen Emittent und Aktionär betrifft. Die Vorschrift will nur in diesem Verhältnis „Beschränkungen der Ausübung der Rechte der Aktionäre durch Vertreter“ weitgehend ausschließen.51 Pflichten im (Innen-)Verhältnis zwischen Depotinstitut und Aktionär sowie Verstöße hiergegen schlagen aber nach deutschem Recht nicht auf die Ausübung der Rechte durch das bevollmächtigte Depotinstitut, auf das Außenverhältnis, durch (§§ 243 Abs. 3 Nr. 1, 135 Abs. 6 AktG); sie stellen keine „Beschränkung der Ausübung der Rechte der Aktionäre durch Vertreter“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Aktionärsrichtlinie dar.

VI. Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Dem Vorschlag der Verbände sollte in seiner gegenwärtigen Form nicht gefolgt werden. Er würde voraussichtlich nicht zu einer maßgeblichen Erhöhung der Präsenzen führen. Rechtspolitisch bedenklich erscheint, dass die Depotinstitute sich verpflichten, auf der Basis einer Dauervollmacht mit einer u.U. in den Geschäftsbedingungen versteckten generellen Weisung unbesehen den Verwaltungsvorschlägen zu folgen.

Überzeugend am Vorstoß der Verbände erscheint aber, dass künftig darauf verzichtet werden sollte, dass jedes Depotinstitut, das Stimmrechte von Aktionären vertreten will, entweder selbst Abstimmungsvorschläge erarbeiten oder die Vorschläge eines Zentralinstituts oder Stimmrechtsberaters kostenintensiv prüfen muss. Vielmehr sollte der Gesetzgeber den Depotinstituten ermöglichen, ohne eigene Prüfungspflicht im Vollmachtsformular neben den ZHR 171 (2007) S. 599 (612)Vorschlägen der Verwaltung auf die Abstimmungsvorschläge einer anerkannten Aktionärsvereinigung oder eines vom Emittenten unabhängigen Stimmrechtsberaters zu verweisen. Dies könnte den Wettbewerb um Aktionärsstimmen beleben und auch dazu beitragen, den Stimmen inländischer Privatanleger auf den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften wieder stärker Gehör zu verschaffen. Eine solche Vorgabe wäre mit der demnächst umzusetzenden Aktionärsrichtlinie der EU vereinbar.

Eine entsprechende Empfehlung, auf die Abstimmungsvorschläge einer anerkannten Aktionärsvereinigung oder eines unabhängigen Stimmrechtsberaters zu verweisen, sollte im Corporate Governance Kodex für Gesellschaften festgelegt werden, die den Aktionären einen Stimmrechtsvertreter benennen.

Theodor Baums

1

Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Deutsches Aktieninstitut (DAI): „Präsenzen in Hauptversammlungen durch entbürokratisiertes Depotstimmrecht stärken!“, Positionspapier vom 23. 7. 2007. – Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hat sich dem Vorschlag nicht angeschlossen.

2

Zum Positionspapier des DSGV vom 23. 2. 2006 bereits (ablehnend) Lenz, Die AG 2006, 572ff.; Seibert, „Gute Aktionäre – schlechte Aktionäre – „Aktive Finanzinvestoren“ und Stimmrecht“ (erscheint in einer demnächst veröffentlichten Festschrift); befürwortend dagegen Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 15f. und zum neuerlichen Vorschlag der Verbände auch Hemeling, Börsen-Zeitung v. 1. 8. 2007, S. 2.

3

Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Pressemitteilung „Eckpunkte eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken“, August 2007; vgl. dazu jetzt auch den Referentenentwurf des Risikobegrenzungsgesetzes vom 13. 9. 2007.

4

Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 7. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. Nr. L 184/17. Die Richtlinie ist bis zum 3. 8. 2009 umzusetzen. Allgemein zur Richtlinie aus der deutschen Literatur Noack, ZIP 2005, 325ff.; ders., NZG 2006, 321ff.; Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421ff.; J. Schmidt, BB 2006, 1641ff.; Wand/Tillmann, Die AG 2006, 443 ff.; zur Vereinbarkeit der Regulierung des Vollmachstimmrechts der Kreditinstitute mit den Vorgaben der Richtlinie unten Text zu Fn. 49, 50.

5

Durchschnittliche HV-Präsenz in den DAX-Werten in %: 2000: 52,04; 2001: 52,47; 2002: 50,91; 2003: 49,39; 2004: 45,44; 2005: 44,98; 2006: 49,43; 2007: 56,42. Quelle: SdK-Präsenzstatistik; SdK e.V./hv-info.do/GSC Research/Unternehmensseiten; für die Jahre 2004–2007 vgl. auch http://www.sdk.org/statistiken.php?action=down&statID=68&stat=HV-Pr%E4senzen. Eine Aufstellung der DSW weicht unerheblich von den Feststellungen der SdK ab (vgl. http://www.dsw-info.de/uploads/media/DSW_HV-Praesenz2007_02.pdf).

6

Quelle: SdK-Präsenzstatistik; vgl. vorige Fn.

7

Zum Vergleich: durchschnittliche HV-Präsenz der 24 größten Gesellschaften in mehrheitlichem Streubesitz im Jahr 1992: 58,05 % (Quelle: Baums/Fraune, Die AG 1995, 97, 102 Tab. 4).

8

Quelle: DSW-Präsenzstatistik; vgl. Fn. 5.

9

Vgl. hierzu zuletzt neben den in der Aktionärsrichtlinie (Fn. 4) vorgesehenen Maßnahmen die soeben abgeschlossene Anhörung der EU-Kommission zur Vorbereitung einer die Aktionärsrichtlinie ergänzenden Empfehlung u.a. zu den Pflichten von Intermediären zwischen Emittenten und Aktionären bei grenzüberschreitendem Anteilsbesitz (Drittes Konsultationsdokument „Fostering an Appropriate Regime for Shareholders’ Rights“ vom 30. 4. 2007, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/shareholders/consultation3_en.pdf).

10

Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage „Bürokratieabbau bei der Regulierung börsennotierter Unternehmen“, BT-Drs. 16/6136, S. 4.

11

Vgl. dazu Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88ff.; Juschus, Börsen-Zeitung v. 7. 2. 2007, S. 11.

12

Zur Stimmrechtsberatung und -vertretung der von Fondgesellschaften im BVI (Bundesverband Investment und Asset Management e.V.) gehaltenen deutschen Aktien Juschus (vorige Fn.).

13

Angaben nach Seibert (Fn. 2).

14

So überzeugend auch Seibert (Fn. 2), der den Effekt des Vorschlags sogar im Bereich von nur 1% ansetzt.

15

Vgl. Fn. 3.

16

Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Eckpunktepapier „Förderung von Wagniskapital – Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken“ v. 9. 5. 2007, S. 11.

17

Dazu aus der Literatur Noack, BB 42/2005, Die Erste Seite; Klühs, ZIP 2006, 107ff.; Vetter, Die AG 2006, 32 ff.; Dauner-Lieb, WM 2007, 9ff.; Seibert (Fn. 2), sub V.

18

Vgl. Art. L 228–2 franz. Code de Commerce; siehe auch Sec. 793 engl. Companies Act 2006; zur Satzungsgestaltung in der Schweiz Hemeling, Börsen-Zeitung v. 1. 8. 2007, S. 2. Vgl. dazu jetzt § 67 AktG i. d.F. des Referentenentwurfs eines Risikobegrenzungsgesetzes vom 13. 9. 2007.

19

Vgl. Fn. 4.

20

Vgl. Fn. 9.

21

Aus der Literatur dazu etwa Schneider, Die AG 2006, 577ff.; Seibert (Fn. 2).

22

Vgl. Fn. 3.

23

Dazu etwa MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl. 2004, Bd. 4, § 128 Rdn. 23.

24

Positionspapier des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zur Deregulierung des Depotstimmrechts v. 23. 2. 2006, S. 12.

25

Der Betrag erklärt sich daraus, dass die Anzahl der Sparkassen (460) einfach mit den Kosten einer Mitarbeiterstelle für ein ganzes Jahr in Höhe von € 70000 pro Mitarbeiter multipliziert wurde.

26

Eingehender zu den Gründen hierfür Baums, Die AG 1996, 11, 12f.

27

Entwurf eines AktG, BT-Drs. IV/171 S. 158, re. Sp.

28

Aufschlussreich ist allerdings, dass oppositionelle Anträge durchweg nicht die Zustimmung der Depotinstitute finden; dazu Tab. 18 bei Baums/Fraune, Die AG 1995, 95, 110.

29

Eingehende Analyse in diesem Sinne bei Baums, Die AG 1996, 11, 13.

30

Zu den Gründen siehe Baums, Die AG 1996, 11, 13 li. Sp.

31

Vgl. Baums/Fraune, Die AG 1995, 97, 110 Tab. 17. Allerdings handelt es sich um Zahlen von 1992; eine neuere Untersuchung wäre wünschenswert.

32

Nachweise hierzu bei Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 134 Rdn. 26 b.

33

Butzke in: Obermüller/Werner/Winden (Hrsg.), Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2001, Rdn. 67; Ludwig in: Happ (Hrsg.), Aktienrecht, 2. Aufl. 2004, S. 938ff.

34

Vgl. die Erläuterung zu § 135 Abs. 5 des Vorschlags im Positionspapier v. 23. 7. 2007 (Fn. 1).

35

Vgl. Fn. 11.

36

Zur SdK vgl. www.hv-info.de sub „Abstimmungsverhalten“. Die DSW veröffentlicht seit diesem Jahr ihre Abstimmungsvorschläge für die DAX-Gesellschaften; vgl. http://www.dsw-info.de/Abstimmungsverhalten-der-DSW.846.0.html. Lt. Auskunft der DSW ist geplant, dies im kommenden Jahr auf die anderen Indices auszudehnen.

37

Im Fall des von der Depotbank vertretenen Aktionärs außerdem auch in dem Ersuchen der Bank um eine Bevollmächtigung; § 135 Abs. 2 S. 5 i.V. mit § 125 Abs. 1 S. 2 AktG.

38

Vgl. zu dieser Entwicklung oben Text zu Fn. 18.

39

Darstellung etwa bei Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, 398f.

40

Eingehend dazu Thoma, Der Wettbewerb um Stimmen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht, 2005.

41

Eingehende Darstellung der Vorschriften bei Ruoff, Stimmrechtsvertretung, Stimmrechtsermächtigung und Proxy-System, 1999, S. 74ff.; vgl. auch die rechtsvergleichenden Übersichten bei Baums/Wymeersch (Hrsg.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, 1999; Becker, Die institutionelle Stimmrechtsvertretung der Aktionäre in Europa, 2001; Winkler, Das Stimmrecht der Aktionäre in der Europäischen Union, 2006.

42

Zu den Gründen Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rdn. 121.

43

Bericht (Fn. 42), Rdn. 123.

44

Bericht (Fn. 42), Rdn. 122 a. E.

45

Hier könnte man auch an andere Abgrenzungen denken, z.B. einfach Verweis auf die Vorschläge einer anerkannten unabhängigen Aktionärsvereinigung.

46

Zur Klarstellung: Bieten solche Stimmrechtsberater außerdem an, die Stimmen für andere aus deren Aktien auszuüben, handelt es sich um ein „Bankgeschäft“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KWG, vorausgesetzt allerdings, dass diese Tätigkeit gewerblich ausgeübt wird; vgl. Fülbier in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, 2. Aufl. 2004, § 1 Rdn. 68. Gemeinnützige Aktionärsvereinigungen werden nicht gewerblich tätig.

47

Dazu Nachweise oben Fn. 17.

48

Dazu Text zu Fn. 24.

49

Vgl. Fn. 4.

50

Wie sie sich etwa im französischen Recht finden; vgl. Art. L. 225-106 Abs. 1, 225-107-1 C.d.C (als Stimmrechtsvertreter sind wählbar nur Mitaktionäre, Ehegatten oder registrierte Intermediäre). Der englische Text der Richtlinie ist hier eindeutiger: „Member States shall abolish any legal rule which restricts, or allows companies to restrict, the eligibility of persons to be appointed as proxy holders.“

51

Auch hier ist der englische Text klarer als der deutsche: „… Member States shall not restrict or allow companies to restrict the exercize of shareholders rights through proxy holders. …“.

 
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