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ZHR 186 (2022), 325-338
Westermann 

Der geplante Digital Markets Act: Europäische Regulierung zentraler Plattformdienste außerhalb des Kartellrechts?

I. Einleitung

Am 24. 3. 2022 haben der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission die seit Januar 2022 geführten sog. Trilog-Verhandlungen über den Entwurf des Gesetzes über digitale Märkte (Digital Markets Act “DMA”1) mit einem Kompromiss abgeschlossen.2 Die förmliche Verabschiedung der Verordnung durch Europäischen Rat und Europäisches Parlament stehen noch aus. Der Rat hat den prä-finalen Text des DMA, der mit dem Parlament vereinbart wurde, am 11.5.2022 veröffentlicht.3 Am 16. 5. 2022 hat der zuständige Ausschuss im Parlament dem Kompromiss zugestimmt.4 Das volle Plenum des Parlaments soll im Juli 2022 abschließend über den Entwurf des Gesetzes entscheiden.

Nur ein gutes Jahr zuvor hatte die Europäische Kommission am 15. 12. 2020 den Entwurf für den DMA veröffentlicht.5 Der Entwurf ist auf ganz erhebliche Resonanz nicht nur in der Presse gestoßen, sondern auch im juristischen Schrifttum.6 Der Europäische Rat hatte seinen Standpunkt zum Ent-ZHR 186 (2022) S. 325 (326)wurf der Kommission am 25. 11. 2021 festgelegt.7 Das Europäische Parlament folgte am 15. 12. 2021 mit ausführlichen Änderungsvorschlägen8, die auch dem vorliegenden Beitrag zugrunde liegen (“DMA-EP”).

Mit dem DMA will der europäische Gesetzgeber nach einer Pressemeldung vom 25. 3. 2022 nicht weniger erreichen als sicherzustellen, dass wesentliche Online-Plattformen, die aufgrund der Bedeutung ihrer Dienste für den Marktzugang und die Tätigkeit anderer Unternehmen auf digitalen Märkten als Gatekeeper (Torwächter) agieren, anderen Unternehmen den Zugang zu den eigenen Nutzern nicht versperren können.9 Obwohl dieses Ziel nach einem geradezu klassischen kartellrechtlichen Anliegen zur Offenhaltung von Märkten klingt, soll der DMA sich gerade keiner kartellrechtlichen Mittel bedienen. Geplant ist ein Gesetz zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten im Binnenmarkt nach Art. 114 AEUV. Das Gesetz soll also nicht auf Art. 103 AEUV gestützt werden und damit ausdrücklich nicht der Verwirklichung der in Art. 101 und Art. 102 AEUV niedergelegten europäischen Grundsätze des Wettbewerbsschutzes dienen.10

Hintergrund der für notwendig gehaltenen Sonderregeln für Gatekeeper in der Digitalwirtschaft ist die Erkenntnis der Kommission, dass die kartellrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten nicht schnell genug und wohl auch nicht ausreichend effektiv die konkreten als gefährlich qualifizierten Verhaltensweisen von Online-Plattformen unterbinden könnten. Im 5. Erwägungsgrund des DMA-EP werden die Besonderheiten der Digitalökonomie zusammengefasst. Diese ermöglichen es Plattformdiensten, etwa aufgrund extremer Größenvorteile, starker Netzwerkeffekte oder Lock-in-Effekte, “durch unlautere Verhaltensweisen die Bestreitbarkeit zentraler Plattformdienste zu untergraben”. Letztlich geht es also darum, dass wichtige Plattformen die Auswahlmöglichkeiten der Plattformnutzer beschränken können. Der DMA legt daher für bestimmte anhand von Schwellenwerten definierte Gatekeeper einen Katalog an Verpflichtungen fest, die ohne Möglichkeit zur Rechtfertigung eines konkreten Verhaltens gelten sollen. Daher wird der Entwurf der Verordnung auch als ex-ante-Regulierung qualifiziert, im Gegensatz zur ex-post-ZHR 186 (2022) S. 325 (327)Kontrolle wettbewerbsbeschränkender oder missbräuchlicher Verhaltensweisen nach kartellrechtlichen Grundsätzen.11

Im Erwägungsgrund 10 des DMA-EP heißt es ausdrücklich, die Verordnung verfolge ein Ziel, das sich von dem im Wettbewerbsrecht verankerten Ziel unterscheide, den unverfälschten Wettbewerb auf jeglichen Märkten zu schützen. Die Verordnung solle (nach Auffassung des Gesetzgebers offenbar über das Ziel des Wettbewerbsschutzes hinaus) sicherstellen, dass von Gatekeepern bediente Märkte “bestreitbar und fair bleiben, ungeachtet der tatsächlichen, wahrscheinlichen oder angenommenen Auswirkungen des von der Verordnung erfassten Verhaltens eines Gatekeepers auf einem Markt”. Damit schütze der DMA-EP ein anderes rechtliches Interesse als das Kartellrecht. Diese Aussage ist angesichts der oben beschriebenen Ziele des DMA-EP, die Bestreitbarkeit von Märkten zu wahren und die Auswahlmöglichkeiten von Endnutzern zu erhalten, zumindest erstaunlich.12

Welche Auswirkungen diese bemerkenswerte These auf die hergebrachte Beurteilung einseitigen Verhaltens marktmächtiger Unternehmen nach kartellrechtlichen Maßstäben haben könnte, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrages, der nur einige der vielen sich ergebenden Fragen aufgreift.

II. Ermittlung der Position eines Gatekeepers als Normadressat

Die Vorgaben des DMA-EP sollen nur für solche Unternehmen gelten, die von der Kommission durch Entscheidung ausdrücklich als Gatekeeper benannt worden sind (Art. 3 DMA-EP). Hierunter können nach dem Konzept des DMA ausschließlich sog. Plattformdienste fallen, die in Art. 2 Nr. 2 DMA-EP abschließend aufgezählt werden.13

Art. 3 Abs. 1 DMA-EP definiert zunächst den Begriff des Gatekeepers abstrakt. Dieser muss erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben und einen für den Marktzugang gewerblicher Nutzer wichtigen Plattformdienst betreiben. Im zweiten Schritt arbeitet Art. 3 Abs. 2 DMA-PF14 mit quantitativen Schwellenwerten, bei deren Vorliegen eine Normadressateneigenschaft vermutet wird.15 Unternehmen, die diese Schwellenwerte erfüllen,ZHR 186 (2022) S. 325 (328) haben dies der Kommission mitzuteilen und werden anschließend von der Kommission als Gatekeeper benannt (Art. 3 Abs. 3 und 4 DMA-EP). Die mit der Erfüllung der Schwellenwerte verbundene Vermutung zur Qualifizierung als Gatekeeper kann das Unternehmen jedoch widerlegen. Spiegelbildlich kann die Kommission Anbieter von Plattformdiensten nach Art. 3 Abs. 6 DMA-EP auch dann als Gatekeeper benennen, wenn sie die Schwellenwerte nicht erfüllen. In diesen Fällen ist die Normadressateneigenschaft allerdings neben quantitativen Kriterien wie Umsatz, Marktkapitalisierung und Nutzerzahlen zusätzlich anhand einer Reihe qualitativer Kriterien zu prüfen, die auch für die mögliche Widerlegung der Normadressateneigenschaft relevant sind. Dazu gehören Netzwerkeffekte, Vorteile aus dem Datenzugang, Skalen- und Verbundeffekte, vertikale Integration oder Bindung von Nutzern an die Plattform.

Dieser Ansatz zur Feststellung der Normadressateneigenschaft erscheint ausgewogen und verbindet rein quantitative (eher regulatorische) Kriterien mit qualitativen (eher wettbewerblich oder marktstrukturell geprägten) Kriterien.16 Auffällig ist insbesondere, dass die als Gatekeeper in Betracht kommenden Unternehmen die Möglichkeit haben, die Vermutung der Gatekeeper-Position zu widerlegen – eine Option, die das Gesetz den Plattformdiensten bei der Bewertung eines konkreten Verhaltens als Verstoß gegen die im DMA geregelten Pflichten nach Art. 5 bis Art. 7 DMA-PF nicht eröffnet (dazu unten III. 3.).

Ebenso wenig wie die für die Anwendbarkeit der europäischen Fusionskontrolle nach Art. 1 VO (EG) Nr. 139/2004 (“FKVO”) relevanten Umsatzschwellenwerte ein verlässlicher Indikator für die wettbewerblichen Auswirkungen einer Transaktion sind,17 sagt die Erfüllung der in Art. 3 Abs. 2 DMA-PF vorgesehenen Schwellenwerte zunächst einmal nicht viel über die Fähigkeit einer Plattform zur Marktverschließung im konkreten Einzelfall aus.18 Die relativ klar messbaren Schwellenwerte schaffen aber – ebenso wie die Anknüpfung der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht an reine Umsatzschwellen – Rechtssicherheit. Zudem ermöglicht das vorgesehene Regelungssystem eine “Feinsteuerung” durch Widerlegung der VermutungZHR 186 (2022) S. 325 (329) seitens der Unternehmen und Feststellung der Gatekeeper-Eigenschaft trotz Verfehlung der Schwellenwerte.19

Im Ergebnis ermöglicht der Ansatz des DMA damit eine vergleichsweise rechtssichere und rasche Einordnung von Unternehmen als Gatekeeper. Dabei kann darauf verzichtet werden, eine besondere Machtstellung wie etwa Marktbeherrschung festzustellen, was in der Praxis u.U. ausgesprochen aufwändige Ermittlungen zur Marktabgrenzung und den Marktverhältnissen entbehrlich macht. Hierin könnte ein Vorteil gegenüber einer rein kartellrechtlichen Erfassung der vom DMA adressierten Verhaltensweisen liegen.20

III. Verbot bestimmter Verhaltensweisen ohne Rechtfertigungsmöglichkeit

Der Regulierungsansatz des DMA kommt klar zum Ausdruck, wenn die Verpflichtungen der Gatekeeper betrachtet werden. Nachdem ein Unternehmen gemäß Art. 3 Abs. 4 oder Art. 15 i.V.m. Art. 3 Abs. 6 DMA-EP als Gatekeeper benannt wurde, ist es einer Reihe von abschließend geregelten Verpflichtungen unterworfen, die unmittelbar ohne Entscheidung der Europäischen Kommission oder einer anderen Regulierungsbehörde gelten sollen.

1. Per-se Verbote konkreter Verhaltensweisen

Diese Verpflichtungen sind in Art. 5 und Art. 6 DMA-EP für sämtliche als Gatekeeper qualifizierten Plattformdienste sowie nach dem Entwurf des Kompromiss-Textes des DMA vom Mai 2022 zusätzlich in Art. 7 DMA-PF für nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (d.h. Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal, Telegram etc.) geregelt.

Art. 5 DMA-EP statuiert sieben Verpflichtungen, die von Gatekeepern unmittelbar zu beachten sind. Dazu gehören u.a. das Verbot der Anwendung von Meistbegünstigungs- oder weiter Bestpreisklauseln (Art. 5 lit. b) DMA-EP), ein Koppelungsverbot (Art. 5 lit. f DMA-EP) oder das Verbot der Zusammenführung personenbezogener Daten aus verschiedenen Quellen (Art. 5 lit. a) DMA-EP). Art. 6 DMA-EP regelt elf zusätzliche Verhaltenspflichten wie etwa das Verbot der Selbstbevorzugung beim Ranking (Art. 6 Abs. 1 lit. d) DMA-EP), das Verbot zur Nutzung bestimmter Kundendaten (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DMA-EP) oder die Verpflichtung zur Ermöglichung von Interoperabilität mit den Betriebssystemen, Hard- und Software-Funktionen des Plattformbetreibers (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DMA-EP).

ZHR 186 (2022) S. 325 (330)

Die in Art. 6 geregelten Verpflichtungen gelten zwar ebenfalls unmittelbar. Für diese Verpflichtungen hat die Kommission aber die Möglichkeit, im sog. “Regulierungsdialog”21 mit den betroffenen Gatekeepern die Maßnahmen zu präzisieren, welche der Gatekeeper zur Einhaltung der Verpflichtungen ergreifen muss. Ein solcher Regulierungsdialog kann vom Gatekeeper angestoßen werden, indem er die Einleitung eines Verfahrens der Kommission zur Überprüfung der vom Gatekeeper ergriffenen Maßnahmen beantragt (Art. 7 Abs. 7 DMA-EP). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gatekeeper die in Art. 6 DMA-EP vorgesehenen Verpflichtungen erst nach einer konkretisierenden Entscheidung der Kommission umzusetzen hätten.22 Die Verpflichtungen aus Art. 6 gelten vielmehr – wie diejenigen aus Art. 5 und Art. 6a DMA-EP – unmittelbar. Im Fall fehlender Umsetzung dieser Verpflichtungen kann die Kommission gegen den Gatekeeper auch ohne vorherigen Regulierungsdialog Bußgelder von bis zu 10 % seiner weltweiten Umsätze verhängen, im Wiederholungsfall sogar Bußgelder bis zu 20 % der weltweiten Umsätze (Art. 30 DMA-PF in der Entwurfsfassung des Kompromiss-Textes vom Mai 2022).

2. Bisherige Missbrauchsaufsicht

Viele der von Gatekeepern nach dem Entwurf des DMA einzuhaltenden Verpflichtungen betreffen Maßnahmen konkreter Unternehmen, welche die Kommission im Rahmen von Kartellverfahren in der Vergangenheit bereits aufgegriffen hat; teilweise dauern diese Verfahren auch noch an.23 Die Reihe der Namen von Unternehmen, die “Pate” für einige der Verpflichtungen gestanden haben dürften,24 ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass der DMA als Gesetz zur Aufrechterhaltung der Bestreitbarkeit digitaler Märkte und damit zur Regulierung großer Plattformunternehmen (der sog. GAFA-Unternehmen)25 konzipiert wurde. So dürfte das Verfahren gegen Google Shopping26 jedenfalls eines der Beispiele für eine zukünftig verbotene Selbst-ZHR 186 (2022) S. 325 (331)bevorzugung von mit dem Gatekeeper verbundenen Diensten/Unternehmen (Art. 6 Abs. 1 lit. d) DMA-EP) darstellen. Die Verpflichtung zur Interoperabilität mit den vom Gatekeeper genutzten Systemen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DMA-EP) scheint an das Verfahren angelehnt zu sein, in dem die Kommission u.a. untersucht, ob Apple Pay hinreichenden Zugang zur Schnittstelle für kontaktloses Bezahlen (NFC-Schnittstelle) auf mobilen Apple-Geräten gewährt.27

Hieran wird deutlich, dass der DMA Verhaltensweisen ex-ante und insbesondere ohne Möglichkeit zur Rechtfertigung durch die Gatekeeper verbieten soll, die bisher mit den Mitteln der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht gelöst werden mussten. Diese Verfahren waren aus Sicht der Kartellbehörden jedenfalls vorläufig keineswegs immer erfolglos.28 Die vordringliche Zielsetzung des unmittelbar geltenden Verbots eines entsprechenden Verhaltens scheint also weniger die Ungeeignetheit der kartellrechtlichen Normen (insbes. Art. 102 AEUV) zu sein, solche Verhaltensweisen zu erfassen bzw. sogar zu verbieten. Das Problem liegt offenbar eher in der Verfahrensdauer. Diese beruht wiederum in erster Linie darauf, dass die Kommission bei Anwendung von Art. 102 AEUV umfangreiche Ermittlungen nicht nur zur Feststellung der Marktposition der relevanten Plattformdienste durchführen muss, sondern eben auch zur Auswirkung der Verhaltensweisen auf die relevanten Märkte. Denn ohne die Abgrenzung der relevanten Märkte und Feststellung schädlicher Auswirkungen lässt sich ein Verhalten marktbeherrschender Unternehmen nach kartellrechtlichen Maßstäben nicht als missbräuchlich qualifizieren.29 Zwar gelten bestimmte Verhaltensweisen in der Hand marktbeherrschender Unternehmen nach der Rechtsprechung in der Regel als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (wie etwa die Anwendung von Treuerabatten). Kann das betroffene Unternehmen anhand von Beweismitteln allerdings geltend machen, dass das beanstandete Verhalten nicht geeignet ist, den Wett-ZHR 186 (2022) S. 325 (332)bewerb zu beschränken und Konkurrenten zu verdrängen, muss die Kommission diesen Vortrag und die tatsächlichen Auswirkungen des vermeintlich missbräuchlichen Verhaltens auf den Markt prüfen.30

3. Fehlende Rechtfertigungsmöglichkeit

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz des DMA-EP beachtlich, bestimmte Verhaltensweisen pauschal zu verbieten, ohne den von den Verboten betroffenen Unternehmen zu ermöglichen, ihr Verhalten zu rechtfertigen oder damit ggf. verbundene Effizienzen nachzuweisen. In der rechtswissenschaftlichen und ökonomischen Wissenschaft ist nach der Veröffentlichung des ersten Entwurfs des DMA verschiedentlich vorgeschlagen worden, zumindest für bestimmte Verhaltensweisen (“graue Liste”) eine Rechtfertigungsmöglichkeit vorzusehen, deren Schädlichkeit für die Bestreitbarkeit von Märkten sich noch nicht sicher feststellen lässt oder mit denen aus ökonomischer Sicht Effizienzen verbunden sein könnten. Andere – leichter als stets schädlich einzuordnende – Verhaltensweisen (“schwarze Liste”) hätten danach per se und ohne Rechtfertigungsmöglichkeit verboten werden können.31 Diesen Vorschlägen ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Vielmehr sieht auch der im Mai 2022 veröffentlichte Entwurf des Kompromisses für den finalen Text des DMA keinerlei Rechtfertigungsmöglichkeit für die Gatekeeper vor.

Anders als bei der Qualifizierung eines Unternehmens als Gatekeeper nach Art. 3 DMA-EP sind die Verbote und Verhaltenspflichten in Art. 5, Art. 6 und Art. 7 DMA-PF auch nicht etwa “nur” als widerlegbare Vermutungen ausgestaltet. Ausnahmen von den Verpflichtungen lässt die Verordnung nur sehr begrenzt zu: Zum einen in Art. 8 DMA-EP für den Fall, dass konkrete Verpflichtungen die Rentabilität der Geschäftstätigkeit des Gatekeepers in der Union aufgrund außergewöhnlicher und außerhalb seiner Einflusssphäre liegender Umstände gefährden würden. Zum anderen nach Art. 9 DMA-EP ebenfalls unter “außergewöhnlichen Umständen”32, wenn eine Befreiung vonZHR 186 (2022) S. 325 (333) den Verpflichtungen zur Wahrung anderer als der vom DMA verfolgter Interessen (öffentliche Sittlichkeit, öffentliche Gesundheit, öffentliche Sicherheit) gerechtfertigt ist. Im Rahmen des bereits angesprochenen “Regulierungsdialoges” mit der Kommission nach Art. 7 DMA-EP dürfte es dem Gatekeeper zwar möglich sein, der Kommission darzulegen, aus welchen Gründen die von ihm ergriffenen Maßnahmen ausreichend und die in Art. 6 DMA-EP geregelten Verpflichtungen im Einzelfall nicht angemessen sind, um die Ziele des DMA zu erreichen. Auch Art. 7 DMA-EP enthält jedoch keine Verpflichtung der Kommission, die Notwendigkeit einer im DMA vorgesehenen Verpflichtung im Einzelfall zu prüfen. Erst Recht kann die Kommission die Vor- und Nachteile der geregelten Verpflichtungen für die Nutzer der vom Gatekeeper angebotenen Plattformdienste nicht miteinander abwägen. Deswegen lässt sich der Regulierungsdialog nicht mit der Feststellung schädlicher Auswirkungen oder der Rechtfertigung bestimmter Verhaltensweisen vergleichen, die nach kartellrechtlichen Maßstäben einen Missbrauch ausschließen.33

(Sehr) vereinfacht könnte man zusammenfassen, dass die Kommission (und ihr folgend der europäische Gesetzgeber) mit dem DMA jedenfalls auch verschiedene konkrete Verhaltensweisen aktueller Online-Plattformen zu verbieten beabsichtigt, deren Untersagung nach Art. 102 AEUV zu zeitaufwändig erscheint. So verständlich dieser Ansatz vor dem Hintergrund sich rasant entwickelnder digitaler Geschäftsmodelle ist, so fragwürdig ist der nachhaltige Erfolg eines Gesetzes, das ex ante konkrete Verhaltensweisen verbietet, die bereits ex post in “echten” Missbrauchsfällen aufgegriffen wurden. Dies gilt umso mehr, als vorstellbar ist, dass diese konkreten Verhaltensweisen in einigen Jahren gar nicht mehr geeignet sein könnten, um den Marktzugang anderer Unternehmen (und damit die Bestreitbarkeit von Märkten) zu behindern. Gleichzeitig wären zukünftig gegebenenfalls relevante Verhaltensweisen nicht verboten und müssten erst in einem vergleichsweise aufwändigen Verfahren34ZHR 186 (2022) S. 325 (334) in den Katalog der Verpflichtungen des DMA aufgenommen werden.35 Das Fehlen jeglicher Möglichkeiten für Gatekeeper, ihr Verhalten im Einzelfall zu rechtfertigen, erscheint ebenfalls problematisch, solange nicht feststeht, dass das vom DMA erfasste Verhalten stets und für sämtliche Gatekeeper ausschließlich nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb bzw. die Bestreitbarkeit von Märkten entfaltet.36

IV. Bedeutung von Unternehmenszusammenschlüssen

Der DMA sieht neben den Verboten und Verpflichtungen in Art. 5 bis Art. 7 DMA-PF eine weitere Verpflichtung von Gatekeepern vor, die auf den ersten Blick relativ wenig mit dem Ziel des DMA zu tun zu haben scheint, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor aufrechtzuerhalten: Gatekeeper müssen die Kommission nach Art. 12 DMA-EP über geplante Zusammenschlüsse im Sinne von Art. 3 FKVO unterrichten. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob die Zusammenschlüsse nach europäischem oder nationalem Recht eine Anmeldepflicht auslösen und daher überhaupt von einer Wettbewerbsbehörde zu prüfen sind. Die Kommission soll im nächsten Schritt die nationalen Wettbewerbsbehörden über die ihr mitgeteilten beabsichtigen Zusammenschlüsse unterrichten und jährlich eine entsprechende Liste veröffentlichen.

Allerdings ist die Unterrichtungspflicht über beabsichtigte Zusammenschlüsse nicht mit besonderen Eingriffsbefugnissen der Kommission verbunden. Der Kommission wird durch das DMA also nicht etwa eine zusätzliche Möglichkeit an die Hand gegeben, Zusammenschlüsse zu prüfen, welche die Umsatz-Schwellenwerte der FKVO oder die mitgliedstaatlichen Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht nicht erfüllen. Bevorstehende Zusammenschlüsse von Gatekeepern dürften in der Praxis auch bei der Entscheidung über die Qualifizierung eines Plattformdienstes als Gatekeeper nach Art. 3 Abs. 6 DMA kaum eine Rolle spielen. Denn wenn ein Plattformdienst noch nicht als Gatekeeper benannt wurde, trifft ihn nach Art. 12 DMA-EP auchZHR 186 (2022) S. 325 (335) keine Pflicht zur Unterrichtung der Kommission über geplante Zusammenschlüsse.

Die den Gatekeepern obliegende Unterrichtungspflicht dürfte daher in erster Linie dazu dienen, der Kommission die Gelegenheit zu geben, Mitgliedstaaten aufzufordern, einen nicht anmeldebedürftigen Zusammenschluss nach Art. 22 FKVO an die Kommission zu verweisen.37 Dies ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 5 DMA-PF in der Entwurfsfassung des Kompromiss-Textes vom Mai 2022. Dort wird ausdrücklich festgelegt, die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden könnten die von der Kommission erhaltenen Informationen nutzen, um diese nach Art. 22 FKVO um Prüfung eines (nicht anmeldepflichtigen) Zusammenschlusses zu bitten. Diese Formulierung fügt sich in die – allerdings umstrittene38 – Strategie der Kommission, in Zukunft in Abkehr von ihrer früheren Praxis auch Transaktionen über das Verweisungsregime des Art. 22 FKVO zu überprüfen, die die nationalen Voraussetzungen einer Anmeldepflicht gerade nicht erfüllen.39 Hier zeigt sich jedenfalls, dass die vermeintlich neben dem Kartellrecht stehende Regulierung nach dem DMA eben doch kartellrechtliche Maßstäbe anwendet, wenn der DMA genutzt wird, um Informationen über die marktstrukturellen Wirkungen einer geplanten Transaktion zu erhalten.40

Noch deutlicher wird der Wettbewerbsbezug, wenn nach dem Entwurf des Kompromiss-Textes des DMA vom Mai 2022 (Art. 18 Abs. 2 DMA-PF) die Kommission ermächtigt werden soll, dem Gatekeeper die Durchführung von Zusammenschlüssen im Sinne von Art. 3 FKVO für einen befristeten Zeitraum zu untersagen, wenn der Gatekeeper die in Art. 5, Art. 6 und Art. 7 DMA-PF geregelten Verpflichtungen systematisch nicht eingehalten hat. Die Untersagung zukünftiger Zusammenschlüsse soll danach zwar nur die Akquisition solcher Dienste oder Datensammlungen betreffen, bei denen der Gatekeeper systematisch gegen die Regeln des DMA verstoßen hat. Zudem soll ein systematischer Verstoß erst vorliegen, wenn die Kommission innerhalb von acht Jahren mindestens drei Entscheidungen über die Nichteinhaltung derZHR 186 (2022) S. 325 (336) Verpflichtungen im Sinne von Art. 25 DMA-EP erlassen hat (Art. 16 Abs. 3 DMA-EP). Dennoch ist die Untersagung geplanter Zusammenschlüsse eine Maßnahme, die bislang mit dem Schutz von Marktstrukturen und damit mit dem Wettbewerbsschutz begründet wurde und nicht etwa mit der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten im Binnenmarkt nach Art. 114 AEUV, auf die der DMA-E gestützt wird.41

V. Verhältnis zum nationalen Recht

Ungeklärt und bereits vor dem Inkrafttreten des DMA rege diskutiert wird ferner die Frage, ob und welchen Anwendungsbereich die erst im Januar 2021 mit der 10. GWB-Novelle in das deutsche GWB aufgenommene Eingriffsnorm des § 19a GWB nach Inkrafttreten des DMA noch haben kann.42 § 19a GWB adressiert nach der Gesetzesbegründung die Gefährdungen des Wettbewerbs “im Bereich digitaler Ökosysteme, in denen einzelne Unternehmen eine sog. Gatekeeper-Funktion einnehmen”.43 Zu diesem Zweck wurde ein (neues) System geschaffen, aufgrund dessen das Bundeskartellamt in einer förmlichen Entscheidung feststellen kann, dass einem auf digitalen Märkten tätigen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. In einem zweiten Schritt kann das Bundeskartellamt dem Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb dann bestimmte im Gesetz abschließend geregelte Verhaltensweisen untersagen.

§ 19a GWB und der Entwurf des DMA haben also ein vergleichbares Regelungsziel und adressieren ähnliche Verhaltensweisen von Plattformdiensten.44 Die Verpflichtungen des DMA-EP gelten indes unmittelbar, während § 19a GWB kein gesetzliches Verbot regelt, sondern lediglich eine Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt ermöglicht. Der DMA regelt das Verhältnis zum nationalen Recht und zum europäischen Kartellrecht in Art. 1. NachZHR 186 (2022) S. 325 (337) Art. 1 Abs. 5 DMA-EP dürfen nationale Rechtsvorschriften Gatekeepern keine weiteren Verpflichtungen auferlegen, um bestreitbare und faire Märkte zu gewährleisten. Hiervon nimmt Art. 1 Abs. 6 DMA-EP wiederum das europäische Kartellrecht nach Art. 101 und Art. 102 AEUV aus. Auch nationale Kartellrechtsvorschriften sollen anwendbar bleiben, soweit sie auf andere Unternehmen als Gatekeeper anwendbar sind oder Gatekeepern zusätzliche (also über den DMA hinausgehende) Verpflichtungen auferlegt werden.

Im Ergebnis dürfte § 19a GWB also anwendbar bleiben und die hierzu vom deutschen Bundeskartellamt bereits eingeleiteten Verfahren45 auch nach Inkrafttreten des DMA noch einen gewissen (wenn auch in jedem Fall eingeschränkten)46 Regelungsgehalt haben, wenn § 19a GWB als nationale Wettbewerbsvorschrift zu qualifizieren ist. Handelt es sich bei § 19a GWB dagegen um eine Norm, mit der “faire und bestreitbare Märkte” gesichert werden sollen, wäre der Anwendungsvorrang des DMA zu beachten und § 19a GWB hätte allenfalls noch sehr beschränkte Bedeutung.

Die Antwort auf diese Frage kann hier nicht näher analysiert werden. Sie zeigt aber, dass die durchaus fragwürdige Einordnung des DMA als reine Regulierungsmaterie außerhalb des Kartellrechts nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Anwendungspraxis der Kartellbehörden und damit – überspitzt formuliert – auf die Sicherung bestreitbarer Märkte hat, die von digitalen Plattformen bedient und ggf. monopolisiert werden.

VI. Fazit

Der Entwurf des DMA enthält keine spektakulären Kompetenzen für die Kommission wie die immer wieder beschworene47 Zerschlagung von großen Unternehmensgruppen der Digitalwirtschaft. Allerdings soll die Kommission im Fall eines systematischen Verstoßes gegen die Kern-Verpflichtungen des DMA nach Art. 16 Abs. 2 DMA-EP ermächtigt sein, auch strukturelle Maßnahmen zu erlassen.48 Der regulatorische Ansatz des geplanten Gesetzes mitZHR 186 (2022) S. 325 (338) einer Fülle ausführlicher, unmittelbar wirkender und keiner Rechtfertigung zugänglicher Verbote und Verpflichtungen zulasten von Online-Plattformen stellt jedenfalls eine ganz neue Methode dar, um den Wettbewerb auf digitalen Plattformmärkten aufrecht zu erhalten – eine Aufgabe, die man bisher dem Kartellrecht zugeschrieben hätte und die nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers nun außerhalb des Kartellrechts gelöst werden soll.

Kathrin Westermann

1

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor.

2

Vgl. Pressemeldung, abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/03/25/council-and-european-parliament-reach-agreement-on -the-digital-markets-act/.

3

Abrufbar unter consilium.europa.eu/media/56086/st08722-xx22.pdf. Diese Version wird hier als DMA-PF bezeichnet.

4

Abrufbar unter europarl.europa.eu/news/de/press-room/20220516/IPR29641/digital-markets-act-ep-committee-endorses-agreement-with-council.

5

Abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020PC0842&from=de.

6

Vgl. nur Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29 ff.; Schweitzer, ZeuP 2021, 503 ff.; Körber, NZKart 2021, 379 ff. und NZKart 2021, 436 ff.; Podszun/Bongartz/Langenstein, EuCML 2021, 60 ff.; Polley/Konrad, WuW 2021, 198 ff.; Gielen/Uphues, EuZW 2021, 627 ff.; Jovanovic/Greiner, MMR 2021, 678 ff.; Haus/Weusthoff, WuW 2021, 318 ff.; Gerpott, NZKart 2021, 273 ff.; ders., WuW 2021, 481 ff.; Seip/Berberich, GRUR-PRAX 2021, 44 ff.

7

Vgl. Pressemitteilung, abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2021/11/25/what-is-illegal-offline-should-be-illegal-online-council-agrees-on-position-on-the-digital-services-act/.

8

Abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9–2021–0499_DE.html.

9

Vgl. Pressemeldung, abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/03/25/council-and-european-parliament-reach-agreement-on-the-digital-markets-act/.

10

Kritisch zur Wahl der Rechtsgrundlage Basedow, ZEuP 2021, 217, 221; Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 199; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2011, 29, 33, vermuten politische Gründe hinter der Ausklammerung des Wettbewerbsschutzes.

11

Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 32; Jovanovic/Greiner, MMR 2021, 678, 679; Gielen/Uphues, EuZW 2021, 627, 629; Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 199; Gerpott, NZKart 2021, 273, 277.

12

Kritisch zum Verhältnis des DMA zum Wettbewerbsrecht Körber, NZKart 2021, 379, 381.

13

U.a. Online-Vermittlungsdienste, Online-Suchmaschinen, Online-Dienste sozialer Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste oder Cloud-Computing-Dienste.

14

In der Fassung des Kompromiss-Textes vom Mai 2022.

15

Jahresumsatz (EUR 7,5 Mrd.) oder Marktkapitalisierung (EUR 75 Mrd.) des betroffenen Unternehmens innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre, Zahl seiner Endnutzer (45 Mio.) sowie der gewerblichen Nutzer (10.000) sowie Tätigkeit des gleichen Plattformdienstes in mindestens drei verschiedenen Mitgliedstaaten der Union.

16

Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 38.

17

Ebenso Immenga/Mestmäcker/Körber, Wettbewerbsrecht, Bd. 3, 6. Aufl. 2020, Art. 1 FKVO Rdn. 5; MünchKommWettbR/Koch, Bd. 1, 3. Aufl. 2020, Art. 1 FKVO Rdn. 39b, spricht sogar von einem “Versagen” des Umsatzkriteriums für die sachgerechte Ermittlung der wettbewerblichen Bedeutung von Zusammenschlüssen, insbesondere in digitalen Märkten.

18

Haus/Weusthoff, WuW 2021, 318, 320, befürchten deswegen, dass die Qualifizierung als Gatekeeper in Verbindung mit den strengen Verhaltenspflichten des DMA einen “Zwangsjackeneffekt” haben und rein quantitative Kriterien auch “falsch positive” Ergebnisse erzeugen könnten; Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 200, kritisieren die Anknüpfung an Umsätze als wenig überzeugend, da diese auch von verbundenen Unternehmen erzielt werden können.

19

Ähnlich Podszun/Bongartz/Langenstein, EuCML 2021, 60, 64.

20

Cabral/Haucap/Parker/Petropoulos/Valletti/Van Alstyne, The EU Digital Markets Act, A Report from a Panel of Economic Experts, 2021, S. 9, 28; Schweitzer, ZEuP 2021, 503, 523; Gerpott, NZKart 2021, 273, 275.

21

Erwägungsgrund 58 DMA-EP.

22

Ebenso Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 201; Körber, NZKart 2021, 436, 437.

23

Beispielsweise dauert das von der Kommission im Juni 2020 gegen Apple Pay eingeleitete Verfahren zur Prüfung des ausreichenden Zugangs zur Schnittstelle für kontaktloses Bezahlen (NFC-Schnittstelle) derzeit noch an (AT 40452).

24

Eine instruktive Übersicht über die (vermuteten) Kartell-Verfahren, in denen einige der von Art. 5, 6 DMA-EP erfassten Verhaltensweisen beanstandet wurden, findet sich bei Caffara/Morton, The European Commission Digital Markets Act: A Translation, VOX/CEPR, abrufbar unter https://voxeu.org/article/european-commission-digital-markets-act-translation; ähnlich Harta, NZKart 2022, 102, 103.

25

In Anlehnung an die (teilweise früheren) Unternehmensnamen: Google, Amazon, Facebook und Apple.

26

Entscheidung der Europäischen Kommission v. 27. 6. 2017, AT 39740 – Google Search (Shopping); bestätigt vom EuG v. 10. 11. 2021, Rs. T-612/17 (Google Search), NZKart 2021, 684 ff.; über das dagegen beim EuGH anhängige Rechtsmittel (Rs. C-48/22 P) wurde noch nicht entschieden.

27

Vgl. Verfahren der Europäischen Kommission AT 40452; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 43, bezeichnen Art. 6 Abs. 1 lit. f) DMA-E daher auch als “Apple Pay-Klausel”; ähnlich Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 204.

28

Vgl. etwa die Bestätigung der Kommissions-Entscheidung in Sachen Google Shopping durch das EuG v. 10. 11. 2021, Rs. T-612/17 (Google Search), NZKart 2021, 684 ff.; Bestätigung der Untersagungs-Entscheidung des BKartA zur Verwendung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen in Sachen Facebook durch den BGH v. 23. 6. 2020 – KVR 69/19 (Facebook), NZKart 2020, 473 = EuZW 2020, 978.

29

EuGH v. 9. 11. 1983, Rs. C–322/81 (Michelin), Slg. 1983, 3461, Rdn. 37; EuGH v. 17. 2. 2011, Rs. C–52/09 (TeliaSonera), EuZW 2011, 339, 342, Rdn. 64 f.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 74. EL September 2021, Art. 102 Rdn. 33; Wiedemann/Scholz, Hdb. des Kartellrechts, 4. Aufl. 2020, § 22 Rdn. 59 f.; Immenga/Mestmäcker/Fuchs, Wettbewerbsrecht Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rdn. 137; MünchKommWettbR/Wolf, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 Rdn. 31.

30

EuGH v. 6. 10. 2015, Rs. C-23/14 (Post Danmark/Bring Citymail Danmark), NZKart 2015, 476 ff.; EuGH v. 6. 9. 2017, Rs. C-413/14 P (Intel), NZKart 2017, 525, 529; nach der Zurückverweisung durch den EuGH an das EuG hat das EuG im Urteil v. 26. 1. 2022, Rs. T-286/09 (RENV– Intel), NZKart 2022, 68 ff., allerdings sog. “reine Beschränkungen” (engl: naked restrictions) per se als missbräuchlich qualifiziert, ohne dass es einer Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen bedürfe; vgl. zur wettbewerblichen Wirkung von Rabatten aus wettbewerbsökonomischer Sicht Griem, NZKart 2022, 119 ff.

31

Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 53 ff.; Schweitzer, ZeuP 2021, 503, 537; Cabral/Haucap/Parker/Petropoulos/Valletti/Van Alstyne (Fn. 20), S. 10 ff.; Alexandre de Streel u.a., The European Proposal for a Digital Markets Act: A First Assessment, CERRE-Report January 2021, 7, 22, abrufbar unter https://cerre.eu/wp-content/uploads/2021/01/CERRE_Digital-Markets-Act_a-first-assessment_January2021.pdf.

32

Erwägungsgrund 60 DMA-EP; anders als Gerpott (NZKart 2021, 273, 277) andeutet, stellen Art. 8 und Art. 9 DMA-EP daher keine Rechtfertigungsmöglichkeit dar, die mit der in § 19a Abs. 2 S. 2 GWB vorgesehenen Rechtfertigung vergleichbar wäre.

33

Schweitzer, ZEuP 2021, 503, 541, und Körber, NZKart 2021, 436, 439 f., weisen darauf hin, dass Art. 7 DMA-E ein kooperatives Verfahren zwischen Behörde und Gatekeeper zur Festlegung der notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der im DMA geregelten Verpflichtungen vorsieht, die Behörde aber gleichzeitig nicht gehindert ist, Maßnahmen gegen den Gatekeeper zu ergreifen. Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 43, vergleichen das Verfahren nach Art. 7 DMA mit einem Anhörungserfordernis i.S.d. § 28 VwVfG. Die Natur des Regulierungsdialoges bleibt jedenfalls unklar.

34

Art. 10 DMA-EP sieht die Befugnis der Kommission vor, nach Durchführung einer Marktuntersuchung die in Art. 5, Art. 6 und Art. 6a geregelten Verpflichtungen zu ergänzen, wenn die Marktuntersuchung ergeben hat, dass neue Verpflichtungen erforderlich sind, um die Ziele der in Art. 5–Art. 6a DMA geregelten Verpflichtungen zu erreichen. Allerdings muss die Kommission zu diesem Zweck nach Art. 37 DMA-EP einen delegierten Rechtsakt im Sinne von Art. 290 AEUV erlassen. Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 49 ff., rücken diese Befugnis der Kommission in die Nähe des “New Competition Tool”, zu dem die Kommission im Sommer und Herbst 2020 eine öffentliche Konsultation durchgeführt hat, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=PI_COM%3AAres(2020)2877634. Dieses – in der Konsultationsphase keineswegs klar konturierte – New Competition Tool ist allerdings mit dem DMA nicht gleichzusetzen.

35

Kritisch zu einem auf in der Vergangenheit liegende Fälle aufsetzenden und damit rückwärtsgewandten Ansatz auch Podszun/Bongartz/Langenstein, EuCML 2021, 60, 65; ähnlich Körber, NZKart 2021, 436, 437.

36

Ebenso kritisch zum Fehlen von Rechtfertigungsmöglichkeiten im DMA Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 53 ff.; Schweitzer, ZeuP 2021, 503, 537; Körber, NZKart 2021, 436, 439; Haus/Weusthoff, WuW 2021, 318, 323; Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 205, die ein “Over-Enforcement” befürchten.

37

So auch bereits Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 46 f., die vermuten, die über Transaktionen gewonnenen Informationen könnten dazu dienen, die (Umsatz-Schwellenwerte der) FKVO an die Gegebenheiten der Digitalwirtschaft anzupassen; ähnlich Seip/Berberich, GRUR-Prax 2021, 44, 46.

38

Zu der von der Kommission propagierten neuen Auslegung des Art. 22 FKVO kritisch von Schreitter/Urban, NZKart 2020, 637 ff.; Schmidt/Steinvorth, BB 2021, 1666; Neideck, NZKart 2021, 263 ff.; zu den Details des Verweisungsregimes des Art. 22 FKVO Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann/Westermann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 22 FKVO Rdn. 4.

39

Vgl. Leitfaden zur Anwendung des Verweisungssystems nach Art. 22 der Fusionskontrollverordnung auf bestimmte Kategorien von Vorhaben v. 26. 3. 2021, ABl. EU, Nr. C 113, S. 1 vom 31. 3. 2021.

40

Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 46, bezeichnen die Verpflichtung der Gatekeeper zur Unterrichtung über geplante Zusammenschlüsse daher als Fremdkörper im DMA-E.

41

Ebenso Schweitzer, ZEuP 2021, 503, 543; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 46; Gielen/Uphues, EuZW 2021, 627, 631; zur wettbewerblichen Ausrichtung der europäischen Fusionskontrolle vgl. etwa Immenga/Mestmäcker/Körber (Fn. 17), Einleitung FKVO Rdn. 30 ff.; MünchKommWettbR/Koch (Fn. 17), Grundlagen FKVO Rdn. 72 ff.

42

Vgl. hierzu Grünwald, NZKart 2021, 496 ff.; Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/ders., Stand: 100. Lieferung 2021.11, § 19a GWB Rdn. 23 f. und Rdn. 29 ff.; Bongartz, WuW 2022, 72 ff.; Haus/Weusthoff, WuW 2021, 318, 324; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 56 ff.; Zober, NZKart 2021, 611, 615; ausführl. auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages (Unterabteilung Europa) v. 7. 1. 2022, Az.: WD 7–3000–114/21 PE 6 – 3000 – 067/21, abrufbar unter WD-7–114–21–PE-6–067–21–pdf-data.pdf (bundestag.de).

43

Regierungsbegründung zum GWB-Digitalisierungsgesetz v. 19. 10. 2020, BT-Drs. 19/23492, S. 73.

44

Bongartz, WuW 2022, 72, 73; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 56 f.; Körber in: Bien/Käseberg/Klumpe/Körber/Ost, Die 10. GWB-Novelle, 2021, 1. Kapitel Rdn. 4.

45

Das Bundeskartellamt hat bisher gegen vier Unternehmen Verfahren nach § 19a GWB eingeleitet: Facebook (Pressemitteilungen v. 28. 1. 2021), Amazon (Pressemitteilung v. 18. 5. 2021), Apple (Pressemitteilung v. 21. 6. 2021). Für Google hat es mit Entscheidung vom 30. 12. 2021 (B7–61/21) das Bestehen einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb festgestellt.

46

Grünwald, NZKart 2021, 496 ff., weist zu Recht darauf hin, dass auch bei Qualifizierung von § 19a GWB als kartellrechtliche Norm der Anwendungsvorrang des DMA nur Maßnahmen des Bundeskartellamtes zuließe, die über die Verbote der Art. 5 und 6 DMA-EP hinausgehen.

47

Vgl. etwa Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20. 9. 2020, “EU will Regel für Zerschlagung von Internetriesen”; der Artikel stellt eine solche Zerschlagung allerdings als Instrument des Digital Services Act in Aussicht.

48

Im DMA-EP war in Erwägungsgrund 64 noch ausdrücklich vorgesehen, dass die Kommission im Fall eines systematischen Verstoßes gegen die Kern-Verpflichtungen des DMA nach Art. 16 ermächtigt sein sollte, auch verhältnismäßige strukturelle Maßnahmen wie die rechtliche oder funktionelle Trennung oder sogar die Pflicht zur Veräußerung von Geschäftsbereichen anzuordnen. Diese Möglichkeit wird in den Erwägungsgründen in der Entwurfsfassung des Kompromiss-Textes vom Mai 2022 (DMA-PF) nicht mehr erwähnt; strukturelle Abhilfemaßnahmen sieht indes auch Art. 18 DMA-PF vor.

 
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