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ZFWG 2021, 417
Koenig 

Aktueller Gefechtsstand der Glücksspielbesteuerung

Abbildung 1

Am 1.7.2021 ist das Gesetz zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes („RennwLottÄG“) in Kraft getreten, nach dem bei Online-Casino- und Pokerangeboten eine Besteuerung nach Maßgabe der Bemessungsgrundlage des gesamten Spieleinsatzes erfolgt1. Demgegenüber unterliegen terrestrische Spielbanken und Betreiber von stationären gewerblichen Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten einer auf den Bruttospielertrag bezogenen Besteuerung. Gegen diese privilegierte Bruttospielertrags-Besteuerung terrestrischer Anbieter im Vergleich zu einer Besteuerung der Spieleinsätze bei entsprechenden Online-Angeboten sind bereits Beihilfebeschwerden bei der Europäischen Kommission erhoben sowie eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO wegen des damit einhergehenden Verstoßes gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG 26 L 149/21) beantragt worden.

Als Kern des Beihilfevorwurfes schält sich die Selektivität der streitgegenständlichen Regelung heraus. Nun hat die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission und dem Verwaltungsgericht Berlin vorgetragen, dass das RennwLottG nicht das maßgebliche Bezugssystem zur Besteuerung von Aufstellern von gewerblichen Geldspielautomaten und von Spielbanken sei. Diese terrestrischen Glücksspiele unterlägen anderen steuerrechtlichen Regelungen (Umsatzsteuer, kommunaler Vergnügungssteuer bzw. Spielbankabgabe). Daraus folgert die Bundesregierung, dass auf unterschiedliche Vertriebswege (online versus offline) im Rahmen einer föderalen Steuergesetzgebung auch unterschiedliche Steuersysteme zur Anwendung kommen dürften.

Der These vom Fehlen eines einheitlichen Bezugssystems ist zu widersprechen. Denn bis zu der neuen selektiven Herangehensweise im RennwLottÄG verfolgte der Bundesgesetzgeber eine einheitliche Besteuerungssystematik für die bundesgesetzlich erfassten Glücksspiele, gleich ob diese in Online- oder Offline-Vertriebskanälen angeboten werden. Hatte der Bundesgesetzgeber entschieden, eine Glücksspielart nach dem RennwLottG zu besteuern, wurden konsequent auch deren Online- sowie Offline-Vertriebswege einheitlich und gleichmäßig besteuert. Sowohl hinsichtlich der Bemessungsgrundlage einer Spieleinsatzsteuer als auch hinsichtlich der jeweiligen Steuersätze besteuerte das RennwLottG bisher gleichmäßig

Online- und Offline-Lotterien mit 20 % auf den Einsatz, Online- und Offline-Pferderennwetten mit 5 % auf den Einsatz sowie

Online- und Offline-Sportwetten mit 5 % auf den Einsatz.

Im Hinblick auf Online- und Offline-Automatenspiele verfolgte der Bundesgesetzgeber aufgrund des Umsatzsteuergesetzes bisher ebenso eine gleichmäßige Besteuerung (19 % USt auf den Bruttospielertrag abzüglich der gezahlten Umsatzsteuer).

Nunmehr bricht der Bundesgesetzgeber mit dieser gleichmäßigen Besteuerungssystematik. Zeitgleich mit der Marktöffnung für virtuelle Automatenspiele und Online-Pokerangebote durch den GlüStV 2021 zum 1.7.2021 (!) werden im neuen RennwLottÄG nur eben diese Online-Vertriebswege der hohen Spieleinsatzbesteuerung unterworfen, mithin die entsprechenden Offline-Vertriebsvarianten von der Spieleinsatzsteuer selektiv verschont, indem der Bundesgesetzgeber die gleichen Glücksspielarten in Offline-Vertriebskanälen der niedrigen Besteuerung durch die Landesgesetzgeber überlässt. Die von der Bundesregierung angeführten Unterschiede zwischen den Online- und Offline-Vertriebswegen sind in inkohärenter Weise vorgeschoben. Denn der Bundesgesetzgeber hat in dem RennwLottG schon bei vergleichbaren Unterschieden in den Online- und Offline-Vertriebskanälen von Lotterien, Pferderennwetten und Sportwetten gleichwohl eine einheitliche Besteuerungssystematik angeordnet. Danach ist festzuhalten, dass das maßgebliche Bezugssystem in der gleichmäßigen Besteuerungssystematik nach dem bis zum 30.6.2021 geltenden RennwLottG zu sehen ist, aus welcher ZfWG 2021 S. 417 (418)der Bundesgesetzgeber nunmehr die Offline-Vertriebsvarianten, die den vom neuen RennwLottÄG erfassten virtuellen Automatenspielen und Online-Pokerangeboten entsprechen, von der Spieleinsatzsteuer selektiv verschont und dadurch der niedrigen Besteuerung durch die Landesgesetzgeber überlässt. Diese Dezision der geänderten Besteuerungssystematik hat der Bundesgesetzgeber gesetzt; sie ist entgegen dem Vortrag der Bundesregierung nicht einer „autonomen“ Kompetenzausübung durch die Landesgesetzgeber zurechenbar.

Nach der Rechtsprechung seit dem Azoren-Urteil des Gerichtshofs vom 6.9.2006 (Portugal/Kommission, Rs. C-88/03, Rn. 58 ff.) kann der selektive Charakter einer regionalen Besteuerung nur ausgeschlossen werden, wenn die betreffende Regionalkörperschaft gegenüber dem Zentralstaat hinreichend „autonom“ ihre Steuergesetzgebungskompetenz auszuüben vermag. Die hier streitgegenständliche Regelung beruht dagegen auf einer Entscheidung des Bundesgesetzgebers über die Besteuerungssystematik. Denn die Dezision der geänderten Besteuerungssystematik hat der Bundesgesetzgeber gesetzt, indem er die Offline-Vertriebskanäle der gleichen Glücksspielarten, welche den vom neuen RennwLottÄG erfassten virtuellen Automatenspielen und Online-Pokerangeboten entsprechen, von der Spieleinsatzsteuer selektiv ausnimmt. Die dadurch bewirkte Zuordnung zu der niedrigen Besteuerung durch die Landesgesetzgeber beruht damit gerade offensichtlich nicht auf einer „autonomen“ Kompetenzausübung durch die Landesgesetzgeber im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern auf der Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bundesgesetzgeber. Vielmehr hätte der Bundesgesetzgeber für die Online- wie Offline-Vertriebskanäle eine einheitliche Besteuerungsregelung genauso auf Basis der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG erlassen können, wie er dies gerade nach dem RennwLottG bei Lotterien, Pferderennwetten und Sportwetten getan hat. Die Bundesregierung hat bisher nichts vorgetragen, warum eine solche einheitliche Besteuerungssystematik für Automaten- und Pokerspiele nicht genauso zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich wäre wie bei Lotterien, Pferderennwetten und Sportwetten. Verfolgt man die Logik der Bundesregierung wären die von ihr angeführten Unterschiede zwischen Online- und Offline-Vertriebskanälen in der Erlaubnis- und Lizenzerteilung aus Kohärenzgründen jedenfalls genauso wie bei Automaten- und Pokerspielen auch auf Lotterien, Pferdewetten und Sportwetten zu beziehen.

Nach allem liegt aufgrund der niedrigen Besteuerung von Aufstellern von gewerblichen Geldspielautomaten und von Spielbanken eine beihilfetatbestandliche Selektivität der streitgegenständlichen Beihilferegelung vor.

Univ.-Prof. Dr. Christian Koenig, Bonn*

1

Vgl. Koenig, ZfWG 2021, 230 ff.

*

Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor. Der Beitrag beruht auf einem Rechtsgutachten.

 
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