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ZHR 166 (2002), 271-277
Ulmer 

Paritätische Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat von Großunternehmen – noch zeitgemäß?

I. 1. Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 erlebte im letzten Jahr sein 25jähriges Bestehen. Von besonderen Jubiläumsfeiern seitens der beteiligten Kreise war zwar nicht die Rede. Der Anlass wurde von ihnen jedoch auch nicht dazu benutzt, auf Fehlentwicklungen oder Gefahren hinzuweisen, die von der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ausgehen und sich negativ auf den Unternehmenserfolg auswirken könnten. Die seit dem Mitbest-Urteil des BVerfG vom 1. 3. 19791 eingetretene „Ruhe an der Front“ schien nicht gefährdet; Kritik an Einzelpunkten, darunter die übermäßige Größe des Aufsichtsrats oder die Komplexität und der erhebliche finanzielle Aufwand des Wahlverfahrens auf Arbeitnehmerseite, waren nicht geeignet, den Eindruck grundsätzlichen Konsenses der Sozialpartner in Frage zu stellen.

Auf dieser Linie lagen auch die Feststellungen der „Kommission Mitbestimmung“, einer im Jahr 1996 gemeinsam von Bertelsmann Stiftung und Hans-Böckler-Stiftung berufenen, mit hochrangigen Repräsentanten beider Seiten besetzten Expertenkommission. Sie stellte der Konsensförderung und Integrationskraft der unternehmerischen Mitbestimmung ein insgesamt gutes Zeugnis aus, sah in ihr einen potentiellen deutschen Standortvorteil und beschränkte ihre Empfehlungen auf systemimmanente Fortentwicklungen wie die Öffnung der Arbeitnehmerbank bei international tätigen deutschen Unternehmen für Vertreter ausländischer Arbeitnehmer oder die Förderung von Dialog und Beratungsfunktion des Aufsichtsrats durch dessen verstärkte Information bei voller Wahrung der Vertraulichkeit.2

Dieser insgesamt positiven Außendarstellung entspricht auch die Zurückhaltung der Rechtspolitik im Unternehmensrecht der letzten Jahre zu Mitbestimmungsfragen. So verzichtete das zur Verbesserung von Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich bestimmte KonTraG von 1998 auf jegliche Korrektur beim Mitbestimmungsrecht, und auch die im Jahr 2000 berufene „Regierungskommission Corporate Governance“ meldete in ihrem (von ZHR 166 (2002) S. 271 (272)der Bundesregierung uneingeschränkt als rechtspolitisches Programm übernommenen) Bericht Änderungsbedarf nur in wenigen Randfragen an.3 Erwähnung im Rahmen dieser „Positivliste“ verdient schließlich auch der Umstand, dass es auf europäischer Ebene, unbeschadet der Sonderrolle der deutschen Mitbestimmung, nach jahrzehntelanger Diskussion gelang, sich auf die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als EU-einheitliche supranationale Rechtsform grenzüberschreitend tätiger Unternehmen zu einigen.4

2. Blickt man freilich genauer hin, so relativiert sich der scheinbar durchweg positive Grundeindruck der „veröffentlichten Meinung“ nicht unerheblich.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Arbeitnehmermitbestimmung in den letzten Jahren zunehmend zum rechtspolitischen Tabuthema geworden ist. So war der Kommission Mitbestimmung als Untersuchungsziel aufgegeben, eine „für alle Mitglieder akzeptable Analyse und Bestandsaufnahme der Probleme und Entwicklungstendenzen der Mitbestimmung“ zu erarbeiten; diese selbst sollte als „fester Bestandteil der institutionellen Ausstattung von Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik“ den – offenbar nicht zu hinterfragenden – Ausgangspunkt der Untersuchung bilden.5 Die in den ersten Entwürfen des KonTraG vorgesehene Reduzierung der Größe mitbestimmter Aufsichtsräte von bis zu 20 auf durchweg zwölf Sitze, die von den angehörten Sachverständigen einhellig befürwortet worden war, fiel der konsensbedingten Streichung im Regierungsentwurf zum Opfer.6 Auch die Enthaltsamkeit der Regierungskommission Corporate Governance zum Thema Mitbestimmung erklärt sich wohl nicht aus fehlendem Reformbedarf, sondern aus der dahingehenden Einschränkung des ihr vom Bundeskanzler erteilten Prüfungsauftrags.7 Und was schließlich die Einigung auf den von britischer Seite vorgeschlagenen Mitbestimmungskompromiss im Rahmen der SE-Verordnung angeht, so trägt sie – aus deutscher Sicht – deutliche Anzeichen eines Pyrrhus-Sieges: Sie wird es deutschen Unternehmen voraussichtlich erschweren, sich mit Partnern aus anderen EU-Staaten zu SE-Gründungen zusammenzuschließen.8

3. Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnend, erneut9 der Frage nachzugehen, ob die unternehmerische Mitbestimmung deutscher Prägung, die ihren ZHR 166 (2002) S. 271 (273)Ursprung bekanntlich zwei verlorenen Weltkriegen und deren wirtschaftlichen Folgen verdankt,10 zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch zeitgemäß ist oder ob sie sich zunehmend als Nachteil für die deutsche Unternehmensverfassung erweist. Vor dem Hintergrund der bekannten Globalisierung der Wirtschaft und der davon ausgehenden Tendenzen zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen soll die Frage im Folgenden auf zwei zentrale Aspekte konzentriert werden: die grenzüberschreitenden, zur Gründung ausländischer Tochtergesellschaften und zur internationalen Konzentration oder Fusion führenden Unternehmensaktivitäten (unter II) und die Sicherstellung effizienter Corporate Governance (unter III).

Aus der Betrachtung ausgeklammert bleiben demgegenüber die positiven und negativen Folgen der unternehmerischen Mitbestimmung für solche zentralen wirtschaftlichen Daten wie Konsensbildung im Unternehmen, Strukturanpassung, Beschäftigungslage, Wachstum und Ertragsaussichten. Das rechtfertigt sich schon deshalb, weil insoweit monokausale Zusammenhänge mit der Mitbestimmung nicht nachweisbar sind. Auch lassen die in der Realität zu beobachtenden, für die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich überwiegend negativen Wachstumstendenzen der letzten Jahre nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf entsprechend nachteilige Auswirkungen der unternehmerischen Mitbestimmung zu. Das war – ungeachtet der Vorbehalte gegenüber der vorfixierten Zielsetzung ihrer Untersuchungen – auch der zutreffende Befund der Kommission Mitbestimmung. Zustimmung verdient die Kommission auch mit ihrem Hinweis auf die engen Zusammenhänge zwischen betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung und auf die zunehmende „Verbetrieblichung“ der letzteren.11 Sieht man, wofür vieles spricht, in der Förderung der Konsensbildung zwischen den Sozialpartnern durch dafür geeignete rechtliche Vorgaben ein wichtiges und erhaltenswertes Element deutscher Unternehmenskultur, so würde dieser Aspekt angesichts des schon bisher weitreichenden Anwendungsbereichs der Betriebsverfassung und ihres kürzlichen weiteren Ausbaus doch nicht ernsthaft dadurch in Gefahr geraten, dass die Mitbestimmung auf Unternehmensebene eingeschränkt und der Aufsichtsrat wieder verstärkt auf seine ursprünglichen Aufgaben der strategischen Mitsprache bei der Unternehmensleitung und deren Kontrolle verwiesen wird.

Ein Rückfall in längst überholte Zeiten eines Manchester-Kapitalismus wäre m.a.W. auch dann nicht zu befürchten, wenn es künftig zu Einschränkungen bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat kommen sollte.

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II. Im Blick auf die Auswirkungen der Globalisierung auf nationale Sonderwege nach Art der Arbeitnehmermitbestimmung sind zwei Aspekte zu unterscheiden: einerseits die internationale Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen, sowohl mit ihrem Angebot an Produkten oder Dienstleistungen als auch im Wettbewerb um neues Kapital, und andererseits ihre Bewegungsfreiheit im Standortwettbewerb sowie beim Eingehen internationaler Allianzen und Fusionen. Aus den unter I 3 genannten Gründen soll hier der zweite Aspekt im Mittelpunkt stehen. Insoweit sind nachteilige Auswirkungen der deutschen Mitbestimmung unverkennbar. Sie beruhen im wesentlichen auf den beiden folgenden Ursachen.

1. Die deutsche Mitbestimmung ist wegen der territorial begrenzten Regelungskompetenz des Gesetzgebers bekanntlich auf inländische Unternehmen und deren Belegschaften beschränkt. Zwar wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, für die Zusammensetzung der Arbeitnehmerbank auch die Berücksichtigung im Ausland tätiger Mitarbeiter von Unternehmen oder Konzernen mit Sitz im Inland zuzulassen. Jedoch würde bereits die Regelung des Verfahrens für die bei den ausländischen Belegschaften durchzuführenden Wahlen auf erhebliche Probleme aus der Sicht des Territorialitätsprinzips stoßen. Schlechthin ausgeschlossen wäre es vor allem, für verbundene Unternehmen mit Sitz im Ausland die inländische Unternehmensverfassung einschließlich ihrer Mitbestimmungskomponente verbindlich vorzuschreiben. Das insoweit bestehende Mitbestimmungsgefälle erweist sich – vorbehaltlich der Harmonisierung auf EU-Ebene – nach allem als unvermeidbar; es muss notwendig zu Nachteilen für die ausländischen Belegschaftsteile führen, sofern der Mitsprache inländischer Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mehr als rein formale Bedeutung zukommt. Für die soziale Integration ausländischer Unternehmensteile erweist sich die inländische Mitbestimmung nach allem als eine das Zusammenwachsen über die Grenze tendenziell erschwerende Hypothek.

2. Auch aus der Sicht ausländischer Investoren oder Allianzpartner entfaltet die deutsche Mitbestimmung zumindest keine einladende, sondern eine eher abschreckende Wirkung. Versuche, unsere Unternehmensverfassung im Ausland attraktiv zu machen, blieben bisher bekanntlich ohne nennenswerten Erfolg.12 Diese Wirkungen mögen die Beteiligten zwar im Hinblick auf die Gefahr feindlicher Übernahmen seitens ausländischer Unternehmen begrüßen.13 Für Deutschland als Investitionsstandort – und damit für die Schaffung neuer Arbeitsplätze – sind sie jedoch ein offensichtliches Hemmnis.

Entsprechendes gilt für Aktivitäten deutscher Unternehmen, mit ausländischen Partnern in eine engere Verbindung einzutreten. Zwar müssen sie, wie ZHR 166 (2002) S. 271 (275)die Beispiele DaimlerChrysler und Aventis zeigen, an der inländischen Mitbestimmung nicht scheitern. Außer Frage steht jedoch, dass sie das Zustandekommen solcher Partnerschaften zumindest in denjenigen Fällen erschweren, in denen sich für die ausländischen Partner auch „mitbestimmungsfreie“ Alternativen mit Unternehmen aus anderen Staaten bieten. Das ist mit guten Gründen auch gegen den für das SE-Statut gefundenen Mitbestimmungskompromiss eingewandt worden.14 Es lässt dessen Übertragung auf die wegen des Mitbestimmungsaspekts noch immer ausstehenden EU-Richtlinien für die Sitzverlegung und die Fusion über die Grenze aus deutscher Sicht als wenig attraktiv erscheinen.

III. Verfehlt wäre es allerdings, die Mitbestimmungs-Probleme vorrangig oder gar ausschließlich auf die Globalisierung der Wirtschaft und deren Folgen zurückzuführen. Daher würde auch eine „Öffnungsklausel“ nach niederländischem Vorbild, Unternehmen beim Erreichen bestimmter, für überwiegende Auslandstätigkeit sprechender Kennziffern von der Arbeitnehmer-Mitbestimmung freizustellen, keine Abhilfe schaffen, auch wenn einer solchen Differenzierung im Hinblick auf den Gleichheitssatz keine Bedenken entgegenstehen sollten. Denn angesichts der Corporate Governance-Diskussion der letzten Jahre und der insoweit zu Recht betonten, unbefriedigenden Kontrolltätigkeit nicht weniger Aufsichtsräte erweist sich die Mitbestimmung auch bei reinen Inlandssachverhalten als problematisch, wenn nicht sogar als systemsprengend.

1. Soweit es um bestimmte negative Begleiterscheinungen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat geht, darunter die verbreitete inhaltliche Entleerung der Diskussionen im Plenum und ihre Verlagerung in die Gruppen-Vorbesprechungen,15 die Ausdünnung der Zustimmungskataloge des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, die befürchtete Weitergabe von Unternehmensinterna durch Aufsichtsratsmitglieder und die damit im Zusammenhang stehende, nicht selten stark zurückhaltende Informationspraxis des Vorstands, ist diese Erkenntnis nicht neu. Hierauf beruht nicht nur der Ruf nach Verkleinerung der Aufsichtsräte und nach Intensivierung ihrer Tätigkeit, sondern auch der Vorschlag im Regierungsentwurf zum TransPuG, die aktienrechtlichen Vorgaben für den Zustimmungskatalog des Aufsichtsrats und für die Verschwiegenheitspflicht seiner Mitglieder zu verschärfen.16 Auch die Bestrebungen der Regierungskommission Corporate Governance und der Kodex-Kommission, zu klareren Anforderungen an die Qualifikation von Aufsichtsratskandidaten und an die ZHR 166 (2002) S. 271 (276)Behandlung von Interessenkollisionen im Aufsichtsrat zu kommen,17 können sich nicht zuletzt im Hinblick auf die Zusammensetzung der Arbeitnehmerbank als konstruktiv erweisen.

2. Der potenzielle Nutzen derartiger systemimmanenter Reformschritte für die laufende Tätigkeit des Aufsichtsrats soll nicht geschmälert werden. Jedoch darf nicht außer Acht bleiben, dass die wahren Ursachen für die mangelnde Effizienz der Kontrollfunktion mitbestimmter Aufsichtsräte tiefer liegen; sie lassen sich daher auch nicht allein durch verschärfte Regulierung von deren Amtsführung beseitigen. Den zentralen Grund bildet vielmehr das Spannungsverhältnis zwischen den Zielen der Arbeitnehmermitbestimmung, für gleichberechtigte Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im Aufsichtsrat zu sorgen,18 und der diesem Gremium auch, wenn nicht in erster Linie übertragenen Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand. Wenn die Mitbestimmung – aus naheliegenden Gründen – dazu führt, dass der Aufsichtsrat seine Aufmerksamkeit im besonderen Maße der Personalentwicklungs- und Beschäftigungspolitik des Unternehmens widmet,19 ist die damit verbundene Verlagerung seiner Rolle und seines Selbstverständnisses unverkennbar. Er ist danach in erster Linie ein Gremium für die Vertretung der Interessen der „Stakeholder“, darunter neben den Arbeitnehmern auch der Gläubiger, Geschäftspartner u.a., während die Kontrolle des Vorstands nicht selten nur als zusätzliche, der Interessenvertretung nachgeordnete Aufgabe begriffen wird.20

Der große Freiraum für Spekulationsgeschäfte in Erdölkontrakten, dessen sich der Vorstand der Metallgesellschaft erfreute, erweist sich aus dieser Sicht ebenso wenig als untypischer Einzelfall wie die zweite, durch unzureichende Sanierungsschritte und Verzicht auf einen ins Gewicht fallenden Belegschaftsbeitrag verursachte Holzmann-Insolvenz nach der spektakulären Rettungsaktion von 1999. Und wenn Arbeitnehmervertreter im Personalausschuss des Mannesmann-Aufsichtsrats sich der Stimme enthielten, als über die großzügige Dotierung des Ausscheidens bisheriger Vorstandsmitglieder im Zuge der Übernahme durch Vodafone beschlossen wurde,21 so zeigt sich auch darin das Selbstverständnis der Gruppenrepräsentanten, in Angelegenheiten, die nicht das Gruppeninteresse berühren, Zurückhaltung zu üben.

ZHR 166 (2002) S. 271 (277)

IV. Als Fazit ist der Rechtspolitik zu empfehlen, sich nicht auf einzelne Probleme der paritätischen Mitbestimmung und deren isolierte Bewältigung zu beschränken, sondern das System als solches auf den Prüfstand zu stellen.

Den Nutzen würde daraus nicht nur die internationale Wettbewerbsfähigkeit multinationaler Unternehmen mit inländischem Sitz ziehen, sondern auch und vor allem die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats als unverzichtbarer, die agency costs der Unternehmensleitung reduzierender Bestandteil guter Corporate Governance. Die damit verbundenen volkswirtschaftliche Vorteile kämen allen Unternehmensbeteiligten, darunter nicht zuletzt auch den Belegschaften selbst zugute. Und für die Geltendmachung ihrer berechtigten Mitsprachewünsche auf Unternehmensebene bliebe, selbst bei völligem Verzicht auf ihre Repräsentanz im Aufsichtsrat, im Rahmen der geltenden Betriebsverfassung genügend Raum. Dass eine Reduzierung der inländischen Mitbestimmung auch dem weiteren Zusammenwachsen des Gemeinsamen Marktes zugute käme und die Niederlassungsfreiheit förderte, ist angesichts der mehr als dreißigjährigen Diskussion über die Einführung der SE und angesichts des schließlich erzielten Mitbestimmungs-Kompromisses offensichtlich.

Fraglich bleibt allerdings, welchen politischen Kräften ein solcher Neubeginn zugetraut werden kann, nachdem eine sozialliberale Koalition die Mitbestimmung eingeführt, eine bürgerliche Koalition nicht einmal Randkorrekturen vorgenommen und Rot-Grün das Thema aus seinem Reformprogramm ausgeblendet hat. Indessen bewegt die politische Diskussion sich nicht im verfassungsfreien Raum, sondern unterliegt der verfassungsrechtlichen Vorgabe des BVerfG, und dieses hat im Mitbestimmungsurteil bekanntlich den Gesetzgeber aufgefordert, dort korrigierend einzugreifen, wo die mit dem MitbestG verbundenen positiven Erwartungen durch die spätere Entwicklung enttäuscht werden.22 Es stünde den Repräsentanten der Wirtschaft gut an, diesen „Besserungsschein“ in Erinnerung zu rufen, statt in Sonntagsreden die Mitbestimmung zu preisen und hinter vorgehaltener Hand das Gegenteil zu verbreiten.

Peter Ulmer

1

BVerfGE 50, 290ff.

2

Bericht der Kommission Mitbestimmung „Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen – Bilanz und Perspektiven“. Gütersloh 1998 (im Folgenden: Mitbest-Bericht), Kap. 1 Tz. 4ff., Kap. 10 Tz. 4, 15ff. (16). Vgl. dazu auch Kübler, Freundesgabe für W.H. Döser, 1999, S. 237ff.; Raiser, FS Buxbaum, 2000, S. 415ff.

3

Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Tz. 34 f. (Zustimmungspflichtige Geschäfte) und Tz. 66–68 (Verschwiegenheitspflicht).

4

Rats-VO Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) v. 8. 10. 2001, ABl. 2001 L 294, 1, und Rats-RL Nr. 2001/86 zur Ergänzung des SE-Statuts hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer v. 8. 10. 2001, ABl. 2001 L 294, 22.

5

MitbestBericht (Fn. 1), Kap. 2 S. 21f.

6

Vgl. nur Kübler (Fn. 2), S. 237, 245f., 252.

7

Vgl. dazu Baums (Fn. 3), S. 6, der ausdrücklich anfügte, damit werde „freilich nicht der Diskussionsbedarf um die Ausgestaltung der Mitbestimmung insbes. in international tätigen Gesellschaften und Konzernholdings verneint“.

8

Dazu statt aller Heinze, ZGR 2002, 66, 73ff., 91f., 94.

9

So auch schon Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310ff.; Götz, AG 1995, 337ff.; Hopt, FS Everling, 1995, S. 475ff.; Kübler (Fn. 2), S. 239ff.; Raiser, FS Kübler, 1997, S. 477, 487ff.

10

Vgl. nur MitbestBericht (Fn. 1), Kap. 3 Tz. 1 und 5.

11

MitbestBericht (Fn. 2), Kap. 1 Tz. 2, Kap. 3 Tz. 3f. und 9, Kap. 8 Tz. 6.

12

Deswegen empfiehlt der MitbestBericht (Fn. 2) Kap. 10 Tz. 22 der Bundesregierung und den Sozialpartnern, durch „gemeinsame öffentlichkeitswirksame Aktionen“ auf eine Korrektur der ausländischen Fehleinschätzungen der Mitbestimmung hinzuwirken. Erfolge derartiger Aktionen sind bisher freilich nicht erkennbar.

13

Vgl. MitbestBericht (Fn. 2) Kap. 8 Tz. 15.

14

Vgl. Nachw. in Fn. 8.

15

Erstaunlich daher die „Anregung“ der Kodex-Kommission, die Sitzungen mitbestimmter Aufsichtsräte durch derartige getrennte Besprechungen vorzubereiten (Kodex Kap. 3 Tz. 3.6).

16

Vgl. RegE TransPuG (BR-Drucks. 109/02), § 111 Abs. 4 S. 2 und § 116 S. 2 E AktG.

17

Baums (Fn. 3), Tz. 51ff., 310f.; Kodex Kp. 5 Tz. 4.1, 5.1ff.

18

Die Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 200/74 S. 16) spricht von „gleichberechtigter und gleichgewichtiger Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“.

19

So MitbestBericht (Fn. 2) Kap. 8 Tz. 6.

20

Dazu treffend Davies, ZGR 2001, 268 (287ff., 292f.) im Vergleich mit dem angloam. Board-System. Ähnlich aus deutscher Sicht auch schon Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310, , 316f.; Hopt, FS Everling, 1995, S. 475, 478, 482; Lutter, AG 1994, 176 und Zöllner, AG 1994, 336, 338, freilich jew. ohne sichtbare rechtspolitische Resonanz.

21

So nach Presseberichten IG-Metall-Vorsitzender Zwickel als stellvertr. Aufsichtsratsvorsitzender.

22

Vgl. BVerfGE 50, 334ff. und 351ff.; dazu auch Kübler (Fn. 2) S. 251.

 
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