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ZHR 187 (2023), 429-437
Grüneberg 

AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr

Die Frage nach einer Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr und nach ihrer Zurückdrängung ist zumindest so alt wie das AGB-Gesetz vom 9. 12. 1976, in dem in Deutschland erstmals das AGB-Recht kodifiziert wurde.1 Im damaligen Regierungsentwurf heißt es hierzu schlicht, dass die Vorschriften des Entwurfs Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben seien und es deshalb nicht möglich sei, Handelsgeschäfte von Kaufleuten vom Anwendungsbereich schlechthin auszunehmen, auch wenn insoweit das Schutzbedürfnis des AGB-unterworfenen Vertragsteils regelmäßig nicht so ausgeprägt sei wie in den Rechtsbeziehungen zu Verbrauchern. Unter Hinweis auf “die Rechtssicherheit im gewerblichen Geschäftsverkehr” hat der Gesetzentwurf auch eine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Minderkaufleuten abgelehnt.2

Die Gesetzesbegründung fußt auf den Maßgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr, die bereits vom Reichsgericht entwickelt und vom BGH in einer Fülle von Entscheidungen fortgeschrieben worden sind.3 Die Aussagen des BGH zum Schutzzweck der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr unterscheiden sich zwar in der Formulierung, nicht aber in der Sache. Der Schutzzweck der richterlichen Inhaltskontrolle besteht danach auch im unternehmerischen Verkehr darin, der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender – so etwa der XI. Zivilsenat des BGH in einem Urteil zur Zulässigkeit eines Bearbeitungsentgelts in Unternehmerdarlehen – dann “entgegenzuwirken, wenn die Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit in nicht zu billigender Weise verletzt sind”.4

Auf dieser Grundlage gelangt der BGH zu differenzierten Lösungen, indem er jeweils prüft, ob für einen bestimmten Wirtschaftszweig besondere im Han-ZHR 187 (2023) S. 429 (430)delsverkehr geltende Gewohnheiten und Gebräuche bestehen, die nach § 310 Abs. 1 S. 2 BGB zu berücksichtigen sind, oder ob dies nicht der Fall ist. Dazu drei Beispiele:

  • In dem bereits erwähnten Urteil des XI. Zivilsenats zur Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten in Unternehmerdarlehen ist der Senat dezidiert der Frage nachgegangen, ob ein Unternehmer weniger schutzwürdig ist als ein Verbraucher oder ob zwischen verschiedenen Gruppen von Unternehmern zu unterscheiden sei.5 Beides wurde vom Senat in Bezug auf Kreditverträge verneint. Dies hat der Senat damit begründet, dass die wirtschaftliche Situation von Unternehmen, deren Geschäftserfolg von der Darlehensgewährung abhängt, durchaus ein höheres Maß von Abhängigkeit von dem Kreditinstitut aufweisen kann, als das bei Verbrauchern der Fall ist, die um einen Immobiliarkredit zum Zwecke der Errichtung eines Eigenheims oder gar nur um einen Konsumentenkredit nachsuchen. Insoweit sind Unternehmer sogar von ihren “Hausbanken” abhängiger als Verbraucher, wenn die Unternehmen ihren “Hausbanken” bereits im Rahmen von laufenden Krediten die werthaltigen Sicherheiten eingeräumt haben und sie damit für andere Banken als Kunden gar nicht mehr interessant sind. Für eine Differenzierung nach einzelnen Wirtschaftszweigen, bei denen das nicht der Fall ist, hat der Senat keine Anhaltspunkte gesehen.

  • Anders ist dies dagegen nach der Rechtsprechung des BGH – so etwa der I., VIII. und zuletzt der VII. Zivilsenat – z.B. bei der Zulässigkeit von Schadenspauschalierungen. In Verbraucherverträgen halten diese einer Inhaltskontrolle nur stand, wenn sie die Voraussetzungen des § 309 Nr. 5 BGB erfüllen. Danach bedarf es u.a. des ausdrücklichen Hinweises, dass der Verbraucher nachweisen kann, dass kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist. Im unternehmerischen Verkehr bedarf es eines solchen Hinweises dagegen nicht, weil insoweit zu erwarten ist, dass ein Unternehmer dies weiß. Die Nachweismöglichkeit darf bloß nicht ausgeschlossen sein.6

  • Schließlich sei noch auf die Rechtsprechung insbesondere des VIII. Zivilsenats zur Zulässigkeit von sog. Selbstbelieferungsvorbehalten im unternehmerischen Verkehr hingewiesen. Bei Verbraucherverträgen müssen solche einseitigen Lösungsrechte vom Vertrag § 308 Nr. 3 BGB standhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dagegen im unternehmerischen Rechtsverkehr ein Rücktrittsrecht in größerem Umfang zulässig. Zwar muss auch dort ein vertraglich ausbedungenes Lösungsrecht vom Vertrag auf einen sachlich gerechtfertigten Grund abstellen.7 Die an die Wirksamkeit eines Lösungsvorbehalts gestellten Anforderungen richten sich aber nach der Handelsüblichkeit der Vereinbarung im Geschäftsverkehr, bezogen auf dieZHR 187 (2023) S. 429 (431) speziellen Eigenheiten der Branche und den sich daraus ergebende Sitten und Grenzen.8

Die bisherige Reformdiskussion hat zahlreiche Vorschläge aus Wirtschaft und Wissenschaft hervorgebracht, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden sollen.9 In der Sache geht es den Reformvorschlägen bei der Zurückdrängung der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Bereich (“b2b-Verträge”) vor allem um die Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen und Beweislastklauseln, aber auch um den gänzlichen Ausschluss der AGB-Kontrolle. Die Reformvorschläge beinhalten unterschiedliche Ansatzpunkte für ein gesetzgeberisches Handeln. Ein Vorschlag fordert eine Absenkung der Anforderungen an das Vorliegen einer Individualvereinbarung im unternehmerischen Verkehr durch eine Änderung des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, wobei innerhalb dieser Gruppe allerdings ein weites Spektrum an Vorschlägen besteht.10 Ein zweiter Vorschlag setzt am Gegenstandswert der Transaktion an. Überschreitet das Volumen eines Geschäfts eine bestimmte Schwelle (vorgeschlagen wurden hier Beträge zwischen 100.000 € und 1 Mio. €), sollen die diesem Geschäft zugrundeliegenden Vertragsbedingungen von der AGB-Kontrolle ausgenommen sein.11 Ein anderer Vorschlag – der im November 2022 von der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer aufgegriffen worden ist12 und einem (im weiteren Verlauf der 19. Legislaturperiode nicht verwirklichten) Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag 2018 der letzten Regierung Merkel entspricht13 – möchte als Differenzierungskriterium nicht das Vertragsvolumen, sondern die Unternehmensgröße heranziehen, indem kleine und mittlere Unternehmen den AGB-Schutz jedenfalls gegenüber größeren Unternehmen genießen sollten.14 Teilweise soll ein AGB-SchutzZHR 187 (2023) S. 429 (432) auch nur Kleinstunternehmen zugebilligt werden, die die Merkmale für Kleinstkapitalgesellschaften i.S.d. § 267a HGB erfüllen.15 Schließlich befürwortet ein weiterer Vorschlag eine Modifikation des Gesetzeswortlauts des § 310 Abs. 1 BGB in Bezug auf den Kontrollmaßstab des § 307 BGB, der deutlich macht, dass bei der Klauselkontrolle auf die Bedürfnisse des unternehmerischen Verkehrs angemessen Rücksicht zu nehmen ist.16 Das entspricht einem Anliegen des Bundesrates aus dem Jahr 2001 im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, das allerdings damals vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden ist.17 Nicht zu Unrecht hat deshalb einer der großen Kenner des AGB-Rechts zu den Reformvorschlägen angemerkt, dass zahlreiche Argumente, die hierbei mit Nachdruck vorgebracht werden, – bildlich gesprochen – “Großväter” besitzen.18

Bei der Darstellung der Reformvorschläge gerät allerdings manchmal zu kurz, dass “die Wirtschaft” keineswegs einhellig für eine solche Reform eintritt. Ganz im Gegenteil gibt es auch Gegenstimmen, die sogar für eine Verstärkung des AGB-Schutzes zugunsten von Unternehmen werben. Als Beispiel sei etwa die Stellungnahme des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zum Gesetzentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts aus dem Jahr 2016 erwähnt. Der Verband hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich “Handwerker und andere kleine marktschwache Vertragspartner” Haftungs- und Gewährleistungsausschlüssen ausgesetzt sehen, die in Verbraucherverträgen einer Kontrolle nach § 309 Nr. 8b BGB nicht standhalten würden. Zu deren Schutz sei es daher erforderlich, das konkrete Klauselverbot des § 309 Nr. 8b BGB in § 310 Abs. 1 BGB aufzunehmen, um auch Ansprüche von Unternehmen einem ausdrücklichen gesetzlichen AGB-Schutz zu unterstellen.19

In der Gesamtschau ergibt sich also ein recht buntes Bild. Dieses erhält weitere Farbtupfer, wenn man den Blick auf das Recht der Europäischen UnionZHR 187 (2023) S. 429 (433) weitet, das sich in den letzten Jahren vermehrt der Frage der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr gewidmet und dabei recht facettenreiche Lösungen entwickelt hat, die teilweise den Regelungen der §§ 305 ff. BGB vergleichbar sind, teilweise aber auch einzelnen Reformvorschlägen, wie sie oben dargestellt worden sind, entsprechen. In diesem Zusammenhang nur am Rande von Interesse, aber der Vollständigkeit halber erwähnenswert sind solche Regelungen des Unionsrechts, die bestimmte Inhalte vertraglicher Vereinbarungen generell verbieten und bei denen es sich – bei Richtlinienrecht nach ihrer Umsetzung in nationales Recht – um gesetzliche Verbote i.S.d. § 134 BGB handelt, die für Allgemeine Geschäftsbedingungen und Individualvereinbarungen gleichermaßen gelten. Zu nennen ist hier etwa § 271a BGB, der im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern sowie zwischen Unternehmern und öffentlichen Auftraggebern gilt und Vereinbarungen über Zahlungs-, Überprüfungs- und Abnahmefristen für unwirksam erklärt, wenn die vereinbarte Frist 60 Tage, bei öffentlichen Auftraggebern sogar nur 30 Tage überschreitet. Ferner ist insoweit auf die zum 1. 1. 2022 neu eingefügten bzw. geänderten Vorschriften der § 327u Abs. 4, § 478 Abs. 2 BGB hinzuweisen, die Rückgriffsansprüche innerhalb von Lieferketten bei Verträgen über digitale Produkte und bei Kaufverträgen betreffen und hierbei im Vorhinein getroffene abweichende Vereinbarungen in b2b-Verträgen zu Haftungsvoraussetzungen und Haftungsbeschränkungen nicht für zulässig erachten (sondern erst nach Geltendmachung des Anspruchs bzw. Mitteilung des Mangels), wodurch bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schutz des § 307 BGB im unternehmerischen Verkehr erweitert worden ist.

Interessanter ist aber ein Blick auf das Unionsrecht, dass gezielt Allgemeine Geschäftsbedingungen regelt. Hierzu drei Beispiele, die drei unterschiedliche Lösungen aufweisen:

Als erstes ist die sog. Geoblocking-Verordnung vom 28. 2. 2018 zu erwähnen.20 Die Verordnung regelt das ungerechtfertigte Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des (End-)Kunden innerhalb des europäischen Binnenmarkts. Sie soll verhindern, dass Online-Zugänge bzw. Online-Inhalte nur aufgrund der genannten Diskriminierungsmerkmale gesperrt werden, um bestimmte vertragliche Regelungen etwa nur mit Kunden in Deutschland treffen zu können, nicht aber mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten oder umgekehrt. Weitere Einzelheiten interessieren hier nicht. DieZHR 187 (2023) S. 429 (434) Verordnung enthält u.a. Vorgaben für die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im b2b-Bereich.

Art. 2 Nr. 14 der Verordnung enthält eine Definition für “allgemeine Geschäftsbedingungen für den Zugang”. Dies sind alle Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen, die für den Zugang von Kunden zu Waren oder Dienstleistungen gelten, die von einem Anbieter zum Kauf angeboten werden, die von oder im Namen des Anbieters für die breite Öffentlichkeit festgelegt, angewendet und zugänglich gemacht werden und die Anwendung finden, sofern im Einzelnen keine Vereinbarung zwischen dem Anbieter und dem Kunden ausgehandelt wurde. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung gilt diese Definition für private und gewerbliche Kunden gleichermaßen.

Mit dem Begriff des Aushandelns übernimmt die Verordnung damit die entsprechende Formulierung aus Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, wonach eine Vertragsklausel keine Allgemeine Geschäftsbedingung ist, wenn sie “im einzelnen ausgehandelt” wurde.21 Dies ist einerseits konsequent, weil die Verordnung auch für Verträge mit Verbrauchern gilt. Insoweit werden also Verbraucherverträge und b2b-Verträge gleichgestellt. Andererseits hat der europäische Gesetzgeber für eine Differenzierung auch keinen Anlass gesehen. Zur Begründung verweist Erwägungsgrund 16 schlicht darauf, dass sich “Verbraucher und Unternehmen, insbesondere Kleinstunternehmen und KMU, . . . beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Zugang als Endnutzer häufig in einer ähnlichen Lage” befänden.

Als zweites sind die AGB-rechtlichen Regelungen des sog. Data Act zu erwähnen, der sich allerdings noch im Gesetzgebungsverfahren befindet. Hier findet sich für die AGB-Kontrolle eine Differenzierung nach der Unternehmensgröße. Der Verordnungsvorschlag ist Bestandteil der Vorschläge der Kommission zur EU-Datenregulierung. Er regelt das Verhältnis zwischen Datenproduzenten, Dateninhabern und Dateninteressenten und will u.a. Datenzugangsrechte sowie Regelungen zu Datenverträgen und Cloud-Services normieren.22 Im Hinblick auf das AGB-Recht geht der Data Act davon aus, dass Verbraucher durch die Klauselrichtlinie 93/13/EWG ausreichend geschützt würden und eine Regelung im Data Act damit nicht geboten sei.23 Dagegen statuiert der nicht abdingbare Art. 13 DA Fairness-Vorgaben für Klauseln, die gegenüber Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einseitig gestellt werden, soweit diese nicht den unmittelbaren Leistungsgegenstand oder den Preis betreffen. Der Verordnungsvorschlag enthält keine eigene Definition für die Begriffe der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, sondern verweist insoweit auf dieZHR 187 (2023) S. 429 (435) Empfehlung 2003/361/EG. Danach wären dies Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. €.24

Unangemessen (“unfair”) ist eine Bestimmung nach der Generalklausel des Art. 13 Abs. 2 DA, wenn sie so beschaffen ist, dass ihre Verwendung entgegen Treu und Glauben und redlichem Geschäftsverkehr grob von der guten Geschäftspraxis beim Datenzugang und -nutzung abweicht. Die generalklauselartige Formulierung ähnelt stark derjenigen aus der Gesetzesbegründung zum AGB-Gesetz und könnte auch einem Urteil des BGH entsprungen sein. Art. 13 DA spezifiziert sodann in den Absätzen 3 und 4 bestimmte Fälle absoluter und relativer (vermuteter) Unangemessenheit. Auf Einzelheiten kommt es hier nicht an. Wichtig ist aber, dass Klauseln als missbräuchlich eingestuft werden, wenn sie die Haftung des Klauselverwenders für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ausschließen oder beschränken oder wenn sie die Haftung bei Verletzung bestimmter Verpflichtungen unangemessen einschränken, also insbesondere Fragen des Haftungsausschlusses oder der Haftungsbeschränkung betreffen.

Der Verordnungsvorschlag rechtfertigt ausdrücklich die Einschränkung der Vertragsfreiheit damit, dass Kleinstunternehmen und KMU in der digitalen Wirtschaft nur einer kleinen Zahl sehr großer Unternehmen mit beträchtlicher wirtschaftlicher Macht gegenüberstehen und sich daher in der Regel in einer schwächeren Verhandlungsposition befinden und oft keine andere Wahl haben, als Vertragsbedingungen nach dem Motto “Take it or leave it” zu akzeptieren.25 Hierzu eine Zwischenbemerkung: Dieses Machtungleichgewicht zwischen kleinen und großen Unternehmen ist natürlich nicht auf die digitale Wirtschaft beschränkt. An den Vorschlag des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zur Reform des Bauvertragsrechts sei erinnert.

Einen dritten Weg geht schließlich die sog. P2B-Verordnung, d.h. die Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten.26 Die Verordnung regelt die Vertragsbeziehungen zwischen gewerblichen Nutzern und Betreibern von Online-Plattformen, also ausschließlich b2b-Verträge. In Erwägungsgrund 14 wirdZHR 187 (2023) S. 429 (436) insoweit ausdrücklich ein wirksamer Schutz des gewerblichen Nutzers als Regelungsziel genannt.

Art. 2 Nr. 10 der Verordnung enthält eine Begriffsbestimmung für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese Definition ist eine nähere Betrachtung wert.27 Voraussetzung für die Annahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die einseitige Festlegung durch den Anbieter der Online-Vermittlungsdienste, und zwar unabhängig von ihrer Bezeichnung oder Form. Dies entspricht im Wesentlichen der Regelung in § 305 Abs. 1 BGB, der ein “Stellen” der Vertragsbedingungen erfordert. Maßgeblich hierfür sind nach der Rechtsprechung des BGH die Umstände des Einzelfalls, was letztlich auch zu einer “Gesamtbewertung” führt. Art. 2 Nr. 10 der VO unterscheidet sich von § 305 Abs. 1 BGB aber dadurch, dass er einzelne Merkmale aufführt, die allerdings – dies sei an dieser Stelle bereits hervorgehoben – jeweils für sich gesehen nicht ausschlaggebend sein sollen. Dies gilt für die relative Größe der Vertragsparteien. Dies gilt des Weiteren für den Umstand, dass Verhandlungen stattgefunden haben. Dies stützt die Rechtsprechung des BGH, wonach “Aushandeln” i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB “mehr ist als Verhandeln”. Ein Verhandeln ist demgegenüber nichts anderes als die Beschreibung einer Tätigkeit im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen. Insoweit besteht also mit Art. 2 Nr. 10 der Verordnung Kongruenz.28 Bemerkenswert ist indes, dass auch “die Tatsache, dass einzelne Bestimmungen in diesen Bedingungen möglicherweise Gegenstand von Verhandlungen waren und gemeinsam von dem jeweiligen Anbieter und dem jeweiligen gewerblichen Nutzer festgelegt wurden,” als solches nicht zur Verneinung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt, sondern nur in die Gesamtbewertung einfließen soll. Insoweit ist die Verordnung strenger als das deutsche Recht. Die einvernehmliche Festlegung einer einzelnen Bestimmung durch die Vertragsparteien würde in aller Regel nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB dazu führen, dass diese nicht der AGB-Kontrolle unterliegen würde.

Was ist nun das Fazit dieser Reise durch das nationale und europäische Recht? Bei den unionsrechtlichen Regelungen handelt es sich natürlich nur um “Insellösungen”, die aber eben gerade keine einheitliche Lösung für die AGB-Kontrolle von unternehmerischen Verträgen enthalten, sondern je nach der geregelten Materie unterschiedliche Wege und eine abgestufte AGB-Kontrolle vorsehen. Dies belegt, dass eine generelle Lösung des “Problems” der AGB-Kontrolle in unternehmerischen Verträgen weder geboten noch sinnvoll ist. Der differenzierte Weg des BGH ist daher, wie auch die Entwicklungen im Unionsrecht zeigen, nach wie vor vorzugswürdig, führt er doch zu tragfähigen und – im Sinne der Rechtssicherheit – voraussehbaren Ergebnissen.29 Den WegZHR 187 (2023) S. 429 (437) von “Insellösungen” scheint neuerdings auch die Bundesregierung beschreiten zu wollen. So soll etwa in dem vor einigen Wochen von BMF und BMJ vorgelegten Referentenentwurf für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz – wohl auch als Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit – § 310 BGB um einen neuen Abs. 1a ergänzt werden, der eine Bereichsausnahme für Verträge im Finanzdienstleistungsbereich (d.h. Verträge über Bankgeschäfte, Finanzdienstleistungen, Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Zahlungsdienste) enthalten soll, wenn an dem Vertrag sog. professionelle Kunden i.S.d. KWG oder große Finanzunternehmen beteiligt sind.30 Insoweit sollen § 307 und § 308 Nr. 1a und 1b BGB nicht mehr anzuwenden sein. Nach der Entwurfsbegründung sollen damit in der Praxis gebräuchliche Standardvertragsklauseln, die im Hinblick auf aufsichtsrechtliche Bestimmungen erstellt worden sind und sich an internationalen Standards orientieren, von der AGB-Kontrolle ausgenommen werden. Hier soll also eine Kombination aus Vertragsgegenstand und Unternehmensgröße eine Ausnahme von der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr rechtfertigen. Insgesamt würde es sich also um eine sehr spezifische Regelung handeln. Im Fall ihrer Umsetzung wird interessant sein zu beobachten, ob die Freistellung von der AGB-Kontrolle dazu führen wird, dass einzelne Verwender von den “Standardvertragsklauseln” zu ihren Gunsten abweichende Vertragsbedingungen durchsetzen werden. Das könnte dann wieder § 242 BGB zu neuem Leben bei der AGB-Kontrolle erwecken.

Christian Grüneberg

1

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. 12. 1976, BGBl. I (1976), S. 3317; neu bekannt gemacht am 29. 6. 2000, BGBl. I (2000), S. 946.

2

BT-Drs. 7/3919, S. 43.

3

Vgl. nur BGHZ 41, 151; BGHZ 51, 55.

4

BGHZ 215, 172, Rdn. 64. Die Formulierung hat im Übrigen durchaus ihren Charme, passt sie doch nicht nur zu § 307 BGB, sondern auch zu dem früheren Kontrollmaßstab des § 242 BGB.

5

BGHZ 215, 172, Rdn. 66 ff., 69 ff.

6

Vgl. BGH NJW 1994, 1060, 1067 (in BGHZ 124, 351 insoweit nicht abgedruckt), NJW-RR 2003, 1056, 1059; NZBau 2016, 213, Rdn. 29.

7

BGHZ 178, 227, Rdn. 27.

8

Vgl. nur BGHZ 92, 396, 398 f.; BGHZ 124, 351, 358 ff.; BGH NJW 1995, 1959.

9

Vgl. hierzu Leuschner/ders., AGB-Recht im unternehmerischen Verkehr, 2021, Einleitung Rdn. 44 ff; MünchKommBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, § 310 Rdn. 24 ff.; Sommerfeld, AGB-Reform und Rechtsflucht, 2021, S. 44 ff. (dort auch zur Zweifelhaftigkeit der für eine Reform vorgebrachten “Rechtsflucht-Argumente”); Stoffels, AGB-Recht, 4. Aufl. 2021, Rdn. 553 ff.

10

Vgl. nur Berger, NJW 2010, 467; Müller/Griebler/Pfeil, BB 2009, 2658, 2660 ff., hierzu kritisch Graf von Westphalen, ZIP 2018, 1101, 1104 ff.

11

Für 1 Mio. € Leuschner, ZIP 2015, 1045, 1047; Müller/Griebler/Pfeil, BB 2009, 2658, 2662; für 550.000 € Leyens/Schäfer, AcP 210 (2010) 793; für 500.000 € Becker, JZ 2010, 1098, 1105; für 100.000 € Drygala, JZ 2012, 983, 988.

12

Siehe www.justiz.bayern.de/ministerium/justizministerkonferenz/beschluesse, Herbstkonferenz 2022, TOP I.15.

13

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. 3. 2018, Rdn. 6186 bis 6190, abrufbar u.a. auf den Internetseiten von CDU, CSU und SPD.

14

Siehe die Empfehlung der EU-Kommission vom 6. 5. 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU v. 20. 5. 2003, L 124, S. 36). Danach wären dies Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. €. In diese Richtung wies bereits Art. 7 Abs. 1 des VO-Vorschlags der Europäischen Union für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM [2011] 635 endg).

15

Müller, TranspR 2018, 276, 281. Um als Kleinstkapitalgesellschaft i.S.d. § 267a HGB zu gelten, müssen mindesten zwei von folgenden drei Merkmalen erfüllt sein: 350.000 € Bilanzsumme, 700.000 € Jahresumsatz, im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer.

16

Berger, NJW 2010, 467, 469 f.; Müller/Griebler/Pfeil, BB 2009, 2658 ff.; Kieninger, AnwBl 2012, 306 ff.; in diese Richtung auch MünchKommBGB/Fornasier (Fn. 9), § 310 Rdn. 29, der allerdings eine Gesetzesänderung nicht für erforderlich hält. Siehe hierzu auch das Urteil der Cour de cassation, civile, Chambre commerciale vom 26. 1. 2022, ZEuP 2023, 486 (mit Anm. Sommerfeld) zu Art. 1171 Code civil, der seit der Schuldrechtsreform 2016 einen Maßstab für die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr enthält.

17

Siehe BR-Drs. 338/01 (Beschluss), S. 29 zu Nr. 51 und die Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Drs. 14/6857, S. 54 zu Nr. 51.

18

Graf von Westphalen, BB 2011, 195.

19

Siehe www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2015/Downloads/11012015_Stellungnahme_ZDH_RefE_Bauvertragsrecht.html.

20

VO (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. 2. 2018 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der RL 2009/22/EG (ABl. EU v. 2. 3. 2018, Nr. L 60 I, S. 1); vgl. hierzu Herresthal, NJW 2020, 361 ff.

21

Herresthal, NJW 2020, 361, 366.

22

Siehe dazu Hennemann/Steinrötter, NJW 2022, 1481 ff.; Staudenmayer, EuZW 2022, 596 ff.

23

Erwägungsgrund 26.

24

Dem kommen die Schwellenwerte für mittelgroße Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 2 HGB recht nahe (Bilanzsumme: 20 Mio. €, Umsatzerlöse: 40 Mio. €; 250 Arbeitnehmer).

25

Siehe Nr. 3 der Begründung und Erwägungsgründe 3, 5, 26 und 36; in Erwägungsgrund 36 heißt es insoweit: “Ziel dieser Verordnung ist es, diesen Stellen [also den KMU] den Zugang zu Daten zu erleichtern und gleichzeitig sicherzustellen, dass die entsprechenden Pflichten so verhältnismäßig wie möglich gefasst werden, um eine Übervorteilung zu vermeiden.”

26

ABl. EU v. 11. 7. 2019, Nr. L 186, S. 57; vgl. hierzu auch Voigt/Reuter, DB 2020, 1393 ff.

27

Vgl. hierzu auch Graf von Westphalen, BB 2020, 579 ff.

28

Graf von Westphalen, BB 2020, 579, 580.

29

Ebenso Graf von Westphalen, NJW 2021, 3145, 3149, und ders., NJW 2022, 1409, 1415.

30

Siehe dazu Casper, ZHR 187 (2023) 5, 8 ff.

 
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