Ernst Steindorff
Am 26. 10. 2018 verstarb in seinem 99. Lebensjahr Professor Dr. Ernst Steindorff in München. Ein Vierteljahrhundert lang, von 1962 bis 1986, hatte Ernst Steindorff – zunächst gemeinsam mit Kurt Ballerstedt und später mit Peter Ulmer – als Schriftleiter prägenden Einfluss auf das wissenschaftliche Profil der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht.
Ernst Steindorff – 1920 in Frankfurt a.M. geboren und in Hoechst aufgewachsen – gehörte einer vom Zweiten Weltkrieg voll getroffenen Generation an, wurde zum Kriegsdienst eingezogen und beendete den Zweiten Weltkrieg im Rang eines Hauptmanns in amerikanischer Gefangenschaft. Erlebte Geschichte hatte aus ihm einen historisch nachdenklichen Intellektuellen gemacht, dessen kritische Distanz zur Vergangenheit ein Leben lang anhielt. Die in der Nachkriegszeit begonnene juristische Ausbildung sollte aus ihm einen der herausragenden Wirtschaftsrechtswissenschaftler der jüngeren – heute würde man sagen: “der Bonner” – Bundesrepublik und eine der prägenden Stimmen im Konzert des Europäischen Wirtschaftsrechts werden lassen. Mit einer Dissertation zum europäischen Wirtschaftsrecht bei Walter Hallstein promoviert und mit einer von Heinrich Kronstein und Helmut Coing betreuten Schrift über “Sachnormen im internationalen Privatrecht” habilitiert, wechselte er nach drei an ihn ergangenen Rufen im Jahr 1959 als ordentlicher Professor an die Eberhard Karls Universität Tübingen und 1964 – wiederum nach drei simultan an ihn ergangenen Rufen – an die Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort leitete er bis zu seiner Emeritierung das Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht (später aufgegangen im Institut für Internationales Wirtschaftsrecht). Von hier aus entfaltete er eine beispiellose Wirkkraft auf die wirtschaftsrechtliche Forschung Deutschlands und Europas und bekleidete Gastprofessuren in Washington (Georgetown) und Chicago. Als Rechtsberater der EG-Kommission hatte er prägenden Einfluss auf die Entwicklung des noch jungen Gemeinschaftsrechts, aus dem er einen nicht fortzudenkenden Bestandteil vor allem auch dieser Zeitschrift machte. Nicht von ungefähr hatte seine Verbundenheit gerade mit diesem Rechtsgebiet, wie so Vieles in seiner Persönlichkeit, eine biographische Note. Er hatte seine Referendarausbildung 1950/51 für eine Tätigkeit im Bundeskanzleramt als Sekretär der von Hallstein geleiteten Schuman-Plan-Delegation unterbrochen und auf diese Weise die Gründung der sog. Montanunion hautnah erlebt. Fünfzig Jahre nach der Verkündung des Schuman-Plans hat er
Die Ernst Steindorff im Jahr 1990 zugeeignete große Festschrift (herausgegeben von Jürgen F. Baur, Klaus J. Hopt und K. Peter Mailänder) zeugt von der beeindruckenden Vielfalt und Strahlkraft eines sicherlich hart erarbeiteten, jedoch elegant präsentierten Lebenswerks. Das Vorwort berichtet von einer dreistelligen Zahl an Schülern, sechs von ihnen unter seiner Betreuung habilitiert und ihrerseits längst als unüberhörbare Stimmen im wirtschaftsrechtlichen Diskurs avanciert. Seine eigenen wirtschaftsrechtlichen Beiträge sind namentlich aus der Kartellrechtsliteratur nicht fortzudenken. Die in der Festschrift enthaltene Literaturliste nennt für die ZHR nahezu 20 Aufsatzbeiträge und etwa 50 Buchrezensionen aus seiner Feder. Auch das im Frontispiz des Bandes abgedruckte Porträt verrät viel über Ernst Steindorff: über die kritisch-abschätzende, durchaus selbstbewusste Klarheit seines Blicks, über den darin enthaltenen intellektuellen Anspruch ebenso wie über die fragende Offenheit für sein Gegenüber, nicht zuletzt aber auch über Züge von eleganter Weltläufigkeit, wie dieser welt- und lebenskluge Gelehrte sie unnachahmlich verkörperte – bei der Zusammenarbeit mit Verlag und Schriftleitung dieser Zeitschrift ebenso wie auf vielen ZHR-Symposien oder damals als nobler Gastgeber bei der Übergabe der Festschrift. Er bleibt unvergessen. Ohne seine Beiträge wäre die ZHR mit ihrem betont wirtschaftsrechtlichen Akzent nicht geworden, was und noch weniger wie sie ist.
Mathias Habersack Karsten Schmidt Wolfgang Schön