„Holzmüller“, „Gelatine“ und die These von der Mediatisierung der Aktionärsrechte
Die Rechtsform der Aktiengesellschaft zeichnet sich aus durch eine besonders klare und durchweg zwingende Abgrenzung der Kompetenzen ihrer Organe. Jeder, der sich mit einer AG einlässt, sei es als Investor, Vertragspartner oder Organmitglied, soll schon aufgrund der Rechtsform erkennen können, welches Organ welche Entscheidungen treffen kann. Diese Klarheit der Kompetenzordnung qualifiziert die Rechtsform der AG in besonderem Maße für große Unternehmen mit anonymem Gesellschafterkreis. Zu dem vom Gesetzgeber sorgfältig austarierten System von „checks and balances“ der drei Gesellschaftsorgane gehört die Kompetenzlosigkeit der Hauptversammlung in Fragen der Geschäftsführung: Der Vorstand führt die Geschäfte der Gesellschaft in eigener Verantwortung, § 76 Abs. 1 AktG. Er unterliegt weder Weisungen des Aufsichtsrats noch solchen der Hauptversammlung. Über Maßnahmen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt, § 119 Abs. 2 AktG. Die Hauptversammlung hat nicht die Aufgabe, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen, sondern die Überwachung des Vorstands obliegt dem Aufsichtsrat. Die Hauptversammlung ist auch – im Gegensatz zur Gesellschafterversammlung einer GmbH – nicht das oberste Organ der Gesellschaft, sondern nur eines der drei im Grundsatz gleichrangigen Organe.1
Die klaren Kompetenzzuweisungen des Gesetzgebers hat der BGH im Jahre 1982 durch die „Holzmüller“-Entscheidung durchbrochen. Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in Fragen der Geschäftsführung hat er seinerzeit mit dem Satz zu begründen versucht, dass es „grundlegende Entscheidungen“ gäbe, die zwar durch die gesetzliche Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands und den Wortlaut der Satzung gedeckt seien, „gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen“.2 22 Jahre lang musste die Aktienrechtspraxis versuchen, sich auf diese diffuse „Holzmüller“-Doktrin des BGH einen Vers zu machen und ihre Reichweite
Im Jahre 2004 hat der BGH in den „Gelatine“-Entscheidungen endlich die Gelegenheit wahrgenommen, die „Holzmüller“-Doktrin zu revidieren.3 Aber er hat sie leider nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil grundsätzlich bestätigt und nunmehr mit dem Etikett einer „offenen Rechtsfortbildung“ versehen.4 Es ist zwar dankbar anzuerkennen, dass die misslichen Folgen der „Holzmüller“-Doktrin für die Praxis durch die „Gelatine“-Entscheidungen erheblich gemildert worden sind, weil der BGH zum quantitativen Element des „Holzmüller“-Tatbestands klargestellt hat, dass eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung nur in Betracht kommt, wenn die Maßnahme in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft „das Ausmaß der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen „Holzmüller“-Fall erreicht“.5 Und eine weitere Erleichterung ergibt sich aus der nachfolgenden Entscheidung des Senats im Fall „Stuttgarter Hofbräu“ aus dem Jahre 2006, wonach das qualitative Element des „Holzmüller“-Tatbestands bei einer Beteiligungsveräußerung nicht gegeben ist.6 Aber der BGH hält daran fest, dass ein ungeschriebener Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten der Hauptversammlung insbesondere bei Ausgliederungen und wohl auch bei Beteiligungserwerben7 wegen des damit verbundenen Mediatisierungseffekts gegeben sein kann, vorausgesetzt, es werden quantitativ in etwa die Dimensionen des „Holzmüller“-Falls erreicht. Eine den Zustimmungsvorbehalt für die Hauptversammlung auslösende Mediatisierung des Aktionärseinflusses hat der BGH im „Gelatine“-Fall sogar bei der bloßen Umhängung einer Tochter-Gesellschaft unter eine andere Tochter-Gesellschaft bejaht. Überdies hat der BGH offen gelassen, ob auch bei anderen Geschäftsführungsmaßnahmen als Ausgliederungen und Beteiligungserwerben ein Zustimmungsvorbehalt aus dem Gesichtspunkt eines „tiefgreifenden Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre“ begründet sein kann.8
Auch nach den „Gelatine“- und „Hofbräu“-Entscheidungen des Senats bleibt die „Holzmüller“-Doktrin ein störender Fremdkörper in dem ansonsten klar konturierten Organkonzept des Aktiengesetzes.9 Es mag deshalb er¬
Den Entscheidungen des BGH lässt sich zum Inhalt der angeblichen Mediatisierung erstaunlich wenig entnehmen. In den „Gelatine“-Entscheidungen verweist der Senat zur Definition der „Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre“ in erster Linie auf seine Entscheidung im Fall „Macrotron“,11 aber dort hat der Senat nur negativ festgestellt, dass bei einem Rückzug von der Börse („Delisting“) die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre nicht beeinträchtigt werden und somit kein Mediatisierungseffekt gegeben sei. Zusätzlich beruft sich der Senat zum Nachweis des „Mediatisierungseffekts“ auf Äußerungen von Habersack,12 Wiedemann13, Liebscher14 und Kubis.15 Die Bezugnahme auf Kubis passt nicht, da Kubis an der zitierten Stelle eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung bei konzerninternen Umstrukturierungen ablehnt und im Übrigen in seiner grundsätzlichen Stellungnahme zur „Holzmüller“-Doktrin nicht auf die Mediatisierung der Aktionärsrechte, sondern auf die Abweichung von den Vorgaben des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands abstellt.16 Die Bezugnahme des Senats auf die anderen genannten Autoren ist zwar zutreffend, aber die Ausführungen dieser und anderer Autoren im aktienrechtlichen Schrifttum zum Nachweis des Mediatisierungseffekts der Ausgliederung sind, wie sogleich zu zeigen ist, nicht ausreichend, um den Systembruch der „Holzmüller“-Doktrin zu rechtfertigen.
Werfen wir einen Blick auf die Rechte der Aktionäre, die angeblich durch die Ausgliederung auf eine Tochter-Gesellschaft und sogar durch eine bloße „Verenkelung“ einer bisherigen Tochter-Gesellschaft eintreten:
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Die Auskunfts- und sonstigen Informationsrechte der Aktionäre werden, so ist zu lesen,17 durch eine Ausgliederung erheblich verkürzt. Richtig ist daran nur, dass sich das Auskunftsrecht nach der gesetzlichen Formulierung in § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht uneingeschränkt auf die Verhältnisse der verbundenen Unternehmen, sondern nur auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu den verbundenen Unternehmen erstreckt. Aber diese feine Unterscheidung ist in der Praxis schon längst Makulatur. In den Hauptversammlungen wird über den Konzern Auskunft gegeben, und zwar über Tochter-Gesellschaften nicht anders als über rechtlich unselbstständige Teile der Mutter-Gesellschaft. Die Bereitschaft und die Verpflichtung des Vorstands zur Erteilung von Auskünften über die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Tochter-Gesellschaft richten sich ebenso wie bei Auskünften über rechtlich unselbstständige Teile der Mutter-Gesellschaft ausschließlich danach, ob es sich um wirtschaftlich bedeutsame Vorgänge oder um solche handelt, die für die Lage der Mutter-Gesellschaft ohne Bedeutung sind. Demgemäß ist in der Rechtsprechung und den Kommentaren zu § 131 AktG anerkannt, dass § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich deklaratorische Bedeutung besitzt und das Auskunftsrecht des Aktionärs weder erweitert noch einschränkt.18 Der Vorstand ist im Übrigen in der Lage, über alle für die Obergesellschaft wesentlichen Verhältnisse der Tochter-Gesellschaft Auskunft zu geben, und zwar unabhängig von der Rechtsform der Tochter, weil ihn auch der Vorstand einer nur faktisch konzernierten Tochter-AG laufend und umfassend informieren darf19 und dies schon im eigenen Interesse tun wird.
Auch ein Blick auf die Rechnungslegungs- und Berichtspflichten des Vorstands zeigt, dass es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob die betreffende Aktivität in der Mutter-Gesellschaft oder in einer Tochter-Gesellschaft betrieben wird. Es ist bezeichnend, dass die Unternehmen in ihren Geschäftsberichten durchweg nur noch den Konzernabschluss und nicht mehr den Jahresabschluss abdrucken und ein gesonderter Lagebericht der Obergesellschaft meist gar nicht mehr erstellt, sondern mit dem Konzernlagebericht zu einem einheitlichen Bericht verbunden wird. Auch für die Information der Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung ist es somit im Ergebnis ohne Belang, ob der als wirtschaftliche Einheit verstandene Konzern eine bestimmte Aktivität in der Mutter- oder in einer Tochter-Gesell¬
schaft entfaltet, und die Umhängung einer Beteiligung durch „Verenkelung“ hat erst Recht keinen Einfluss auf das Ausmaß der Berichterstattung.ZHR 172 (2008) S. 231 (235) -
In der „Holzmüller“-Entscheidung hat der BGH die Gefahr beschworen, dass der Vorstand nach der Ausgliederung „namentlich durch Unternehmensverträge mit einem Dritten oder durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollends aushöhlt; damit können zugleich (wie z.B. bei einem zu niedrigen Ausgabekurs für neue Aktien) konkrete Vermögensverluste verbunden sein.“20
Zunächst ein Wort zu den Unternehmensverträgen: Wenn die ausgegliederte Tochter-Gesellschaft einen Unternehmensvertrag mit einem „Dritten“ abschließt, so kann es sich jedenfalls bei einem Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag nur um einen Unternehmensvertrag mit einem nachgeordneten Konzernunternehmen handeln. Die Herstellung eines Haftungsverbundes per Unternehmensvertrag zwischen Tochter- und Enkel-Gesellschaft schafft aber keinen Haftungsverbund mit der Mutter und erhöht deshalb nicht deren Verlustübernahmerisiko. Deshalb ist der Hinweis des BGH auf die Gefährdung durch Unternehmensverträge nicht recht verständlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eine horizontale Integration durch den Zusammenschluss einer ausgegliederten Tochter-Gesellschaft mit einer anderen Tochter-Gesellschaft als unproblematisch angesehen wird, da keine weitere Mediatisierung erfolge.21 Hier treibt die Fixierung auf die Mediatisierung merkwürdige Blüten. Warum ist eine „Verenkelung“ per se gefährlicher als eine „Verschwisterung“?
Gewichtiger ist das Argument, den Aktionären werde durch die Ausgliederung und die damit eröffnete Möglichkeit von Kapitalerhöhungen bei der Tochter-Gesellschaft die Entscheidungsmacht über Kapitalerhöhungen und die Möglichkeit der Beteiligung an Kapitalerhöhungen genommen. Überdies bestehe die Gefahr, dass durch Kapitalerhöhungen bei der Tochter, die ohne Mitwirkung der Aktionäre der Mutter erfolgen, der Vermögenswert der Beteiligung der Aktionäre verwässert werde.22
Natürlich ist es denkbar, dass ein pflichtvergessener Vorstand den Ausgabebetrag für die Kapitaleinlage eines Dritten bei der Tochter-Gesellschaft zu niedrig festsetzt und dadurch mittelbar eine Verwässerung des Vermögenswerts der Beteiligung der Aktionäre bei der Obergesellschaft eintritt. Der Wert der Aktien der Mutter-Aktionäre kann auch dadurch verwässert werden, dass der Vorstand bei der Ausgliederung in eine Gesellschaft, an der bereits ein Dritter beteiligt ist, bei der erforderlichen vergleichenden Bewer¬
tung einen zu geringen Wertansatz für seine Einlage akzeptiert. Aber die Verwässerung tritt ebenso ein, wenn der Vorstand ohne Ausgliederung einen rechtlich unselbstständigen Betrieb zu billig an einen Dritten veräußert oder zu billig ganz oder teilweise an einen Dritten verpachtet. Es gibt keinen qualitativen Unterschied zur Verwässerungsgefahr durch andere schädliche Verfügungen des Vorstands über Vermögensgegenstände der Gesellschaft.23 Richtig ist, dass bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung der Mutter deren Hauptversammlung den Ausgabebetrag der neuen Aktien festsetzt, während bei einer Kapitalerhöhung der Tochter der Vorstand der Mutter (mittelbar) über den Ausgabebetrag entscheidet. In diesem Wechsel von der eigenen Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung zur „bloß schuldrechtlich-treuhänderisch gebundenen“ Entscheidungsbefugnis des Vorstands sieht Wiedemann den maßgebenden Aspekt der Mediatisierung und die maßgebliche Begründung für eine ungeschriebene Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung.24 Eine massive Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung durch richterliche Rechtsfortbildung kann man aber schwerlich mit mangelndem Vertrauen in das pflichtgemäße Handeln des Vorstands rechtfertigen.ZHR 172 (2008) S. 231 (236) Davon abgesehen: Ist es überhaupt richtig, als Vergleichspaar die Kapitalerhöhung bei Mutter oder Tochter gegenüberzustellen? Wirtschaftlich plausibler ist der Vergleich zwischen einer Beteiligung des Dritten an der ausgegliederten Tochter und einem Verkauf oder Teilverkauf des betroffenen Unternehmensbereichs an den Dritten ohne Ausgliederung. Dann geht es hier wie da „nur“ um die Sorgfaltspflicht des Vorstands. Wenn man die Gefahr sieht, dass der Vorstand die Ausgliederung betreibt, um anschließend einem Dritten die Mehrheit oder eine wesentliche Beteiligung an der Tochter zu überlassen, dann geht es bei Licht betrachtet um einen „gestreckten“ Verkauf. Noch deutlicher wird die wirtschaftliche Alternative zum Verkauf, wenn der Geschäftsbereich sogleich in die Gesellschaft eines Dritten ausgegliedert wird. Wenn man dieses Vergleichspaar Verkauf oder Ausgliederung ins Auge fasst, stellt sich auch die angebliche Aushöhlung des Bezugsrechts in anderem Licht dar. Es gibt nämlich kein Vorerwerbsrecht der Aktionäre bei der Veräußerung oder Verpachtung von Teilen des Vermögens der Gesellschaft.
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Nun mag man einwenden, dass schon allein aus der Existenz eigenständiger Organe der Tochter gewisse Einschränkungen der Leitungsmacht des Vorstands der Obergesellschaft im Vergleich mit dem Zustand vor Ausgliederung folgen und dass sich solche Beschränkungen insbesondere bei einer nur faktisch konzernierten Tochter-AG mit außenstehenden Gesellschaftern ergeben können. Aber solche Einschränkungen verkürzen nicht die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft, sondern die Leitungsmöglich¬
keiten des Vorstands der Obergesellschaft, und diese Einschränkungen muss der Vorstand bei der Entscheidung über die zweckmäßige Konzernorganisation pflichtgemäß in sein unternehmerisches Kalkül einbeziehen. Für die Aktionäre gilt, dass sie dem Vorstand weder vor noch nach der Ausgliederung vorschreiben können, wie er mit den betreffenden Vermögensteilen zu verfahren hat.ZHR 172 (2008) S. 231 (237) Schließlich trifft man auf das Argument, die Ausgliederung führe zu einer Verkürzung der Rechte des Aufsichtsrats und dies sei einer Verkürzung der Rechte der Aktionäre gleich zu erachten, weil der Aufsichtsrat die Aktionäre repräsentiere. Aber auch diese Betrachtung ist schief. Zum einen ist der Aufsichtsrat nicht der verlängerte Arm der Hauptversammlung, ebenso wie der Vorstand nicht der verlängerte Arm des Aufsichtsrats ist, sondern es handelt sich um gleichrangige, von Weisungen unabhängige Organe. Zum zweiten geschieht die Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensbereichs nicht ohne Billigung des Aufsichtsrats, und der Aufsichtsrat muss bei seiner Entscheidung berücksichtigen, ob und inwieweit seine Aufsicht durch die Ausgliederung erschwert werden kann. Entscheidungsrechte der Aktionäre gehen auch insoweit durch die Ausgliederung nicht verloren, da sie schon vorher nicht bestanden.
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In einem Punkt besteht allerdings in der Tat eine erhebliche Gefährdung der Aktionärsrechte, wenn durch Ausgliederungen weitere Konzernebenen geschaffen werden, nämlich im Hinblick auf die Kompetenz der Aktionäre, in der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung zu entscheiden. Durch die Schaffung weiterer gesellschaftsrechtlicher Ebenen unterhalb der AG erhält der Vorstand die Möglichkeit, bei den Untergesellschaften Gewinne zu thesaurieren und der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft zu entziehen. Hier und nur hier liegt ein berechtigtes Anliegen der „Holzmüller“/„Gelatine“-Rechtsprechung. Die Frage ist aber, ob es angemessen ist, dafür die „Holzmüller“-Doktrin aufrecht zu erhalten und ob ein Zustimmungsvorbehalt für die Hauptversammlung überhaupt ein angemessenes Schutzinstrument ist.25 Der Zustimmungsvorbehalt greift nur punktuell und einmalig bei der Ausgliederung, während es sich bei der Gefahr der Aushöhlung der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung um ein zumindest potentiell jährlich wiederkehrendes Problem handelt, das durch einen permanenten Schutz gelöst werden sollte. In diesem Sinne wurde im Anschluss an die „Holzmüller“-Entscheidung in den 80er-Jahren intensiv, aber leider ergebnislos über ein konzerndimensionales Verständnis der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung nach § 58 AktG diskutiert.26 Dieses Thema sollte wieder aufgegriffen werden, auch und gerade wegen der insoweit ganz un¬
zureichenden Entscheidung des BGH im Fall „Otto“ zur Gewinnthesaurierung im Personengesellschaftskonzern.27ZHR 172 (2008) S. 231 (238)
Fazit: Eine richterliche Rechtsfortbildung kann durch eine „Rechtsrückbildung“ dank besserer Erkenntnis rückgängig gemacht werden. Die löcherige These von der Mediatisierung der Aktionärsrechte durch Ausgliederung ist jedenfalls nicht geeignet, den Fortbestand der „Holzmüller“-Doktrin zu rechtfertigen.
Michael Hoffmann-Becking
1 | BVerfG NZG 2000, 192 („Wenger/Daimler-Benz“); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 118 Rdn. 4. |
2 | BGHZ 83, 122, 131. |
3 | BGHZ 159, 30 („Gelatine I“) und BGH NZG 2004, 575 („Gelatine II“). |
4 | BGHZ 159, 30, 43. |
5 | BGHZ 159, 30, 45. |
6 | BGH ZIP 2007, 24 (Nichtannahmebeschluss); ebenso schon Goette, AG 2006, 522, 527. |
7 | Vgl. Goette, AG 2006, 522, 527. |
8 | BGHZ 159, 30, 41. |
9 | Dieser Hauptpunkt der Kritk an der „Holzmüller“-Doktrin, der anfangs deutlich formuliert wurde, ist später zu Unrecht in den Hintergrund gerückt. Vgl. aber DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2001, 181, 183 sowie Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, , 66f., der den deutschen Sonderweg der „Holzmüller“-Doktrin auch rechtsvergleichend kritisiert. |
10 | Brockhaus in 15 Bänden, Leipzig/Mannheim 2001. |
11 | BGHZ 153, 47, 54. |
12 | Habersack in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 3. Aufl. 2003, § 311 Rdn. 34f. (ebenso 5. Aufl. 2007). |
13 | Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 53f. |
14 | Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 65 ff, 74f. |
15 | MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl. 2004, § 119 Rdn. 74. |
16 | MünchKommAktG/Kubis (Fn. 15), § 119 Rdn. 41. |
17 | Joost, ZHR 163 (1999), 164, , 168; Schlitt in: Semler/Stengel (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl. 2007, Anh. § 173 Rdn. 30. |
18 | Hüffer, AktG, § 131 Rdn. 13; GroßkommAktG/Decher, 4. Aufl. 2001, § 131 Rdn. 232 m.w.N. |
19 | Krieger in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rdn. 26 m.zahlr.N. |
20 | BGHZ 83, 122, 137. |
21 | Goette, AG 2006, 522, 527; Habersack in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2007, § 311 Rdn. 45. |
22 | Dieses Argument wird insbesondere von Habersack (Fn. 21), § 311 Rdn. 34 aufgegriffen. |
23 | So schon mit Recht Götz, AG 1984, 85, 87. |
24 | Wiedemann (Fn. 13). |
25 | Ablehnend Götz, AG 1984, 85, 92. |
26 | Übersicht über die Diskussion bei Hoffmann-Becking in: ders. (Hrsg.), MünchHdb AG, § 46 Rdn. 9ff. |
27 | BGHZ 170, 283, 294ff. |